kapitel 32

Wenn Liebe und Leidenschaft
zu Schwere und Schmerz umschlagen,
hämmert mein Herz im Einklang mit deinem.

Unersättlich,
traurig,
milde.

Es rettet, was unsere Worte
nicht mehr ausbügeln können,
wie ein Laken, welches zu viele
Falten hat.

„Ich habe mich schon gefragt, ob du vielleicht nicht erscheinst", begrüßt mich Romere, während seine Augen über mich schweifen. Ich schlucke, weil ich vollkommen vergessen habe, wie spürbar die Spannung im Raum ist, sobald ich ihm gegenüberstehe. Es ist wie wenn man eine Brille aufsetzt und die Welt plötzlich viel klarer sieht. So fühlt es sich an, Romere gegenüberzustehen. Nur noch er existiert. Und ich bin all zu gewillt, ebenfalls nur für ihn zu existieren.

„Verdammt, Aud, sieh mich nicht so an", haucht er und steht auf, um die Tür hinter mir zuzumachen. Ich kann kaum mehr atmen, weil wir uns körperlich so nahe sind, ich ihn aber nicht berühren kann.

„Wie sehe ich dich denn an?", will ich wissen. Ein verschmitztes Grinsen macht sich auf seinem Gesicht breit, aber dann sehe ich sein Gesicht nicht mehr, weil er sich hinter mich gestellt hat. Seine Arme berühren sanft meine Schultern und massieren meinen Nacken, der mir gar nicht angespannt erschienen ist, aber sich dennoch unfassbar lockert.

„Als würdest du mich gerne küssen...als würdest du gerne sogar mehr machen."

Ich seufze und schließe die Augen, während sich in meiner Magengegend eine angenehme Wärme breitmacht. Am liebsten würde ich mir jeden Mittag den Nacken von Romere massieren lassen. Seine Stimme ist dazu nur noch ein zusätzlicher Balsam. Sie rauscht wie Musik in meinen Ohren, die Endorphine tief in mir auslöst. Als wäre meine natürliche Körperreaktion auf ihn...Glück. Ganz simpel. Und doch unfassbar kompliziert.

„Was ist daran nicht gut?", frage ich leise. Ich traue meiner Stimme nicht zu, lauter zu sprechen und außerdem weiß ich nicht, wie dicht diese Wände sind.

„Dass ich nur noch zwanzig Minuten habe."

Romere klingt so atemlos wie ich mich fühle. Und es bringt mich um den Verstand, ihm nicht näher sein zu können. Ich drehe mich um und presse meine Lippen auf seine. Es fühlt sich an wie eine Erlösung, aber gleichzeitig auch wie eine süße Sünde. Es fühlt sich jedes Mal aufs Neue überwältigend an, ihn zu küssen. Es gibt nicht nur sanfte oder harte Küsse. Nicht nur Leidenschaft oder Lust, es gibt einfach nur Küsse, die so...wir sind. Romere-Audrey Küsse. Gefühle, die ich nicht beschreiben kann, aber die mich überwältigen, einfach weil sie da sind. Es ist eine Sucht, der ich mir willentlich hergebe, weil sie mich erfüllt, mir aber keineswegs schadet. Diese Momente, wenn unsere Lippen sich berühren, unsere Hände den Körper des jeweils anderen finden, Hände und Haare verflochten werden, das sind Romere und ich. Da gibt es keine Grenze mehr zwischen und, nur unsere Wahrheit, unsere eigene kleine Realität, die sich anfühlt wie eine Blase, aber mehr ein sicherer Hafen ist. Ich fühle mich wohl in seinen Armen, weil ich weiß, dass es keinen schöneren Ort für mich gibt. Romere ist mein Rückzugsort, mein Zuhause.

Auch wenn ich mit ihm so viel neue Dinge erlebe, die sich eigentlich gar nicht so heimlich anfühlen wie ein Zuhause, sondern viel eher eine unglaubliche Herausforderung sind. Aber ich bin bereit, das auf mich zu nehmen. Ich würde noch so viel mehr auf mich nehmen, wenn es bedeuten würde, Romere immer halten zu können, jede Minute in seine Augen schauen zu können oder noch viel eher in immer küssen zu können. Ich liebe seine Worte, aber ich liebe auch seine Lippen. Denn obwohl die beiden Dinge eigentlich zusammenhängen, haben sie für mich eine vollkommen unterschiedliche Bedeutung. Ich werde niemals genug haben von seinen Worten und ich werde niemals satt sein von seinen Küssen.

„Oh, Audrey, ich liebe es, wenn du mich so küsst", murmelt Romere zwischen Küssen. Dann lösen sich seine Lippen von meinen und machen an meinem Schlüsselbein zu schaffen. Federleicht streichen erst seine Finger darüber, dann folgen seine Lippen und seine Zunge – und oh seine Zunge! Ich beiße mir auf die Lippen, während mein Kopf sich in den Nacken legt, und verbiete mir, laut zu sein. Es könnte jederzeit jemand reinspazieren und ich weiß nicht, ob mir das Angst macht oder ob es mich erregt, weil es bedeutet, dass es Romere absolut egal ist. Er würde es für so etwas riskieren – genau wie ich aber auch.

