POV Y/N

Ich bin fix und fertig. So viele Kunden wie heute habe ich schon sehr lange nicht mehr gehabt. Doch all das Gejammer über meine schmerzenden Füße und die steigende Unlust hilft mir nicht weiter. Ich zwinge mich also seufzend in das neue Outfit und betrachte den dunklen Hauch von nichts an mir.

»Scheiße«, fluche ich und binde mir einen hohen Pferdeschwanz. Mein Blick gleitet auf die Uhr, die mir anzeigt, dass es fast vier Uhr morgens ist.

»Wenigstens ist das der letzte Kunde für heute und es ist nur ein Tanz und kein Strip«, nuschle ich und verbildliche mir schon, wie ich in mein Bett krieche und endlich die Augen schließen kann.

Mit müden Bewegungen drehe ich die Wasserflasche auf und nehme einen großzügigen Schluck, möglichste ohne meinen mattschwarzen Lippenstift zu verschmieren. Dabei verrutscht meine Aufmerksamkeit auf mein Handy.

Und nicht nur das, jeder Gedanke huscht zurück zu den Nachrichten von Satoru, die ich noch immer im Chatverlauf gespeichert habe. Irgendwie schaffe ich es einfach nicht, sie zu löschen und diese Nummer zu blockieren. Irgendwie drängt mich etwas tief in mir dazu, sie immer und immer wieder anzusehen. Mir dabei seine Stimme zu verdeutlichen, wenn ich die Worte lese und mir vorzustellen, was seine Strafe für meine bissigen Antworten werden wird.

»Scheiße«, brumme ich noch mal und schüttle über meine eigenen Gedanken den Kopf.

Ist er denn wirklich so gut, so attraktiv und verrucht, dass ich mehrmals täglich an ihn und das, was er bis jetzt mit mir gemacht hat, denken muss?

Ich kenne die Antwort, weigere mich aber strikt, sie auch nur zu denken, geschweige denn anzuerkennen. Ich mache stattdessen auf dem Absatz kehrt und begebe mich auf den Weg zum Kunden.

Im letzten Raum angekommen, habe ich es dann zumindest geschafft, sein Gesicht aus meinem Geist zu verbannen und es nur zu verschwommenen Konturen werden zu lassen.

Als ich die Musik höre und das rötlich beleuchtete Zimmer betrete, reiße ich mich gänzlich zusammen und stelle mich meinem Gegenüber kurz und mit schmeichelnder Stimme vor.

Der Mann schweigt und während ich schon anfange zu tanzen, besehe ich ihn mir genauer und versuche mich an die Daten zu erinnern, die in der Buchung angegeben waren. Mein letzter Tanz ist für einen Mr. Kahimi eingetragen. Er ist neunundzwanzig Jahre und der Ausweiskopie nach zu urteilen kommt er aus einer Gegend ein paar Bezirke entfernt. Er ist das erste Mal hier, hat aber sehr vehement darauf bestanden, dieses spezielle Zimmer zu mieten. Nun ja, den Red-Room und mich. Mehr Wünsche hat er nicht geäußert.

Langsam und den dunklen Beats des Songs folgend, gehe ich auf ihm zu. Mr. Kahimi verfolgt mich mit Blicken und lässt sich in die Kissen sinken. Er winkt mich zu sich und ich gehe auf ihn zu. Als ich mich umdrehen will, um meinen Lapdance zu beginnen, wie ich es immer tue – nämlich mit dem Rücken zum Klienten auf dessen Schoß sitzend – hält mich Mr. Kahimi auf.

»Ich hätte gerne, dass du mich beim Tanzen ansiehst. Wäre das okay?«, fragte er und sieht mir freundlich entgegen. Seine dünnen Lippen sind von einem kurzen Bart umrundet und die nussbraunen Augen strahlen eine angenehme Wärme aus.

