Ein Spaziergang durch die Winkelgasse

September 1978

Nach ein paar Tagen ließ man Narzissa in die Kemenate rufen und schließlich traf sie dort die Hausherrin an einem verschnörkelten Schachtisch sitzend vor.

»Setz, dich doch, Liebes«, sagte Aethel freundlich, »und Spiel eine Partie mit mir.«

Narzissa stimmte zu, näherte sich jedoch nur zögerlich. »Ich bin nicht sonderlich gut, in Zauberschach«, gab sie zu und nahm Platz.

»Dann ist es an der Zeit, deine Sinne zu schärfen«, gab Aethel zurück und überließ Narzissa den ersten Zug. »Strategisches Denken ist überaus wichtig, für unsereins.«

Die geborene Black sah mit einem fragenden Blick auf, nachdem sie ihren Bauer vorgerückt hatte, doch ihr Gegenüber reagierte darauf nicht.

»Möchtest du einen Tee?«

»Sehr gerne«, gab Narzissa zu und machte den nächsten Zug.

»Dobby!«

Der dünne Hauself erschien im Nichts und goss ihr Tee ein. Narzissa hatte große Mühe ihren Ekel zu verbergen, als das kleine Wesen, das in einen dreckigen Kissenbezug gekleidet war, sich ihnen näherte, um die Teetassen zu füllen. Narzissa hatte von jeher eine Abneigung gegenüber dieser jämmerlichen Kreaturen gehegt.

Als der Duft von Melisse in von der dampfenden Flüssigkeit aufstieg, verschwand der Elf mit einem leisen ›Plop‹.

Aethel raubte ihr derweil einen Springer, einen Läufer und drei Bauern.

»Ich möchte mich für das Verhalten meines Mannes von neulich bei dir entschuldigen«, begann Aethel nach einer Weile.

»Das ist nicht notwendig«, tat Narzissa förmlich ab und hoffte, dass sie das Thema nicht vertiefen würden. Es war ihr noch immer unangenehm.

»Doch das ist es. Es war unangebracht«, sagte Aethel. »Abraxas gesellschaftliche Stellung und sein Ansehen sorgen manchmal dafür, dass sein Taktgefühl abhandenkommt.« Sie machte eine kurze Pause. »Wir wissen natürlich, dass du deine Pflichten ernst nimmst, und ich habe ihm auch gesagt, dass du unseren Sohn sehr liebst.«

»Das tue ich wirklich, Misses«, betonte Narzissa.

»Das weiß ich«, beteuerte Aethel. »Wann immer du ihn ansiehst, kann ich es in deinen Augen sehen.«

Narzissa hielt ihrem Blick nicht länger stand. Ein dicker Kloß bildete sich in ihrem Hals und ihr Brustkorb schien wie zugeschnürt und erschwerte ihr das Atmen. Die Bedenken und Ängste, die seit der Hochzeit in ihr schlummerten, keimten plötzlich auf, doch sie wusste nicht, ob sie diese überhaupt laut aussprechen durfte. Allerdings hatte Narzissa Vertrauen in Aethel gefasst und nahm sie inzwischen beinahe wie eine Verbündete wahr. Sie beide hatte das gleiche Schicksal ereilt, vielleicht hatte Lucius' Mutter einen weisen Rat für sie.

»Allerdings«, sagte sie und sprach zum ersten Mal ihre Zweifel aus, »glaube ich, dass er nichts dergleichen für mich empfindet ...«

Aethel lehnte sich in ihren Sessel zurück und blickte die geboren Black ernst an. Dann sagte sie: »Lucius ist noch nicht so weit. Gib ihm Zeit. Er wird erkennen, welche liebenswerte und starke Frau du bist.«

»Das wünsche ich mir von ganzem Herzen«, schwor Narzissa und senkte den Blick, um ihre Tränen zu verbergen.

Aethel lächelte liebevoll und legte ihrer Schwiegertochter eine Hand auf den Arm.

»Erwarte nicht, dass es in ein paar Wochen geschieht. Abraxas und ich haben Jahre gebraucht, um uns einander anzunähern. Doch Treue, Loyalität und Zuverlässigkeit schaffen das Fundament, auf dem die Liebe fußt. Hab Geduld.«

Narzissa hob den Kopf und eine einzelne Träne tropfte aus ihrem Auge, als sie nickte.

»Danke«, hauchte sie leise.

»Nicht dafür, Liebes«, erwiderte Aethel sanft. »Wir sind nun eine Familie.«

Es erwärmte Narzissas Herz und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als endlich ein wirklicher Teil von ihr zu werden.

Narzissa Black hatte nie echte Freundinnen besessen. Die Bande zu ihren beiden Schwestern waren stets stärker gewesen, als all die Bekanntschaften, die sie während ihrer Schulzeit gemacht hatte. Sie kannte einige reinblütige Mädchen, doch sie hatte zu keinem von ihnen je ein aufrichtiges Vertrauen aufbauen können. All die Treffen waren immer von gesellschaftlichen Druck und Schauspiel überschattet gewesen.

