Kapitel 8
Nicolas brachte den Schlitten zum stehen und hob sogleich einen Finger an den Mund, bevor einer der Elfen Lisa wecken konnte, die vor einer Weile friedlich eingeschlafen war. Sie hatte sich lange dagegen gewehrt und immer wieder mit ihm geredet, doch dann hatte sie sich an ihn gelehnt und ihr ruhiges Atmen hatte Nicolas gezeigt, dass es soweit war. Lisa war im Traumland und es waren schöne Träume, denn sie lächelte.
"Ist alles gut verlaufen?", fragte Emmi leise.
Nicolas nickte.
"Ja, erstaunlich ruhig. Nur einmal hat uns ein Kind erwischt, aber ich habe dafür gesorgt, dass es alles für einen Traum hält."
Emmi lächelte.
"Ich wusste, dass du es schaffst. Und Nick wusste es auch." Sie sah zu Lisa. "Es wäre der ideale Zeitpunkt, sie wieder nach Hause zu schicken."
Nicolas seufzte.
Das wusste er auch und eigentlich sollte er es nun wirklich beenden, doch das wollte er nicht. Lisa hatte noch so viel mehr verdient als nur diese eine Nacht.
"Ich gebe ihr noch einen Tag, Emmi."
Die Elfe hob eine Augenbraue.
"So war das nicht geplant, Nicolas. Dein Vater hat in Bezug auf Lisa genaue Anweisungen gegeben. Und nach dem Heiligen Abend sollte sie wieder in ihrer Wohnung sein."
Nicolas fuhr sich durch sein Haar.
"Das weiß ich. Aber was erwartet sie denn zu Hause, mh? Nichts. Richtig. Sie hat nicht einmal ein Baum. Niemand besucht sie und sie isst ein komisches Mikrowellengericht mit Truthahn. Wenn sie Pech hat, ruft jemand vom Krankenhaus an und sie übernimmt den Dienst eines anderen."
Emmi holte tief Luft.
"Sie könnte zu ihrer Pflegefamilie. Das tut sie aber nicht. Es ist eben so wie es ist, Nicolas. Du hast es gewusst und warst mit allem einverstanden. Wenn ich mich recht erinnere, wolltest du sie eigentlich auch gar nicht aufsuchen. Was hat deine Meinung nun geändert?"
Er zuckte mit den Schultern.
"Ich habe ihr zugehört."
Er nahm Lisa in seine Arme und sofort schmiegte sie sich an ihn.
"Deinem Vater wird es nicht gefallen. Es war nur diese Zeitspanne ausgemacht. Ich weiß nicht, was passiert, wenn du es von dir aus verlängerst."
Nicolas schnaubte.
"Was soll den schon passieren, mh? Wegen einem Tag?"
Emmi wackelte etwas mit dem Kopf.
"Ich kann es dir nicht sagen, Nicolas. Aber es ist nie gut, wenn man die Geschenke deines Vaters überstrapaziert. Es könnte böse enden."
Das glaubte Nicolas nicht. Doch selbst wenn es so war, warum sollte es böse enden, wenn er einer Frau einen Tag der Freude gönnte?
"Ich werde alles in Kauf nehmen, Emmi. Ich will ihr wirklich nur noch einen Tag schenken. Ein gutes Essen, ein Spaziergang und Ruhe."
Emmi wirkte immer noch skeptisch, aber sie hielt ihn nicht mehr auf.
Nicolas trug Lisa in ihr Zimmer. Kaum lag sie im Bett, umarmte sie ihr Kissen und seufzte leise. Nicolas setzte sich neben sie und strich ihr eine Strähne ihres Haar aus dem Gesicht.
"Ich würde dir so gerne helfen, Lisa. Doch ich habe nur noch diesen einen Tag. Es tut mir leid, dass es nur so wenig ist!"
Sie lächelte, als ob sie ihm im Schlaf Mut zusprechen wollte. Nicolas konnte sich auch denken, was sie zu ihm sagen würde.
Du brauchst dich nicht um mich kümmern.Ich schaffe es alleine!
Aber eben das glaubte er nicht.
Vielleicht war er auch verrückt.Er kannte sie doch gar nicht. Und wie er am Anfang festgestellt hatte, wäre sie ihm gar nicht aufgefallen, wenn er sie ganz normal als Nicolas Clause, den Werbetexter, kennen gelernt hätte.
Aber als Nicolas, Sohn von Santa, hatte er sie kennengelernt, hatte ihre Geschichte in seinem Kopf gehabt. Es hörte sich nun an, als ob er einfach nur Mitleid mit ihr hätte, aber das stimmte nicht. Er empfand alles Mögliche, aber kein Mitleid. Doch was er war, verwirrte ihn.
