10. Wie auch immer
Wir werden ständig mit etwas konfrontiert, das für uns neu ist.
Der Unterschied liegt daran, wie man damit umgeht.
Hätte mir mal jemand gesagt, wie meine Zukunft aussehen würde, hätte ich denjenigen ausgelacht. Solch eine Zukunft hätte niemand erwartet oder vorhersehen können. Wer hätte ahnen können, dass eine dir vertraute Person hinterrücks mehrfach mit einem Messer in den Rücken sticht. Ich hätte nie gedacht, dass ich durch solche Umstände sterben würde und nach zwei Jahrzehnten wieder auferstehe und noch weniger hätte ich gedacht, dass ich mit einem fremden Mann durch den Wald ziehe und mein zukünftiges Leben in der Wüste verbringen werde. Das Leben ist schon recht komplex. Wobei, die Zeit geht weiter, als wäre nie etwas passiert. Es sind die Menschen, die alles über den Haufen wirft.
Am Anfang verlief die Reise sehr anstrengend. Taki sprach ohne Punkt und Komma weiter, während ich ihn einfach gekonnt ignorierte. Es dauerte sogar Recht lange, bis er es endlich aufgab. Während dieser Zeit hatte ich das Gefühl, dass meine Ohren anfingen zu bluten. Immer und immer wieder prallten seine Worte in meine Ohren. Seine Stimme stufte ich sogar als nervig ein. Er hatte keine angenehme Stimme. Sie war für einen Mann relativ hoch. Nachdem ich ihn dann endlich ausblenden konnte, fokussierte ich mein Gehör auf die Geräusche im Wald. Doch da wurde ich sehr enttäuscht. Es war windstill und das einige was zu hören war, waren unsere Schritte. Die Tiere schienen wie ausgestorben zu sein. Ich wollte mir ein Bild für meine Erinnerung schaffen, bevor ich mein Dasein in der Wüste fristen kann. Jetzt sind meine ersten und vorerst letzten Erinnerungen vom Wald diese tötliche Stille. Mein neues Leben fängt ja prima an. Am besten soll es einfach anfangen zu regnen und ich könnte mir eine Kuppel über den Kopf bändigen und beruhigend dem Wasser lauschen. Wenn Taki seine elendige Klappe hält, darf er eventuell auch unter meine Kuppel. Bei diesem Gedanken wurde mir kurz warm über das Herz, bis dieses Gefühl schlagartig verschwand und Verbitterung die Macht übernahm als ich an diesem blöden Brief denken musste, der mir sehr viel von meiner Kraft einschränkte.
Jetzt lief ich mit einer grimmigen und wachsamen Miene neben der Nervensäge, der sich im Wald umsah und sich ebenfalls die Frage Stelle, warum es im Wald so still sei. Bei seiner Reise hier her war alles Leben aktiv. Zwar wurde es schon dunkel, aber trotzdem gab es genug Tiere die nachtaktiv waren. Geschweige denn die Vögel, die immer ihr schönes Lied sangen.
Je näher wir Richtung Wüste liefen, desto bekannter wurde die Gegend für mich. Ich war schon einmal hier. Aber weshalb. Was hatte mich hierher verschlagen? Bei einer kleinen Lichtung blieb Taki stehen und meinte, dass wir hier unser Lager aufschlagen. Also machten wir unser Lager. Jeder für sein Teil zuständig. Nur in der Mitte machte er ein kleines Lagerfeuer. Ich hielt es für keine gute Idee. Dementsprechend sah ich ihn auch an. Er meinte, dass uns nichts passieren wird und er Wache schieben würde. Als die Nacht allerdings anbrach, schlief er einrollt auf dem Boden wie ein kleines Baby. Jetzt brannte das Lagerfeuer und zog das Ungeziefer der Nacht an. Wer weiß, welche Gestalten aus ihren Löchern gekrochen kommen, nur um das Licht zu erreichen. Wenn Yuki und Ayric hier wären, würde ich die Situation mögen. Drei Freunde, die am Lagerfeuer sitzen, Trockenfleisch aßen, lachten und im Notfall das Unkraut beseitigte. Jetzt sitze ich mit einem schlafenden Taki hier und die Dunkelheit bereitete mir ebenfalls ein großes Unwohlsein. Obwohl ich das Lagerfeuer nicht wollte, wollte ich es jetzt behalten. Welch eine Ironie des Schicksals.
Als etwas im Gebüsch raschelte, erschrak ich und sprang schnell hoch. Panisch sah ich mich um. Konnte nichts erkennen und auf dem Boden nichts spüren. Offensichtlich war niemand hier. Doch mein Gefühl sagte mir etwas anderes.
Was soll ich jetzt machen? Soll ich jetzt auf die Suche nach dem unbekannten machen oder hier bleiben? Ich will nicht in die Dunkelheit. Ich will bei dem Feuer haben, das ich eigentlich auch nicht möchte.
Was möchte ich denn überhaupt?
