Die Ernüchterung
Juni 1977
Der Eklat der Verlobungsfeier hatte sich wie ein Lauffeuer in der magischen Gesellschaft verbreitet. Hinter vorgehaltener Hand tuschelte man bereits.
Die Malfoys waren eine angesehene reinblütige Familie mit einem erhabenen Status in der Gesellschaft. Doch sie hatte nicht nur Sympathisanten. Narzissa wusste darum. Sie wusste es, weil sie aus einer gleichwertigen Familie entstammte und man sich auch über die ihrige den Mund zerriss.
›Die Blacks befürworteten Inzest und dies führte zum Verlust ihrer Geistesgegenwart‹, war eines der meistgehörten Unterstellungen, die Narzissa kannte und gründete vermutlich auf ihrem Familienmotto ›Tourjour pur‹. Als Teil dieser noblen und ehrwürdigen Familie hörte sie über derlei Gespräche hinweg, denn sie wusste, dass sie auf Missgunst und Hass beruhten. Mit ihrer Blutlinie, ihrem Vermögen und ihrem Einfluss gehörten sie nuneinmal zum besseren Teil der Gesellschaft und wo die Macht wuchs, da wuchs auch immer der Neid.
Der Familie Malfoy erging es nicht anders. Sie waren ebenfalls ein Teil der Unantastbaren Achtundzwanzig, die im Reinblüterverzeichnis aus den 1930er Jahren festgeschrieben wurden. Dieser Status verlor in ihrer Gesellschaft jedoch allmählich an Wert und die Reinblüter starben aus. Die Bedrohung durch die Halb- und Schlammblüter war allgegenwärtig. Einige der Achtundzwanzig waren schon für immer verloren, so wie die Gaunts oder die Prewetts. Es war eine Schande, die auf mangelnden Pflicht- und Traditionsbewussten fußte.
Narzissa mangelte es jedoch an beidem nicht.
Sie war bestrebt, ihr Erbe und ihre Traditionen weiterzutragen und deswegen verstand sie auch, dass das Verschwindekabinett eine Beleidigung für die Malfoys darstellte. Es war eine Fluchtmöglichkeit, suggerierte die Notwendigkeit eines Entkommens und stellte damit das Vertrauen und die Sicherheit in die zukünftige Ehe in Frage. Diese implizite Botschaft war für eine stolze und angesehene Familie wie die Malfoys eine tiefe Kränkung.
Narzissas Vater hatte sofort beteuert, dass sie weder an der Stabilität noch an der Integrität ihrer Verbindung zweifelten, und er hatte dies mit einem Kopfgeld von fünfhundert Galleonen untermauert. Jeder, der einen Hinweis auf den Schenker des Kabinetts liefern konnte, würde Cygnus großzügig belohnen.
Dies stimmte Abraxas milde und schließlich wurde das Verschwindekabinett, dass auch eine wertvolle und seltene Rarität war, auf dem Dachboden der Malfoys verbannt.
Die Hochzeit würde also doch stattfinden und Narzissa war bestrebt, all ihre Zweifel und Ängste auszuräumen. Sie hatte selbst den Stich dieser Beleidigung in ihrem eigenen Herzen gefühlt, denn sie wollte die Rolle als Lucius' Ehefrau voller Hingabe und Würde erfüllen. Allein die Vorstellung, dass sie jemals einen Grund zur Flucht haben könnte, war für sie unerträglich. Die Tatsache, dass jemand unbekanntes glaubte, ein Verschwindekabinett sei ein passendes Geschenk untergrub ihre Position und das Vertrauen in ihre neue Familie. Es war nicht nur ein Geschenk, sondern eine stille Anklage und Narzissa beschloss sie zu widerlegen.
Narzissa fieberte der Hochzeit bereits entgegen und versuchte ihre Mutter, in den Vorbereitungen zu unterstützen. Obwohl sie die Braut war, blieb ihr nicht viel Mitbestimmungsrecht. Die Malfoys, als Gastgeber, planten den größten Teil der Feierlichkeiten und Narzissa konnte sich nur an den Erinnerungen von Bellatrix' und Rodulphus Hochzeit laben. Sie freute sich auf die Feier und auch auf ihren Ehemann und doch schwebte ein dunkler Schatten über ihrem Gemüt, das sie in ruhigen Minuten zweifeln ließ.
Immer wieder kam ihr Lucius distanziertes und reserviertes Verhalten in den Sinn und löste eine tiefe Beklemmung und Unsicherheit in ihr aus.
