Mio III - Die Puppe, die Tür und der Hausmeister
Das Dröhnen von hunderten Schuhen auf Steinboden rauschte über Mio hinweg und schlug über Es zusammen, wie ein Welle.
Der Tag hatte begonnen und Es stand im Eingangsbereich der Schule, direkt hinter der Eingangstür.
Mio drehte sich um und sah auf die Klinke. Es hatte das überwältigende Gefühl, sich an etwas erinnern zu sollen, ohne das das gelang.
Ein Rucksack traf hart die Schulter und ließ Es taumeln. Das Gelächter und die Unterhaltungen brandeten gegen die Ohren und ohne genau zu wissen, weshalb, setzte Es sich in Bewegung und folgte dem Fluß der Schüler, die zur ersten Stunde in ihre Klassenzimmer strömten.
Aus einem unerfindlichen Grund, klopfte das Herz im Hals, als hätte Es Angst.
Ein paar Stufen weiter oben, gab es eine Kreuzung, von der verschiedene Gänge in die unterschiedlichen Bereiche des Schulhauses führten. Über eine Treppe gelangte man in das nächste Stockwerk, ein Gang führte in Richtung des Sekretariats und ein weiterer zur Turnhalle und dem Speisesaal.
Mio erinnerte sich, wie verwirrt Es gewesen war, als Es hier zum erstenmal gestanden hatte und sich verloren vorgekommen war. Seltsam, wie man sich Orte langsam zu eigen machen konnte, sie immer und immer wieder ablief, bis man den Weg auch blind gefunden hätte.
An der Kreuzung gab es auch einen großen Kasten mit allerlei Aushängen.
Die Theater-AG suchte Mitstreiter, ebenso der Chor. Irgendeiner hatte einen EMP-Aufkleber dazwischen gepappt, der eine weiße Hand mit zwei Ausgestreckten Fingern auf rotem Grund zeigte.
Ein anderer Aushang betraf die Stundenpläne. Dort wurden Änderungen für die verschiedenen Klassen vermerkt, sodass man problemlos herausfinden konnte, wo man hinmusste und wann man da zu sein hatte.
Vor dem Plan stand eine vertraute Gestalt.
„Hi." sagte Mio beiläufig, als Es sich neben den Jungen stellte, den Es schon am Vortag getroffen hatte.
„Oh, hi. Wie geht's?", erwiderte dieser lächelnd. „Was hast Du heute?"
Mio versucht sich zu erinnern. „Ähm. Keine Ahnung, glaub' ich."
„Was steht denn am Plan?" Der Junge deutete auf die Blätter, die vor ihnen angepinnt waren.
Mio sah hin. Erst verstand Es nicht, was Es sich da ansah, aber je länger Mio daraufblickte, desto klarer wurde die Schrift.
„Kunst. Aber da steht nur Kunst. Den ganzen Tag. Sonst nix.", wunderte Es sich.
„Wäre ja sonst auch 'n bisschen viel, was?", lachte der Andere.
Mio sah ihn an. „Sag' mal. Ich kann mich irgendwie nich' an Deinen Namen erinnern...", ließ Es den Satz in der Luft hängen.
„Thomas.", war die prompte Antwort.
Etwas in Mios Kopf rastete ein. „Ach klar! Thomas. Mensch, wie konnte ich das vergessen."
„Siehst Du? Wird alles klarer mit der Zeit. Hab's ja gesagt: Der erste Tag ist immer der schlimmste. Danach geht's nur noch vorwärts." Der blonde Junge musterte Es eindringlich.
Mio fühlte ein dumpfes Unbehagen unter diesem Blick, das aber gleich verschwand, als die Schulglocke läutete.
„Du, ich muss. Wir sehen uns später." Thomas drehte sich in Richtung des Ganges, an dessen Ende das Direktorzimmer lag und wollte gehen.
„Ja. Können wir nachher mal quatschen? Paar Minuten? - Da ist was mit den Türen...", fügt Mio schließlich noch zusammenhanglos hinzu, ohne dass Es das hatte sagen wollen.
„Erm...klar. Machen wir." Der Andere schien nicht im Mindesten überrascht von der Frage nach den Türen. „Wir können uns im Hof treffen, an der Linde." Damit ging Thomas zügig in die eingeschlagene Richtung davon.
„Ok.", murmelte Mio noch, sicher, dass der Andere es nicht mehr hören konnte.
Es macht sich auf den Weg zum Kunstunterricht. Der Klassenraum lag ganz oben, im dritten Stock und Mio erreichte ihn gerade noch rechtzeitig, bevor das letzte Klingeln den Unterricht eröffnete.
Seine Kunstlehrerin, die einen roten Prinz-Eisenherz-Haarschnitt und nur einen Ohrring zu tragen pflegte, wurde heute von einem griesgrämig wirkenden alten Mann mit untersetzter Statur und grauen Locken, die kurz über den Ohren endeten, vertreten.
