kapitel 24
Du wirst wütend,
dass ich anderen helfe;
aber wie soll ich sonst
auf einen Hilferuf reagieren?
Ich wünschte, ich hätte dieselbe
Hilfe von dir
wie er von mir.
Ich wünschte, wir wären auf derselben
Wellenlänge;
Aber ich schwimme in einem Fluss
und du im Meer.
Wir können als
Wirt und Symbiont
Nicht überleben,
wenn sich die Wasser vermischen.
„Du solltest den Laptop vermutlich im Sekretariat abgeben", bricht Leath nach einigen Minuten die Stille. Sein Blick hat mich ein paar Mal gestreift, seit Callum gegangen ist, aber er hat nichts gesagt, sondern nur darauf gewartet, dass ich die Stille breche. Ich selbst habe nichts zu ergänzen gehabt, weshalb ich ihm die Zeit gelassen habe, die er anscheinend gebraucht hat, um einen Kommentar zu finden. Ehrlich gesagt kann ich aber nicht begreifen, wieso er so überrascht scheint, dass ich Callum geholfen habe. Das ist mein Job. Dafür werde ich bezahlt.
„Ja, das kann ich in der Mittagspause machen. Wenn es Callum nicht schon früher bemerkt und das Gerät abholt."
Ich werfe kurz einen Blick in Leaths Richtung, stocke dann aber, als ich merke, dass mir seine volle Aufmerksamkeit gilt.
„Ist etwas?", möchte ich wissen, aber er zuckt nur mit den Schultern. Vielleicht findet er nicht die richtigen Worte, um das zu sagen, was er gerne sagen würde. Oder vielleicht weiß er einfach nicht, was er mir jetzt schon sagen möchte, weil ich neu hier bin.
„Callum ist normalerweise nicht so aufgeschlossen, das ist alles."
Ich ziehe eine Augenbraue in die Höhe.
„Kennst du alle Schüler hier so gut? Oder ist Callum ein Einzelfall?"
Leaths Mundwinkel zucken. „Einzelfall, definitiv. Callum ist einer der wenigen Kerle, die tatsächlich den Mut haben nachzufragen, wenn sie etwas brauchen. Vielleicht, weil ihn niemand aufzieht, wenn er es tut. Er hat nicht viele Freunde hier. Aber er ist ein unglaublicher Sportler, wenn du mich fragst. Sein Herz schlägt für das Feld, aber um zu spielen braucht er eben gute Noten, was meiner Meinung nach unsinnig ist. Er ist keiner dieser Kerle, die gerne in einer Schulbank sitzen, er bewegt sich lieber und lässt dabei gerne Dampf ab. Letztes Jahr hatte er sehr schlechte Noten, weshalb er jetzt doppelt so viel von sich geben muss."
Ich nicke verständnisvoll, aber ich frage mich, wieso Leath denkt, dass Callum nicht in eine Schulbank gehört. Er hat Potenzial, zumindest im Bezug auf die vier Zeilen, die ich gesehen habe. Nicht viele können ihre Gefühle so kurzfassen, aber er hat es geschafft und dafür bewundere ich ihn.
„Oh, ich glaube wir kriegen jetzt dann Ärger. Der Sportchef höchstpersönlich ist auf dem Weg zu uns", flüstert Leath plötzlich leise, während Respekt in seine Augen tritt. Etwas verwirrt drehe ich mich zur Seite, um ebenfalls einen Blick auf den Sportchef werfen zu können – nur, dass sich mir der Magen beinahe umdreht, als ich sehe, wer dieser besagte Sportchef ist. Das kann alles nur ein böser Zufall sein. Ich presse meine Lippen zusammen, um mich zu beherrschen, während die Erinnerung an Suttons Geburtstagsparty mich wie eine Wucht zu überrollen scheint. Romere sieht nicht weniger angespannt aus, aber er hat nur einen kurzen Blick auf mich erhascht, während er jetzt Leath mit den Augen fixiert. Er sieht wütend aus.
„Kannst du mir das erklären, Leath?", keift er mit zusammengekniffenen Augen, während sein Körper unter Strom zu stehen scheint. Romere wirft Leath beinahe schon ein Blatt Papier auf den Tisch, welches dieser betont ruhig zur Hand nimmt und dann an mich weiterreicht. Mein Herz stockt und ich will ihn schon als Verräter abstempeln, als ich die Worte lese, welche auf dem Papier geschrieben stehen.
SCHLÜSSELMOMENTE - CALLUM
Wovon ich fliehen möchte,
ist ein Moment.
Flüchtig, aber intensiv.
Ich suche nach Erklärungen,
finde aber nur Gründe.
Vielleicht muss ich nicht in die
Ferne blicken.
Vielleicht sind meine Ziele nahe.
Ein Augenblick. Ein vorbeiziehender Moment.
Schande.
Oder.
Freude.
Ich muss die richtige Antwort finden,
um frei zu werden.
So frei wie der erste Atemzug
Nach einem Hail Mary.
Ich brauche einen Schlüssel,
um mich aus diesem Gefängnis
zu befreien.
Doch was, wenn der einzig
mögliche Schmied
die Zeit ist?
„Das ist ein sehr schönes Gedicht", sage ich. Genau genommen strotzt es von Gedanken und Gefühlen und ich kann nicht glauben, dass Callum so etwas Schönes geschrieben hat. Es ist unfassbar, wie wenig es gebraucht hat, um ihm einen guten Weg zu vermitteln.
