Hoffnung in der Dunkelheit
August 1979
Die ständig wachsende Bedrohung in der Welt der Zauberer und die zunehmenden Anforderungen des Dunklen Lords, schienen Lucius' Last immer schwerer zu machen. Obwohl er nicht direkt mit Narzissa über die Aufgaben und Pläne des Dunklen Lords sprach, ließen seine Erzählungen darauf schließen, dass in den vergangenen Wochen Rückschläge zu verzeichnen waren.
Die Unberechenbarkeit und der Zorn des Dunklen Lords bereiteten Narzissa große Sorge. Sie fürchtete um die Sicherheit ihres Mannes und hoffte inständig, dass der Dunkle Lord endlich den ersehnten Erfolg erlangen würde. Die quälende Ungewissheit darüber, was geschehen würde, und die düsteren Ereignisse, die sich um sie herum abspielten, ließen sie nicht zur Ruhe kommen.
Auch das plötzliche Verschwinden ihres Cousins Regulus Anfang August hinterließ viele Fragen, auf die niemand eine Antwort hatte. Der Widerstand gegen Voldemort wurde energischer, und die Forderungen nach Schutz seitens der Zaubereiministerin Bagnold wurden lauter. Narzissa verfolgte die Schlagzeilen in den Zeitungen mit angehaltenem Atem und betete jeden Tag dafür, dass die Nachricht vom Sturz des Ministeriums durch den Dunklen Lord endlich verkündet werden würde. Die Dinge, so dachte sie, würden sich zum Besseren wenden, wenn der Dunkle Lord an der Macht war. Doch dieser Tag schien noch fern.
Inmitten dieser düsteren Gedanken suchte sie verzweifelt nach einem Anker. Lucius' Anwesenheit bot ihr zwar Trost, verstärkte jedoch auch ihre Ängste. Sie wusste, dass er ein wichtiger Teil Gefolges des Dunklen Lords war, und sie fürchtete darum, ihn zu verlieren.
Nichts war so schrecklich, wie jener Gedanke.
Narzissa erhob sich langsam von ihrem Platz unter dem Fliederbusch und machte sich auf den Weg ins Haus. Lucius sollte schon zurück sein und allmählich sorgte sie sich.
Am Abend lief sie unruhig im Manor umher und suchte nach Ablenkung. Das Anwesen war ein furchtbar einsamer Ort für Wartende, Sorgende und Verzweifelte. Es war fast Mitternacht, als sie ein Geräusch in der Eingangshalle hörte. Narzissa ließ ihr Buch fallen, lief aus der Kemenate und fand ihren Mann in einem fürchterlichen Zustand vor.
»Was ist geschehen?«, fragte sie ängstlich, als sie den zerrissenen Umhang bemerkte.
Lucius schien geschwächt und sie eilte ihm entgegen, um ihren Mann zu stützen. Eine Antwort auf ihre Frage blieb aus. Ihr fiel jedoch gleich eine Wunde an seiner Schulter auf und sie erschrak.
»Du bist verletzt!«
»Nur ein mittelmäßiger Fluch«, sagte er ernst und ließ sich von seiner Frau in die Kemenate führen.
Sie bugsierte Lucius auf einen der Sessel und legte die Wunde frei. Es war ein großer fleischiger Riss, doch es schienen weder Sehnen, noch Nerven geschädigt zu sein.
»Bring uns Diptam-Tinktur, Dobby!«, sprach Narzissa in den Raum.
Nur wenige Sekunden später erschien ein Tablett mit einem Flakon und einem Kästchen voll Watte auf dem Beistelltisch. Narzissa tränke ein Bausch mit der Tinktur und betupfte damit die Wunde.
Lucius ertrug die Prozedur stoisch, verzog jedoch ab und an das Gesicht vor und sog scharf Luft ein, wenn die Tinktur wirkte. Doch er gab keinen Laut von sich und sein Blick blieb starr nach vorne gerichtet, als ob er sich in Gedanken an einen fernen Ort flüchtete, um die Schmerzen zu ertragen.
