Wie Eduard Möppelting Hayes in der Neuen Welt ohne Hilfe der Katzen Fuß fasst

Erklärung:

Wettbewerbsbeitrag für das Hallowenprojekt 2018 von WattpadFantasyDE.
Die Aufgabenstellung lautete, einen Eintrag zu einem von drei vorgegebenen Zeitpunkten in der Chronik der Familie Hayes zu verfassen. Die Einzelheiten könnt Ihr dem Wettbewerbsbuch entnehmen.
Der Beitrag hat in seiner Kategorie den Sieg davon getragen, was mit einem zauberhaften Sticker belohnt wurde (den ihr nun auf dem ehemaligen Cover über dem Kapitel bewundern könnt).

Ich habe mich für 1626, Ankunft in der Gründungszeit des Ortes Salem entschieden.

Die Geschichte ist in sich abgeschlossen.

Familienchronik der Hayes, Anno 1626


Eintrag am 14. August 1686

Ich werde oft gefragt, wie mein Aufstieg zum hellsten Stern des magisch-akademischen Zirkels begonnen hat.

Nun, liebe Freunde und Familie, endlich, nachdem mein letztes, eher populärwissenschaftliches Werk „Warum ist einsilbig dreisilbig und was ist der Unterschied zwischen einer Ente - Ein Essay" fertiggestellt ist, finde ich kurz Zeit, diesen wichtigen Eintrag in der Familienchronik derer Hayes niederzulegen, auf dass auch die künftigen Generationen, sich davon ermutigt fühlen und eines stets fest im Herzen tragen mögen:
Überlasse niemals die Kiste mit den seltenen Zaubertrankzutaten einer Katze!

Wir schrieben das Jahr 1626 und waren gerade in der neuen Stadt Salem gelandet, die auf einem von Merlin und Morgana verlassenen Flecken Land an der Küste lag.
Es war damals große Mode, alle Nase lang eine neue Stadt zu gründen.
Ich verstehe bis heute nicht, warum die ganze Familie umsiedeln wollte. Abenteuerlust haben sie es genannt. Sie wollten etwas anderes sehen, als die ewigen Kobolde und grünen Hügel von Irland.
Diese Narren! Und das sage ich noch heute und das kann ruhig die ganze Nachwelt lesen: Abenteuer sind was für Leute, deren geistiger Horizont in einen Teelöffel passt! Das Genie reist einzig im eigenen Kopfe, bequem vom heimischen Sessel mit einer warmen Tasse Feuerwürmchen-Kakao in der Hand. Wenn ich nur daran denke, rege ich mich schon wieder auf! Aber zurück, zu unserer Ankunft und meinem Aufstieg in die Ruhmeshalle der hellsten Köpfe, die diese Erdenmurmel je hervorgebracht hat und bringen wird!

Der Ort Salem wurde von einem gewissen Roger Conant geleitet, einem Griesgram erster Güte, den wahrscheinlich seine eigene Familie in einen Kahn gesetzt und in die neue Welt geschickt hatte, nur um ihn loszuwerden.
Er lief ständig herum, einen kleinen, dafür aber dicken Kläffer auf den Fersen und tat unheimlich wichtig.
Ich konnte ihn mehrfach am Tage vorbei stapfen sehen, mit einem lächerlichen Hut angetan, wenn ich aus dem kleinen, runden Fenster meiner Studierstube sah, die ich mir unter dem Dach, so weit entfernt vom Lärm des Haushalts wie möglich, eingerichtet hatte.
Die übrige Familie Hayes verteilte sich auf die anderen Zimmer des neu gebauten Hauses, einem der größeren in der Gegend, mit einem schmucken weißen Zaun und einem Vorgarten.
Ich aber hatte mir einen großen Raum ganz oben gesichert, zu dem man mittels einer Konstruktion hinaufsteigen musste, die mehr Leiter als Treppe war.

