Kapitel 1
"Ich habe wirklich genug Geduld bewiesen. Das hört mir endlich auf! Er muss endlich mal einsehen, dass er in meine Fußstapfen tritt."
Clara Clause hob beruhigend beide Hände. Ihr Mann war wirklich außer sich.
"Er hat es doch nicht böse gemeint! Du musst ihn auch etwas verstehen. Er soll ins Familiengeschäft einsteigen, ob er will oder nicht. Du warst auch nicht begeistert, als dein Vater dir erklärt hat, dass du in Wirklichkeit kein normaler Mann bist, sondern der nächste Weihnachtsmann!"
Nick Clause schnaubte.
"Aber ich habe mein Schicksal angenommen, oder etwa nicht? Ich lese die Wunschzettel, vervollständige die Artig/Nichtartig-Liste, packe meinen Schlitten und bin am Heiligen Abend die ganze Nacht unterwegs, um die Geschenke zu verteilen. Ich habe, im Gegensatz zu anderen Ehemännern, am Heiligen Abend nicht das Vergnügen bei meiner Frau zu sein. Und jetzt, da mein Sohn so weit ist, dass ich mal etwas kürzer treten könnte, macht er mir ein Strich durch die Rechnung und haut ab, kaum dass ich ihm gesagt habe, dass er endlich soweit ist!"
Clara lächelte und schmiegte sich an ihren Mann.
"Ach Nick. Ich wusste doch, worauf ich mich einlasse. Du hast eben keinen normalen Acht-Stunden-Job. Ich habe dich immer unterstützt und ich werde das auch weiterhin!"
Er küsste sie zärtlich auf die Stirn und schloss einen Moment die Augen, um ihren Duft einzuatmen. Himmel, sie roch nach frischen Plätzchen und Tannenzweigen.
Eigentlich hatte sie viel mehr verdient. Sie sollte nach Sonne und Meer riechen. Das hatte er ihr dieses Jahr schenken wollen. Heilig Abend am Strand, nur sie beide.
Doch sein Sohn hatte ihm schon vor Jahren erklärt, dass er nicht gewillt war, ihn zu unterstützen.
Nicolas war einfach abgehauen, als Nick ihm sagte, dass er ab und zu die Tour unternehmen sollte. Verflixt, Nicolas war ein Mann von achtundzwanzig Jahren und kein kleiner Junge mehr, der einfach vor seiner Verantwortung fliehen konnte.
"Ich weiß das alles, Clara. Und dennoch sollte Nicolas sich nicht wie ein kleiner Junge benehmen und einfach vor seiner Verantwortung abhauen. Und das werde ich ihn beibringen."
Sie starrte ihren Ehemann an.
"Nick! Bitte stelle nichts Dummes an!"
Er lachte und sein wohlbekanntes Hohoho dröhnte durch die ganze Werkstatt.
"Nein! Das werde ich schon nicht. Packe deinen Bikini ein, Clara! Wir fliegen in Urlaub!"
Leise keuchte Clara auf.
"Aber...Weihnachten!"
Er grinste sie an.
"Ach, Nicolas bekommt das schon hin. Ich bin auch nicht so gemein wie es mein Vater war. Jemand wird ihm helfen!"
Einen Moment zögerte sie, denn Clara kannte ihren sturen Sohn. Er war wie sein Vater und wenn die beiden es auch nicht zugeben würden, ähnelten sich beide sehr. Und sie konnte es nicht ertragen, wenn durch einen Streit zwischen den beiden Weihnachten verdorben wäre.
"Ich hoffe, du weißt, was du tust!"
Er küsste sie hart auf den Mund.
"Natürlich! Es wird schon funktionieren!"
Lisa sah in den Menschen immer nur das Gute.
Das war für ihre Mitmenschen toll, für sie allerdings weniger. Wie sagte sie immer so schön? Sie hatte eine seltene Krankheit.
Sie konnte nicht nein sagen!
Und genau das brachte ihr regelmäßig Überstunden oder Ähnliches ein.
