kapitel 21
Die kleinen Freuden
sind die wichtigsten
im Leben.
Lichtblicke,
Liebe.
Sie vereinfachen das,
was alles nicht funktioniert.
Ich räume beinahe schon penibel auf, weil ich nicht weiß, wie ich mir die Zeit sonst vertreiben soll. Ich habe schon einen langen, ausführlichen Eintrag in mein Notizbuch gemacht, um Zeit zu töten, aber ich habe nicht wirklich eine Beschäftigung, auf welche ich mich konzentrieren kann. Ich habe nur mich selbst und meine Zeit. Was keine gute Kombination ist, außer wenn ich meinem Bruder dabei helfen möchte, ein weiteres Album zu schreiben. Was nicht meine Absicht ist. Aber ich könnte mal wieder mit ihm telefonieren. Das habe ich schon seit ein paar Tagen nicht mehr getan und mir fällt kein besserer Weg ein, um mich vom gestrigen Abend abzulenken.
Ich stelle mein Handy auf Lautsprecher, während ich darauf warte, dass jemand abnimmt. Ich habe sicherheitshalber mal Page angerufen – seine Frau oder eben auch meine beste Freundin – weil sie viel zuverlässiger ist, wenn es darum geht, abzunehmen, wenn ich anrufe. Brexon macht meistens irgendwas, wobei er sein Handy auf stumm stellt oder ganz ausschält, aber Page ist ziemlich zuverlässig und lässt mich nicht einfach hängen, wenn ich es brauche. Vor allem seit sie schwanger ist, antwortet sie mir häufiger, weil sie immer auf Notfälle vorbereitet sein möchte. Ehrlich gesagt glaube ich aber einfach, dass das ihr Alibi ist, weil sie sich Sorgen um mich macht und immer erreichbar bleiben möchte, für den Fall, dass ich mal etwas von ihr brauche. Ich liebe sie dafür, auch wenn ich ihr das so noch nie gesagt habe.
„Guten Morgen, Aud", begrüßt sie mich mit einem glücklichen Ton, während es im Hintergrund raschelt und ich höre, dass Brexon irgendetwas grummelt. Ich muss beinahe lachen, weil ich mich daran erinnere, wie sehr ich die beiden vermisst habe. Es ist verrückt, was das Unterbewusstsein mit jemandem anstellen kann, während man sich überhaupt nicht damit befasst.
„Guten Morgen", entgegne ich, während ich die Kamera einschalte, sodass Page mich sehen kann. Sie macht dasselbe und ich grinse sie an, als ich ihren strahlenden Gesichtsausdruck erblicke, welches mir über mein Display entgegenleuchtet. Ich liebe es, dass sie sich immer so freut, mich zu sehen. Das bessert mir meine Laune zu hundert Prozent.
„Wie steht es mit deiner Schwangerschaft?", will ich wissen, worauf sich ihr Gesicht noch weiter erhellt. Sie hält ihr Handy nun so, dass ich auf ihren flachen Bauch blicken kann. Ich muss lachen und Brexon erscheint nun ebenfalls auf dem Bild, wobei er mir einen strengen Blick zuwirft.
„Was hast du denn erwartet, Aud? Es dauert eben meistens ein bisschen, bis man den Babybauch sieht, du Schlumpf."
Ich zucke mit den Schultern, während Page ihr Handy so hinstellt, dass sie beide auf dem Bild sind, ohne dabei direkt aufeinander kleben zu müssen.
„Ich habe gar nichts gesagt. Aber ich freue mich schon auf die Ansprache „Tante Aud". Ich habe das Gefühl, dass mir das ziemlich gut stehen würde, weißt du? Außerdem bin ich doch nur glücklich für euch. Kleine Kinder und Babys sind die besten. Zu süß, um wahr zu sein."
Page nickt zustimmend, während Brexon nur mit den Augen rollt.
„Ich hätte dir nie beibringen dürfen, so unverschämt zu schleimen, Aud. Das tut sich echt nicht gut."
„Es ist nicht schleimen, wenn ich es ernst meine", verteidige ich mich, während mein Mund aufklappt. Brexon zieht nur die Augenbrauen in die Höhe, hebt aber verteidigend die Hände in die Höhe, als Page ihm einen strengen Blick zuwirft.
„Ich meine das alles nicht böse, Page, ja? Ich freue mich nur und das kannst du mir nicht verdenken. Apropos...wird es eine Babyparty bei euch geben?", frage ich neugierig, während ich wieder Pages Blick suche. Sie nickt aufgeregt, während sie in die Hände klatscht.