Hier befanden sich nun meine Experimente und die bisherigen Aufzeichnungen zu meinem damaligen Hauptwerk, mit dem ich die akademische Welt im Sturm zu erobern gedachte: „Wie die Drachen den Brauch Geburtstagskerzen anzupusten entwickelten und dieser in sein Gegenteil verkehrt wurde: Historie eines großen Missverständnisses und seine Folgen für die Weihnachtsbäckerei im Jahr 1312."
Natürlich hatte mich der Umzug nach Amerika empfindlich zurückgeworfen, oder hätte man schon einmal etwas von Drachen in Amerika gehört? Natürlich nicht! Drachen leben, wie jeder weiß, der seine acht Sinne beieinander hat, nur in Irland. Und das hatte meine feine Familie soeben hinter sich gelassen.

An einem Tag, es muss ebenfalls im August gewesen sein - ich erinnere mich noch, dass der schon am Morgen von schräg Ost nach vierviertel West ziehende Fischgeruch große Hitze versprach - nahm das Unglück, oder rückblickend vielleicht besser: das Glück, seinen Lauf.

Ich sortierte gerade die letzten Fläschchen aus meinem Reisekoffer, in den ich alles für den Umzug Notwendige gepackt hatte, in die dafür vorgesehenen Regale, als mir auffiel, dass eine Kiste mit besonders kostbaren Zutaten fehlte.
Ich suchte überall, spannte die ganze Familie ein, aber der Kasten war nicht aufzufinden. Schließlich begab ich mich nach draußen, wo schon wieder die Katzen herumsaßen und sehr geheimnisvoll und sehr desinteressiert taten.
Als ich sie fragte, ob sie etwas über den Verbleib meiner Zutaten wüssten, verbaten sie sich die infamen Unterstellungen, was mich sofort mißtrauisch werden ließ.

Nun muss ich hinzufügen, dass ich mit den Gesellen ohnehin schon meine liebe Not hatte.
Sie hatten nämlich in ihrem Katzenkonzil beschlossen, dass gerade meine Dachkammer ihr neuer Gesellschaftsraum werden sollte.

Ich duldete sie nur widerwillig, was sie mir durchaus verübelten. Ich hätte sie gern ganz aus dem Haus gehabt, aber wie alle Hexer bin ich durch das Großmagische Gadsen-Gesetzbuch, Artikel 84, Paragraph 7 verpflichtet, jeder Katze die darum ersucht, Obdach, sowie grundsätzlich allen Katzen, ohne weitere Aufforderung, freien Durchgang durch Haus und Grundstück zu gewähren. Merlins Nasenhaar mochte wissen, wer sich zu einer so hirnverbrannten Regelung bei der Abfassung des Gesetzestextes hatte hinreißen lassen, aber so war es nun einmal.

So hatten natürlich alle Katzen der weiteren und ferneren Gegend beschlossen, es sich in unserem Haus und unserem Garten gemütlich zu machen, denn wir waren die einzige magische Familie weit und breit.
Ich war davon in besonderem Maße betroffen, da es unter dem Dach am wärmsten war und sie sich dort am liebsten aufhielten.
Außerdem schätzen Katzen, wie jeder weiß, den Geruch von altem Pergament und das nannte ich zuhauf mein eigen.

Ich starrte sie an, um sie in ihre pelzigen Knie zu zwingen, denn ich hatte den dringenden Verdacht, dass sie sehr wohl wussten, was mit meinen Zutaten geschehen war.
Sie starrten zurück.
Natürlich darf man weder blinzeln, noch den Blick senken, wenn man sich auf einen Starrkampf einlässt. Wo genau man hinstarrt, ist gar nicht so wichtig, Kreuzblicke geben sogar mehr Punkte, als angeschnittene Blickrichtungen.
Man darf aber, wie der geneigte Leser sicher weiß, nicht blinzeln und nicht zuerst aufhören, sonst hat man verloren und keine Katze, die etwas auf sich hält, würde dann noch bei einem im Bett schlafen, bis man Huldigungen in Form von Bergen von Katzenkeksen dargebracht hat.
Ein echtes Dilemma und ich war den Starrkampf zu unvorbereitet angegangen.
So hielt ich nur bis zum nächsten Mittag durch und war dann gezwungen, aufzugeben. Die Schande lastet noch heute auf mir, wie ich zugeben muss, auch wenn ich seit diesem Tag stets eine Schale mit Leckereien auf der Veranda zu lassen pflege.

