POV Y/N
Ich möchte ihn nicht ansehen, aber es nicht zu machen, ist verdammt noch mal unmöglich. Satoru hängt schlaff in den Ketten und kaum etwas von ihm, ist nicht mit Blut besudelt oder blau verfärbt. Er sieht schrecklich aus. Verletzt und vollkommen erschöpft.
Satoru atmet röchelnd und unregelmäßig.
Ich bin mir nicht mal sicher, ob er überhaupt bei Bewusstsein ist. Und so, wie sie ihn zugerichtet haben, wäre es auch kein Wunder.
Aoi hat ganze Arbeit geleistet und über Stunden auf Satoru eingeschlagen, ihn geschnitten und dabei Witze gemacht. Er hat sich über seine Schwäche amüsiert, ihn beleidigt und fertig gemacht. Die ganze Zeit.
Und was habe ich getan?
Ich habe in meinem Käfig gesessen und gezittert und geweint wie ein Baby.
Satoru hat grinsend alles weggesteckt und ich? Ich war einfach nur feige!
Fuck!
Neue Tränen sammeln sich in meinen Augen, aber ich blinzle sie weg.
Anfangs hatte ich getobt und Getos drei Handlanger beschimpft, aber als mir die Kraft ausgegangen war, und Satoru das erste Mal gekotzt hatte, hatte ich nur noch geweint.
Geweint, weil sie ihm wehtaten. Geweint, weil Geto diese perversen Sachen mit mir machen wollte und wahrscheinlich noch machen würde. Und geweint, weil Satoru unter den beschissenen Umständen gesagt hatte, was auch ich fühlte.
Er liebte mich.
Ich liebte ihn.
Und was bringt uns das am Ende?
Wahrscheinlich gar nichts, wenn ich mir seinen geschundenen Körper so ansah und unsere Lage realistisch betrachtete.
Ich besser helfen müssen. Irgendwie.
Ich hätte ...
Mein Blick huscht über jede Wunde und letztlich sehe ich in sein Gesicht. Das heißt, ich versuche es, aber sein Kopf hängt runter und sein Kinn liegt auf seiner Brust auf. Ich sehe nur die verschmierten, verschwitzten, früher einmal weißen Haare, die sein Gesicht verstecken.
Er wirkt so ... müde. Nicht kraftlos, sondern unendlich müde.
»Du starrst mich an, Prinzessin.« Satorus Stimme ist ein heißeres Krächzen. »Aber lass dich nicht stören. Immerhin ist mein Körper eine Augenweide.«
Ich muss bei dem dummen Kommentar beinahe lachen. »Weißt du, ich hatte mir unsere ersten Fesselspielchen irgendwie anders vorgestellt.«
Er lacht auf, hustete dann aber und hebt den Kopf. Seine eisblauen Augen richten sich auf mich, doch ich erkenne, dass er es schwer hat, mich zu fokussieren.
»Ist das so?«, fragt er dennoch und setzt mir zuliebe ein Lächeln auf.
Unter anderen Umständen wäre ich bei diesem Schmunzeln dahingeschmolzen. Oder hätte ich angefahren, er solle sich die Flirterei sparen. Je nachdem.
Aber jetzt?
Ich zucke beinahe vor seinem Anblick zurück, denn seine Augen, die rechte Wange und auch die Lippen, sind aufgeplatzt und angeschwollen.
Ich reise mich zusammen und grinse.
Wenn er mich schützt, dann schütze ich ihn auch. Und meine Ängste und die Sorge zu verstecken, sind sowieso alles, was ich machen kann.
Es muss jedoch aussehen, wie eine Grimasse, denn Satoru grunzt schnaubend und flüstert: »Netter Versuch, Prinzessin. Aber ich kann dich lesen, wie ein offenes Buch.«
»Ein geschlossenes kann man auch nicht lesen, Arschloch.«
Er lacht leise. »Schlagfertig wie immer. Aber zurück zum Thema, wie hattest du dir unsere Fesselspielchen denn vorgestellt? Mit Plüsch und Federn?«
»Nicht ganz. Ich dachte eigentlich, dass wir das in ein Schlafzimmer verlegen, und nicht in einen Folterkeller. Und auch wenn ich sicher Spaß hätte, dich an der Wand festzubinden, glaube ich, es mehr genießen zu können, wenn du mir Fesseln anlegst.«
»Mhmm«, schnurrte er und schafft es, seine Lippen zu heben. »Der Gedanke ist ziemlich heiß, Prinzessin. Wenn wir hier raus sind, ist das das Erste, was wir machen werden. Versprochen.«
»Ein Bett finden und vögeln.«
»Ein Bett finden und vögeln«, wiederholt er.
Eine kurze Pause einsteht und als er sein Lächeln ablegt, tue ich es auch. Ich muss gegen den Kloß schlucken und die Gefühle beiseiteschieben, die die Zukunft in mir auslösen, wenn er mich so ansieht. Der Gedanke, dass ich ihn wahrscheinlich nicht einmal mehr küssen kann, ist so schrecklich, dass mein Herz ins Stolpern gerät.
Es schmerzt und brennt. Es bricht.