„Auf jeden Fall! Wir müssen zwar noch lange warten, aber wir wollen auf jeden Fall eine solche schmeißen. Oder zumindest möchte ich das und Brexon wird sich dem eben fügen müssen", sagt sie und zwinkert mir dabei zu.
„Das klingt alles so brutal", wehrt sich Brexon. „Aud, ich schwöre dir, ich bin zu hundert Prozent für eine Babyparty, da besteht gar keine Notwendigkeit, sich zu fügen. Aber die ersten paar Monate sind am gefährlichsten für das Baby und ich möchte einfach mal sicherstellen, dass da alles glatt läuft, bevor ich mit der Zukunft befasse. Wir haben alle Zeit der Welt, verstehst du? Da habe ich es nicht nötig, einige Monate im Voraus schon solche Dinge zu planen und dann alles ändern zu müssen, weil man die Zukunft eigentlich nie planen kann."
Ich nicke zustimmend, während sich mein Herz erwärmt. Alle Zeit der Welt. Ich liebe die Liebe der beiden und ich liebe es, dass die beiden wichtigsten Menschen in meinem Leben endlich ihr Glück gefunden haben. Es ist fast schon lächerlich, dass manche Leute in den banalsten Lebenssituationen sagen „Glück gehabt" oder „das ist doch nur Glück", wenn sie eigentlich kein Verständnis davon haben, was wahres Glück ist. Es verlangt so viele Opfer, aber schlussendlich ist es eine Ansammlung von Momenten, die man mit einer Person teilt, welcher man die Welt opfern würde, wenn sie es sich nur wünscht. Glück ist, jemanden zu finden, welche die zweite Hälfte der Seele bildet, die man braucht, um endlich vollkommen zu sein. Denn ich glaube genau das ist die Liebe. Das finden seiner zweiten Hälfte, dessen, was man braucht, um im Leben endlich Halt zu finden und nicht haltlos zu schweben, gefangen zu sein in einer Welt, in welcher man allein kaum zu hundert Prozent gut zurechtkommt.
„Ja, das verstehe ich. Aber ich warte trotzdem schon auf meine Einladung", antworte ich.
„Gibt es sonst etwas Neues bei euch? Habt ihr euch einen Hund oder so zugelegt?", will ich wissen, worauf Brexon die Augen verdreht.
„Nein, Audrey. Außerdem weigere ich mich, mit dir über das Thema Haustier zu sprechen. Du hattest eine Ratte. Eine Ratte, Aud. Ich weiß nicht einmal, wer dir das Recht gegeben hat, so eine zu besorgen, denn Mom und Dad werden wohl kaum so verstandslos gewesen sein. Oder zumindest hoffe ich das, denn alles andere wäre einfach nur tragisch."
Mein Mund klappt empört auf, während ich Brexon beleidigt ansehe.
„Du bist einfach gemein, hat dir das schonmal jemand gesagt? Ich finde das unerhört, dass du dir einfach das Recht gibst, so schlecht über Bunny zu sprechen."
Mein Bruder sieht mit einem bestätigenden Gesichtsausdruck zu Page, als hätten sie sich schon öfter über dieses Thema unterhalten. Währenddessen verschränke ich beleidigt die Arme vor der Brust.
„Das meint ihr jetzt hoffentlich aber nicht ernst, ja? Ich habe Bunny geliebt, und du auch Brexon, egal was du behauptest. Page, ich kann dir versprechen, dass er eine engere Beziehung zu dem Teil gehabt hat als ich und wenn er etwas anderes behauptet, dann ist es eine Lüge. Ich kann dir sogar Beweisfotos hervorsuchen, falls das notwendig sein sollte, einfach damit das gesagt ist."
„Beweisfotos?", fragen die beiden unisono, wobei Brexon empört und Page überrascht klingt. Ich nicke stolz. Diese Schätze habe ich bewahrt und versteckt, einfach weil mir bewusst ist, wie unzuverlässig Brexon im Bezug auf vertrauliche Informationen sein kann. Kurz gesagt: er hätte die Fotos mit Bunny vernichtet und mir es ewig als Fehler vorgehalten, dass ich sie ihm gezeigt habe, denn er hat die Ratte wirklich geliebt. Da kann er noch so viel herumheulen und sagen, dass es nicht stimmt, aber ich kenne meinen Bruder. Ich weiß, wie er tickt und was er tut und ich kenne vor allem seine Schwächen und Stärken, genau wie er es auch bei mir tut.