„Wie küsse ich dich denn?"

„Als wäre ich Luft. Als würdest du unter Wasser sein und ich wäre die lang ersehnte Luft, die endlich auf deine Lippen trifft und deine Lungen erblühen lässt. Und ich liebe es, dass du es tust, denn genauso fühlt es sich auch für mich an. Du hast keine Ahnung, wie schmerzhaft es ist, von dir getrennt zu sein, Audrey."

Meine Finger krallen sich in seine Schultern. Das ist absolut heiß. Seine poetische Seite. Sie tätowiert mein Herz und ich werde diese Tinte niemals löschen können, aber es ist mir auch egal, weil es Romere gehört. Mittlerweile gehört beinahe schon alles an mir Romere. Mein Lächeln. Meine Zeit. Meine Liebe. Romere saugt so sehr an meiner Haut, dass mir ein Stöhnen entfährt. Sofort lösen sich seine Lippen von meiner Haut und er schenkt mir ein wissendes Lächeln, ehe sich unsere Lippen wieder vereinigen.

Du küsst mich, als wäre ich Luft.

Ich brauche dich, als wärst du Luft. Der Romere-Audrey Kuss verändert sich mit jeder Minute und das Flattern in meinem Bauch wird zu einem Sturm, einem Höhepunkt der Erregung, einem Sehnen nach mehr, dass ich immer mehr Luft brauche. Immer mehr von ihm. Mehr und mehr und mehr, weil mein Verlangen unersättlich ist.

„Wir müssen vielleicht einen Gang herunterfahren", breche ich den Kuss ab, als ich Schritte nahe der Tür höre. Ich löse mich schlagartig von Romere und starre an eine Wand, während vor meinen Augen Sterne der Benommenheit tanzen. Ich werde über ihn herfallen, wenn ich ihm jetzt ins Gesicht sehe. Ich werde noch das letzte bisschen meiner Selbstbeherrschung verlieren und das kann ich mir nun wirklich nicht erlauben. Nicht hier. Zuhause. Aber nicht an unserem Arbeitsplatz. Ich könnte mir niemals verzeihen, ihn wieder in den Zustand zu bringen, in welchem er gewesen ist, als ich ihn zum ersten Mal in dem Lebensmittelgeschäft gesehen habe. Leer. Verloren.

Denn wie wenig mir das auch aufgefallen sein mag, ich habe vergessen, dass er diese Seite überhaupt noch hat. Er hat sie durchlebt, und zwar so, dass er jetzt fertig mit ihr ist. Dafür aber mit mir angefangen und mit dem zwischen uns und es ist so wundervoll und prickelnd, dass ich davon regelrecht berauscht bin.

„Ich weiß nicht, wie ich einen Gang herunterfahren soll. Ich kann nur an dich denken. An unsere Nacht."

Ich presse meine Augen und Lippen zusammen. Nicht hilfreich, nicht hilfreich, nicht hilfreich. Ich brauche ihn. Aber ich kann ihn mir hier nicht nehmen.

„Romere", seufze ich also. Ihn hier so aus einer bestimmten Region meiner Gedanken zu verbannen, bereitet mir genauso Kopfschmerzen wie andere Dinge ... zum Beispiel mein Gespräch mit Leath.

„Was ist mit dir und Leath geschehen?", frage ich also, um mich aus meinen eigenen Gedanken in Romeres zu drängen.

„Was?" Er klingt überrumpelt. Hätte ich mit diesem Thema warten sollen?

„Mit dir und Leath ist etwas geschehen. Ich merke ja, wie sehr ihr euch hasst. Was ist passiert?"

Schweigen. Und plötzlich ist das Prickeln aus der Luft verschwunden, genau wie auch das Knistern und zurück bleibt nur eine undefinierbare Schwere. Ich drehe mich zu Romere, der am anderen Ende des Raumes steht. Haare zerzaust, Lippen angeschwollen, sieht er mich an als wie ein verwundetes Reh. Und ich habe noch nie etwas Schöneres gesehen.

„Verschiedene Dinge sind vorgefallen, Audrey."

„Was, Romere? Ich merke, wie sehr dich das bedrückt. Rede mit mir. Keine Geheimnisse mehr, nicht wahr?"

„Keine Lügen mehr", korrigiert er schwach und ich versteife mich. Ist das sein verdammter Ernst? Keine Lügen mehr?

„Romere", sage ich langsam, jede Silbe betonend.

