Kapitel 11: Könnte, könnte, könnte (1.477)
Jungkook:
Was um alles in der Welt war das vorhin? Seit sieben Jahren kann ich keine Berührungen mehr ertragen. Seit sieben Jahren habe ich irgendwelche Therapien besucht, um diese Angst vor Berührungen irgendwie bekämpfen zu können, doch stattdessen wurde sie nur noch größer.
Aber diese Berührungen von Taehyung haben nicht so gebrannt wie die ganzen Berührungen anderer zuvor. Zuerst habe ich sie nicht mal wirklich gespürt, weil mich meine Angst vor der Dunkelheit zu sehr in Beschlag genommen hat. Selbst als das Licht wieder an war und ich sehen konnte, dass die Hände von Taehyung auf meinen Schultern ruhen, habe ich dieses Brennen nicht gespürt. Im Gegenteil. Als er seine Hände plötzlich von meinen Schultern nahm, fühlte es sich mit einem Mal leer und kalt an.
Das war auch einer der Gründe, weshalb ich dann peinlicher Weise nach seiner Hand gegriffen habe, aber auch weil es mich so überrascht hat, dass mir seine Berührungen gespenstischer Weise nichts ausgemacht haben, sondern ich sie sogar viel eher noch genossen habe.
Endlich, nach sieben Jahren, konnte ich wieder eine Berührung ertragen und mir ist einfach schleierhaft, warum.
Ist meine Angst vor Berührungen jetzt ganz plötzlich weg oder ist Taehyung einfach nur ein Ausnahmefall?
„Aish, was stimmt denn nicht mit mir?" frage ich, während ich mich rücklings auf die Bank fallen lasse, auf der ich mich niedergelassen habe, und meine Hände vor mein Gesicht lege. „So einiges." antwortet plötzlich jemand auf meine eigentlich rhetorische Frage. Überrascht über das plötzliche Erscheinen dieser Stimme setze ich mich wieder auf und sehe in das grinsende Gesicht meines besten Freundes.
„Vielen Dank fürs Mutmachen, Hyung." entgegne ich dann auf seine Worte, was meinem besten Freund jedoch nur ein Lachen entlockt. Dann setzt er sich neben mich und stellt mir Fragen: „Was ist denn los, Kookie? Was sitzt du denn hier so ganz alleine auf einer Parkbank in einem menschenleeren Park, während es dunkel ist? Hast du etwa keine Angst mehr vor der Dunkelheit?" „Doch, die habe ich. Aber ich bin geflüchtet und war zu sehr in Gedanken versunken, weshalb ich das Ganze nicht mal mitbekommen habe. Was stimmt nur nicht mit mir, dass ich nicht mal das mitbekommen habe?" beantworte ich die letzten beiden Fragen des Älteren, während ich mich zurücklehne und mir erneut meine Hände vor das Gesicht lege.
„Was ist denn passiert, Jungkookie?" wiederholt er seine Frage. „Ich weiß es selbst nicht wirklich. Im Hotel fiel eben kurzzeitig der Strom aus. Ich muss die Elektrik dringend erneuern lassen. Jedenfalls bin ich in Panik geraten und Taehyung wollte mich beruhigen, indem er seine Hände auf meine Schultern legte." „Was denn? Er hat dich berührt?" Diese Frage nicke ich nur langsam ab.
„Aber das ist nicht mal das Schlimme. Das Schlimme daran ist, dass ich die Berührung zuerst nicht mal mitbekommen habe und als ich es mitbekam, war da nicht dieses Brennen, wie sonst immer, wenn mich jemand berührte. Irgendwie fühlte es sich sogar leer und kalt an, als er seine Hände von sich aus von meinen Schultern nahm. Aber warum ist das so? Habe ich jetzt plötzlich, so ganz ohne Vorwarnung, doch keine Abneigung mehr gegenüber Berührungen?"
Kaum habe ich die Frage zu Ende gestellt, spüre ich plötzlich ein Brennen auf meiner linken Schulter, weshalb ich zusammenzucke. Nur kurz darauf stelle ich fest, dass dieses Brennen von Hoseok's Hand herrührte, die kurzzeitig meine Schulter berührte.
„Nein, definitiv hast du diese Abneigung gegenüber Berührungen noch." „Aber warum fühlte es sich dann bei Taehyung so anders und so gut an?" „Das weiß ich nicht, Kookie. Das kannst du nur herausfinden, wenn du Taehyung davon erzählst. Vielleicht könnte er der Therapiepartner sein, den du seit sieben Jahren suchst." beantwortet der Ältere meine Frage und bringt mich damit zum Nachdenken.
Könnte er Recht haben?
Könnte Taehyung wirklich die Person sein, die ich seit sieben Jahren bei unendlich vielen Therapien gesucht habe?
Könnte ich meine Abneigung gegenüber Berührungen mit seiner Hilfe wirklich ablegen?
Könnte ich mit seiner Hilfe endlich wieder meinen Bruder, meine Eltern und meine Freunde in die Arme nehmen?
Könnte ich mit seiner Hilfe endlich meinen Wunsch, den ich seit bereits sieben Jahren hege, erfüllen, wieder Berührungen genießen zu können?
So viel könnte, könnte, könnte.
„Ich weiß genau, was dir gerade durch den Kopf gehen muss, Kookie. Und die Antworten auf deine Fragen findest du nur, wenn du Taehyung darauf ansprichst und ihn um seine Hilfe bittest."