»Gefällt dir meine Rückseite nicht?«, will ich verspielt wissen, ziehe einen Schmollmund und stütze mich in einer fließenden Tanzbewegung an der Lehne ab. Mein Zopf rutscht mir über die Schulter und streift meinen in dünnen Stoff gepackten Busen. Sein Blick huscht darauf und als ich auf seinen Schoß krabble, ein Bein rechts und ein Bein linkst von ihm, und anfange, mich zu rekeln, verschleiert sich sein Blick.

Es gibt einige Kunden, die gewisse Vorlieben hegen und wenn es machbar ist, liegt es in der Hausregel, diese auch zu erfüllen. Manche stehen auf Füße, andere besonders auf Ärsche und wieder welche auf Brüste. Je nachdem, was die Kunden äußern, – wenn sie es denn tun – versuchen wir sie damit zu locken und zu reizen. Selina hatte mal einen Kunden, der sie einfach nur ansehen wollte, während sie mit gespreizten Beinen auf dem Sofa lag. Sie sollte ich nicht bewegen und er hat nichts weiter getan, als sie anzusehen. Es waren ihre leicht verdientes Geld, hatte die mir einmal erklärt.

Natürlich gibt es auch Dinge, die wir Tänzer nicht machen, egal, wie sehr der Kunde darauf abfährt.

Ich tanze also auf seinem Schoß und lege meine Hände auf seine Brust. Während ich Muskeln ertaste und er in meinem Schritt härter wird, nimmt der Song etwas fahrt auf und so tun es auch meine Bewegungen. Ich rekle mich, wende ich, berühre ihn und gelegentlich strecke ich ihm meinen Busen ins Gesicht.

»Du bist wirklich schön«, flüstert er irgendwann, als ich mich von seinem Schoß erhebe und auf dem Boden kniend, zu seinen Füßen weiter tanze. Auf allen vieren strecke ich ihn meinem Arsch entgegen und lasse die Hüfte kreisen, bis ich sein heißeres Lachen vernehme.

Gut. Jetzt nur noch einen Song durchtanzen und dann habe ich Feierabend. Die Arbeit macht mir zwar wie immer Spaß, aber auch ich bin froh, wenn meine Schicht endlich vorbei ist.

»Findest du?«, interagiere ich und lege mich auf den Rücken. Ich mache ein Hohlkreuz und spreize die Beine für ihn.

Sein Nicken lässt mich einen meiner professionellen Gesichtsausdrücke auflegen, doch er verschwindet, als Mr. Kahimi sagt: »Ich verstehe jetzt sehr gut, warum Satoru dich so gerne fickt.«

Ich blinzle und halte inne. »Wie bitte?«

Das zuvor freundliche Gesicht des Mannes wird mit einem Schlag hart und ein gefährliches Grinsen zeigt seine Zähne. »Satoru. Du weißt schon, der gut aussehende Kerl, für den du deine hübschen Beinchen breitmachst.«

»I-ich ...«, stammle ich, doch komme nicht weiter.

Mr. Kahimi springt blitzschnell auf und schmeißt sich regelrecht auf mich. Ein Schrei bleibt mir im Hals stecken, als er mich mit seinem Körper fest auf den Boden drückt und meine Kehle packt.

Er drückt zu.

Schock und Angst machen sich augenblicklich in mir breit, aber ich bin so überrumpelt, dass ich still liegen bleibe und nur dumm vor mich hinstarre. Er lacht heißer und sein Griff wird fester, als ich zu der Uhr sehe und begreife, dass das rote Licht an dem Gerät nicht brennt. Sie ist aus.

»Wenn du denkst«, schnurrte er dunkel, »Hilfe in Form der Security kommt, muss ich dich enttäuschen, Engelchen. Die Kamera ist aus und der Typ, der am Bildschirm sitzt, ist gerade ... Nun, sagen wir mal unpässlich.«

Ich bin so geschockt, dass ich vollkommen erstarre. Jason! Geht es ihm gut? Was hat der Typ mit ihm gemacht und vor allem, warum? Ich sehe ihn an und das irre Glitzern seiner Augen, lässt mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Egal, was er mit Jason gemacht hat und mit mir noch vorhat, es kann nichts Gutes sein.

»W-wa-war-«, versuche ich eine Frage zu verbalisieren, doch der Griff um meine Kehle wird fester und stoppt jedes Wort.