Als Narzissa die Behandlung abschloss, sah sie auf die nun gereinigte Wunde, die jetzt von einer dünnen schützenden Hautschicht bedeckt war.
»Das sollte eigentlich von einem Heiler behandelt werden, damit keine Narbe verbleibt«, merkte sie besorgt an, während ihr Blick auf der Verletzung ihres Mannes ruhte.
»Keine Heiler«, antwortete Lucius knapp und lehnte sich im Sessel zurück.
Sein Ton ließ keinen Widerspruch zu. Narzissa missbilligte diese Entscheidung, wusste jedoch auch, dass es vermutlich zu riskant war, das St. Mungos-Hospital aufzusuchen. Sie seufzte leise, denn ihr war bewusst, dass ihr Mann die Behandlung aus gutem Grund vermied. In diesen unruhigen Zeiten konnten verletzte Anhänger des Dunklen Lords im St. Mungos Hospital leicht entdeckt und festgenommen werden und dies würde nicht nur ihre Sicherheit gefährden, sondern auch die des gesamten Netzwerks, dem sie angehörten.
»Kann ich sonst noch etwas für dich tun?«, fragte Narzissa fürsorglich und nahm auf der Lehne Platz. »Hast du hunger? Durst vielleicht?«
»Du könntest einfach hierbleiben«, sagte Lucius schlicht.
Narzissa lächelte schwach und konnte die Sorgen nicht vollkommen verbergen und antwortete: »Natürlich.«
Lucius zog sie zu sich auf den Schoß, um sie in den Armen zu halten, und sah wieder ins Feuer. Narzissa, einen Moment zu perplex, entspannte sich nur allmählich und ließ sich dann neben ihren Mann in den Sessel sinken. Ihr Kopf lehnte an seinen und er würzig-zitronige Duft des Diptams stach ihr in der Nase.
Trotz allem konnte Narzissa ihr Glück nicht fassen und sie genoss die Nähe in vollen Zügen. Die friedliche Stille um sie herum wurde nur von dem leisen Knistern des Kaminfeuers durchbrochen und in jenem Moment fühlte Narzissa eine unerschütterliche Verbundenheit zu Lucius und eine tiefe Gewissheit, dass nun endlich alles gut werden würde.
Sie schmiegte sich enger an ihn, genoss seine Wärme und wurde schließlich zu etwas verführt, was sie seit dem Tag ihrer Trauung nicht mehr getan hatte.
Narzissa küsste ihn.
Zunächst zaghaft, berührten ihre Lippen seine stoppeligen Wangen. Als er ihr langsam den Kopf zuwandte, fasste sie den Mut und legte bedächtig ihre weichen Lippen auf die seinen und dieses Mal erwiderte Lucius die Geste. Erst zärtlich und behutsam, dann ungezügelt und verlangender. Die Gedanken in ihrem Kopf waren wie ausgelöscht und das heftige Toben ihrer Gefühle nahm plötzlich den ganzen Raum ein. Narzissas Herz raste und ihr Körper erzitterte vor Aufregung. Sie verspürte eine überwältigende Inbrunst und es war, als würden alle Zweifel und Ängste in diesem Moment vergehen, während sie sich vollkommen dem Feuer ihrer Leidenschaft hingab. Ihre Lippen verschmolzen in einem Kuss voller Sehnsucht und Verlangen, und die Welt um sie herum schien für einen kostbaren Augenblick stillzustehen.
Oktober 1979
Von da an war alles anders und Narzissa hätte glücklich sein können, wenn nicht die Schatten dunkler Ereignisse, ihr weiter im Nacken saßen. Nur wenige Monate nach dem Verschwinden ihres Cousins ereilte Narzissas Vater das gleiche Schicksal. Druella Black war vollkommen durch den Wind und Narzissa stattete ihrer Mutter täglich einen Besuch ab, um sie zu beruhigen und zu trösten.
»Vielleicht ist er auf einer geheimen Mission, Mutter«, sagte sie und versuchte, optimistisch zu sein. »Du weißt, der Dunkle Lord weiht uns nicht in seine Pläne ein.«
Ihr entging das Funkeln in den Augen ihrer älteren Schwester nicht. Bellatrix schenkte ihnen Tee ein und ignorierte den bedeutungsschweren Blick ihrer Mutter.