Natürlich liebte sie ihren Job und natürlich war sie die einzige Krankenschwester in der Abteilung, die unverheiratet war und keine Kinder hatte. Aber warum hieß das immer, dass gerade sie den Dienst am Heiligen Abend übernehmen musste?
Nun ja, sie musste der Oberschwester zugute halten, dass sie dieses Jahr eigentlich nicht eingetragen war.
"Du hast die letzten fünf Jahre Dienst gemacht. Dieses Jahr solltest du etwas anderes machen. Fahre in Urlaub oder sonst was."
Guter Vorschlag. Wenn da nicht ihr neuer Kollege Georg mit den hübschen dunklen Augen gewesen wäre, der sie vor nicht einmal einer Stunde gefragt hatte, ob sie ihm aus der Patsche helfen könnte. Natürlich hatte sie ja gesagt. Wie sollte sie auch ablehnen, wenn er sie mit diesen Augen ansah und sie damit beinahe zum Schmelzen brachte. Ohne, dass ihr es bewusst wurde, hatte sie genickt. Vielleicht war auch die Hoffnung gewesen, dass er sich irgendwie bei ihr erkenntlich zeigte. Vielleicht würde er mit ihr zusammen einen Kaffee trinken? Oder er würde sie zum Essen ausführen. Doch die nächsten Sätze wirkten auf sie wie ein Kübel eiskaltes Wasser.
"Du bist wirklich ein Schatz, Lisa. Ich bin nun schon so lange hinter Meredith her und an Weihnachten habe ich endlich die Chance ihr an die Wäsche zu gehen."
Am liebsten hätte Lisa alles wieder zurückgenommen, doch Georg war schneller verschwunden als ein Rennwagen und hatte sie einfach stehen lassen.
"Na toll. Lisa! Dein Weihnachten ist hin und nur weil du nicht fähig warst, Georg in die Schranken zu weisen."
Leise vor sich hin schimpfend, ging sie nach Hause. Überall um sie herum waren die Menschen in Weihnachtsstimmung. Alle lachten und trotz der Hektik, die an Weihnachten immer aufkam, sah man die Menschen alle mit zufriedenen Mienen. Von überall her schallte Weihnachtsmusik und es roch so gut nach gebrannten Mandeln, verschiedenen heißen Getränken und Tannenzweige.Die Luft war so kalt und schneidend, dass man auf Schnee hoffen konnte.
Auch wenn sie wütend auf sich selbst war, ließ sich Lisa gerne anstecken, denn auch das war eine ihrer Schwächen. Sie konnte nie lange böse sein.
Sie ging in den kleinen Laden bei ihr um die Ecke und kaufte für ihren pummeligen Kater Eddy eine Dose vom teuersten Katzenfutter. Wenigstens einer sollte sich freuen.
Der Kater erwartete sie auch schon, als sie zur Tür ihrer Wohnung hinein kam und beschwerte sich sofort lautstark, weil sie ihn so lange alleine gelassen hatte. Sie kraulte ihn unter dem Kinn und zog dann die Jacke aus.
Eddy strich ihr so lange um die Beine, bis sie endlich die Dose geöffnet und den Inhalt in einen kleinen weihnachtlichen Napf geleert hatte.
Noch einmal strich sie ihm über den Kopf, doch Eddy ließ sich nicht mehr beim Essen stören.
Lächelnd richtete sie sich auf und betrachtete ihre kleine Wohnung. Dieses Jahr hatte sie sich besonders viel Mühe gegeben. Sie war zwar alleine, aber warum sollte sie ihre Wohnung nicht weihnachtlich schmücken? Und dass sie dieses Jahr eigentlich Urlaub haben sollte, hatte sie beflügelt und sie hatte Deko gekauft, um sie richtig in weihnachtliche Stimmung zu bringen.
Leise schnaubte sie.
Alles umsonst.
