Das Leben in Malfoy Manor
Juli 1977
Das Leben in Malfoy Manor war ebenso ernüchternd, wie ihre Ehe. Abraxas und Aethel Malfoy hatten ihnen einen ganzen Flügel des Anwesens zur Verfügung gestellt und er schien Narzissa viel zu groß und viel zu einsam zu sein. Alles fühlte sich fremd und unwirklich an.
Lucius' war sehr geschäftig. Seine Tätigkeiten ließen ihn das Manor früh verlassen und oft kam er erst abends wieder zurück. An den freien Tagen verbrachte er seine Zeit im Arbeitszimmer und der Bibliothek. Narzissa hatte nicht viele Gelegenheiten mit ihrem Mann zu sprechen und manches Mal erschien es ihr sogar so, als wollte er dies gar nicht.
An einem regnerischen Tag betrat Narzissa die Kemenate im Erdgeschoss von Malfoy Manor und fand Lucius' Mutter am Kamin sitzend vor, wo sie in ein Buch vertieft war. Das Feuer knisterte leise und verlieh dem dunklen Raum eine gemütliche Atmosphäre.
»Entschuldigung«, begann Narzissa zögerlich und machte einen höflichen Knicks. »Ich hoffe, ich störe nicht.«
Aethel lächelte sanft und legte das Buch beiseite. »Narzissa, meine Liebe, natürlich störst du nicht. Komm und setz dich zu mir.«
Die geborene Black trat näher und setzte sich auf das gegenüberliegende Sofa. Sie spürte eine gewisse Nervosität, schließlich war sie noch neu in der Familie und wusste nicht, wie sie von Lucius' Mutter empfangen werden würde.
»Wie geht es dir, Narzissa?«, fragte sie jedoch freundlich und lächelte warmherzig. »Ich hoffe, du fühlst dich hier wohl in Malfoy Manor.«
Narzissa nickte dankbar. »Ja, vielen Dank. Ich fühle mich hier sehr wohl.« Sie wagte einen Blick in ihre Augen und die Wärme und Güte, die sie darin sah, ließ sie ein wenig entspannen.
»Hast du dich gut eingelebt? Ich hoffe, du fühlst dich nicht überwältigt von all den Veränderungen in deinem Leben«, fuhr Aethel fort. »Du weißt, dass du immer zu mir kommen kannst, wenn du etwas brauchst, nicht wahr?«
Narzissa lächelte erleichtert. »Das bedeutet mir viel. Vielen Dank!«
Aethel lächelte zurück und sprach: »Du bist nun Teil unserer Familie, eine Malfoy, Narzissa. Wir halten zusammen und unterstützen einander, das ist es, was zählt.«
In diesem Moment spürte Narzissa eine tiefe Dankbarkeit und Verbundenheit mit Aethel Malfoy und hatte das Gefühl, dass sie eine vertrauenswürdige Frau war, auf die man sich verlassen konnte.
Nach diesem Gespräch suchte Narzissa täglich den Kontakt zu Lucius' Mutter. Aethel war es auch, die sie in ihre zukünftigen und alltäglichen Pflichten im Manor einwies.
Narzissa würde bald für die Organisation des Haushaltes verantwortlich sein. Darunter zählte die Koordination der Bediensteten sowie des Hauselfen und die Überwachung der Reinigung und Instandhaltung des Anwesens. Sie verbrachte viele Stunden damit, zusammen mit Aethel die Räume des Manors zu begehen. Die Hausherrin unterrichtete sie über die Besonderheiten und die magische Installation und sensibilisierte Narzissa für die bekannten Schwachstellen. Dabei war Lucius' Mutter stets freundlich und aufmerksam.
»Du lernst schnell«, sagte sie anerkennend, nachdem sie über die Galerie schritten.
Narzissa bedankte sich. Ein Lob war beinahe wie eine Auszeichnung für sie. Im fürnehmen Hause Black, ging man sparsam damit um, umso mehr konnte Narzissa dies nun schätzen. Sie kam jedoch nicht zum Antworten, denn die Eingangstür unterhalb von ihnen öffnete sich und Lucius trat in der Begleitung eines weiteren Magiers ein.
Er bemerkte die Frauen auf der Galerie, nickte kurz und sagte grüßend »Mutter« , bevor sie in den Herrensalon gingen.
Es war, als wäre Narzissa Luft für ihn.
Ein dicker Kloß bildete sich unvermittelt in ihrem Hals und sie versuchte, ihn herunterzuschlucken. Doch immerhin schaffte sie es, jegliches Aufsteigen von Tränen zu verhindern. Auch hielt sie dem prüfenden Blick von Aethel stand, die sie aufmerksam musterte, jedoch nichts sagte.
»Wollen wir weitermachen?«, fragte Narzissa und setzte ihr einstudiertes Lächeln auf.