»Du weißt, dass es uns nicht gestattet ist, darüber zu sprechen, Mutter«, sprach sie, noch bevor Druella die Frage ausgesprochen hatte.
»Euer Vater hätte mich nie wortlos verlassen«, klagte sie. »Ich kann beinahe verstehen, wie es Walburga ergeht. Ihr einziger Sohn ... Sie verlässt das Haus gar nicht mehr.«
Narzissa warf ihrer Schwester einen heimlichen Blick zu, doch in Bellatrix' Miene war keine Emotion zu lesen. Dafür war sie viel zu gut in Okklumentik.
Sie blieb bei ihrer Mutter, bis diese sich am Abend von der Gesellschaft verabschiedete und Narzissa nutzte die Gelegenheit mit Bellatrix alleine zu sprechen.
»Weißt du wirklich nicht, was mit Vater geschehen ist?«, fragte sie verärgert.
»Ich weiß nur«, gab sie zurück, »dass Vater in sich in der Vergangenheit dumm und senil verhalten hat. Er wurde zu etwas, das er nicht hätte sein sollen.«
»Wie kannst du so über ihn sprechen?«, fragte Narzissa ungläubig.
»Das kann ich«, erwiderte ihre Schwester, »weil ich es gesehen habe wie er mit dem Dunklen Lord umging.«
Die Jüngere sah ihre Schwester einige Sekunden fassungslos an. Bellatrix' Rohheit und ihre Unbarmherzigkeit waren nichts Neues für sie, doch es gab Momente, da erschreckte es sie erneut.
»Und du, Bella? Machst du dir keine Sorgen?«, fragte sie mit einem Hauch von Zorn in ihrer Stimme. »Sie sagen immer, dass ihm das reine Blut ihm heilig ist. Aber was ist mit uns? Wie viele der unsrigen sind in den vergangenen Monaten gestorben? Was ist mit unserer Familie?«
»Ich zweifel niemals am Dunklen Lord!«, betonte Bellatrix voller Inbrunst. »Und du solltest dies auch nicht, wenn dir das Wohlbefinden deines Mannes noch etwas bedeutet.«
Narzissa starrte Bellatrix mit einer Mischung aus Verwirrung und Angst an, als ihre Worte durch den Raum hallten. Die düsteren Schatten in den Augen ihrer Schwester spiegelten den Fluch wider, der über ihrer Familie zu liegen schien.
»Wie Vater sind wir stets loyal gegenüber dem reinen Blut und den Idealen, die unsere Familie hochhält«, entgegnete sie. »Er hätte niemals ... er könnte niemals ...« Narzissa Stimme versagte.
»Er hat geglaubt, er könnte sich dem Dunklen Lord widersetzen – niemand kann das, Zissy«, beschwor Bellatrix ernst und ihr Blick durchdrang die Jüngere, als sei sie gläsern. »Er ist die Zukunft. Unsere Zukunft!«
Die Worte hallten in Narzissas Kopf wider, und sie fühlte, wie ein eisiger Schauer ihren Rücken hinab lief. Die Gedanken an ihren Vater, der nun verschwunden war, verursachten ihr eine unendliche Trauer und Verzweiflung. Doch noch schlimmer war die Angst, die in ihrem Herzen loderte, als sie sich fragte, was als Nächstes kommen würde.
»Nur die Stärksten werden überleben«, prophezeite Bellatrix, als hätte sie ihre Gedanken gelesen. »Und wir werden stark sein, Narzissa. Wir werden stark für unsere Familie sein und für das reinblütige Erbe, das wir verteidigen. Der Dunkle Lord wird uns beschützen, solange wir ihm treu ergeben sind. Mach dir keine Sorgen um uns. Wir sind Blacks, wir werden immer überleben.«
Narzissa versuchte, den Mut aufzubringen, Bellatrix' Worte zu glauben, doch tief in ihrem Inneren flackerte die Angst weiter, unnachgiebig und dunkel.
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