Nachdem ich nun also verloren hatte und hier vorerst nichts mehr erreichen konnte, beschloss ich, mich in der näheren Umgebung umzusehen.
Die Straße war menschenleer. Der Grund dafür war, wie ich schnell herausfand, ein Tumult vor dem Gemischtwarenladen, der gleichzeitig als Rathaus fungierte.
Die aufgebrachte Menge hielt vereinzelt graue Steine in die Höhe und die Stimmung war auf eine unerfreuliche Art ausgelassen.
Roger Conant stand auf den Stufen vor dem Laden und bemühte sich um Ruhe.
Als ich näher kam, erkannte ich, dass es gar keine Steine waren, die die Menschen in die Höhe hielten, sondern kleine Statuen von Hunden. Sehr schöne Statuen, die sehr detailreich gearbeitet waren.
Mir wurde heiß und kalt und ich beschloss, mich schnell wieder zu verdrücken.

Wir Hayes gaben uns große Mühe, unauffällig in der Gemeinschaft zu leben, jedoch verriet das ein- oder andere Missgeschick dem aufmerksamen Beobachter, dass wir nicht ganz so normal waren, wie alle um uns herum.
Dieser Conant hatte schon ein paar Mal merkwürdige Blicke auf unser Haus geworfen, vielleicht auch wegen der andauernden Katzenversammlung in unserem Vorgarten, die ahnen ließen, was er von uns hielt.