Lisa war nur froh, dass sie den Weihnachtsbaum noch nicht gekauft hatte. Dabei wäre das ihr persönliches Highlight gewesen. Sie freute sich jedes Jahr auf ihren Baum, den sie schmücken konnte. Und sobald sie vom Dienst zu Hause angekommen war, hatte sie nur die Lichter des Baumes angemacht und sich mit einem Kissen davor gesetzt. Natürlich war das auch der Moment gewesen, an dem sie an ihre Eltern dachte, die schon lange nicht mehr bei ihr waren, aber sie wusste auch, dass die beiden in diesem Moment ganz nah bei ihr waren und sie trösteten.
Dich dieses Jahr würde sie keinen Baum kaufen. Warum auch? Sie war alleine und das wurde ihr gerade in diesen Moment mehr als bewusst. Niemand war bei ihr, ob sie nun diesen verdammten Baum hatte oder nicht.
Seufzend wärmte sie sich ein Mikrowellengericht und schlang es schnell im Stehen runter. Danach ging sie unter die Dusche und machte es sich auf der Couch bequem.
Alles war so verdammt trostlos.
"Ganz ehrlich, Santa! Ich war dieses Jahr doch wirklich artig! Kannst du nicht irgendwie was drehen, dass ich nur einmal Spaß an Weihnachten habe? Ich weiß, es klingt selbstsüchtig, aber ich will, dass sich jemand auch mal um mich kümmert und nicht immer umgekehrt. UNd ich will einfach nicht alleine sein."
Sie wickelte sich in ihre Kuscheldecke und schloss die Augen.
So sah sie nicht, wie ein kleiner silberner Stern sich aus den Zweig löste, Eddy auswich, sich zusammen faltete und durch Schlüsselloch verschwand.
"Was zur Hölle..."
Nicolas Clause stürzte etwas unsanft auf sein Bett und der MaiTai, den er gerade noch an einer Strandbar bestellt hatte, lief ihm über die nackte Brust.
Verwirrt sah er sich um, dann schnaubte er wütend.
"Dad! Was soll das? Glaubst du wirklich, dass ich mich dazu zwingen lasse?"
Nicolas wusste genau, wo er war. Er war in seinem alten Jugendzimmer am Nordpol. Er war schon vor Jahren ausgezogen und hatte eigentlich sein eigenes Leben in Los Angeles aufgebaut. Er war erfolgreicher Werbetexter und verdiente gutes Geld.
Doch vor ein paar Jahren hatte sein Vater schon so Andeutungen gemacht, dass Nicolas endlich ins Familienunternehmen einsteigen sollte.
Das wäre nicht unbedingt ein Problem, aber sein Vater war Santa Clause. Genau! DER Santa Clause.
Einmal im Jahr verwandelte sich sein Vater in diesen gütigen Mann mit dicken Bauch, weißen Rauschebart und roten Backen, der in einer Nacht die Menschheit beschenkte. Am anderen Tag war er wieder Nick Clause, der Besitzer einer normalen Spielzeugfabrik. Na ja, fast normal.
Und nun dachte sein Vater wohl, wer könnte Nicolas zwingen.
Niclas lachte böse.
"Ich habe dir gesagt, dass daraus nichts wird, Dad! Dad? Verflucht, wo bist du?"
Er wischte sich den MaiTai von der Brust, stand auf und richtete sich seine Bermudashorts. Mit nackten Füßen ging er zu einem der Schränke und wunderte sich nicht, dass er seine Klamotten darin fand.
"Das ist wohl nicht dein Ernst, alter Mann!", murrte er und zog sich eine Jeans und einen Pulli über. Es sah beinahe so aus, als ob er wieder Zuhause eingezogen wäre. Was nicht passieren würde, das hatte er doch unmissverständlich klar gemacht. Es war doch nicht seine Schuld, dass sein Vater nur einen Sohn gezeugt hatte, der auch nicht gewillt war in die Fußstapfen seines Vaters zu treten.
Die Tür zu seinem Zimmer ging auf und Nicolas polterte sofort los.
"Ich will nach Hause, Dad. Ich habe keine Ahnung, was du damit bezweckst, aber im Moment bin ich wirklich sauer und würde Weihnachten am liebsten ausfallen lassen."
"Nick ist nicht hier!"