„Das ist ein Gedicht, Audrey."
„Ich weiß. Ich kann lesen. Callum hat wundervolle Arbeit geleistet, Romere. Ich verstehe nicht, wieso dich das so wütend macht."
Ich verstehe dich allgemein nicht, denke ich.
„Er hat gesagt, dass er hier Hilfe gekriegt hat? Von dir oder von Leath?"
„Von Audrey", mischt sich Leath ein, während seine Finger nervös auf dem Tisch trommeln. Vermutlich hat er die Spannung registriert, welche zwischen uns in der Luft liegt, und sie macht ihn ziemlich nervös, wenn ich das richtig deute.
„Wieso schreibt er ein Gedicht während des Trainings, Audrey?", hakt Romere weiter, was mich allmählich ebenfalls wütend macht. Ich habe mich doch nicht um die Dinge zu kümmern, welche unter seinem Radar passieren.
„Wieso fragst du ihn das nicht selbst?"
„Er hat gesagt, dass es seine Hausaufgaben sind."
Ich zucke mit den Schultern, während ich einen Stapel Papiere auf meinem Tisch zurechtrücke.
„Was ist falsch an dieser Antwort?"
„Dass er es während meines Unterrichts getan hat."
Romere klingt ein wenig wie ein kleines Kind. Was erwartet er denn von mir zu hören? Es interessiert mich kaum, was bei ihm im Unterricht geschieht. Es interessiert mich viel eher wie er mit seinem gesundheitlichen Zustand ein Sportchef geworden ist.
„Das liegt nicht in meiner Verantwortung. Aber es ist ein gutes Gedicht. Wirklich gut."
„Es ist mir sowas von egal, ob das Gedicht gut ist oder nicht, klar?", schnauzt er mich an, worauf ich nur mit den Augen rollen kann.
„Und mir ist egal, was nicht mein Job ist, klar? Sei ein wenig rücksichtsvoller. Hast du ihn vielleicht gefragt, ob er seine Sachen vielleicht nicht für einen kurzen Moment weglegen könnte? Hast du gelesen, was er geschrieben hat? Ich glaube nämlich nicht, dass du es getan hast und ich denke, dass du wirklich überlegen könntest, ob das eine gute Reaktion ist oder nicht. Aber ich kann nicht klären, was du nicht unter Kontrolle hast und das will ich ehrlich gesagt auch nicht, weil es einfach nicht meine Sache ist, ja?"
Romere sieht so wütend aus, dass ich das Gefühl habe, dass er bald platzen wird, aber er macht nichts Derartiges, sondern ballt seine Hände nur ein paar Mal zu Fäusten, ehe er sie wieder löst. Mir ist klar, dass ich ihm keine zufriedenstellenden Antworten gegeben habe, aber das ist auch nicht meine Aufgabe oder mein Interesse. Ich frage mich wirklich, was er glaubt, wer er denn sei, dass er andere Leute herumkommandieren kann. Vielleicht hat das bei Leath funktioniert, aber Romere kann mir nicht sagen, was ich zu tun habe, wenn er nicht einmal sein eigenes Leben im Griff hat. Oder seine Schüler.
„Man kann nicht einfach Gedichte im Unterricht anderer Fächer schreiben. Das funktioniert so nicht und das ist auch nicht richtig. Du kannst meine Aussagen nicht so hinstellen, als wäre das zu viel verlangt."
„Das mache ich nicht. Aber ich kann nicht kontrollieren, was die Schüler bei dir im Unterricht machen und ich werde mich auch nicht einmischen. Ich glaube daran, dass du deine Probleme auch gut selbst lösen kannst, Romere."
Oder zumindest hoffe ich, dass er mich aus ihnen hält.
„Gut zu wissen", antwortet er. Die Worte sind so emotionsgeladen, dass ich mich frage, ob da mehr dahintersteckt. Aber ich frage nicht nach, sondern tue nur so, als wäre das alles nicht mein Problem. Als hätte ich kein Herzrasen, weil Romere das Einzige ist, an was ich noch denken kann. Im selben Raum zu sein raubt mir auf die bestmögliche Art den Atem, auch wenn ich weiß, dass ich nicht auf meine Instinkte vertrauen sollte, wenn es um ihn geht. Ich kann mich nicht auf meine Gefühle verlassen, wenn sie mich so gerne hintergehen. Egal wie gerne ich ihn auch küsse, was ist mit dem bitteren Schmerz, der sich als Nachgeschmack in mir breitmacht? Ich kann kein Pflaster drüber kleben und alles wird wieder gut. Ich kann nur hoffen, dass sich das alles irgendwann von selbst klärt, was natürlich nicht der Fall sein wird. Also muss ich die Dinge eben selbst in die Hand nehmen und dafür sorgen, dass sie richtig funktionieren. So einfach ist das. Wenn es bedeutet, mich emotional von ihm fernzuhalten, dann ist das der Weg, den ich unter allen Umständen gehen muss, um mein Herz zu schützen.
„Ja, tatsächlich", stimme ich zu und nicke ihm abschließend zu, weil ich nicht weiß, wie ich diese Konversation sonst beenden soll.
Und da treffen sich die beiden bei der Arbeit 😩
Wie findet ihr die Situation zwischen Audrey und Romere?
Wen mögt ihr bisher am meisten?
Ich hoffe, dass euch das Kapitel gefallen hat & wir lesen uns nächstes Wochenende wieder 😄💜
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