Und daran ist nur eine Person schuld. »Deine Mutter ...«
Satoru versucht, sich in den Ketten aufzurichten, rutscht aber wieder weg und das Klirren der Ketten klingt viel zu laut. Er stöhnt auf, bevor er sagt: »Ja, meine Mutter.«
Er weiß, worauf ich hinauswill und ich muss nichts weiter fragen als »Warum?«
Es dauert, bis er antwortet und als er es dann macht, spricht er leise.
»Um mich zu bestrafen.«
»Aber du bist ihr Sohn.«
Bitter lacht er auf. »Das kümmert sie nicht, Prinzessin. Ihr stößt bitter auf, dass ihr bester Mann plötzlich ... andere Prioritäten hat. Und deswegen hat sie gehandelt. Sie räumt möglichen Problemen aus dem Weg und erteilt mir dabei eine Lektion. Sie ist eine Frau, die ihr Geschäft vor alles setzt. Vor mich, vor die Jungs und ihre anderen Leute.« Satoru atmet tief ein. »Ich sollte wohl froh sein, dass sie mich nicht umgebracht hat.«
Ich wiederholte mich und schlucke herunter, dass sie wohl eher ein bescheuertes Miststück ist als eine Geschäftsfrau. »Du bist ihr Sohn.«
»Nein«, antwortete er müde und senkte den Kopf. »Ich bin ihr bester Mitarbeiter. Ihr bester Killer. Ihre Nummer eins. Aber glaub nicht eine Sekunde, dass diese Frau irgendwelche mütterlichen Gefühle hat. Das wäre ein Fehler. Ich bin ersetzbar für sie. Schwer, aber dennoch austauschbar.«
»Ich ...« Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Mitleid ist alles, was ich fühlen kann, nur weiß ich, dass Satoru das nicht will. Er braucht das nicht.
»Sie hat das geplant«, seufzt er irgendwann. »Da bin ich mir sicher. Hätte ich gewusst, dass sie so weit geht, dann ...«
»Dann?«
Wieder trifft mich sein Blick. »Dann wäre ich niemals zu dir nach Hause gekommen und hätte dich in dieses Diner gebracht. Ich hätte mich von dir ferngehalten. Soweit ich nur kann. Ich hätte dich beschützt, indem ich dich vergessen hätte.«
Mein Magen zieht sich zusammen und alles, was ich fühlen kann, ist eine brennende Leere, wenn ich mir das vorstelle. Ich krieche zitternd an die Gitter vor und packe sie mit beiden Händen.
»Satoru?«
»Hm?«
Ich lege so viel Zuneigung und Überzeugung in meine Worte, wie ich kann. »Das wäre schrecklich gewesen. Und wahrscheinlich hätte es auch nichts gebracht, denn ... ich glaube, wenn du nicht zu mir gekommen wärst, hätte ich dich gesucht.« Er hebt eine Braue, doch ich hebe eine Hand, damit er gar nicht erst anfangen kann zu reden. »Seit du im ›Halleluja‹ aufgetaucht bist, bist du hier drin.« Ich tippe auf meine Schläfe, dann auf mein Herz. »Und hier drin. Also glaub mir, wenn ich dir sage, dass ich dich gesucht hätte, denn ich liebe dich. Du hast mich mit deinen bescheuerten Augen nur einmal ansehen müssen, mich nur einmal berühren müssen, nur einmal anlächeln müssen. Ich ... ich liebe dich.«
Tränen laufen mir unaufhaltsam über die Wange und Satoru sieht so gequält aus, dass ich aufschreien will!
Er atmet mehrmals tief ein und dabei verzieht er geplagt die Lippen. »Das hier ist alles meine Schuld, Prinzessin? Dass du hier bist, daran bin ich sch-«.
»Halt den Mund, du Esel«, unterbreche ich ihn und er sieht mir entgegen. »Ich sage dir gerade, dass ich dich auch liebe, und das ist deine Reaktion? Echt?«
Sein Lachen ist Balsam für meine Seele. »Nun, ich kann nicht so reagieren, wie ich es gerne würde, also ... Was bleibt mir?«
»Bitte sag mir jetzt nicht«, scherze ich weiter, »dass deine normale Reaktion darauf irgendwas Versautes wäre.«
»Und wie versaut.«
Wir beide kichern und vergessen für eine Sekunde, dass ich wahrscheinlich nicht lebend hier herauskommen werde.
»Also«, seufze ich und tue so, als gäbe es eine Zukunft. »Wenn wir hier raus sind, wie zahlen wir deinem Miststück von Mutter heim, dass du und ich uns jetzt nicht besinnungslos vögeln können?«
»Wir könnten-«
Bam! Bam!
Satoru und ich fahren erschrocken herum.
Bam! Bam! Bam!
»Was ist das?«, frage ich Satoru, der zwar noch immer kraftlos wirkt, aber plötzlich äußerst konzentriert ist. Ich sehe von ihm zur Tür und wieder zu Satoru.
Als er lauscht, sich weiter versucht aufzurichten und dann ... grinst, regt sich Hoffnung und meiner Brust.
»Satoru?«
Er dreht sich zu mir, sein Lächeln wird breiter. »Bereit, von hier zu verschwinden, Prinzessin?«
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top