Auf dem Weg nach Hause dachte ich über die Angelegenheit mit den Hundestatuen nach. Für den kundigen Hexer ließ sich aus den verlorenen Zutaten durchaus ein Versteinerungstrank herstellen.
Ich musste noch einmal die Katzen genauer unter die Lupe nehmen. Als ich durch das Gartentor trat, war ich felsenfest (jawohl, dies ist eine meiner beliebten und genialen Wortspielereien) davon überzeugt, dass sie dahinter steckten.
Sie hatten in den letzten Tagen auffällig häufig in meinem Reisekoffer herumgelungert und waren mir um die Beine gestrichen.
Ich stürmte im gerechten Zorn geradewegs auf ihren Rädelsführer, einen braun-weiß gescheckten Kater mit je nur noch einem halben Ohr, zu, als mein Fuß plötzlich an etwas hängenblieb und ich der Länge nach hinschlug.
Meine Nase landete direkt vor seinen Pfoten. Er blickte auf mich herab und hatte dabei eine recht blasierte Mine aufgesetzt; er war, gemessen an den primitiven Verhältnissen, beinahe kultiviert und bemerkenswert eloquent.
„Kann ich etwas für Euch tun, werter Herr?", richtete er das Wort an mich, ohne es natürlich zu meinen.
Ich rappelte mich in eine sitzende Haltung hoch.
„In der Tat, in der Tat!", gab ich schnaufend zurück. Aber zuvor sah ich mich erst einmal um, um zu sehen, was mich zu Fall gebracht hatte.
Es war ein grauer Stein. Ein grauer Stein, der dem kleinen Kläffer von Roger Conant erstaunlich ähnlich sah, bis auf die Tatsache, dass er eben aus Stein war.
Ich kratzte mir konsterniert das linke Ohr und wandte mich schließlich wieder an den Kater, der mich noch immer unbeeindruckt musterte.
„Erklär' er mir das!", verlangte ich. „Das ist doch sein Werk! Gestehe er!"
„Nun..." Er ließ sich Zeit mit der Antwort. „Vielleicht weiß ich etwas darüber. Vielleicht auch nicht."
„Rede er! Oder ich lasse Hunde ins Ha..." Ich beendete den Satz nicht, weil ich mir seiner Sinnlosigkeit gewahr wurde. Der Kater betrachtete desinteressiert den Boden vor sich.
„Ist Euch eigentlich klar, dass uns das alle in Gefahr bringt?", raunzte ich ihn und seine ganze verlotterte Sippschaft an.
„Die Familie Hayes taucht hier auf, bezieht ein Haus, vor dem ab diesem Zeitpunkt ungewöhnlich viele Katzen zu jeder Tages- und Nachtzeit herumlungern..."
„Wir verbitten uns den Terminus 'herumlungern'", wurde ich unterbrochen. „Wir lungern nicht. Wir beratschlagen und beobachten."
„Ach wirklich?", giftete ich. „Das ist ja ganz wunderbar. Wißt ihr, wer noch beobachtet? Roger Conant! Und das ist sein Hund." Ich hielt ihm den Stein unter seine indignierte Nase. „Wo wird er wohl zuerst fragen, wieso nicht nur dieser, sondern alle Hunde in der Stadt plötzlich zu Stein erstarrt sind? Na? Natürlich hier! Bei den Neuen! Und eines sage ich Euch! Die Menschen sind nicht zimperlich, wenn es um ihre Hunde geht! Wo werdet Ihr schlafen, wo werdet Ihr Eure Versammlungen abhalten, wo werdet Ihr keine kostenlosen Häppchen mehr zur Verfügung gestellt bekommen, wenn die Leute mit der Familie Hayes fertig sind? Na?" Ich brüllte inzwischen.
„Euere Ausführungen sind nicht uninteressant, auch wenn mir der Ton, in dem Ihr sie vorzutragen Euch entschieden habt, auf's Deutlichste mißfällt", merkte der Kater an. Da von mir keine Reaktion erfolgte, fuhr er fort: „Wie schlimm, wäre es, wenn wir etwas darüber wüßten, was mit den Hunden geschehen ist?"
Ich starrte ihn entgeistert an. „Schlimm? SCHLIMM? Ja habt Ihr denn nicht zugehört? Es geht um kostenlose Häppchen!", schrie ich ihn an.
„Nun..." Offenbar mochte er es „nun" zu sagen und den Satz dann ewig in der Luft hängen zu lassen, bis er gereift war, wie ein gutes Steak. „Möglicherweise habe ich gehört, wie jemandem eine Kiste mit Fläschchen in die Pfoten gefallen ist. Möglicherweise hat dieser Jemand die Sachen auf einen Haufen gekippt, um sich in die Kiste setzten zu können. Weiterhin möglich wäre es, dass dabei einige Dinge zu Bruch gingen. Unter Umständen, hätten sich einige Jemande gerade in diesem Moment einen Scherz mit einem Euch bekannten kleinen Kläffer erlaubt. Vielleicht haben diese ihn im Laufe des Scherzes hinter sich her, bis an eben Euer Haus, jagen lassen, um ihm die Übermacht der großen Katzenversammlung zu demonstrieren. Möglicherweise hat ein Jemand die Gelegenheit genutzt, den vormals genannten Kläffer mit der Schnauze in die vielleicht übel riechende Pfütze zu tunken. Eventuell hätte dabei dieser Jemand entdeckt, dass die Mixtur eine versteinernde Wirkung besitzt und vielleicht hätte dann jemand andere Jemande angewiesen, die Substanz tröpfchenweise in allen Hundenäpfen des Ortes zu verteilen. Rein hypothetisch, natürlich."
Mir fehlten die Worte. Hypothetisch! Von wegen!
Ich rappelte mich hoch, schnappte den Kläffer-Stein und stürmte ins Haus. Diese impertinenten Katzentiere! Es war schlicht nicht zu fassen. Sie mussten ihren pelzigen Podex einfach in jeden Karton und jede Kiste stecken, die nicht schnell genug vor ihnen weglaufen konnte.

