Champagner und Verzweiflung

März 1979

Die Feier von Rodulphus Lestrange anlässlich zu seinem Geburtstag, war eine Party, wie Narzissa sie schon tausend Mal erlebt hatte.

Die gleichen langweiligen Gesichter und die gleiche langweilige Musik. Narzissa war nur gekommen, weil man es von Lucius und ihr erwartete. Sie waren die Repräsentanten des Hauses Malfoy. Abraxas' Krankheit hatte sich inzwischen wie ein magisches Lauffeuer unter den Reinblütern verbreitet. Ebenso wie sein Zustand, der mit jedem Tag schlechter wurde. Die Heiler sprachen ihm keine Genesungschancen mehr zu und in den vergangenen Tagen war er bereits nicht mehr aufgewacht.

Vermutlich würde es nur noch Stunden dauern, bis man von Narzissa erwartete, dass sie eine Trauerfeier plante.

Womöglich, war es auch schon heute Abend geschehen, wenn sie ins Manor zurückkamen.

Narzissa wollte gar nicht daran denken.

Aethel litt furchtbar und es tat der geborenen Black im Herzen weh, ihre Schwiegermutter so tieftraurig zu sehen. Außerdem sorgte sie sich zunehmend um ihren Zustand. Sie aß kaum noch und auch erholsamer Schlaf war ihr fremd geworden. Es zeigte sich in ihrer Miene und spiegelte sich ebenfalls in ihrer Seele wider. Es schien, als sei Aethel ebenso am Sterben, wie Abraxas, nur dass Lucius' Mutter vollkommen gesund war.

Um sich auf andere Gedanken zu bringen, ließ Narzissa den Blick durch den Saal schweifen und blieb an jemanden Hängen, dessen Gesicht die Sorgen ausdrückte, die sie selbst verspürte. Aus diesem Grund beschloss sie, hinüber zu gehen und zumindest ein Gemüt zu erleichtern.

»Du siehst besorgt aus«, sagte sie und trat an die Seite von Severus Snape. »Und du hast nichts zum Trinken.«

»Ich möchte nichts, danke, Narzissa«, sprach er sogleich und winkte ab, als sich der Hauself bereits zu ihnen umwandte.

»Das bereitet mir mir aber Sorgen«, sagte Narzissa aufmunternd.

»Das tut mir leid«, antwortete Severus aufrichtig, »du solltest lieber den Abend genießen. Es sind nicht deine Sorgen.«

»Du bist der treuste Freund unserer Familie, Severus, deine Sorgen werden auch immer die meinen sein.«

Er verzog die Lippen zu etwas, das vielleicht ein Lächeln sein sollte, aber es gelang ihm nicht Recht. Dann fiel sein Blick auf ihre Bluse, an der sie die Brosche trug, die er ihr einst geschenkt hatte und für einen kurzen Moment wurde es doch zu einem echten Lächeln.

»Es wundert mich zudem, dich bei einer solchen Veranstaltung anzutreffen«, sprach Narzissa.

»Das wundert mich genauso«, gab Severus zu, der es hasste, Partys und Feiern beizuwohnen.

»Das lässt mich schlussfolgern, dass du dich gezwungen fühlst hierherzukommen.«

Severus sog die Luft ein, schnappte dem vorbeigehendem Hauselfen einen Kelch mit blutroter Flüssigkeit vom Tablett und prostete Narzissa zu.

Diese lächelte nur bestätigt.

»Vielleicht kann ich dir irgendwie helfen«, beharrte sie, »das würde ich gerne.«

»Das glaub ich dir, Narzissa, aber in jenem Belang wird das kaum möglich sein.«

»Woher weist du das?«

»Weil«, antwortete er mit einem genervten Unterton und sah sich um, bevor er weitersprach, »du mir nur eine Hilfe wärst, wenn du mich in irgendeiner Weise ins Archiv des Zaubereiministeriums schmuggeln könntest.«

Er nahm einen kräftigen Schluck des Weines und schien davon auszugehen, dass er das Gespräch damit beendet hatte, doch Narzissa schwenkte nur nachdenklich ihren Kelch und beobachtete die Flüssigkeit darin beim Rotieren.

»Das vielleicht nicht. Aber womöglich könnte ich dir einen Kontakt herstellen.«

Severus verschluckte sich prompt am Wein. Prustete, hustete und zog angewiderte Blicke der reinblütigen Gesellschaft auf sich.

»Bitte was?«, wiederholte er heiser.

»Ich könnte dir einen Namen nennen, von jemand, der einen Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe für Experimentelles Zaubern durch einen Imperius-Fluch kontrolliert«, sagte Narzissa beinahe nebensächlich. »Womöglich könnte er dir helfen.«

»Woher weißt du davon?«, fragte Snape verdattert.