„Du musst mir diese Fotos schicken, Aud."
Meine Augenbrauen wandern in die Höhe, weil ich es süß finde, wie schnell seine Miene von spielerisch zu todernst gewechselt hat. Das ist einmal mehr der offizielle Beweis dafür, dass ich eine Auszeichnung für die beste Schwester der Welt erhalten sollte, weil ich sogar die Dinge richtig anstelle, um welche ich gar nicht gebeten werde. Ich wünschte, dass dem öfter so wäre und das nicht eher ein Ausnahme-Zustand wäre. Aber ich bin eben verkorkst, wenn es um alles andere als Brexon geht.
„Werde ich tun. Gibt es eigentlich sonst noch etwas Neues, was ich wissen müsste? Irgendetwas, was ihr mir verheimlicht?", frage ich neugierig, worauf die beiden zwar den Kopf schütteln, sich gleichzeitig aber auch so verdächtig ansehen, dass mir der Mund aufklappt. Sie planen definitiv etwas, wovon sie mir noch nichts erzählt haben. Oder sie verheimlichen mir etwas, was eine Überraschung sein sollte.
„Moment mal, heißt das, dass ich bald Besuch von euch beiden kriege?", spekuliere ich, worauf Page mir einen bösen Blick zuwirft, der mich zum Lachen bringt. Ich glaube, dass ich den Nagel auf den Kopf getroffen habe.
„Du weißt nichts davon, Audrey", verkündet Brexon, während er nur mit den Augen rollt.
„Ich habe Page sogar gesagt, dass Videochatten eine schlechte Idee ist, wenn man es mit dir tut. Du kannst uns so gut lesen, dass es beinahe schon unheimlich ist. Aber sie wollte einfach nicht auf mich hören", schmunzelt er, während seine Mundwinkel zucken. Pages Mund verzieht sich, vermutlich weil sie das wirklich geheim halten wollte.
„Du hast diese Überraschung wirklich versaut, Aud", schmollt sie, worauf Brexon ihr einen besänftigenden Kuss auf die Stirn drückt.
„Ich war so stolz darauf, dass du es die letzten Male nicht herausgefunden hast."
Ich zucke mit den Schultern, während sich meine gute Laune steigert. Es sind so gute Neuigkeiten, dass ich die beiden wieder mal in echt sehen kann. Zwei Monate sind vielleicht nicht so viel, aber dafür, dass ich praktisch mein ganzes Leben lang bei meinem Bruder verbracht habe, ist das eine riesige Zeitspanne für mich und ich bin echt stolz darauf, dass ich so gut damit umgehen kann. Bisher. Einigermassen.
„Wann kann ich denn mit euch rechnen? Und werdet ihr bei mir übernachten? Denn dann werde ich nämlich darauf achten, eine Couch oder so zu besorgen, damit wir sicher genügend Schlafplatz haben-...", setze ich an, aber Page unterbricht mich.
„Aud, ich glaube nicht, dass das so funktionieren würde. Die Welt hat Brexon nicht einfach vergessen und ich nehme an, dass du wieder ins Rampenlicht gezogen werden würdest, wenn wir bei dir übernachten. Auch wenn wir es sehr schätzen, dass du uns das überhaupt anbietest. Das ist sehr nett von dir. Wir werden uns irgendwo in der Nähe eine Bliebe suchen, genau wie wir auch ein paar Notlösungen offenhalten werden."
Ein Teil meiner Freude verfliegt wieder, einfach weil ich für wenige Sekunden vergessen habe, wie berühmt Brexon eigentlich ist und dass ich nicht einfach Dinge planen und annehmen kann, die in einer so großen, so allumfassenden Stadt wie New York mit einer berühmten Person einfach nicht möglich ist. Manchmal frage ich mich, ob das Brexon nicht alles zu viel ist und er sich nicht das Leben zurückwünscht, welches er hatte, bevor er so berühmt geworden ist. Damals konnte er das Haus noch verlassen, ohne von Papparazzi gejagt zu werden, während sich die Medien förmlich um die beste Schlagzeile prügeln.