Was war, wenn sie ihm nicht gefiel?
Wenn sie nicht seinen Vorstellungen entsprach?
Womöglich war er enttäuscht von ihr?
Konnte sie ihn mit ihrem Charakter und ihrer Aufopferungsbereitschaft überzeugen?
Je näher der Tag der Trauung kam, desto nervöser wurde sie und Narzissa wurde daran erinnert, wie sehr ihr eine Freundin fehlte, mit der sie über alles hätte reden können. Seit Andromeda aus der Familie gelöscht worden war, hatte sie niemanden mehr gehabt.
Narzissa war alleine und so fühlte sie sich auch am Tag ihrer Hochzeit.
»Du wirst die standesgemäß benehmen!«
»Ja, Mutter.«
»Du wirst Bescheidenheit und Zurückhaltung zeigen.«
»Ja, Mutter.«
»Und du wirst unserem Haus keine Schande bereiten!«
»Natürlich nicht, Mutter.«
Druella Black, schnippte etwas zu heftig mit dem Zauberstab. Die Schnürung von Narzissas Korsett ruckte zusammen und presste ihr die Luft aus den Lungen. Die junge Frau, ließ sich davon doch nichts anmerken. Ihr Blick ging starr in den Garten, wo sie einen weißen Pfau beobachtet hatte.
Ihre Mutter kam um sie herum und betrachtete sie kritisch und Druella sah auch die Sorge im Gesicht ihrer Tochter. Für einen Moment ließ sie einen Anflug von Milde walten, die bei ihr äußerst selten war. Tröstend legte sie ihrer jüngsten Tochter die Hand an die Wange und sagte sehr leise.
»Fürchte dich nicht. Lucius Malfoy ist ein Mann aus einem ehrenwerten Haus in dem Werte und Manieren noch hochgehalten werden. Er wird sanft zu dir sein.«
Narzissa fixierte die durchdringenden Augen ihrer Mutter, um die sich bereits einige Falten schlossen, die jedoch vom Make-up gut verdeckt wurden.
»Ich fürchte mich nicht«, sprach sie mit so viel Festigkeit in der Stimme, wie es ihr bei dieser Lüge möglich war.
Sie konnte förmlich sehen, wie der Stolz in den Augen ihrer Mutter wuchs.
»Toujours pur!«, sagte Druella und ließ die Hand sinken.
»Jusqu' à la fin!«, antwortete ihre Tochter gehorsam.
Als sie fertig angekleidet war, traten sie hinaus in den Flur, wo Cygnus bereits wartete.
Narzissa schlug das Herz bis zum Hals.
Sie versuchte, das Zittern ihrer Hand am Arm ihres Vaters zu unterdrücken, um ihm keinen Eindruck ihrer Aufregung zu vermitteln. Mit unsicheren Schritten folgte sie seiner Führung, denn durch den gehäkelten Schleier hindurch konnte sie den Weg durch die parkähnliche Anlage der Malfoys kaum erkennen. Leise Musik drang zu ihnen heran und verschmolz mit den rotgoldenen Sonnenstrahlen der Abendsonne. Die Luft war warm und angenehm und trotzdem bekam Narzissa schwitzige Hände.
Durch den Schleier hindurch nahm sie die vielen Menschen wahr, die sich um den Bannkreis versammelt hatten, der auf dem Boden gezaubert worden war. Sie kannte kaum einen von ihnen. Narzissa wusste, dass diese Feier als glanzvolles und prächtiges Ereignis inszeniert werden würde, um ihren sozialen Status gerecht zu werden. Es sollte die Prominenz der Zaubererwelt sowie auch die anderen wohlhabenden Familien beeindrucken, die man eingeladen hatte. Dieses Schauspiel diente nicht der Demonstration zweier Liebenden, sie war die Gelegenheit den Einfluss und die Verbindung der beiden Familien zu repräsentieren.
Narzissa begann zu zittern, als sie näher zum Bannkreis traten, in dem nur der Zeremonienmeister und Bräutigam standen. Sein Anblick raubte ihr den Atem, schien das Herzklopfen noch unerträglicher zu machen. Lucius trug einen schwarz-grünen Gehrock, der seine hochgewachsene Linie betonte und das schulterlange blonde Haar, war im Nacken zurückgebunden. Er sah sie an, doch Narzissa fiel gleich auf, dass er sie nicht zu sehen schien.