„Hinsetzen. Ruhe! Ruhe da hinten!", brüllt er fast.
Mio drückte sich an der hintersten Reihe vorbei in eine Bank am Fenster.
„Was Ihr tun müsst, steht an der Tafel! Wer heute nicht fertig wird, kann nächste Woche weitermachen, aber dann ist Schluß! Und Ruhe, sonst brennt die Luft!"
Jeder Satz des Lehrers schien unter enormem Druck hervorgepresst zu werden und in den Raum zu knallen.
Der alte Mann stapfte zu seinem Tisch und nahm Platz. Er sah nicht danach aus, als ob er vorhätte, sich in dieser Stunde noch einmal zu bewegen.
Auf jedem Tisch stand eine flache Schale aus Plastik, in der sich Material für die heutige Aufgabe befand. Mio inspizierte den Inhalt: Da lag ein Beutel mit Stroh, verschiedene Stoffzuschnitte und Nähzeug. Der eine Stoff war grob und grau, die zwei anderen Stücke etwas feiner und in blau und rosa gehalten.
An der Tafel erkannte Es erst nach einer Weile etwas. Es musste die Augen zusammen kneifen, aber dann wurden die Anweisungen deutlicher, bis sie sehr gut zu erkennen waren. Das musste wohl an der bleiernen Müdigkeit liegen, mit der Es jeden Morgen zu kämpfen hatte. Aber Mio würde nicht zum Augenarzt gehen. Eine Brille war wirklich das Letzte, was Es wollte.
Die Zeichnungen und Sätze an der Tafel erklärten, wie man eine Puppe herstellte.
Man sollte den groben Stoff zuschneiden, auf die Nahtzugabe achten, das Ganze dann mit Stroh füllen und zunähen. Zusätzlich sollte man Kleidung aus den beiden anderen Stoffen entwerfen und der Puppe „Persönlichkeit" verleihen. „Mixed Media" war alles überschrieben.
Mio seufzte. Es hätte sehr viel lieber gemalt, oder etwas aus Ton geformt. Ernsthaft, wer nähte denn heute noch von Hand?
Als ob man nicht in jeder Spielzeug-Abteilung und im Internet hunderte Puppen zu Auswahl hatte, die garantiert schöner als alles waren, was Mio herstellen würde.
Wieder so eine sinnlose Stunde. Manchmal schien es Es, das Leben bestünde nur daraus irgendwo Zeit abzusitzen und darauf zu warten, dass die jeweilige Sache vorbei war, bis man die eigene Lebenszeit verwartet hatte und auch diese ein Ende fand.
Währenddessen erledigte man sinnlose Aufgaben, die zu nichts führten und einen nur beschäftigt hielten, bis man in der Arbeit vor einem versank und vergaß, wie sinnfrei das eigene Tun war.
Resigniert zog Mio die kleine Wanne mit den Stoffen zu sich heran.
Es begann, die Sachen vor sich auszubreiten und sich eine Schablone für den Zuschnitt nach den Maßen, die an der Tafel angeschrieben waren, zu basteln.
Der grobe Stoff unter Es Händen fühlte sich gewohnt an, als hätte Mio ihn schon sehr lange in den Händen gehalten und nun wäre jede Unebenheit der rauen Oberfläche vertraut.
Es Gedanken drifteten ab, während Es die Sachen zuschnitt und mit kleinen Stichen zusammennähte.
Mio hatte mit dem blonden Jungen über die Türen sprechen wollen. Etwas stimmte mit den Türen nicht. Es beschlich ein vages Gruseln, wie man es spüren konnte, wenn man verbotenerweise nachts allein ein Horror-Buch las, oder jemand im Dunkeln eine gute Geschichte mit unerklärlichem Ausgang erzählte.
Und da war noch etwas anderes. Angst. Mio hatte Angst, wenn er an die Türen dachte. Hatte Es nicht versucht, sie zu öffnen?
Es Gehirn schien vor dem Bild, dass sich in den Kopf drängte, zurückzuschrecken.
Mio konnte den Gedanken nicht festhalten, als ob er eben noch scharfgestellt gewesen wäre und jetzt jemand einen starken Blur-Effekt darüber gelegt hatte.
Im Klassenzimmer roch es verbrannt, aber Es konnte keinen Grund dafür ausmachen.
Alle anderen werkelten konzentriert vor sich hin und niemand schien Lust zu haben, herauszufinden, was passierte, wenn man schwatzte und daraufhin „die Luft brennen" würde, wie der Alte es genannt hatte.