»Malfoy Manor ist groß«, erklärte sie, »und wer keine Acht darauf gibt, wo man spricht, der läuft Gefahr, dass sich das Echo im Anwesen verliert.«

Severus stellte seinen leeren Kelch auf die Anrichte und fixierte Narzissa gespannt, bevor er fragte: »An wen muss ich mich wenden?«

»Regulus oder Barty«, antwortete sie schlicht.

Verblüfft senkte Severus den Kopf. Er kannte beide noch aus Hogwarts.

»Ist das wirklich wahr?«, hakte er nach.

»Scheinbar haben sie sich damit die Gunst des Dunklen Lords gesichert.«

»Ich danke dir, Narzissa! Das hat mir sogar sehr geholfen.«

»Gerne!«

»Entschuldigst du mich bitte?«, fragte er höflich und suchte die Menge bereits ab.

»Selbstverständlich.« Narzissa sah dabei zu, wie sich Severus in die feine Gesellschaft mischte, aus der er auf groteske Weise mit seiner Gewöhnlichkeit herausstach. Doch dann war er aus seiner Sicht verschwunden. Eine Weile sah sie Violett und George Greengrass dabei zu, wie sie über das Parkett schwebten. Sie sahen verliebt aus und Narzissa beneidete sie darum.

Dann öffnete sich die zweiflügelige Tür des Ballsaales und alle Blicke richteten sich auf den Eingang. Im Türrahmen stand eine junge Frau, kaum älter, als Narzissa und der berechnende Blick ihrer blauen Augen schien die Situation im Saal in Sekunden aufzunehmen.

Narzissa hatte Dumbledores Tochter seit ihrem Abschluss in Hogwarts nicht mehr gesehen, und zuletzt von ihr gehört, als diese in ihrer Abschlussrede die Schüler aufforderte, sich Voldemort anzuschließen. Die geborene Black hatte es damals nicht ernst genommen, obwohl allgemein bekannt war, dass Gwendolyn alles tat, um sich von ihrem Vater zu distanzieren. Doch als Bellatrix ihr berichtete, dass sie in Voldemorts Reihen aufgenommen worden war, war Narzissa beinahe erschrocken darüber, wie weit diese Frau scheinbar zu gehen bereit war.

Und nun war sie hier.

Mit einer anmutigen Eleganz ging sie zu Rodolphus hinüber, um ihn zu gratulieren, und sie stand nah genug, um Wortfetzen ihres Gespräches zu erhaschen.

»Er ist nicht hier«, hörte Narzissa Rodulphus fast hämisch sagen.

»Wie schade«, antwortete Gwendolyn nebensächlich, »aber das klingt beinahe so, als unterstelltest du mir, ich sei nicht deinetwegen gekommen.«

Sie ließ den Lestrange nicht zu Wort kommen, sondern ging stattdessen weiter, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Ein schwerer Vanilleduft schwappte zu Narzissa herüber und ließ sie unwillkürlich schaudern – denn sie kannte diesen Duft.

Dann verschwand sie in der Menge.

»Ach, Gwen ist auch hier«, sprach eine heitere Stimme. Es war Elizabeth Selwyn, die sich aus der Gruppe Frauen, die neben ihr gestanden hatte löste, um Narzissa miteinzubeziehen. Sie lächelte einladend und reichte der jungen Malfoy einen gefüllten Kelch. »Ich sah, dass deiner leer ist.«

»Das war sehr aufmerksam, danke«, sagte Narzissa, stellte ihr Glas ab, damit sie freie Hände hatte. »Du warst in ihrem Jahrgang, nicht wahr?«

Die beiden Frauen stießen miteinander an. Elisabeth nickte und sprach: »Das stimmt. Sie war furchtbar strebsam. Ich weiß nicht wie oft ich sie ohne ein Buch in der Hand gesehen habe, aber oft war es nicht.« Sie kicherte albern und Jeffrey Avery, der bei Rodulphus stand, drehte sich kurz zu ihnen um.

»Wie geht es Tante Aethel?«, fragte Elisabeth schließlich nach einer Weile.

»Den Umständen entsprechend gut.« Das war ein Satz, den Narzissa sich bereits vor der Feier zurechtgelegt hatte.

»Vater sagt, sie wäre sehr froh, dich in ihrem Haus zu haben.«

Verblüfft sah Narzissa sie an. Elisabeth lächelte freundlich und als sie den Blick wieder der Tanzfläche zuwandte, konnte ihr vor Stolz geschwelltes Herz das Lächeln auf ihren Lippen nicht unterdrücken.