Der Mann, der eben noch ein einfacher Kunde war, schnürt mir die Luft ab und lächelt dabei. Und endlich, endlich setzt mein Reaktionsvermögen wieder ein. Meine Hände heben und krallen sich in dem Handgelenk, das mich gepackt hält, fest. Ich bohre meine Nägel hinein, kratzte Haut auf und probiere seine Finger von meinem Hals zu bekommen, doch es hilft nicht. Seiner Stärke bin ich nicht gewachsen. Während ich einen anderen Weg suche und meine Hände hebe, versuche ich meinen Körper unter seinem zu winden. Wenn ich es schaffe, seine Augen zu erreichen und sie zu malträtieren oder meine Daumen hineinzudrücken, muss er mich loslassen. Ich versuche es und gebe jedes bisschen Kraft, das ich habe, aber alle meine Bemühungen werden binnen Sekunden vereitelt. Mr. Kahimi packt mit der freien Hand meine Gelenke und schiebt sie sich ganz einfach aus dem Gesicht. Den Kratzer an seiner Wange, den ich ihm verpassen kann, ignoriert er dabei einfach. Er belächelt ihn sogar und wirkt amüsiert über meine Versuche, ihm zu entkommen. Ich werde panisch und zapple und strample hektisch und ohne jedes Muster und Kontrolle. Da er zwischen meinen Beinen liegt, können meine Tritte ihm nichts anhaben und jeder Anstrengung ihn von mir zu bekommen, ist umsonst. Ich keuche, als sein Würgegriff nochmals drängender wird und auch, als ich seine Härte an meiner Mitte spüre.

»W-«, setze ich nochmals an, doch ich habe einfach keine Luft in der Lunge, um zu sprechen.

»Warum ich das mache?«, fragt er, meine Gedanken erahnend und leckt mir einmal über das tränennasse Gesicht. Ich erschauere und registrierte erst jetzt, dass ich zu weinen angefangen haben muss.

Meine Lippe bebt. Das darf nicht passieren, das kann nicht wirklich gerade geschehen, oder? In all den Jahren hier, war ich zwar dem ein oder anderem aufdringlichen Kerl begegnet und jenen, die ihre Hände nicht bei sich lassen könnten, aber das? Nie, ist mir in den Sinn gekommen, dass es in einem noblen Laden wie dem ›Halleluja‹ eine Attacke wie diese stattfindet. Wir haben immerhin Sicherheitsmaßnahmen und Vorkehrungen, die eben das verhindern. Noch nie ist ein Mädchen angegriffen und verletzt worden. Bis jetzt.

»Nun, das ist alles Satorus schuld, Engelchen. Allein seinetwegen findest du dich in diese Lage wieder.«

Ich versteh' das nicht und meine Angst und die Panik in jeder Faser meines Geistes, lassen mich nicht begreifen, was er sagt. Satoru? Was hat er damit zu tun? Die Frage ist jedoch irrelevant, denn ich weiß, was der Kerl auf mir, wirklich will.

Ich spüre, worauf er aus ist.

Als lese er meine Gedanken, presst er seinen harten Schwanz brutal an mich und ich wimmere gurgelnd. »Oh, keine Angst, Engelchen. Ich werde dich nicht ficken. Zumindest noch nicht. Erst mal werden wir verschwinden und dann, muss ich eine strikte Vorgehensweise einhalten, bevor ich mich mit dir vergnügen kann und darf.«

Wieder quäke ich ängstliche Laute, als ich die Bedeutung vage begreife. Kahimi wird mich entführen. Er wird mich mitnehmen, dann vergewaltigen und wenn ich sehr viel Pech hatte, findet man mich morgen früh tot in einer dreckigen Gasse. Der Vorstellung wegen wehre mich noch einmal mit letzter Kraft und bäume mich unter dem Mann auf. Ich gebe alles, kämpfe und versuche ihn von mir herunterzubekommen, doch ein brutaler Schlag in mein Gesicht, bremst mich jäh. Schmerz jagt durch meine Nase und ich höre ein Knacken. Noch ehe ich begreife, dass er mir die Faust ins Gesicht gedonnert und meine Nase gebrochen hat, läuft mir auch schon Blut über das Gesicht und den Rachen hinab. Ich hätte laut geschrien vor Schmerz, aber er hat mich immer noch an der Kehle.