»Natürlich«, antwortete Aethel schließlich und zeigte ihr den Weg.
Die Abendessen nahm die Familie Malfoy zumeist gemeinsam ein. Während Abraxas und Lucius über Geschäfte sprachen, führten die Frauen stets etwas Smalltalk. Narzissa war am heutigen Tage jedoch dazu übergegangen, das Essen ruhig und stumm einzunehmen. Die Situation und Lucius' Reserviertheit nahmen ihr jeden Funken und Frohsinn. Doch ihr Verhalten blieb nicht unbemerkt.
»Werdet ihr beiden heute Abend noch etwas schönes Unternehmen, Lucius«, warf seine Mutter ein, als die Gespräche abebbten.
»Vielleicht.«
»Hast du Narzissa schon die Gartenanlage gezeigt?«
»Noch nicht, Mutter.«
»Dafür scheint der Abend nahezu perfekt zu sein«, sprach sie weiter und tupfte die Lippen mit der Serviette ab. »Mehr Wein, Dobby!«
Der Hauself erschien im Nichts und befüllte das Glas und Aethel nahm einen Schluck und lächelte, als sie fortfuhr: »Weißt du noch Abraxas, wie oft wir damals spazieren gingen. Das haben wir schon lange nicht mehr getan.«
Das Oberhaupt der Malfoys bedachte seine Gattin mit einem berechnenden Blick. Sagte jedoch nichts darauf.
»Aber vielleicht, sollten wir das nun den Jungen überlassen, meinst du nicht auch, Abraxas?«
»Sicher«, sprach dieser, hustete kurz und sah zwischen seiner Frau und seinem Sohn hin und her.
»Ich glaube nicht«, meinte Lucius, schob den Teller von sich und lehnte sich im Stuhl zurück, »dass Narzissa sich für den Garten interessiert.«
Die geborene Black ergriff den Strohhalm, den Aethel ihr gereicht hatte, und sagte sofort: »Ich würde ihn sogar sehr gerne sehen!«
Lucius sah zu ihr hinüber, ohne sie anzusehen. Dann nickte er schließlich und meinte: »Nun gut.«
»Ein herrlicher Abend«, sprach Narzissa zögerlich, als sie wenig später hinaus in den Garten schritten.
Die Sonne stand bereits tief und der Duft von Rosen und Hortensien lag in der Luft. In der Ferne sang eine Amsel ihr einsames Lied. Es war idyllisch und Narzissa hätte sich glücklich schätzen können, doch sie tat es nicht.
»Wie war dein Tag«, fragte sie schließlich, um die Stille zu brechen. »Ich sah, dass dich heute Mittag jemand begleitet hat. Wer war er?«
»Ein Kunde«, sagte Lucius nur.
Und damit war der Dialog abermals beendet.
Narzissa blieb kurz stehen und tat so, als würde sie einen Rosenbusch bewundern. In Wirklichkeit rang sie jedoch nach Atem und versuchte, sich Mut zuzusprechen. Sie wollte doch nichts sehnlicher, als die Distanz zwischen ihnen überwinden.
Schließlich fasste sie sich ein Herz.
»Lucius, ich ... ich habe das Gefühl«, ihre Stimme zitterte leicht, sie hielt den Blick fest auf die Rosen gerichtet, um ihre Nervosität zu verbergen, »das etwas zwischen uns steht. Wenn es wegen dem Verschwindekabinett ist, daran waren wir wirklich nicht beteiligt.«
Lucius schnaubte nur abfällig und sagte: »Das tut nichts zur Sache.«
»Was ist es dann?«, fragte Narzissa mit bebender Stimme. »Ich weiß, dass die letzten Wochen für uns beide schwierig waren. Mit all den Ereignissen und ... und den Erwartungen, die auf uns lasten.« Sie wandte sich zu ihm um und suchte seinen Blick und dieses Mal wich er nicht aus. »Aber ich möchte, dass du weißt, dass ich ... dich verehre ... und dass ich unsere Ehe nicht als bloße Verpflichtung sehe.«
Lucius atmete schwer aus und ließ seinen Blick wieder durch den Garten schweifen. Die Hände hatte er bereits in seinem Umhang vergraben. Nach einer gefühlten Ewigkeit sagte er nur: »Ich verstehe.«
Nicht mehr.
Narzissa war enttäuscht, doch sie war auch entschlossen dies nicht zu zeigen.