Kurz schien es, als wäre an der Tafel nicht die Zeichnung einer Puppe, sondern die Skizze eines ruhigen Meeres zu sehen und detaillierte Anweisungen, wie die Farben aufzutragen seien. Vorn dunkler, nach hinten ins Bild hinein immer heller werdend, um Tiefe zu erzeugen.
Mio blinzelte. Es war die Anleitung zu der Puppe, sonst nichts.
Das Nähen war fast beendet. Die schlaffe Stoffhaut hing in Mios Händen und wartete darauf, mit Stroh gefüllt zu werden.
Es öffnete die Tüte und kleine Späne rieselten heraus. Eine beachtliche Menge der Halme häufte sich auf dem Tisch und schien sich noch weiter aufzublähen, nachdem sie aus ihrem Tütengefängnis befreit worden war.
Mio begann das Stroh in die Beine der Puppe zu stopfen. Erstaunlich, wie viel hineinpasste.
Als der Körper fester wurde und Form annahm, erinnerte sich Mio langsam an etwas.
Da war das leise, geheimnisvolle Rascheln, wenn man auf den groben Stoff drückte und die warme Rauheit unter den Fingern; da war der Duft von Sommer und Herbst über Feldern, wenn das Stroh auf den Heuboden bei den Großeltern geschafft wurde und der einem noch lange in der Nase und im Haar hing.
Mio hatte schon einmal eine solche Puppe besessen. Sie war Es groß vorgekommen, viel größer, als die, die Es jetzt vor sich hatte. Andererseits war Mio da noch sehr klein gewesen.
Die Puppe hatte Es immer dabei gehabt. Es erinnerte sich an die Panik, wenn Es sie einmal nicht finden konnte und die Sicherheit, die Es empfunden hatte, wenn Es nachts in seinem Bett allein im Zimmer lag und die Schatten über die Wände tanzten und es vor der geschlossenen Tür knackte, als stünde jemand davor.
Dann hatte Mio die Puppe an sich gedrückt und das Gesicht an ihrer Brust vergraben, wo Es das Stroh riechen konnte. Schon damals war das eine Erinnerung an lange Tage, das warme Fell von Katzen, die in der Sonne geschlafen hatten und das Lächeln der Oma gewesen, die Es etwas zu naschen zusteckte. Es hatte die Augen ganz fest zugekniffen und sich immer wieder ermahnt, nicht hinzusehen. „Sieh nicht hin. Sieh nicht hin. Sieh nicht hin.", wie ein Herzschlag in Mios Kopf. Wenn Es die Augen öffnete, würde Es Herz stehenbleiben und was immer Mio dann sah, würde Es holen und mit sich fortnehmen.
Darüber war Es oft eingeschlafen und am Morgen waren die Schatten nur noch eine entfernte Erinnerung und spätestens bei der Ankunft im Kindergarten vergessen gewesen.
Eines Tages war Mio an das Bett getreten, um die Puppe zu holen, aber hatte sie nicht finden können. Es hatte die Decke und das flache Kissen herausgeworfen und auch die anderen Kuscheltiere, die für gewöhnlich am Fußende Wache hielten, damit keine Schatten in das Bett gekrochen kommen konnten.
Der anfängliche Unglauben war schnell zur Sorge und schließlich zur Angst angewachsen.
Mio waren die Tränen über das Gesicht gelaufen und Es hatte laut geweint und vor Frustration gebrüllt. Die Mutter war herein gekommen und hatte gefragt, was los sei, aber Es hatte sich nicht verständlich machen können.
Schließlich hatte die Mutter die Geduld verloren und Es angeraunzt, Es solle sofort aufräumen und die Stofftiere wieder ins Bett legen. Ob Mio überaupt eine Ahnung hätte, dass alles Geld koste und das Es gefälligst sorgsamer mit den Dingen umgehen solle. Dann war sie wütend hinausgegangen und hatte Mio seiner Verzweiflung überlassen. Es hatte vor Wut aufgestampft und geschrien, sich hingeworfen und hatte gar nicht gewußt, wohin Es mit all den großen Gefühlen im kleinen Körper sollte.
Es hatte die Puppe gebraucht, aber die Puppe war nicht dagewesen. Irgendwann, als es schon dunkel wurde, hatte Mio aufgehört zu weinen und hatte dumpf auf dem Boden vor dem Bett gelegen. Es hatte sich ganz taub und erschöpft gefühlt und war dort zum erstenmal, überwältigt von der Unfassbarkeit des Verlusts, ohne die Puppe eingeschlafen.
Von da an hatte Es immer früh gefordert, ins Bett gebracht zu werden, damit es Es gelang, einzuschlafen, bevor die Schatten kamen.
Das Klingeln ertönte. Die Stunde war zu Ende. Mio atmete tief ein und aus und hatte kurz Schwierigkeiten, sich in den Klassenraum zurückzufinden.