„Keine Geheimnisse mehr. Ich meine es ernst. Ich bin in jedem Punkt zu hundert Prozent ehrlich zu dir. Was willst du denn noch, verdammt? Du kannst mir nicht wirklich erzählen, dass du noch Geheimnisse vor mir hast. Vor allem nicht Dinge, die du mir bewusst nicht sagst, weil-...wieso auch immer! Ich brauche deine Ehrlichkeit, ja? Ich werde nicht tolerieren, dass wir wieder auf einen Grat zusteuern, der uns wegen dieser blöden Geheimnisse zwischen Leben und Tod schwanken lässt. Ich habe ehrlich gehofft, dass du diese Lektion auch gelernt hast."

Ich stemme meine Hände in die Hüften, weil ich nicht sicher bin, was ich sonst mit ihnen hätte tun sollen. Nach allem, was wir zwei gehabt haben, macht es mich unglaublich wütend, dass er sich das Recht nimmt, wieder alles zu riskieren. Dabei hat er mir versprochen, es nicht zu tun. Wir haben uns das versprochen. Keine Geheimnisse. Keine Lügen. Aber so wie er es sagt, gibt es da etwas unglaublich Wichtiges, was ich nicht weiß. Romere rauft sich die Haare.

„Natürlich habe ich dir das versprochen, Audrey! Was hätte ich denn sonst tun sollen-..."

„um mich ins Bett zu kriegen?", zische ich wütend.

„Wenn ich dich liebe", vollendet er seinen Satz aber. Aber das beruhigt mich nicht, es macht mich eigentlich nur noch wütender.

„Romere", ermahne ich ihn mit einem warnenden Ton.

„Audrey", erwidert er müde. Er klingt immer so müde, wenn es um die ernsten Dinge geht.

„Du kannst mir nicht Dinge versprechen, wenn du sie nicht so meinst. Du kannst mir nicht sagen, dass du etwas tust, einfach weil du mich nicht verlieren möchtest, klar? Liebe ist wichtig, aber Liebe allein reicht nicht aus, wenn du nicht bereit bist, ehrlich zu mir zu sein."

Romere schenkt mir ein trauriges Lächeln.

„Das habe ich nie vermutet. Ich suche nur nach den richtigen Worten, um dir zu sagen, was ich in den letzten vier Jahren ohne dich ein anderer Mensch geworden bin."

Ich spare mir den Kommentar, dass er unter anderem uns zerstört hat. Wir haben dieses Thema schon durchgekaut und diese Diskussion wird auch nicht produktiver, wenn ich diesen Satz in den Raum werfe.

„Ich erwarte die Wahrheit von dir, wenn das mit uns funktionieren sollte, Romere. Und das jede einzelne."

„Auch wenn sie dir nicht gefallen?"

Ich nicke knapp, auch wenn ich mir nicht ganz sicher bin, ob das vielleicht ein Fehler ist. Ich weiß schließlich nicht, wie viel er mir verschwiegen hat.

„Okay, dann morgen Abend bei mir", beschließt er. „Dann habe ich nämlich frei."

Ich runzle die Stirn. „Du hättest heute Abend gearbeitet?"

Romere lächelt. „Nein, heute Abend räume ich das Chaos in der Wohnung auf."

Ich rolle mit den Augen, aber es dringt doch auch ein Lächeln zu meinen Lippen hindurch. Morgen Abend. Dann werde ich endlich erfahren, was schon die ganze Zeit in ihm geschlummert hat, aber niemals ans Licht wollte. Dann werde ich endlich auch noch das letzte Puzzlestück zu Romeres Bild haben und ich kann es kaum erwarten, dieses Bild zu vollenden. Es fühlt sich an, als wäre es auf eine merkwürdige Art mein Schicksal und als hätte dieses Rätsel ständig unter meinen Fingern gebrannt. Und ich brauche diese Erlösung dringender als ich zugeben würde.

„Danke", sage ich leise. Ich weiß, dass es schwer ist, aber ich weiß auch, dass es notwendig ist.

Romere seufzt nur. „Ich weiss nicht, ob du dich noch bedanken wirst, wenn du weisst, worum es geht."

„Ich bin immer für eine Überraschung zu haben", versuche ich die Situation scherzhaft auflockern. Romere versucht sich an einem Lächeln, aber es erreicht seine Augen nicht.

„Wenn du meinst. Aber ich meine es ernst, Audrey."

Das ‚Ich liebe dich'? Gut, denn ich liebe dich auch. Aber das sage ich nicht. Stattdessen nicke ich nur und sehe dabei zu, wie er seine Mittagspause beendet und den Raum verlässt.

Was für Geheimnisse hat Romere wohl?

Und was glaubt ihr war bei ihm in den letzten 4 Jahren los?

Was das ein gutes Liebesgeständnis 😂?

Ich hoffe, dass euch das Kapitel gefallen hat und wir lesen uns bald wieder 🥰

PS: Habe ich schon erwähnt, dass diese Geschichte insgesamt 44 Kapitel hat? Wir nähern uns also dem Ende 🤭

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