„Hobi, ich kenne Taehyung gerade mal seit sechs Monaten. Ich weiß nicht, ob ich schon bereit bin, mit ihm über die ganzen Ereignisse von vor acht Jahren zu reden. Ich weiß immer noch nicht, ob ich ihm wirklich vertrauen kann. Diese ganze Sache ist ein einfaches Druckmittel gegen mich. Wenn ich der falschen Person davon erzähle, kann diese das Ganze ganz leicht gegen mich verwenden. Taehyung wird dann meine verletzlichste Seite kennenlernen und ich habe Angst davor, dass er eben diese irgendwann gegen mich verwenden wird. Ich könnte das nicht ertragen."
„Das verstehe ich natürlich, Kooks, aber ich glaube, man kann ihm echt vertrauen. Und denk mal daran, dass er schon seit sechs Monaten bei dir arbeitet. Eine Tatsache, die du niemals erwartet hättest. Außerdem ging es bei euch beiden doch allgemein echt schnell voran, so für deine üblichen Verhältnisse. Du scheinst auch schon gemerkt zu haben, dass man ihm bestimmt vertrauen kann."
„Ja, aber eben dieses Gefühl hat mich ja auch vor acht Jahren erst in diese scheiß Gefangenschaft verfrachtet. Ich habe jemandem zu schnell vertraut und das wurde mir zum Verhängnis. Ich will einen solchen Fehler nicht nochmal machen." entgegne ich und kann mir nicht verkneifen schnippisch zu klingen.
„Jungkook, du hast bereits seit sieben Jahren keine Menschenseele mehr an dich heran gelassen. Meinst du nicht, dass es langsam an der Zeit ist, auch mal anderen Menschen wenigstens eine Chance auf Freundschaft mit dir zu geben? Taehyung scheint mir ziemlich bemüht darum, was doch wohl für ihn spricht, oder?"
Nachdenklich nicke ich leicht und sage: „Vielleicht hast du Recht." „Bestimmt habe ich das. Aber wo hast du eigentlich deine Jacke gelassen? Wir haben Oktober und es ist ziemlich windig." Puh, stimmt. Ich habe meine Jacke total vergessen, als ich peinlich berührt das Büro und Hotel verlassen habe.
„Aish, die habe ich wohl im Büro vergessen." „Dann solltest du aber schnell nachhause, Kookie, es wird heute Nacht..." „Jungkook!" wird mein bester Freund unterbrochen und überrascht sehen wir beide dann in die Richtung, aus der die Stimme kam. Ein lächelnder Taehyung erscheint in unserem Blickfeld und hebt meinen Mantel in die Höhe. Bei diesem Anblick kann ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. „Okay, ich muss dann auch wieder nachhause. Denk an das, was wir besprochen haben, Kookie." sagt mein bester Freund noch, ehe er sich von der Bank erhebt und sich von mir entfernt, während Taehyung auf mich zukommt und sich neben mich setzt.
Er reicht mir den Mantel und sagt dabei: „Ganz schön leichtsinnig von dir, ohne Mantel nach draußen zu gehen." während er wieder eines seiner legendären Kastenlächeln aufsetzt. Ich ziehe den Mantel an, nachdem ich mich bedankt habe und erstmal bleibt es eine Weile still zwischen uns und irgendwie ist genau das angenehm.
„Entschuldige, dass ich dich vorhin so überrumpelt habe." entschuldige ich mich schließlich bei meinem Assistenten. „Ist schon okay, aber warum hast du das eigentlich gemacht? Wie hast du das gemeint, als du sagtest, dass sich meine Berührung anders als die von anderen angefühlt hätte?"
Ich atme nochmal tief durch, während ich mir meine Hände vor mein Gesicht lege und überlege, ob ich ihm das Ganze wirklich erzählen sollte.
Aber Hobi hat Recht. Vielleicht ist Taehyung die Person, die mir meine Angst vor Berührungen nehmen kann. Ich würde alles dafür tun, endlich wieder meine Eltern, Freunde und meinen Bruder zu umarmen.
Die Möglichkeit, dass er das Ganze irgendwann gegen mich verwenden wird, ist zwar schon ziemlich gering, doch sollte es doch der Fall sein und er wird mich irgendwann damit erpressen, so wäre es das Ganze ja eigentlich wert gewesen, weil ich endlich wieder Berührungen spüren kann. Eine Sache, die nicht nur ich mir, sondern auch alle meine Angehörigen sich wünschen.
„Ich will dich nicht drängen, es ist nur..." „Nein, ist schon okay." unterbreche ich Taehyung, ehe ich weiter spreche: „Bevor ich es dir erzähle, muss ich aber auf eins, zwei Sachen bestehen." „Und die wären?" „Also erst einmal bitte ich dich, niemandem von dem zu erzählen, was ich dir erzählen werde." beantworte ich teilweise seine Frage und er nickt nur. „Und dann möchte ich dich um deine Hilfe bitten. Seit sieben Jahren lebe ich schon damit und du bist vielleicht meine Chance, nicht mehr damit leben zu müssen." „Worum gehts denn hier?" fragt er sichtlich irritiert.
„Hier kann ich es dir nicht erzählen. Ich muss es dir an einem Ort erzählen, an dem niemand sonst es mitbekommen kann." „Und der wäre wo?" „Bei mir zuhause. Erklärst du dich bereit, mit zu mir zu kommen?"
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Also erst einmal sorry, dass das heutige Kapitel so spät kommt, doch das hatte seinen Grund.
Und zwar habe ich soeben eine Short Story fertig überarbeitet und anschließend gleich hochgeladen.
Es würde mich freuen, wenn ihr auch da mal vorbei schauen würdet.😉
Und sorry nochmal, aber ich habe mich dennoch an den Update-Plan gehalten, da das Kapitel ja noch am Donnerstag raus kam. (Auch wenn der nur noch dreißig Minuten ist.) xD
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