»Hör auf, so ein Theater zu machen. Es reicht langsam. Was du auch versuchst, es wird mich nicht davon abhalten, dich jetzt durch den Ausgang zu schleppen, in das schon wartenden Auto zu werfen und dann zu meinem Boss zu bringen. Okay? Also wäre es besser und leichter für uns beide, wenn du dich nicht so anstellen würdest, als würde ich dir die Kehle aufschlitzen. Ich habe keine Lust, dich grün und blau zu schlagen, bevor ich dich aus diesem Drecksladen bringen kann.« Er kichert und küsst meine Wange. Als er den Kopf schief legt, klebt Blut an seiner Lippe. »Die Angst um dein Leben kannst du dir für den Moment aufheben, an dem es relevant wird.«

Seine Worte sollten mich schockieren und neue Kraft mobilisieren lassen, doch ich bin mittlerweile so benommen vom Schmerz und dem Mangel an Sauerstoff, dass mir schwarz vor Augen wird. Sterne flackern tanzend in meinem Sichtfeld und passen sich lustigerweise perfekt dem Beat an, der um uns herum wabert. Alles wird neblig und ich lasse kraftlos, und gegen meinen Willen, die Arme fallen. Meine Gegenwehr verebbt mit jeder Sekunde, die er mir die Luft abschnürt, und ein dumpfes Dröhnen in meinen Ohren wird von einem zähen Rauschen begleitet. Als ich kaum noch ansprechbar bin und alles verwaschen ist und halb in der Bewusstlosigkeit versinkt, setzt Mr. Kahimi seine Drohung um.

Er lässt von mir ab, kramt etwas aus seiner Hosentasche und packt meine Handgelenke. Kahimi führt sie zusammen und schnürt Kabelbinder darum, den er mit einem Ruck und einem Surren schmerzhaft straff zusammenzieht. Dasselbe macht er mit meinen Beinen und erst als er fertig ist und alles doppelt überprüft hat, steht er auf, packt meinen halb leblosen Körper und wirft ihn sich über. Mir wird schlecht und durch die Schulter in meinen Magen, bekomme ich immer noch zu wenig Sauerstoff. Dennoch versuche, ich mich zu bewegen. Ich scheitere und gebe stattdessen einen kläglichen Laut von mir, der wohl ein Hilferuf sein soll, während mir weiter Blut aus dem Mund und der Nase strömt.

Nein. Nein. Nein.

Den Blick zwangsweise auf den Boden gerichtet, sehe ich, wie der Teppich des Red-Rooms zu einem gefliesten Untergrund wird. Dann sehe ich Stufen und mir wird wieder elend, als mein Peiniger sie schnell hinabsteigt und mir mit jedem Schritt die Schulter tiefer in den Magen drückt. Ich würge und höre ein genervtes Schnauben, sowie etwas, das ich als »reiß dich zusammen und kotz mich ja nicht an« deute. Ich schluchze auf. Wo sind denn alle? Wieso bekommt keiner mit, was gerade passiert? Wo ist Triss? Wo ist irgendjemand, der mir helfen kann?

Eine Tür wird geöffnet und dann trifft mich prassender Regen. Ich erzittere und blinzle die Ohnmacht weg, die sich unaufhaltsam nährt und Besitz ergreift. Kahimi läuft weiter und ich gebe jede Bemühung auf, als ich dir Reifen eines Autos erkennen kann. Ich weine und der Regen vermischt meine Tränen mit dem Blut. Er nimmt mich mit. Ich werde entführt und ...

»Du solltest die Kleine besser hinlegen, wenn dir was an deinem Leben liegt.«

Ich erkenne die Stimme, die ich schon mal gehört habe, kann sie aber nicht mehr zuordnen, denn plötzlich alles wird schwarz.

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