Oh Gott, bitte Hilf mir. Zeige mir eine Lösung, stehe mir bei. Lass mich nicht alleine.
Wieder raschelte es im Hintergrund. Mir lief es eiskalt über den Rücken und gleichzeitig verfluchte ich Yuki, dass sie mich alleine ließ. Ich bin nirgendwo sicher. Jeder will mir etwas antun. Ich kann keinen vertrauen. Die Menschen sind böse und nutzen das Vertrauen von einem nur aus. Ich bin ein kleines Insekt, das weggeworfen werden kann, wenn man es nicht braucht. Ich bin nichts Wert!
Nein. Nein! Nein!
Nicht mit mir. Ich werde sie einfach alle beseitigen, bevor sie es mir mit machen. Ja, ganz genau. Ich mache den ersten Schritt. Dann kann mir keiner etwas antun!
Ich schnappte mir meine Tasche und zog einen Dolch heraus. Dann zog ich es aus der Scheide. Das Gewicht dieser kleinen Waffe fühlte sich so ungewohnt leicht an. Doch es wird seinen Zweck erfüllen. Ich kann niemanden trauen und mit Taki werde ich anfangen!
Zittrig und misstrauisch lief ich auf ihn zu und sah ihn genau an. Wie ein kleines Baby lag er da und schlief tief und fest. Leise kniete ich mich vor ihm hin. Dann holte ich mit dem Messer aus, doch meind Klinge erreichte sein Ziel nicht. Stattdessen wurde der komplette Dolch und meinen beiden Hände, die den Dolch hielten in ein strammes, dickes Netz umwickelt. Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Meine Augen sahen zum Netz, welches mir bekannt vorkam.
Oh Gott, ich glaube ich bin verrückt!
"Sarah."
Augenblicklich hielt ich scharf meine Luft an, als mein Name durch meine Gedanken hallte.
"Sarah."
Beim zweiten Mal hörte es sich viel vertrauter an und mein Körper entspannte sich. Das Netz wurde lockerer und meine Arme sackten zusammen. Wieder raschelte es. Dieses Mal kam es von hinten. Langsam drehte ich mich um. Meine Augen wurden groß, als ich die riesige Gestalt vor mir sah. Tränen bildeten sich, schnell stand ich auf, rannte auf die Gestalt zu, ließ dabei mein Messer fallen und sprang mit einer dicken Umarmung auf meine achtbeinige Freundin zu. Es war eine stille, weinerliche Umarmung, doch dies war Balsam für meine Seele.
"Wie ist das möglich? Du bist doch...", flüsterte die Spinne, nachdem ich mich einigermaßen beruhigt hatte und nach der Umarmung vor ihr stand.
"Das erkläre ich dir später. Es ist irgendwie kompliziert", antwortete ich im Flüsterton. Dabei schielte ich zu Taki, um sicherzustellen, dass er weiterhin schläft.
"Deinen Freund musst du aber nicht töten."
"Er ist nicht mein Freund."
"Wie auch immer. Wenn ihr euch anfängt untereinander zu töten, wird das ein böses Blut geben. Außerdem macht dieses Riesenbaby wahrscheinlich nicht mal einer Fliege was. Also beruhige dich."
Untereinander töten. Irgendwas in dieser Richtung hatte die Person, die in unser Haus kam auch gesagt, als ihr Messer sich ebenfalls durch meinen Körper bohrte. Ich könnte sie als meine Mörderin abstempeln. Aber es war nur ein Stich. Es war meine Mutter, die immer und immer wieder einstach.
"Wirst du nocheinmal mit mir reisen?", fragte ich Kyoko, um das Thema zu wechseln, damit ich auf andere Gedanken kommen.
"Ich kann dich doch nicht alleine lassen. Auch wenn die plötzliche Trennung sehr schmerzhaft war", in Kyokos Stimme lag sehr viel Schmerz. Das konnte ich hören. Wir hatten ein großes Gesprächsbedarf, welches auf einem anderen Tag verlegt werden muss, indem wir ungestört miteinander reden können.
"Dankeschön", hauchte ich, wobei mir ein Stein vom Herzen fiel. Anschließend schlossen wir wieder unseren Pakt. Auch wenn ich danach nun wieder alleine war, fühlte ich mich sicherer. Es beruhigte mich, dass ich wieder jemanden bei mir habe, den ich von früher kenne. Aber wie sehr kann ich ihr trauen?
Fassungslos schüttelte ich den Kopf.
Nein, ihr kann ich vertrauen. Sie hätte mich schon einmal töten können und tat dies nicht. Trotz allem hatte ich dennoch Zweifel. Ich werde damit noch lange kämpfen müssen. Aber wenn ich wieder lernen muss anderen zu vertrauen, dann kann ich bei Kyoko anfangen. Vielleicht bin ich doch noch nicht vom Wahnsinn befallen, dennoch stehe ich am Rande des Wahnsinns.