Die vermeintliche Statue stellte ich auf den Tisch und betrachtete sie nachdenklich. Es dauerte nicht lange, da kam der Kater durch das offen stehende Fenster herein, stolzierte über den Tisch und setzte sich neben den Stein.
Ich beäugte ihn mißtrauisch, während ich überlegte, wie der Entsteinerungstrank zu brauen sei. Ich drehte mich um, damit ich einen Blick auf meine Zutatensammlung werfen konnte, die ich vor kurzem erst aus meinem Koffer geholt und fein säuberlich und alphabetisch geordnet, in die entsprechenden Regale, Kistchen und Schränkchen geräumt hatte.
Gepolter vom Schreibtisch, oder genauer, vom Boden vor dem Schreibtisch, ließ mich herumfahren.
Dieser vermaledeite Kater saß genauso da wie vorher, kein Härchen schien sich bewegt zu haben.
Mysteriöserweise lag die Kläfferstatue nun am Boden und zu meinem Entsetzen war die Schnauze abgebrochen.
„Lilith soll Dich holen!", tobte ich wieder los und begann hektisch die Teile vom Boden aufzusammeln. Wie zuvor, zeigte sich der Kater unbeeindruckt.
Ich legte die Teile auf den Tisch. Er sah sie beiläufig an, als gebe es nichts auf der Welt, das ihn weniger interessierte. Ich warf einen warnenden Blick in seine Richtung, was er mit einem dezenten Schnauben quittierte. Er streckte sich noch ausführlich und zog es dann vor, den Raum auf dem selben Weg wieder zu verlassen, den er gekommen war.
Zefix aber auch!
Ich krempelte die Ärmel hoch und begann zügig einige Zutaten zusammenzuschütten. Bestimmt würde bald Roger Conant auf ein paar Anschuldigungen vorbeischauen. Ich hatte natürlich alle Zutaten vorrätig, bis auf Bilsenkraut. Verflixt! Ich beschloß stattdessen Bildenkraut zu verwenden, das würde, hoffte ich, die Formel nicht zu sehr verändern.
Für einen Test blieb keine Zeit. Ich träufelte meine Mixtur auf den versteinerten Kläffer und massierte sie gut ein.
Das Rezept war ein voller Erfolg. Für die Schnauze konnte ich nichts tun. Ich formte eine Art Nase, während der Stein unter meinen reibenden Händen langsam weich wurde. Ich hoffte, das würde genügen.
Schon drangen die Geräusche einer sich nähernden, nicht besonders fröhlichen Menschenmenge an meine Ohren. Ich gab dem dicken Kläffer mit der platten Schnauze einen letzten, formenden Klaps, klemmte ihn mir unter den Arm und flog die Treppe hinunter. Die Flasche mit dem Gegenmittel hatte ich in der Tasche.

