Explosiv

Es war ein Tag, wie jeder Tag. Eigentlich. Man muss den Tag als Ganzes sehen, das wusste ich mittlerweile. Ich saß mit den anderen Kids am Straßenrand und rauchte. Wir hatten die Zigaretten geklaut. Autos fuhren vor uns her, schenkten niemandem Beachtung. Anonym sind die großen Städte, anonym und wild. Meine Kumpel pfiffen hübschen Mädchen nach, die die Straße herunterliefen. "Aki, lass es doch.", mahnte ich Aki, der anfing, einem Mädchen etwas zu nahe zu kommen. Doch er hörte nicht auf mich, sondern lief ihr hinterher. "Der hat was genommen.", flüsterte mir ein Anderer zu. "Ey, du. Bock auf mich? Du wirst sehen." Sie wies Aki ab. "Hey, nicht so schüchtern!" Er schlug ihr auf den unteren Rücken. Verfehlt, das sollte wohl woanders hingehen. Sie reagierte darauf mit einer Ohrfeige. Wie in einem Film, dachte ich mir. Plötzlich war das interessant, auch wenn das Mädchen sich sichtlich ziemlich schämte. Es würde eh nichts passieren, so wie Aki drauf war… Er wollte ihre Hand nehmen, doch als sie einen Schritt zurüch trat versuchte er das Mädchen in das Haus, vor dem wir saßen, zu zerren. Sie kreischte, er solle sie loslassen und seine Drecksfinger von ihr runter nehmen. Die Kids saßen daneben und rauchten einfach weiter. Ich traute mich nicht, irgendetwas zu sagen. Meine neuen Freunde waren mir nicht ganz geheuer, es gab da nur so ein gewisses Gefühl der Zusammengehörigkeit. Allerdings war das ganz anders als bei meiner Hochhausgang. Bei ihnen hatte ich mich halbwegs sicher gefühlt, aber Vertrauen hatte ich ihnen gegenüber auch nicht wirklich gehabt. Hier fühlte ich mich, als würde ich abgeschoben werden, sobald ich eine Aktion brachte, die der Gang nicht gefallen könnte. Jedenfalls wollte ich keinen Stress mit den Gangsterkindern, so nannte ich sie in Gedanken, deshalb hielt ich meine Klappe. Das Mädchen fing an zu schreien, in den höchsten Tönen. „LOL“, sagte ich so ausdruckslos wie möglich. Das waren keine Hilfeschreie mehr, das war Schmerz oder Angst oder Wut oder… Aki trieb es entschieden zu weit. Ich kniff meine Augen zu. Nein, jetzt würde ich eingreifen. Plötzlich zitterte die Erde. Ein Knall und eine Duckwelle breiteten sich durch den Raum aus. Es war ein kurzer Moment, wie die Pause zwischen Ein- und Ausatmen, dann stürzte alles um uns herum ein. Staub wirbelte auf, so dass man nichts mehr sehen konnte. Die bekannten Wege wurden mit jedem Einsturz unbekannter, grau, und das war nicht nur symbolisch gemeint. Der Schutt rieselte auf uns herab. Irgendwann verlor ich die Anderen, war nur noch auf ich selbst fixiert. Alle rannten. Alle schrien. Ich kam davon.

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