Aber ich traue mich nicht, ihn das wirklich zu fragen, denn da, wo er jetzt wohnt, hat er einen Teil seiner Ruhe wieder, einfach weil das dort gesetzlich so geregelt wird. Außerdem hilft es ihm nicht wirklich, hypothetische Fragen zu stellen oder zu beantworten, weil sie niemals zur Realität werden können. Selbst wenn er nicht mehr berühmt sein wollte, würde ihn die Welt noch kennen. Denn die Wahrheit ist, dass man niemals vergessen wird, wer all die Songs und Alben geschrieben hat, wer in zahlreichen Stadien gespielt und Millionen von Menschen mit seiner Musik begeistert. Man wird sein Gesicht und seinen Erfolg nicht vergessen, also könnte ihn diese Form von Hypothetik höchstens deprimieren, weil sie nichts nützend und fortschrittslos wirkend ist.
„Wann habt ihr denn geplant, hier zu sein?", hake ich nochmals nach, während ich zur Kenntnis nehme, was mir Page gesagt hat. Die beiden tauschen einen Blick aus, denn anscheinend sollte das auch ein Geheimnis bleiben. Aber dann seufzt Brexon und Page nickt zustimmend.
„Du wirst uns so lange ausquetschen, bis du eine Antwort kriegst, nicht wahr?", fragt er nur, worauf ich nicke. Ich habe tatsächlich einige Hypothesen, aber das wissen die beiden ja schon. Sie können meine Gesichtsausdrücke so gut lesen wie ich ihre.
„Wir hatten vor, an deinem Geburtstag bei dir zu sein. Natürlich nur, wenn dich das nicht stört. Ich meine, wenn du schon Pläne mit deinen Freunden oder so hast, werden wir dir nur dein Geschenk überreichen und dich dann in Ruhe lassen-...", beginnt Page, aber ich unterbreche sie.
„Das ist perfekt. Mach dir keinen Kopf darum, ich finde die Idee nämlich wirklich gut. Danke, dass ihr euch die Mühe macht, denn nun kann ich mich endlich auf meinen Geburtstag freuen, ohne daran zu denken, wie deprimierend es wäre, allein zu versauern. Danke, ehrlich. Und ihr braucht mir nichts zu schenken, ich freue mich nur schon, wenn ihr mich besucht."
Brexon sieht mich prüfend an.
„Das klingt deprimierend, Aud. Bist du einsam? Du hast doch gesagt, dass du dich mit Sutton angefreundet hast. Deiner Nachbarin, wenn ich mich recht erinnere?"
Ich nicke.
„Ja, Sutton ist meine Nachbarin und ich habe mich auch mit ihr angefreundet, aber ihr seid trotzdem meine Familie und ich kenne euch schon viel länger und es wird definitiv ein Highlight, euch zu sehen. Ich bin nicht einsam, nur weil ich mich auf die Gesellschaft von Menschen freue, die mir wichtig sind."
Brexon seufzt, kommentiert die Situation aber nicht weiter. Ich bin mir sicher, dass er mir nicht glaubt, aber daran kann ich nun auch nichts mehr ändern. Wenigstens belässt er es bei der Antwort, die er erhalten hat.
„Wir freuen uns auch, dich endlich wieder umarmen zu können, Aud", sagt Page, die mich warm anlächelt. Wir wechseln das Thema und reden für eine ganze Stunde nur noch über belanglose Dinge, die eigentlich gar nicht erwähnenswert sind, aber dennoch ein Teil unseres Gesprächs werden. Ich kann gar nicht sagen, wieso, aber ich glaube, dass wir es tun, damit wir miteinander reden, ohne einen Grund dafür zu brauchen. Als ich auflege, merke ich, wie gut mir dieses Gespräch getan hat. Ich habe diese magische Wirkung nicht erwartet, aber ich merke, dass ich endlich wieder eine gute Entscheidung getroffen habe, ohne wirklich eine Begründung dafür zu haben. Ich schließe für einige Momente meine Augen, während mir klar wird, dass ich nur noch einen weiteren Monat warten muss, bis ich meinen Bruder und meine beste Freundin endlich wieder sehe.
Ahhh damit haben wir endlich wieder mal etwas über Page und Brexon gelesen 😍 und die beiden werden sogar schon Eltern!!!
Was haltet ihr davon, dass sie Audrey besuchen werden?
Momentan ist mein Internet nicht so gut, also tut es mir leid, wenn ich irgendwelche Nachrichten/Kommentare verpasse...😕
Geniesst den Sommer, bis zum nächsten Kapitel 🥰☀️
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