»Ich gebe mir Mühe«, beteuerte Narzissa und sah wieder kurz zu Elisabeth. »Deine Tante ist eine bemerkenswerte Frau.«

»Das ist sie wohl«, gab Elisabeth zu. »Und wie ergeht es dir und Lucius?«

Narzissa wandte den Blick wieder ab und just in dem Moment sah sie, dass ihr Gemahl, der zuvor noch bei Rodolphus und den anderen Männern gestanden hatte, die Außenterrasse betrat.

»Jeder Sturm schürt das Feuer«, sprach Narzissa nur und sorgte sich über den Schwermut auf dem Gesicht ihres Mannes.

Elisabeth seufze und darin lag ein Hauch Melancholie. »Ich fürchte mich etwas, vor meiner Hochzeit, wenn ich ehrlich bin.«

Narzissa legte ein tröstliches Lächeln auf und beteuerte: »Es wird alles gut werden.«

Es schien die Antwort zu sein, die Elisabeth erwartet hatte und Narzissa folgte dem belanglosen Gespräch nicht lange. Stattdessen nutzte sie die nächste Möglichkeit, sich von der Gruppe schnatternder und kichernder Frauen zu lösen.

Zielstrebig ging sie auf die Terrasse zu und hoffte darauf, Lucius für einen kleinen Moment alleine anzutreffen. Die Trauer und Sorge der vergangenen Tage lasteten noch schwer auf ihm. Es war vielleicht möglich, dass Narzissa ihm etwas von dieser Last abnehmen konnte.

Die Frühlingsluft war scharf und kalt und trug noch einen Hauch des vergangenen Winters in sich. Auf den ersten Blick wirkte die Terrasse leer, doch als sich Narzissas Augen an die Dunkelheit gewöhnten, sah sie Lucius und er war in Begleitung.

Alles in Narzissa schien plötzlich taub zu werden.

Für einen kurzen Moment konnte sie nicht sprechen, konnte nichts hören und konnte auch nicht denken. Sie sah nur, wie Gwendolyn Dumbledore dastand mit ihrem langen vollen Haar und der aufreizenden Kleidung und wie Lucius' Blick auf ihr ruhte.

Ein Blick, mit dem er sie selbst noch nie bedacht hatte und nach dem sie sich so sehr sehnte.

In dem Moment schien Narzissas Herz zu brechen.

Aber bevor die beiden einander näherkamen, erwachte der Stolz der Blacks in Narzissa und sie trat mutig einen Schritt vor und sagte: »LUCIUS?!«

Gwendolyn wandte ihr überrascht den Kopf zu, doch ihr Mann tat dies nicht. Es war, als sei er in der Bewegung gefroren und sein Verhalten verdeutlichten seine Ablehnung.

»Geh' wieder hinein, Narzissa!«, sprach er in einem harten Tonfall.

Narzissa begann zu zittern. Sie spürte, wie das Blut in ihr Gesicht schoss, ob aus Wut oder aus Scham wusste sie nicht. Von der abendlichen Kälte nahm sie nichts mehr wahr. Ihr ganzer Körper schien nur noch unheilvoll zu kribbeln.

Dann bildete sich ein Lächeln auf Gwendolyns Lippen. Gleichermaßen verhöhnend, wie auch triumphierend, und es fiel Narzissa schwer, sich von den amüsiert funkelnden Augen loszureißen.

»Lucius, ich-«, flehte sie, doch er ließ sie nicht aussprechen.

»Geh' hinein!«, wiederholte er und sah sie an.

Die Härte in seinem Gesicht war unmissverständlich. Narzissa bemerkte, wie die Konturen verschwammen, doch ihre Sicht reichte noch aus, um das diabolische Grinsen auf Gwendolyns Lippen zu erkennen. Ihre schwitzigen Hände tasteten an ihrer Abendgarderobe entlang, suchten nach ihrem Zauberstab und sie fühlte sich zeitgleich hilflos und so unendlich dumm.

Gwendolyn hatte ihren Zauberstab schneller gezückt, sie war viel geschickter als Narzissa.

»Verschwinde, sofort, Narzissa!«, zischte Lucius, als sie ihn gerade gefunden hatte.

Etwas in seinem Ton brach ihren Widerstand.

Es brach ihren Stolz und auch all ihre Hoffnungen.

Wortlos steckte sie den Stab zurück in ihr Kleid und wandte sich ohne einen weiteren Blick auf die beiden ab. Rannte hinein in den Ballsaal und hoffte darauf, die Tränen lange genug zurückhalten zu können, um von den anderen Gästen nicht in ihrem erbärmlichen zustand gesehen zu werden.