Na ja, wahrscheinlich war er auch müde.
Er streckte sich aus und legte sich neben sie. Er sollte eigentlich in sein Bett gehen,aber er war sich sicher, dass er das nicht mehr schaffen würde. Er schaffte es gerade noch so, seinen Mantel aus zu ziehen und seine Schuhe ab zu streifen, dann fiel sein Kopf auf die Matratze und er schlief ein.
"Sie sehen wirklich gut zusammen aus. Und sie gefällt mir auch. Lisa würde sehr gut zu uns hier passen. Meinst du, das hat Nick so beabsichtigt?"
Lilli hüpfte aufgeregt auf de Stelle und zeigte immer wieder auf das Bett, in dem Nicolas und Lisa lagen. Nicolas hatte seine Arme ausgebreitet und Lisa kuschelte sich an seine Brust, als ob sie genau da hin gehörte.
Emmi seufze leise und scheuchte Lilli sanft aus dem Zimmer, bevor sie die beiden noch aus dem Schlaf riss.
Leise schloss sie die Tür.
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass Nick das beabsichtigt hat, Lilli. Er wollte einfach nur, dass Nicolas ihm Arbeit abnimmt und Lisa eine schöne Weihnachten hat. Ich bin sehr skeptisch, ob er es gut heißt."
Lilli schnaubte beleidigt.
"Aber so würde Nicolas vielleicht hier bleiben und endlich seinen Vater helfen. Das ist es doch, was Nick will!"
Emmi seufzte leise.
"Dieses Mal bin ich mir nicht sicher, ob Nick das so vorausgesehen hat."
"Ich will mich ja nicht beschweren, Nicolas. Es ist wirklich das schönste Weihnachten, dass ich seit langem erleben durfte. Und ich weiß, dass ich das meiste dir verdanke."
Der Tag hatte so schön angefangen, aber Nicolas hatte das Gefühl, dass alles gerade auf eine Katastrophe zusteuerte. Und er hatte keine Ahnung, warum das so war.
Natürlich war Lisa sehr erstaunt gewesen, als sie ihn in ihrem Bett gefunden hatte, aber da beide noch vollständig angezogen waren, nahm sie ihm ab, dass er es einfach nicht mehr aus dem Zimmer geschafft hatte. Schließlich war er es ja auch gewesen, der die ganze Nacht gearbeitet hatte.
Wie es hier so üblich war, hatten die Elfen einen Brunch vorbereitet und es war sehr fröhlich zugegangen. Immer und immer wieder hatten sie erzählen müssen, wie Svenja sie erwischt hatte und die Elfen erzählten kleine Storys von den Missgeschicken, die seinem Vater passiert waren.
Um den Tag noch abzurunden, hatte Nicolas Lisa zu den heißen Quellen eingeladen, die es hier seltsamerweise gab.Er fand es immer sehr angenehm hier zu baden, wenn um ihn herum der Schnee lag. Es war so, als ob sein Körper irritiert war, denn sein Gesicht war kalt und der restliche Körper warm.
Aber als er frisch geduscht und rasiert vor dem Becken gestanden hatte, merkte er, dass sie sich innerlich von ihm zurückzog. Und er hatte keine Ahnung, warum das so war.
Er war ins Wasser gestiegen und wollte sich neben sie setzen, doch sie hielt Abstand. Was war hier nur los?
"Woher kommt das so plötzlich? Ich hatte den Eindruck, es gefällt dir hier bei mir?"
Sie lächelte,aber es sah traurig aus.
"Ach komm, Nicolas. Es ist das Heim deiner Eltern und nicht deines. Für dich ist das jetzt doch auch Urlaub. Ich hatte schöne Tage und bin deinem Vater wirklich sehr dankbar dafür, dass er mir den Wunsch erfüllt hat."
Er richtete sich kerzengerade auf.
"Meinem Vater? Was hat den mein Dad jetzt damit zu tun, außer dass er dich mir als Hilfe gegeben hat? Nichts, würde ich sagen. Es lag an mir, dass ich dich mitgenommen habe. Du kennst Dad nicht einmal, denn sonst wüsstest du, dass er das alles hier veranstaltet hat, um mir alles hier schmackhaft zu machen. Aber er kann mich mal."
Sie legte den Kopf schief.
"Ich hatte aber den Eindruck, dass es dir gefallen hat. Gut, du warst am Anfang nervös, aber ansonsten..."
Nicolas hob eine Hand.
"Du liegst völlig falsch, Lisa. Es hat mir nur gefallen, weil du dabei warst."
Sie riss die Augen auf.
"Aber wie das? Du kennst mich gar nicht. Gut, du hast mich geküsst, aber ich denke nicht, dass es für dich was bedeutet hat."
Er schnaubte.