»Ich weiß, dass Veränderungen zeit brauchen«, sagte sie sanft. »Ich hoffe nur, darauf, dass wir beide ... dass wir mehr sind, als nur ... als nur gesellschaftliche Verbündete.«
»Gesellschaftliche Verbündete«, wiederholte Lucius leise, fast spöttisch. »Was erwartest du, Narzissa?«
Sie sah ihn bloß einen Moment lang, bevor sie antwortete: »Ich wünsche mir eine Partnerschaft. Ich wünsche mir, dass wir einander verstehen. Dass wir füreinander da sind, gerade jetzt, wo die Welt sich wandelt. Und ... dass ich nicht Luft für dich bin ...«
Lucius schwieg eine Weile und ließ ihre Worte auf sich wirken. Schließlich seufzte er und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. Dann nickte er schlicht.
»Ich freue mich so sehr, auf eine Zukunft mit dir«, sagte sie und just in dem Moment wurde ihr klar, dass dies ihre erste richtige Unterhaltung war. »Ich freue mich auf deine Familie, auf unsere Familie. Lass mich bitte ein Teil davon sein.«
Lucius sah sie lange an, als würde er in ihren Augen nach einer Antwort suchen. Dann nickte er abermals langsam. »Vielleicht ... Aber erwarte nicht zu viel von mir.«
»Ich hoffe nur auf Offenheit und Aufrichtigkeit«, sprach Narzissa und lächelte leicht. »Mehr nicht.«
Lucius nickte erneut und eine Weile blieben sie einfach im Garten stehen, umringt von dem Zirpen der Grillen und dem gelegentlichen Ruf eines Pfaus. Die Abenddämmerung legte sich allmählich über sie und eine kühle Frische stieg vom Boden auf. Dann zog Lucius plötzlich seine Hände aus den Roben, reichte Narzissa eine und sagte: »Du wolltest den Garten sehen?«
Sie trat sofort mit klopfenden Herzen näher und das Lächeln auf ihrem Gesicht war strahlend und erleichtert. Sie ergriff seine Hand und zusammen gingen sie weiter durch den Garten, in eine ungewisse, aber hoffnungsvolle Zukunft.
Narzissa war überglücklich.
Zwar wurde Lucius nicht über Nacht ein liebender und zärtlicher Ehemann, doch die geborene Black war sich bewusst, dass dies Zeit brauchte. Dass er sie nicht länger ignorierte und mit Verachtung strafte, war für sie bereits ein großer Schritt. Inzwischen waren sie sogar fähig, ganz normale Gespräche zu führen. Der Verlauf stimmte sie zuversichtlich und gab ihr Hoffnung. Es hellte ihre Stimmung auf und allmählich begann Narzissa sich auch in den weitläufigen Hallen von Malfoy Manor wohlzufühlen.
Sie bat Aethel darum, ihre Familie monatlich zum Tee einladen zu dürfen und versicherte ihr, sich um alle notwendigen Organisationen zu kümmern und keine zusätzliche Belastung zu sein. Die regelmäßigen Treffen mit ihren Familien, wenngleich sie von der üblichen Kälte der Blacks überschattet wurden, gab Narzissa das Gefühl, dass sie wirklich als Familie zusammenwuchsen. An manchen Tagen, war sie sogar froh, wenn sie ihren Vater und auch ihre Mutter verabschieden konnte, um sich in ihrem eigenen Heim wieder wohl zu fühlen.
Erst in Malfoy Manor hatte Narzissa erfahren, was Liebe bedeuten konnte.
Die Behutsamkeit und Zärtlichkeit, mit der Aethel ihren Sohn bedachte, war für sie eine ganz neue Erfahrung. Es erwärmte ihr förmlich das Herz, die beiden Miteinander zu sehen und Narzissa fragte sich, ob sie jemals ein ähnliches Gefühl verspüren würde, und hoffte darauf. Sie nahm sich Aethel als Vorbild, ihre Mutterliebe, ihre Stärke und auch ihre Eleganz beeindruckten sie zutiefst.
Das Verhältnis zwischen ihr und Abraxas war jedoch anders. Narzissa hatte sie während der Abendessen oft beobachtet. Abraxas war ihrem Vater Cygnus nicht unähnlich. Für ihn zählten nur Perfektionismus, Ehrgeiz und das Vorantreiben des Familienansehens. Mit seiner Strenge bedachte er alle Familienmitglieder, wenngleich Aethel ihn manches Mal mit einem leichten Schmunzeln und Milde in den Augen betrachtete. Es war für Narzissa ein Rätsel. Abraxas Malfoy war für sie eine Respektsperson, jemanden, dem man nicht widersprach und dessen Wort Gesetz war. Nicht einmal Lucius widersetzte sich ihm und doch war ein Band zwischen ihm und seiner Frau. Eine tiefgründige Verbindung, um die Narzissa sie beneidete. Es war nicht leicht zu erkennen, doch inzwischen hatte die geborene Black genügend Zeit bei ihnen verbracht, um es wahrzunehmen.
Vielleicht, so hoffte sie, würde sie ein solches Band auch zu ihrem Ehemann knüpfen können. Ein Band aus Liebe, Vertrauen und Respekt.
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