Eilig lief sie hinaus in den Korridor, ohne zu wissen, wohin sie ihre Füße trugen. Sie wollte nur weg von der Gesellschaft und weg von allen anderen, die sie Anblicken und beurteilen würden. Schließlich blieb sie in einem Seitengang der Lestranges Residenz stehen, ohne zu wissen wo sie war.

Dann hörte sie schritte.

Verzweifelt wischte Narzissa sich die Spuren der Tränen aus dem Gesicht. Sie sah, wie das Licht eines Zauberstabes näher kam und wurde in seinen Lichtkegel getaucht.

»Zissy!«, zischte eine bekannte Stimme.

Dann konnte Narzissa ihre Tränen nicht weiter zurückhalten.

Bellatrix kam näher, entzündete einen Kerzenhalter an der Wand und löschte das Licht ihres Zauberstabes, bevor sie ihre Schwester kritisch betrachtete.

»Was ist passiert?«, fragte sie ungeduldig.

»Lu-lu-lucius ...«, begann Narzissa mit bebender Stimme, »... und Gwendolyn ...«

»Was ist mit ihnen! Sprich deutlicher!«

Narzissa schluckte die Tränen herunter und versuchte sich zu sammeln, um die Ungeduld ihrer Schwester nicht weiter zu schüren. Sie wusste, wie aggressiv Bellatrix werden konnte.

»Ich sah sie«, antwortete Narzissa, »auf der Terrasse ...«

»Und dann heulst du?«, fuhr Bellatrix sie an. »Du hättest ihr einen Fluch auf den Hals hetzen sollen, diese ...« Sie benutzte ein Schimpfwort, welches Narzissa die Schamesröte auf die Wangen getrieben hätte, wären diese nicht bereits gerötet gewesen. »Wo sie auftaucht, sorgt sie für Ärger.« Während sich Bellatrix in ihre Wut steigerte, vergoss Narzissa bittere Tränen.

»Na komm schon, Zissy, stell dich nicht so an«, spottete sie schließlich. »Du bist die Frau von Lucius Malfoy. Warum also in Tränen ausbrechen, nur weil er ein kleines Abenteuer hat?«

Narzissa sah mit glänzenden Augen zu ihrer Schwester auf, doch die Wut konnte sie auch nicht aus der Stimme bannen, als sie sagte: »Ein kleines Abenteuer? Das ist keine Kleinigkeit, Bellatrix! Es ist Verrat!«

Bellatrix schnaubte verächtlich. »Verrat? Ach, komm schon. In unserer Welt ist das doch normal. Männer werden nicht geboren, um treu zu sein. Sie brauchen Abwechslung. Du solltest dir eine Lektion von mir nehmen, Zissy. Statt hier zu heulen, solltest du dich erheben und zurückkämpfen.«

Narzissa ballte die Hände zu Fäusten. Die Lösungen ihrer Schwester waren nicht immer gesellschaftskonform.

»Und wie genau soll ich das tun?«, fragte sie.

Ein teuflisches Grinsen erschien auf Bellatrix' Lippen. »Indem du raffiniert bist. Zeig ihm, dass du nicht schwach bist. Mach ihn eifersüchtig. Spiel sein Spiel, Zissy. Spiel es besser als er!«

»Aber wie?«

»Ach, Zissy! Wir sind Frauen! Warum wohl hat die Schöpfung dir Brüste gegeben, oder einen Mund, oder das hier.« Ungeniert griff sie ihr in den Schritt und Narzissa stieß unwillkürlich einen spitzen Schrei aus.

Bellatrix lachte nur, dass es durch den Korridor hallte.

Narzissa hatte die Arme vor der Brust verschränkt und dachte über die Worte ihrer Schwester nach, als sich ein weiterer Gedanke in ihr Bewusstsein drängte. »Was ist mit Gwen? Soll ich sie einfach so davonkommen lassen?«

Bellatrix' Augen blitzten gefährlich, als sie sagte: »Oh, sie wird schon bekommen, was sie verdient. Lass das meine Sorge sein. Konzentrier dich darauf, Lucius zurückzuerobern. Du bist eine Black, verdammt noch mal! Zeig ihnen, was das bedeutet!«

Narzissa nickte langsam, ihre Gedanken rasten. Ein Funken Entschlossenheit glomm in ihr auf. »Du hast Recht, Bellatrix. Ich werde nicht zulassen, dass mich diese Affäre zerstört. Ich werde kämpfen.«

»Das ist die Einstellung, die ich sehen will!«, sagte Bellatrix und das Grinsen auf ihrem Gesicht war breit und unheilvoll.


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