Pappe und Blut

Es war der Tag, an dem Demonstrationen und Kundgebungen stattfinden sollten. Eine gute Gelegenheit, um herauszufinden, worum es sich bei diesem Konflikt drehte, fand ich. Schon Tage vorher waren die Aufmärsche und alles was damit zu tun hatte mit Plakaten und Handzetteln angekündigt worden. Auf der Anzeigetafel am Marktplatz hatte eine Warnung gestanden. Auch heute stand dort in roten Buchstaben: Demos und Kundgebungen –heute 14:00 HIER! Aus Sicherheitsgründen bitten wir sie dringend, diesen Platz zu meiden. Mich würde das jedenfalls nicht aufhalten. Die Buchstaben konnte ich gerade noch erahnen, aber diese Distanz ging in Ordnung. Würde schon nichts passieren. Ich kauerte in einem Recyclingcontainer, der sich auf einem Hinterhof mit Blick auf den Platz befand. Ein kleiner Zaun, der höchstens Kaninchen aufhalten konnte trennte die Grundstücke. Ich hob den Deckel des Containers an, klemmte ein Stück muffige Pappe dazwischen um ihn aufzuhalten und las an der Anzeigetafel die Zeit ab. 13:55 Uhr, noch wenige Minuten. Noch hatte ich Zeit mich umzuentscheiden, aber das würde ich nicht. Wieso auch. Ich las ein bisschen auf einem alten Stück Zeitung, das ich unter mir fand. Werbung, Stars aber keine Politik. Da wurde es unruhig. Aus der Ferne drang Gebrüll.  Ich spähte aus der Mülltonne. Auf dem Platz standen ein paar neugierige Menschen, die von Ordnungshütern weggedrängt wurden. Sekunden später war der es rappelvoll. Wie aus dem nichts hatten sich Gegendemonstranten dazugesellt. Die Rufe dranen nur undeutlich zu mir durch. Mit Mühe konnte ich ein paar Beleidigungen heraushören. Was der Information dienen sollte wurde nun zu einer riesigen Massenschlägerei. Während in einer Ecke des Platzes Plakate und Banner verbrannt wurden, tummelten sich alle Menschen überall verteilt. Sie schlugen aufeinander ein. Dann wurden Messer gezückt und jemand eröffnete ein Feuer. Ich wollte mich von diesem Ort entfernen, aber mein Blick konnte sich einfach nicht abwenden. Ich hatte zwar immer noch keine Ahnung, warum diese Personen aufeinander losgingen, aber vielleicht  würde gleich etwas Aufschlussreches geschehen. Diese Brutalität konnte doch nicht ohne Sinn sein? Spezialeinheiten stürmten nun ins Gemenge. Sie kassierten die Waffen ein, hielten die Streitenden auseinander, versuchten Ordnung in das Chaos zu bringen. Diese Ordnung gefiel mir nicht. Die Art, wie sie es taten schreckte mich ab. Wenn zwei Kämpfende sich nicht freiwillig trennten, wurde einer von ihnen gegriffen und an die Seite geführt. Und in allen Fällen war es so, dass die Gegendemonstranten, selbst wenn sie sich noch so aggressiv verhielten, weniger grob weggeführt wurden. Was für ein Kontrast: Die Einen wurden geradezu zart an den Rand gebracht, während die Anderen mit der Faust oder Schlimmerem im Rücken zusammengedrängt wurden. Am Schluss stand an jedem Ende des Platzes eine Partei. Alle Waffen waren ihnen abgenommen worden, die Schützen größtenteils verwundet. Bevor sie gingen spuckten sie sich noch ein paar mit Zorn geladene Bemerkungen entgegen. Auf Baren wurden diejenigen, die nicht nachgegeben hatten, davongetragen. Nur der Tod hatte sie aufhalten können. Ich starrte auf die Körper. Sie waren nichteinmal abgedeckt. Ich spürte blankes Entsetzten. Und um 14:38 Uhr war von der Aktion nur noch ein Haufen glimmender Pappschilder und ein kleines bisschen Blut zu sehen.

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