Aus diesem Grund ging Narzissa an jenem Tag alleine in die Winkelgasse, um die Besorgungen der Familie Malfoy zu erledigen. Sie traf zwar Lucian Bole und seine Frau und tauschte den neusten Klatsch mit ihnen aus, doch ansonsten verlief der Einkauf ohne besondere Vorkommnisse. Sie gönnte sich einen neuen sommerlichen Umhang bei Madam Malkins und hoffte darauf, Lucius' Geschmack zu treffen, und legte sich noch ein exquisites Parfum zu, in der Hoffnung ihn zu betören.

Während sie einen Tee und eine kleine Süßspeise bei Floreans Fortescues genoss, beobachtete die das Treiben der Menschen. Es hatte sich verändert.

Narzissa war dies bereits bei der Ankunft aufgefallen. Die Leute waren nervös und angespannt. Sie sahen sich ständig um und Unruhe lag in der Luft.

Der geborenen Black war bewusst, dass dies dem revolutionären Umbruch zu Schulden war, der ihnen allen bevorstand. Der Dunkle Lord gewann stetig an Macht und das bereitete sowohl den Schlammblütern sowie auch vielen Halbblütern Sorgen. Sie wussten, dass sie die Toleranz, die sie all die Jahre genossen hatten, verlieren würden, wenn der Dunkle Lord erst einmal an der Macht war. Der Dunkle Lord versprach, wieder Anstand und Noblesse in die Zauberergesellschaft zurückzubringen. Er versprach ihnen eine bessere Welt und das Ende der genozidalen Politik der letzten Jahrzehnte.

Die Vermischung der magischen Gesellschaft mit Muggeln nahm stetig zu und das kostbare reine Blut verblasste. Es war zu einer Bedrohung ihrer Welt geworden und Narzissa verstand deswegen auch Abraxas' Verlangen nach einen Erben nur zu gut.

Ihr Kind würde ein wertvoller Beitrag zum Erhalt ihrer ehrwürdigen Linie sein. Er würde das reine magische Blut sowohl der Blacks als auch der Malfoys weitertragen. Sie war sich der Wichtigkeit ihrer Aufgabe bewusst und letzten Endes wünschte sie sich nichts sehnlicher, als eine eigene Familie.

»Narzissa?«

Die geborene Black sah auf und auf ihrem Gesicht bildete sich ein ehrliches Lächeln.

»Severus, welche Freude, dich hier zu treffen«, sagte sie ernst. »Möchtest du dich zu mir setzen?«

»Nein, danke«, antwortete dieser nur, »ich bin gerade auf dem Weg zur Apotheke.«

»Darf ich dich denn begleiten?«, fragte Narzissa und erhob sich bereits.

Die Reinblüterin legte eine Galleone auf den Tisch und schlenderte zusammen mit Severus die Winkelgasse hinab. Sie unterhielten sich eine Weile über ihre gemeinsamen Erinnerungen aus Hogwarts und über ihre Erfahrungen mit Zaubertränken, einem Fach, in dem Severus Snape besonders begabt war. Narzissa erinnerte sich daran, wie ihr Hausgenosse ihr oft geholfen hatte, als sie Schwierigkeiten mit den komplexen Trankrezepten hatte, und sie schätzte seine Geduld und sein Wissen sehr.

»Wie geht es dir in diesen Tagen, Narzissa?«, fragte Snape.

»Es ist etwas einsam in Malfoy Manor, seit Abraxas' Abreise«, erzählte Narzissa als sie an Eeylops Eulenkaufhaus vorbeikamen. »Man hat ihn auf eine Mission geschickt.«

»Ich hörte davon«, sprach Severus nur.

Narzissa warf ihm einen berechnenden Blick zu, wagte es jedoch nicht die Frage zu stellen, die ihr auf der Zunge lag.

»Das Anwesen ist so groß. Es würde ihm guttun, es mit mehr Leben zu füllen«, sprach sie stattdessen und seufzte. »Du bist uns jederzeit ein gern gesehener Gast, Severus.«

»Das ist sehr freundlich.«

»Nein«, sagte Narzissa, »das ist selbstverständlich! Ohne deine Unterstützung hätte ich meinen UTZ in Zaubertränke nie erreicht und du bist Lucius' ein treuer und loyaler Freund.«

Darauf antwortete er nicht und Narzissa ließ es so stehen, da sie wusste, das ihm Schmeicheleien unangenehm waren. Sie folgte Severus in die Apotheke, kauft dort einige exotische Tees, um Aethel zu überraschen, verabschiedete sie danach von ihrem Freund und kehrt zurück nach Malfoy Manor.


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