Nicolas lehnte sich zurück, damit er sah, wer denn in seinem Zimmer war.
"Emmi!"
Er lachte leise, als er die kleine Elfe vor sich sah. Obwohl sie um einiges älter als er war, sah sie immer noch aus wie ein kleines Kind. Er mochte Emmi und bereute es, dass er jetzt schon seit sieben Jahren nicht mehr daheim gewesen war. Wenigstens sie hätte er besuchen können.
Er lief auf sie zu und hob sie in die Höhe, bevor er sie fest umarmte.
"Mann, tut das gut dich zu sehen. Wie geht es dir? War das Weihnachtsgeschäft hektisch dieses Jahr?"
Er sah sie kurz lächeln, doch dann wurde sie wieder ernst.
"Es ist immer hektisch, Nicolas. Und das weißt du. Du hast selbst oft mitgeholfen. Gerade deswegen verstehe ich nicht, warum du dich weigerst Nick zu helfen. Himmel, es ist doch nicht zu viel verlangt ihn einmal zu vertreten."
Nicolas ließ die Elfe los und schnaubte.
"Es bleibt doch nicht nur bei diesem einen Mal, Emmi. Und das weißt du!"
Die kleine Elfe schnaubte ebenfalls und reichte ihm einen Umschlag.
"Bevor du jetzt herum jammerst, solltest du auch einmal daran denken, dass Nick dich sanft in alles eingeführt hat. Er selbst wurde von seinem Vater ins kalte Wasser geschmissen und hatte von nichts eine Ahnung. Er machte vor dir nie ein Geheimnis, was er war und er hat sich so gefreut, als du als kleiner Junge so viel Interesse an seiner Arbeit gezeigt hast. Er hat dich nie zu etwas gezwungen, was du nicht wolltest. Ist es da zu viel verlangt, wenn du nur einmal...ein einziges Mal...seinen Job übernimmst, damit auch er sich einmal an Weihnachten als normaler Mann fühlen darf?"
Nicolas hob einen Finger.
"Du bist wirklich verflucht gut. Ich habe beinahe ein schlechter Gewissen."
Endlich lächelte sie.
"Ich weiß. Hör zu, Nicolas. Lass ihm doch wenigstens dieses eine Weihnachten."
Er seufzte.
"Ich nehme mal an, er ist schon weg. Und Mum auch!"
Sie nickte freudestrahlend.
"Ja. Aber er hat alles vorbereitet. Und er hat dir jemand zur Seite gestellt. Allerdings..."
Den Rest nuschelte sie vor sich hin und wollte aus der Tür.
Nicolas konnte sie gerade noch an ihrem Umhang packen.
"Moment! Hast du gerade gesagt, ich muss denjenigen noch überzeugen? Ist das euer Ernst?"
Emmi lächelte schuldbewusst.
"Du schaffst das schon, Nicolas. Immerhin hast du auch die Gaben deines Vaters." Sie hob beide Hände, als er lospoltern wollte. "Für eine Nacht. Mehr nicht, Nicolas. Ihre Adresse steht in dem Brief. Rede mit ihr und bring sie hierher. Ich bin mir sicher, Lisa wird dir gerne helfen."
Er hob eine Augenbraue.
"Lisa?"
Emmi nickte
"Sie ist eine sehr nette Frau. Wirklich!"
Er nickte und kreuzte seine Arme vor der Brust.
"Das glaube ich dir sogar. Aber warum sollte ich mit einer Frau los ziehen und Geschenke verteilen?"
Sie lachte.
"Sie ist auf der Artig-Liste und hat endlich mal einen Wunsch geäußert."
Bevor er war sagen konnte, reichte sie ihm Stiefel und einen Mantel.
"Jetzt musst du aber los. Es wird jetzt schon verdammt eng mit der Zeit."
Bevor es sich Nicolas versah, stand er schon vor dem Tor, das ihn in die sogenannte normale Welt brachte.
"Ich habe das Gefühle, ihr verarscht mich alle!", schimpfte er, doch Emmi schob ihn energisch durch das Tor und winkte ihm hinterher.
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