Im Vorgarten war die Szenerie unverändert: Die Katzen saßen herum und beobachteten desinteressiert das Geschehen.
In kürzerer Entfernung als mir lieb war, erkannte ich jedoch die Menge, die vorhin noch vor dem Gemischtwarenladen gestanden hatte.
Dem Aufzug voran, schwankte der lächerliche Hut von Roger Conant.
Ich winkte den Ankömmlingen entgegen. „Ach, sieh an, Gott zum Gruße!" imitierte ich sowohl das joviale Lächeln als auch die Grußformel der gemeinen Bürger dieser Gegend.
„Dieses wunderschöne Hündchen hat sich just in unserem Garten verirrt. Das ist doch der Ihre, nicht wahr?" Ich hielt Roger seinen noch ganz benommenen Kläffer direkt unter die knubbelige Nase.
Er stierte mir ins Gesicht, griff aber schließlich nach dem Tier und verlangte ausgesprochen unfreundlich zu wissen, ob ich etwas über die Sache mit den Hunden wüßte.
Der Kater war ein guter Lehrmeister gewesen und ich setzte eine unverbindliche Mine auf und beteuerte, nichts damit zu schaffen zu haben.
„Das Eine sage ich Euch, Hayes", Rogers Finger wedelte nun seinerseits direkt unter meiner ureigenen Nase herum, „wenn ich rausfinde, dass Ihr und Eure seltsame Familie etwas damit zu tun habt..."
Es schien in diesen Breiten wohl doch ein gebräuchliche Sitte zu sein, Sätze nicht zu Ende zu führen. Ich beteuerte ein weiteres Mal meine und die Unschuld der Familie Hayes und betete hinter meinem offenen Lächeln, dass sich keiner den Hund genauer ansehen möge.
Roger schien zu bemerken, dass sich etwas verändert hatte, nahm es aber mit zusammengekniffenen Augen hin.
Vielleicht war er einfach vom Glück überwältigt, seinen einzigen Freund wieder zu haben und Freunde akzeptiert man nun einmal, wie sie sind. Mit Schnauze, oder ohne.
Schließlich erreichte meine unbeirrbar zur Schau gestellte Freundlichkeit einen vorläufigen Abzug der Meute. Ich lächelte ihnen noch eine Weile hinterher und wandte mich dann an den Kater.
„Wenn ich bitten dürfte...", versuchte ich mir auch einen Anstrich von Lokalkolorit zu geben. Ich hielt ihm die Flasche mit der Gegenmixtur hin. Der Kater nickte knapp und mehrere Katzentiere lösten sich schweigend aus der Gruppe und nahmen die dargebotene Phiole entgegen.
Wie sie es genau geschafft haben, kann ich nicht sagen. Am nächsten morgen war jedoch wieder alles beim Alten und jeder Hund war entsteinert worden.

Zum großen Glück der Familie Hayes, stellte sich heraus, dass meine Mixtur wegen der veränderten Zutat ein hervorragendes Fellpflegemittel für Hunde und unübertroffenes Haarwuchstonikum für Menschen war. Ich stellte es fürderhin in großer Menge her, wobei mir die Familie kräftig unter die Arme griff.
Es firmierte schließlich unter der Bezeichnung: „Familie Hayes hervorragendes Hunde- und Haartonikum".
Unnötig zu erwähnen, dass es reißenden Absatz fand und die Finanzen der Familie in ungeahnte Höhen schießen ließ.
Ebenfalls machte es uns die Dorfgemeinschaft gewogen, deren Herren nun durch dichtes, glänzendes Haar auffielen.
Mit einem Schlag waren Jahre meiner Forschungen gesichert und ich konnte meine Arbeit nicht nur in aller Ruhe zu Ende und zur Veröffentlichung bringen, sondern auch direkt das heute zur Standardliteratur für alle Neuromagier zählende Werk: „Warum sich das Gehirn Gehirn genannt hat", eine meiner größten Errungenschaften, wie ich in aller Bescheidenheit bemerken möchte, nachlegen.
Dieses übertraf alle Erwartungen und war auch in finanzieller Hinsicht ein Meilenstein, sodass die Familie Hayes aus dem Hund- und Haartonikumgeschäft aussteigen konnte und fortan bis heute, ein friedliches, fast unauffälliges Glied dieser Gemeinschaft sein kann, nicht zuletzt wegen der großzügigen Spenden, die sie zu tätigen in der Lage ist.
So begann also der Aufstieg derer Hayes in der Neuen Welt.

Die versteinerte Schnauze bewahre ich noch heute auf. Sie hat ein Ehrenplätzchen über dem Kamin. Der Kläffer hat im Übrigen eine Zuchtlinie begründet, die heute gemeinhin als „Mops" bekannt ist. Leider kann ich mir dies aus naheliegenden Gründen nicht als Errungenschaft ans Revers heften, aber ich möchte auch nicht gierig erscheinen, und verzichte bescheiden auf diese Ehre.

Ich verbleibe mit vorzüglicher Hochachtung, Ihr Chronist

Eduard Möppelting Hayes

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top