Der Blick aus seinen blau-grauen Augen war ohne Ausdruck und auch in seiner Miene spiegelte sich keine Emotion wieder.
Narzissas Sandalette knickte unter einem Kieselstein weg. Sie kam ins Stolpern, wurde jedoch von ihrem Vater gehalten. Sie hörte ihn ungehalten zischen und richtete sich augenblicklich wieder auf. Nun war sie froh darüber, dass der Schleier die Röte auf ihren Wangen verbarg.
Am Rand des Bannkreises standen Lucius' Eltern, Bellatrix mit ihrem Mann und eine dunkle Gestalt, die sie nicht erkennen konnte. Als ihr Vater sie hineinführte, lichtete er ihren Schleier und trat zurück.
Narzissa hatte nur Augen für Lucius gehabt, dieser jedoch nickte dankend Cygnus zu und bot ihr dann den Arm da, damit sie gemeinsam bis an den Altar schreiten konnten.
Vermutlich war er genauso nervös wie sie selbst.
Als die Trauung begann, musste Narzissa sich immer wieder auf die Worte des Zeremonienmeisters besinnen, denn ihre Gedanken schweiften ständig zu Lucius. Gerne hätte sie seinen Blick gesucht, doch sie musste zunächst diese Zeremonie hinter sich bringen.
Während der Zeremonienmeister über die Wächter am Rande des Bannkreises debattierte und die anwesenden Gäste aufforderte näher heranzutreten, um Zeuge der Verbindung zu werden, kämpfte Narzissa gegen den Schwindel an, der in ihren Kopf stieg. Als sie mit dem Rauch von Wacholder, Salbei und Weihrauch zur Reinigung eingehüllt wurden, trug dies noch mehr zu ihrer Übelkeit bei. Ihr Griff um Lucius' Arm wurde fester, aber auch darauf schien er nicht zu reagieren.
Der Zeremonienmeister übergab das Thuribulum einem Helfer und wendete sich dann dem Brautpaar zu und sagte: »Seid ihr bereit, das Eheversprechen abzulegen?«
Sowohl Narzissa, als auch Lucius nickten. Sie wandten sich einander zu und nahmen sich an den Händen. Seine waren rauer als die ihren, doch sie zitterten kaum. Der Blick aus seinen blau-grauen Augen war starr, beinahe lethargisch und Narzissa spürte, wie das Lächeln auf ihren Lippen zuckte.
»Ich verspreche ...«, begann der Zeremonienmeister und deutete mit seinem Zauberstab auf ihre Hände. Als das Brautpaar seine Worte wiederholte schlängelte sich ein golden glitzerndes Lichtband aus der Spitze des Stabes heraus und wickelte sich wie eine Schlange um ihrer beider Hände. »... im Glück und im Unglück, in Gesundheit und in Krankheit, in Reichtum und Armut ...« Auch diese Worte sprachen sie nach und das Lichtband umwickelte sie immer dichter. Narzissa spürte die Wärme und das Kribbeln, das von ihm ausging und ganz langsam bis zu ihrem Herz kroch.
Ob es Lucius ebenso erging?
Sie lächelte schüchtern, aber er erwiderte es nicht.
Dann traten Abraxas und Cygnus vor, um ihnen die Ringe zu reichen.
»... Zu lieben und zu ehren, solange ihr lebt.«
Lucius steckte ihr zärtlich und behutsam einen wunderschönen goldenen Ring an den Finger. Ihre Hände kribbelten und ihr Herz flatterte, als sie es ihm gleich tat und die Worte des Zeremonienmeisters wiederholte.
»Zu lieben und ehren, solange wir leben.«
Das Band um ihre Hände erglühte und ließ sie in einem warmen Licht erstrahlen. Es war so hell, dass es alles um sie herum überstrahlte. Das einzige das blieb, war Lucius' Antlitz in einem strahlend hellen Licht aus Weiß und Gold. Nichts anderes war wichtig. Nichteinmal die Stimme des Zeremonienmeisters.
Narzissa Black war glücklich.
Dann kam der Moment nach dem sie sich all die Jahre gesehnt und von dem ihr kleines Mädchenherz, seit ihrer Kindheit geträumt hatte. Narzissa schloss die Augen und ihr ganzer Körper erzitterte vor Vorfreude. Wie oft hatten sie sich im Kinderzimmer mit ihren Geschwistern diesen Augenblick ausgemalt? Wie oft hatte sie in den vergangenen Nächten davon geträumt?
