Die Verlobung
April 1977
Jauchzend schloss Narzissa Black die Tür ihres Jugendzimmers hinter sich und verfiel in einen stummen und ungestümen Jubeltanz, der sich einer Dame nicht zierte. Doch schon nach wenigen Sekunden, ließ sie sich völlig außer Atem auf ihr Bett fallen.
Ihr Brustkorb hob und senkte sich in unregelmäßigem Rhythmus und erst ganz langsam kam sie wieder zur Besinnung. Ihr Herz klopfte schmerzhaft vor Freude und sie hätte diese neue Kunde am liebsten in die Welt hinausgeschrien, oder sie zumindest mit ihrer älteren Schwester geteilt.
Narzissa hielt kurz den Atem an und eine dunkle Wolke zog über ihr Gemüt.
Sie würde nie wieder mit Andromeda ihre Geheimnisse teilen können. Andromeda hatte sich mit der Entscheidung, ihre Familie zu verlassen und einen Muggel zu heiraten, aus der Blutlinie der Blacks entfernt. Genau genommen wurde sie von ihren Eltern aus der Erblinie gestrichen, als hätte sie nie existiert.
Ihr ganzes Leben war Andromeda ihre beste Freundin, ihre Vertraute und teilweise auch wie eine liebende Mutter gewesen. Nun war sie unerreichbar für Narzissa.
Tränen rannen an ihren blassen Wangen herunter und benetzten die Tagesdecke.
Heute, an dem wohl glücklichsten Tag ihres Lebens, konnte sie die Neuigkeiten nicht mit ihr teilen oder gar feiern. Narzissa war alleine.
Zwar hatte sie noch eine weitere Schwester, aber Bellatrix war nicht die Art von Mensch, mit der man über seine Wünsche und Träume sprach. Bellatrix war eine gnadenlose und rigorose Beschützerin, doch sie war auch ungeduldig und mit einer unbarmherzigen Härte ausgestattet.
Eine weitere Träne tropfte auf ihr Kissen, als Narzissa sich auf die Seite rollte.
Wie gerne hätte sie mit Andromeda gesprochen, ihr davon berichtet, welch grandiosen Mann man ihr versprochen hatte.
Lucius Malfoy war eine gute Partie. Seine Familie gehörte, wie die Blacks, zu den Unantastbaren Achtundzwanzig. Sie waren nobel und reinblütig. Zudem hatte Narzissa den jungen Malfoy bereits in Hogwarts heimlich verehrt.
Sie seufzte schwer. Was war all ihr Glück wert, wenn sie es mit niemandem teilen konnte?
Narzissa betrachtete kurz den Baldachin ihres Himmelbettes und schloss die Augen, ließ die vergangenen Stunden Revue passieren. Als ihr Vater beim gemeinschaftlichen Abendessen die Entscheidung verkündete, hatte sich Narzissa wie eine Prinzessin gefühlt, umgeben von all den wohlwollenden Blicken und Glückwünschen ihrer Onkel und Tanten. Doch inmitten all dieser Pracht hatte sie die Leere gespürt, die der Verlust von Andromeda hinterlassen hatte.
Narzissa wusste, dass sie stark sein musste, nicht nur für sich selbst, sondern weil man dies von ihr erwartete. Sie würde ihre Rolle als zukünftige Mrs Malfoy mit Würde und Anmut erfüllen. Vielleicht, so hoffte sie, würde Lucius' Liebe auch den Schmerz über den Verlust ihrer Schwester lindern.
Ein Klopfen riss sie aus ihren Träumen. Die Tür wurde so schnell geöffnet, dass Narzissa kaum die Möglichkeit hatte, sich die Spuren der Tränen von den Wangen zu wischen. Sie wusste sofort, wer eintrat. Nur Bellatrix besaß die notwendige Taktlosigkeit und war engstirnig genug, Privatsphäre als eine Art Missverständnis aufzufassen, die keinem gegeben sein sollte.
»So, so«, sagte sie mit funkelnden Augen und schloss die Tür hinter sich, »für meine kleine Schwester ist es nun also auch so weit. Der Ernst des Lebens beginnt.«
»Ich dachte, du würdest dich für mich freuen ...«
»Natürlich freue ich mich für dich, Zissy«, gab Bellatrix schnippisch zurück. »Lucius ist eine gute Partie und ich erinner' mich noch gut an all die Lobpreisungen in deinen Tagebüchern!«
Sie feixte und Narzissa bedachte ihre ältere Schwester mit einem vernichtenden Blick. Sie hatte ihr nie verziehen, dass Bella sie in ihrer Jugend bei jeder Gelegenheit erpresst hatte. Als das jüngste von drei Kindern war sie meistens im Nachteil gewesen.
»Schmoll nicht«, sagte Bellatrix und lachte, »das gibt nur Falten und du musst nun eine hübsche Ehefrau sein, um die Erwartungen unserer Familien zu erfüllen!«
Narzissa senkte den Blick und spürte einen Kloß in ihrem Hals. Bellatrix' Worte trafen einen wunden Punkt. Sie wollte mehr sein, als nur eine hübsche Fassade. Die Sehnsucht und die Ungewissheit, ob Lucius ihre bereits tief empfundene Liebe erwidern würde, quälte sie und machten ihr Angst.
»Wie ist es dir mit Rodolphus ergangen?« Es war das erste Mal, dass Narzissa ihre Schwester auf ihn ansprach.
