Plünderer
Es war der Tag, der den Anfang machte. Ab jetzt steckte ich auch fest. Ich hatte mal wieder aus der Distanz einen Kampf beobachtet. Diesmal waren keine Polizisten da gewesen. Nun waren sie fort. Sie, die Fremden. Sie hatten einige Leichen hinterlassen, die Waffen mitgenommen. Aber ich, ich war immer ein Adlerauge gewesen. Schon aus der Ferne sah ich das Rohr, den Lauf. Ich fühlte mich kalt und stark, also ging ich auf den Platz. Er war verlassen bis auf die Toten, leer. Und genau das machte mir Angst. Ein Platz mitten in der Stadt und trotzdem leer? War das nicht unrealistisch? Nein, denn es war ja eine wahre Situation. Als ich an der ersten Leiche vorbeikam, lief mir ein Schauer über den Rücken. Ich hatte Angst, der Mann würde gleich die Augen aufschlagen und... Beim zweiten Körper ging es mir ähnlich. Ich fand mich plötzlich mitten auf dem Leichenfeld wieder. Mein Mund wollte schreien, aber mein Verstand wollte unauffällig sein. Ich kniete mich vor den toten Besitzer der Waffe, die ich gesehen hatte, möglichst nicht in die Blutlache, die sich um ihn gebildet hatte. Ich versuchte sie am Lauf herauszuziehen, unter ihm wegzuziehen ohne den Leichnam zu berühren, doch er hatte sie zusammen mit einem Munitionsgurt umgehängt. Auf der Vorderseite waren alle Patronen verbraucht, aber hinten waren sicher noch welche. Ich versuchte, den Gurt über den Kopf des Mannes zu ziehen, doch er lag schwer auf der Waffe, die sich zusätzlich scheinbar im Pflaster verkeilt hatte. Ich zog und zerrte, doch es ging nichts. Mit einem Ruck gab der Gurt nach. Er zog den Mann mit sich. Ich fiel nach hinten, der Mann auf mich. Das war ein riesiger Schock. Jetzt war eh alles egal. Ich packte den dreckigen Kopf des Toten, zog ihn nach oben und hob den Gurt darüber. Dieser war jetzt nur noch um den Arm geschlungen. Auch den Arm riss ich hoch, spürte dabei ein matschiges Gefühl und zog ihn durch die letzte Schlaufe. Endlich! Es war vollendet. Ich hatte das erste Mal jemanden geplündert. Wie tief kann man sinken? Als mich etwas von hinten antippte, dachte ich zuerst, es wäre ein Geschoss, das sich bald in mich schießen würde. Ich erschrak so sehr, dass ich mich auf den toten Körper des Geplündeten warf. Dabei beschmierte ich mich noch mehr mit dem Blut des Kämpfers. Das heftige Atemgeräusch ließ mich aufhorchen. Im Wind stand ein kleines Mädchen. Sie war sehr dürr und knochig und ihr Blick war fest auf einen Punkt über mir gerichtet. "Ich bin Maya. Ich bin sechzehn Jahre alt, ziemlich alt wenn du mich fragst. Leute wie du sorgen dafür, dass Kinder sterben.“ Ich sah sie wohl ziemlich verwirrt an. „Du weißt nichteinmal, was du tust, oder? Du nimmst freiwillig eine Waffe in die Hand. Du kannst das nicht einschätzen. Schäm dich. Da drüben, direkt neben diesem Platz, da stand unser Haus. Sie haben Bomben geworfen- " Ihr Gesicht legte sich in Falten und eine Träne huschte über ihr Gesicht, wie ein kleiner Fluss mitten in einer felsigen Mondlandschaft. "Sie haben meinen Vater vor meinen Augen getötet. Sie haben meine Mutter mitgenommen. Haben gesagt ich seh sie nie wieder. Ich will nur, dass du weißt, was du anrichtest." Maya hielt mit einer Hand das Handgelenk der anderen fest. Dann schlug sie die Hände vor ihr Gesicht, um zu weinen. Dabei rutschten ihre viel zu langen Ärmel zurück. Ich sah, dass ihre rechte Hand und einen Stück des Arms abgetrennt worden waren. Sie bemerkte wohl, dass ich sie anstarrte und blickte mir das erste Mal direkt ins Gesicht. „Das galt mir als Strafe, weil ich nicht mitkommen wollte. Ich habe mich geweigert und sie geschlagen. Mit den blanken Händen." Maya brach im Staub zusammen. Ich rannte weg.
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