Die Berührung seiner rauen Lippen war so flüchtig, dass nichts außer kalter klammer Enttäuschung zurückblieb.
Narzissa hatte sich ein Feuerwerk der Gefühle ausgemalt, ein Hochmoment der Glücksgefühle, der einen Rausch in ihr auslöste.
Als sie die Augen öffnete, war das Licht verblasst und Lucius' Aufmerksamkeit lag wieder auf dem Zeremonienmeister. Für einen Moment verlor Narzissa die Beherrschung über ihre Gesichtszüge und sie empfing sogleich den mahnenden Blick ihrer Mutter und setzte ein falsches Lächeln auf.
Die Gäste klatschten und ließen kleine Vögel, Schmetterlinge und Funkenregen mittels ihrer Zauberstäbe in den Himmel steigen. Das Paar wandte sich der Menge zu und Narzissa ergriff den Arm ihres Mannes und folgte ihm den Kiesweg zwischen den jubelnden Menschen entlang zurück in das Anwesen.
Dabei schienen ihre Füße schwer wie Blei zu sein und ihr Herz zu bluten.
Sie verstand einfach nicht, was sie falsch gemacht hatte.
Ihr Herz klopfte nun schmerzhaft vor Angst und auch vor Scham. Sie spürte, dass ihre Wangen rot wurden und war sogleich froh in den Schatten des Festsaales zu treten. Die Augen mussten sich für einen kurzen Moment daran gewöhnen, als sie von dem gleißenden Sonnenlicht hereintrat.
Zusammen nahmen sie mit ihren Familien an den Plätzen platz, an denen sie bereits schon für die Verlobungsfeier gesessen hatten, um die unzähligen Beglückwünschungen entgegenzunehmen. Lucius absolvierte dies mit seiner routinierten Lässigkeit. Es schien beinahe so, als habe er die Enttäuschung und die Ängste seiner Frau gar nicht bemerkt.
Ihrer Familie jedoch blieb Narzissas Verhalten nicht verborgen.
»Was ist denn bloß los mit dir?«, zischte Druella, die sich zu ihr hinüber beugte. »Ist dir klar, was für einen Eindruck du erweckst?«
»Verzeihung, Mutter«, antwortete Narzissa sogleich und bemühte sich um ein Lächeln und versuchte, sich erneut auf die Gäste zu konzentrieren.
»Herzlichen Glückwunsch«, sagte auch Bellatrix, als sie vortrat und fixierte ihre Schwester, »den langweiligen Teil habt ihr ja nun hinter euch!«
Narzissa wich sofort ihren Blick aus, um ihrer Schwester keinen Anlass zu bieten, ihre Anspielungen zu vertiefen, doch Lucius meisterte auch diesen Dialog mit Souveränität.
»Vermutlich hast du zu weit entfernt gestanden, Schwägerin«, entgegnete er lächelnd, »womöglich wäre dir die Zeremonie dann nicht als langweilig erschienen.«
Bellatrix grinste provokant und leckte sich bereits über die Lippen, um etwas zu erwidern, doch Rodulphus fiel ihr ins Wort, indem er sagte: »Genießt den Abend!«
Dann bugsierte er sie vom Tisch weg und machte Platz für die Folgenden.
Den Rest der Feier ließ Narzissa über sich ergehen. Sie sprach kaum und das schien Lucius nicht zu stören. Seine äußerliche Höflichkeit täuschte sie nicht mehr darüber hinweg, dass seine Worte und Gesten nicht ihr, sondern dem gesellschaftlichen Schauspiel galten. Eine unheilvolle Angst beschlich die junge Frau, doch sie war gezwungen alle Zweifel zu verbergen, denn die Blicke ihrer Mutter und auch die ihrer Schwester Bella wachten über sie, wie scharfe Bluthunde.
Beim Hochzeitstanz wahrten sie beide ihre Fasson. Lucius führte sie gekonnt und elegant über das Hochglanzparkett und nach einem kurzen Applaus mischten sich auch die anderen Gäste unter sie. Nach ihrem Tanz war Narzissa fast versucht erneut das Gespräch mit ihrem Ehemann zu suchen, als Abraxas seinen Sohn zu sich rief, der mit einigen Herren zusammenstand.