"Das kann vielleicht sein, dass ich dich nicht kannte. Aber ich hatte das Gefühle dich von Tag zu Tag besser kennen zu lernen. Ich weiß genau, was in dir vorgeht, Lisa!"
Er wusste genau, dass sie sich nun völlig schließen würde, aber das war ihm egal. Wie konnte sie es wagen, ihm zu unterstellen, dass ihm die Küsse nichts bedeutet hatten?
Sie stand auf.
"Ach ja? Was geht denn in mir vor?"
Er sah die Gänsehaut, die sich auf ihren Armen bildete. Vor nicht allzu langer Zeit hätte er sie wieder ins warme Wasser gezogen, aber nun war er wütend.
"Du verschließt dich jedem, der dir etwas Sympathie entgegen bringt. Vor allen verschließt du dich denen, die es ernst mit dir meinen. Nur solche Idioten, die dich ausnutzen, denen rennst du mit offenen Armen entgegen."
Sie holte rasch Luft.
"Das ist doch nicht wahr?"
Er nickte.
"Ach ja? Und was ist mit deinen Pflegeeltern? Wie oft haben sie dich eingeladen und jedes Mal hast du abgelehnt. Erzähle mir jetzt nicht, dass du dir fehl am Platz vorgekommen bist, dass stimmt nämlich nicht. Du kannst das nicht gefühlt haben, denn du hast nie Weihnachten mit ihnen gefeiert. Als du noch bei ihnen gewohnt hast, bist du lieber in das Restaurant gegangen, in dem du arbeiten warst, statt nur etwas Zuneigung an dich heran zu lassen. Und du hast den Tod deiner Eltern zum Vorwand genommen, um all das zu entschuldigen. Es ist Blödsinn und das weißt du, Lisa. Du enttäuscht deine Pflegefamilie von Jahr zu Jahr und dennoch versuchen sie es immer wieder. Weil sie dich lieben! Du denkst, du bist alleine auf dieser großen weiten Welt und ziehst die Idioten damit an, die dich ausnutzen. Und nicht einmal sagst du nein, obwohl du weißt, dass es dir dein Herz wieder bricht. Aber wenn nur einer einmal nett zu dir ist, dann verschließt du dich."
Er fuhr sich durch sein Haar.
"Glaubst du wirklich immer noch, ich habe dich nicht freiwillig geküsst? ich hätte der Kleinen auch irgendeinen Mist erzählen können, aber ich wollte dich küssen. Schon seit dem ersten Mal."
Sie schnaubte.
"Mitleid!"
Er donnerte seine Faust auf den Beckenrand.
"Nein! Es war kein verdammtes Mitleid. Aber es ist egal, was ich dir sage, du glaubst es mir ja doch nicht!"
Er hievte sich aus dem Becken und wischte sich seinen Körper trocken.
"Zieh dich an. Emmi wird dich zum Portal bringen, damit du wieder alleine sein kannst."
Sie schlug ins Wasser.
"Es steht dir nicht, wenn du beleidigt abziehst, Nicolas Clause!"
Er sah sie spöttisch an.
"Na und? Was geht es dich an?"
Sie stieg nun selbst aus dem Wasser.
"Du bist doch auch nicht viel besser als ich! Du ziehst deine kleine Revolution gegen deinen Vater nun schon seit Jahren durch. Du hast dich verzogen, um kein Weihnachten erleben zu müssen. Wie ist es, wenn man weiß, sein Dad kommt zu allen, aber nicht zu dir? Und das hast du selbst verschuldet, aber du gibst es nicht zu. Es kam dir doch dieses Jahr gerade Recht, dass dein Vater dich zwang, ihn zu vertreten. Du hattest Hoffnung, dass er dich wieder bei sich aufnimmt. Deswegen warst du dich auch so nervös. Du wolltest deine Sache gut machen, damit dein Vater stolz ist und dich anbettelt, wieder nach Hause zu kommen. Denn in Wirklichkeit ödet dich dein normaler Job und dein normales Leben an."
Nicolas erstarrte.
Verflucht, sie hatte Recht, auch wenn es ihm selbst gerade erst klar geworden war. Er drehte sich langsam zu ihr um.
"Lisa.", begann er leise.
Er wollte sich bei ihr entschuldigen für alles, was er ihr an den Kopf geworfen hatte, doch obwohl sie ihm gegenüberstand, hätte sie nicht weiter weg von ihm sein können.
Sie hob die Hand.
"Ich werde gehen. Und ich hoffe, du hast Recht, dass dein Vater mich alles vergessen lässt."
Sie drehte sich um und verschwand.
Nicolas warf die Decke um sich und sah ihr nach.
Das war ja jetzt gewaltig nach hinten los gegangen!
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