Ich ging wieder zu meinem Platz. Schlafen konnte ich nicht. Deswegen lauschte ich in den stillen Wald und beobachtete das Feuer, welches ich durch die Nacht hütete, damit es nicht ausging.
Nachdem Taki ahnungslos von seinem Schönheitsschlaf erwachte, ging unsere Reise weiter. Er plapperte wie ein Wasserfall weiter, während ich ihn die meiste Zeit ignorierte. Taki hatte Recht. Die Reise ging wirklich drei Tage. Nachdem wir die Wüste erreicht hatten, schlug die Hitze gegen meinen Körper, als würde jemand auf mich einschlagen. Es war unnormal heiß und drückend. Überall waren nur Sanddünen zusehen. Zeitweise fragte ich mich wirklich, ob mich Taki verschleppen möchte und der Plan meiner Freunde eine Lüge war. Als wir dann allerdings ein kleines heruntergekommendes Dörfchen sahen, warf ich den Gedanken weg. Die paar Menschen, die ich sah, sahen einfach nur fertig und müde aus. Teilweiße sogar abgemagert. Taki führte mich zum größten Haus, welches ungefähr in der Mitte stand. Es war ein Haus aus Lehm, so wie alle anderen Häuser auch. Nur war es eben größer. Drinnen im Gang war es schwül und stickig und als Taki mich in einem Raum führte wurde es nicht besser.
"Shota, ich habe deine Nichte hergebracht", sprach er zu einem Mann, mit brustlangen, schwarzen Haaren, grünen Augen und einer Narbe oberhalb der Lippe. Er sah müde aus, seine Haare zerzaust und sein Oberteil hatte an der Schulter ein Loch. Er müsste ungefähr mitte vierzig sein.
"Danke, Taki. Du kannst gehen", sprach er mit einer tiefen, beeindruckenden Stimme.
"Alles klar. Dann viel Spaß euch beide. Ihr habt sicherlich viel zu besprechen, nachdem ihr euch so lange nicht mehr gesehen habt. Zu schade, dass deine Schwester so Menschenscheu war und sich isoliert hatte...", sprach Taki ohne Punkt und Komma weiter.
"Taki, geh jetzt!"
Sofort hielt er den Mund und machte schnell die biege, nachdem Shota in mit einem strengen Blick raus warf. Ich kenne diesen Mann zwar nicht und vorsichtig muss ich sowieso sein, aber er ist mir schonmal sympathisch, weil er Taki zum schweigen brachte und ihn damit sogar raus warf.
"Du musst Sara sein", stellte er fest. Darauf nickte ich nur. "Mein Name ist Shota Kuroyuri", stellte er sich vor. Sein müder Blick war auf mich gerichtet. Er musterte mich von oben bis unten und machte ein Bild von mir. Zwischenzeitlich misstraute er mir, was ich verstehen konnte. Schließlich bin ich eine fremde Person, die sich als sein Familienmitglied ausgeben musste.
"Ich bin ehrlich. Ich vertraue dir nicht wirklich. Ich schulde Ayric einen großen Gefallen und ihm habe ich vertraut. Bei dir sieht es anders aus. Die Informationen, die er über dich gab, waren sehr mager", sprach er ruhig, während ich ihn einfach nur mit meinem leeren Blick ansah.
"Vielleicht kann ich diesbezüglich helfen oder ergänzen. Was hat er über mich gesagt?"
Shotas Augen wurden schmal. Er beobachtete mich ganz genau.
"Er meinte lediglich nur, dass er dich sein Leben lang kennt, du seine Familie bist und eine komplizierte Vergangenheit hast. Ich könne dir allerdings vertrauen", mit einer eisigen Stimme fuhr er fort. Sein Misstrauen konnte ich verstehen. Ayric hatte sehr an Informationen gespart. Natürlich bin ich da nicht gerade die vertrauenswürdigste Person.
"Über meine Vergangenheit kann ich nicht reden. Die ist wirklich kompliziert. Das Misstrauen kann ich auch verstehen. Ayric ist meine Familie. Er hat viel für mich getan. Jetzt bin ich an der Reihe ihm zu helfen. Wenn diese Hilfe eure Rettung ist, dann werde ich alles machen, was ich momentan leisten kann. Ich habe keine schlechten Absichten. Ich werde, laut meiner Info, ihre Nichte sein und euch alle nach Sunagakure befördern", meine Stimme war ruhig und kalt. Mit meinem Worten kann ich mir ihr Vertrauen nicht verdienen. Da müssen Taten folgen. Shota war von meinen Worten nicht wirklich überzeugt. Er schien allerdings sein Schicksal zu akzeptieren. Er hatte nun keine Wahl mehr. Er ist ein Schritt weiter als ich. Wie lange wird es dauern, bis ich mein Schicksal akzeptiert habe?
"Unsere Arbeiter wurden vor zwei Tagen angegriffen. Zwei von ihnen starben. Ich werde dich zu diesem Ort bringen. Vielleicht findest du etwas."
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top