Lucius entschuldigte sich bei Narzissa und folgte der Bitte seines Vaters. Die frisch vermählte Malfoy zog unterdessen einen kleinen seidenen Fächer aus der Tasche ihres Kleides und fächerte sich ein wenig Luft zu. Während sie die tanzenden Gäste beobachtete, war sie froh, einen Moment lang für sich zu sein, doch dieser sollte nur kurz andauern.
»Entschuldigen Sie die Störung, Madame ... Ich hoffe, ich bin nicht zu aufdringlich ...«
Der in dunkle Roben gekleidete Zauberer, der bei der Trauung auf der malfoy'schen Seite des Bannkreises gestanden hatte, trat näher heran und nun erkannte Narzissa ihn. Echte Freude stahl sich auf ihr Gesicht, als sie den ehemaligen Hauskameraden sah.
»Severus, bitte, unterlasse doch diese förmliche Anrede«, sprach sie sogleich und senkte der Höflichkeit wegen den Fächer. »Es ist schön, dich hier zu sehen.«
»Die Freude ist ganz auf meiner Seite. Ich wollte dir nur etwas geben.« Er zog eine kleine Schachtel aus seinem Umhang und gab sie Narzissa in die Hand.
»Severus, wie nett, aber du hättest dir keine Mühe machen müssen.«
Als sie es öffnete, offenbarte sich eine fein gearbeitete silberne Brosche mit einer aus Elfenbein geschnitzten Rose. Verblüfft zog sie die Brauen nach oben.
»Es ist nichts Besonderes, nur eine kleine Geste meiner Wertschätzung. Ich hoffe, es gefällt.«
»Es ist wunderschön«, beteuerte Narzissa und betrachtete das Schmuckstück genauer, »und es sieht aus ... wie ein Familienerbstück ...«
»Es hat meiner Mutter gehört«, erklärte Severus schlicht.
»Das kann ich nicht annehmen«, protestierte Narzissa sogleich und verschloss das Kästchen wieder.
»Doch kannst du«, hielt er dagegen. »Ich wüsste es gerne in den Händen von jemanden, der es wertschätzt.«
Narzissa lächelte und öffnete das Kästchen erneut, um die Brosche zu betrachten. Sie nickte und sagte: »Das werde ich! Vielen Dank, Severus.«
Dieser neigte nur leicht den Kopf, dann zog er sich wieder zurück und ließ Narzissa mit ihrem Geschenk allein. Mit einem Lächeln betrachtete sie das kleine Kästchen in ihrer Hand und fühlte sich durch die Geste von Severus Snape auf unerwartete Weise berührt.
»Was hat er dir gegeben?«, schnarrte die Stimme ihrer Schwester, die plötzlich aus der Menge aufgetaucht war.
Es schien, als habe Bellatrix nur auf eine Gelegenheit gewartet.
»Eine Brosche«, antwortete Narzissa, ohne zu wissen, warum sie dies überhaupt tat.
»Eine Brosche«, wiederholte Bellatrix spöttisch, »wie armselig.«
»Sie ist sehr hübsch!«
»Natürlich!« Die Ältere rollte übertrieben mit den Augen. »Du siehst nicht glücklich aus, Zissy«, stellte sie mit etwas Genugtuung in der Stimme fest. »Ist Lucius nicht ›der Mann deiner Träume‹?«
»Ich bin glücklich«, gab Narzissa trocken zurück.
Bellatrix erkannte die Lüge und lachte so laut, dass sich einige Gäste zu ihnen umdrehten. Narzissa war dies unangenehm und so fragte sie ungeduldig: »Was willst du von mir?«
»Ich musste sicherstellen, dass du dich an deine Pflichten erinnerst, kleine Schwester«, gab sie feixend zurück.
Narzissa spürte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals bildete, als sie Bellas Tonfall vernahm.
»M-m-meine Pflichten?«
»Ja«, flötete Bellatrix, »deine Pflichten als Ehefrau von Lucius Malfoy. Du darfst nicht vergessen, was auf dem Spiel steht.«
Narzissa senkte den Blick, während eine Mischung aus Angst und Wut in ihr hochstieg und sie antwortete: »Ich werde mein Bestes geben, um unsere Familie stolz zu machen.«
Bellatrix grinste süffisant, bevor sie an ihr vorbeitrat, um zu Rodulphus zurückzukehren, hielt aber kurz hinter Narzissa inne und hauchte ihr ins Ohr »Dann mach ihn glücklich!«
Verdattert blieb die Jüngere stehen und sah ihr nach, besann sich jedoch wieder und kehrte zu ihrem Bräutigam zurück.