Bellatrix war von ihrem Vater unmittelbar nach ihrem Schulabschluss mit dem älteren der beiden Lestrange-Brüdern verheiratet worden. Doch Bella hatte dies nicht – wie Narzissa – stillschweigend hingenommen. Sie hatte getobt und rebelliert, bis sie von Cygnus gezüchtigt wurde. Als Entgegenkommen hatte man Rodolphus und Bellatrix schließlich vor der offiziellen Verlobungszeremonie zusammengeführt und danach war alles anders geworden.
Narzissa hatte nie verstanden, was den Sinneswandel ihrer Schwester ausgelöst hatte. Bellatrix verabscheute die Ehe schon immer. Sie hatte frei sein wollen, um tun zu können, was sie wollte. Doch auch sie musste sich dem Willen ihres Vaters beugen.
»Es war dumm von mir, dagegen anzukämpfen«, gab sie zu und ging zur Schminkkommode hinüber, um Narzissas Habseligkeiten zu inspizieren. »Die Ehe war die Chance, endlich aus diesem Haus herauszukommen.« Sie ließ die Hand in einer rotierenden Geste vor ihrer Brust kreisen und sah dann Narzissa mit einem vielsagenden Blick an. »Er hätte mir keinen besseren Mann aussuchen können.«
»Also liebt ihr euch?«, fragte Narzissa neugierig.
Ihre Schwester lachte auf, dann antwortete sie: »Rodolphus ist einfach gestrickt und noch einfacher zufriedenzustellen, und zufriedene Männer sind leicht zu kontrollieren.« Sie nahm ein Parfümflakon von der Kommode, zog den Korken ab, roch daran und sagte: »Wie widerlich süß.«
Narzissa betrachtete ihre Schwester missbilligend und auch ein wenig mitleidig, bevor sie sagte: »Und damit bist du glücklich? Möchtest du nicht mehr? Möchtest du nicht geliebt werden?«
Bellatrix stellte das Flakon zurück und wandte sich wieder um. »Liebe ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten können, Zissy. Rodolphus gibt mir Freiheit. Er ist stark, loyal und er steht hinter mir. Das ist mehr wert als irgendeine romantische Illusion.«
Narzissa sah ihre Schwester lange an. Sie kannte einige der Gerüchte, die man sich über sie erzählte. Manche Erzählung mochten wahr sein, andere jedoch konnte sie sich nicht vorstellen. Bella besaß seit jeher einen starken Charakter, doch was sie nun offenbarte, war mehr, als Narzissa erwartet hatte. Wenn Rodolphus für sie nur ein Gleichgesinnter war, dann wurde Narzissa plötzlich klar, wie ihre Schwester es schaffte, als einzige Frau in die Reihen des Dunklen Lords erhoben zu werden. Ihre kaltherzigen Ansichten mussten ihm deutlich gemacht haben, dass sie ihm wirklich ergeben war.
Bellatrix hatte schon immer eine Besessenheit in ihrem Leben gebraucht. Narzissa erinnerte sich an die leidenschaftliche Hingabe, mit der Bella einst das Fliegen auf Besen perfektionierte, stundenlang im Garten trainierte und nie aufgab, bis sie besser war als alle Jungen, die zu Besuch kamen. Sie erinnerte sich auch an ihre unerschütterliche Begeisterung für die Dunklen Künste. Bellatrix verbrachte Tage in der Bibliothek und studierte all die obskuren Texte, die ihr zur Verfügung standen, um ihren Wissensdurst zu stillen. Narzissa hoffte von ganzem Herzen, dass Bellas neue Obsession nicht der Dunkle Lord werden würde. Es barg zu viele Gefahren und schließlich hatte sie schon eine ihrer Schwestern für immer verloren.
Sie verdrängte den Gedanken daran und konzentrierte sich wieder auf das Gespräch. »Und was ist mit Lucius? Du kennst ihn bereits viel besser als ich«, sagte Narzissa leise. »Denkst du, er wird mich jemals so akzeptieren wie Rodolphus dich?«
Bellatrix kam zu ihr herüber und setzte sich neben sie auf den Bettrand. »Lucius ist anders«, erklärte sie. »Er ist ehrgeiziger, berechnender. Aber er ist auch ein Mann, Zissy. Und Männer, egal wie klug sie sein mögen, haben Schwächen. Du musst herausfinden, was ihm wichtig ist. Dann hast du ihn in der Hand.«
»Ich will einfach nur, dass er mich liebt!«, gab die Jüngere genervt von sich. »Dass er mich sieht, wirklich sieht.«
»Dann zeig ihm, wer du bist«, sagte Bellatrix und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Zeig ihm die Stärke und Entschlossenheit der Blacks. Er wird es respektieren, eventuell sogar bewundern. Aber erwarte nicht, dass es leicht wird.«
Narzissa senkte den Blick zu Boden. Die Worte ihrer Schwester machten ihr Angst, doch vielleicht irrte sie sich. Womöglich war Lucius nicht so unnahbar, wie sie dachte. Schließlich konnte es auch sein, dass er die Heirat ebenso ungeduldig erwartete, wie sie selbst.
»Ich habe Angst davor, dass er mich zurückweisen könnte«, flüsterte Narzissa.
Bellatrix schüttelte den Kopf. »Du bist eine Black, Zissy. Wir lassen uns nicht zurückweisen. Wir kämpfen für das, was uns gehört. Und Lucius gehört nun dir. Du musst es ihm nur zeigen.«
Narzissa atmete tief durch und nickte schließlich. »Ich werde es versuchen.«
Dennoch plagten sie Zweifel.
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