Die Feier hielt bis in die Nacht an. Der Garten von Malfoy Manor wurde durch magische Lichter erhellt. Echte Feen flogen zwischen den Rosenbüschen umher und Narzissa fühlte sich wie in einem Traum. Die Müdigkeit tat mit zunehmender Stunde ihr Übriges und schließlich war sie froh, als Lucius bekannt gab, dass sie sich nun von den Feierlichkeiten zurückziehen würden.
Doch nur für einen winzigen Moment, denn im nächsten wurde ihr bewusst, dass sie schon in wenigen Minuten ganz alleine mit ihm sein würde.
Plötzlich war Narzissa wieder hellwach und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Während sie Lucius folgte, verklang die Musik im Festsaal allmählich und sie wurde zunehmend nervöser.
»Das war eine schöne Feier«, sagte sie leise, als sie in einen dunklen Gang einbogen, nur um sich abzulenken.
»Das war sie«, antwortete Lucius nur, dann blieb er stehen und öffnete die vor ihnen liegende Tür.
Das Kerzenlicht schien bis auf den Flur hinaus und Narzissa sah, dass sie an ihrem Gemach angekommen waren. Für einen kurzen Moment war sie wie erstarrt, doch Lucius bedeutete ihr voranzugehen.
Sie tat es nur zögerlich.
Der Raum war hübsch und auch er war mit Blumen und weißen Stoffen dekoriert. Im Kamin loderte ein Feuer und füllte das Zimmer mit einer angenehmen Wärme. Die schweren Brokatvorhänge vor den Fenstern waren bereits zugezogen und Narzissa mied tunlichst den Blick zum Bett.
Lucius schloss die Tür hinter ihnen, ging zum Herrendiener hinüber und legte seinen Umhang darauf ab. Narzissa hoffte, dass er etwas Freundliches, vielleicht auch etwas Beruhigendes zu ihr sagen würde. Etwas, dass ihr die Panik nehmen würde, die plötzlich ihr Herz und ihren Verstand ergriff.
Er warf ihr nur einen flüchtigen Blick zu, als er sich die Manschettenknöpfe vom Ärmel löste und sie in eine Schale auf der Kommode legte und sagte: »Zieh dich aus!«
Narzissa erstarrte.
Ihr Körper fühlte sich für einen Moment so an, als sei ein Geist durch sie hindurch geglitten. Sie schauderte unwillkürlich, doch Narzissa war nicht gewillt an ihrem ersten gemeinsamen Tag, durch Widerspenstigkeit und Aufmüpfigkeit aufzufallen.
Auch wenn es ihr widerstrebte, gehorchte sie schließlich. Sie streifte sich die Schuhe von den Füßen und löste mit Hilfe ihres Zauberstabs die Knopfleiste auf ihrem Rücken. Ihr Herzschlag stieg rapide an.
Dann ließ die den schweren Stoff des Brautkleides zu Boden fallen.
Plötzlich fröstelte sie, trotz der Hitze die von dem Kamin ausging. Lucius nahm weiter keine Notiz von ihr. Zog sich die Krawatte vom Hals und das Haarband aus dem Haar. Erst als er damit begann sein Hemd aufzuknöpfen, sah er wieder zu ihr herüber und Narzissa wich eilig seinem Blick aus.
»Ganz ausziehen«, sagte er schließlich.
Die geborene Black zitterte und redete sich ein, dass es von der Kälte kam. Mit zittrigen Fingern löste sie die Schnürung ihres Korsetts. Langsam, ganz langsam entledigte sie sich auch der Unterkleidung. War dann jedoch nicht mehr fähig, ihren Blick zu heben. Sie spürte, wie Lucius sie ansah, war aber zu verängstigt und zu schüchtern, um irgendeine Reaktion zustande zu bringen.
Unwillkürlich fielen ihr die Worte ihrer Schwester Bellatrix ein und ihr Magen zog sich zusammen.
Was würde er von ihr erwarten?
»Leg dich ins Bett«, befahl Lucius schlicht.
Sie gehorchte, zog eilig die Laken und Decken über ihre Blöße und hoffte nur darauf, dass das Licht der Kerzen endlich erlöschen würde. Sie schloss die Augen und spürte irgendwann, wie die Matratze unter seinem Gewicht nachgab und sein Körper den ihren bedeckte.
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