Schließlich räumte Es die Sachen und die halbfertige Puppe in die Schale, warf noch einen Zettel mit Es Namen hinein und brachte alles nach vorn, wo die anderen ihre Behälter bereits aufgetürmt hatten. Dann schnappte sich Mio den Rucksack und verließ den Raum.
Die Stunde schien viel länger gedauert zu haben, als Es bemerkt hatte.
Die meisten Schüler schienen bereits Schluss zu haben, denn es war ruhig und die Schule wirkte verlassen. Vielleicht war auch große Pause und die Kinder wären auf dem Hof.
Der Hof. Mio ging los und tatsächlich wartete Thomas dort unter dem Ginko und kaute auf einem Pausenbrot.
Mio hob die Hand, als Es auf den Baum zuging. Der Junge erwiderte Es Gruß mit der Schnitte in der Hand. Offenbar war sie mit Käse belegt.
Auf dem Hof roch es, als würde jemand grillen und Mio bekam Hunger. Es wühlte in der Tasche und zog schließlich ein Päckchen hervor, das ein paar Toastscheiben mit Marmelade enthielt. Sie waren matschig und der Rand fiel ab, als Mio sie in die Hand nehmen wollte.
„Ich find's cool, dass du jetzt auch hier bist.", eröffnete der Andere das Gespräch. „Irgendwie kennt man ja keinen richtig, selbst wenn man genau aufpasst. Aber wir haben ja eine gemeinsame Vergangenheit." Thomas blinzelte Mio verschwörerisch zu.
Es fiel noch etwas zu seinem Kinderfreund ein.
„Sag mal, warum haben wir uns eigentlich nich' mehr gesehen?", fragte Mio. „Du bist weggezogen, oder sowas, stimmt's?" Es legte die Stirn in feine Falten, bei dem Versuch, mehr Einzelheiten hervorzukramen.
„Ja, stimmt. Meine Eltern haben alles zusammengepackt und wir sind ganz lange gefahren." Thomas kaute versonnen auf seinem Brot herum. „Wir haben uns noch verabschiedet und ich hab dir mein Hot Wheels geschenkt. Das blaue mit den goldenen Reifen. Das war mein Bestes." erinnerte sich der Blonde.
Das stimmte. Mio erinnerte sich an das Auto. Es war flach und stromlinienförmig gewesen, als könnte es über die Strasse schwimmen. Es hatte es gehütet, wie einen Schatz und das Spielzeug lag heute noch irgendwo in einer von Mios Schreibtischschubladen. Es hatte es nie über sich gebracht, das Auto mit anderen Spielsachen in eine Kiste zu packen und auf den Dachboden räumen zu lassen, geschweige denn, es wegzuwerfen.
„Ich hab's noch, glaub' ich." bemerkte Mio.
„Echt? Wow.", erwiderte Thomas.
Sie aßen eine Weile schweigend. Mio beobachtete den Hof, ohne auf etwas bestimmtes zu achten. Viele Schüler waren nicht mehr hier, das Licht fiel schräg und die Dinge warfen lange Schatten.
„Was wolltest du mich wegen der Türen fragen?", nahm der Junge das Gespräch schließlich wieder auf.
„Ich weiß nicht genau. Irgendwie...Ich glaube ich hab' versucht rauszugehen, aber die waren zu.", versuchte sich Mio zu erinnern.
Der Andere zuckte mit den Schultern.
„Na, es wird abgeschlossen, wenn alle da sind. Dann ist Unterricht."
„Aber das war später. Ich wollte nach Hause und dann ging die Tür nicht auf." Mio verstand selbst nicht, warum Es das so irritierte.
„Wenn zu ist, ist Unterricht. Du kannst ja eh nicht nach Hause, also wozu offen lassen?" Darauf hatte Mio keine Antwort.
„Es war aber kein Unterricht mehr, verstehst du?"
„Kann ich mir nicht vorstellen", erwiderte Thomas. „Aber wenn es wieder ist, geh' doch mal zum Hausmeister. Der ist meistens unten im Heizungsraum. Der hat da einen kleinen Tisch und 'ne Kaffeemaschine. Ich glaube, der säuft dort auch mal einen. Zumindest riecht er immer so. Hab' gehört, 'n paar Leute wollten sich mal zusammentun und dem seinen Alk klauen. Weiß gar nicht, was daraus geworden ist. Jedenfalls hat der auch für alles 'nen Schlüssel." Der Junge stopfte seinen Müll zurück in seinen Rucksack und würde sich offenbar bald verabschieden.
Mio kam es so vor, als hätten sie noch etwas Wichtiges zu besprechen gehabt, aber wie so oft in den letzten Tagen, konnte sich Es Kopf nicht daran erinnern.
„So. Wir sehen uns. Echt schön, Dich hierzuhaben." Thomas lächelte.
Mio verzog die Mundwinkel ein wenig, um zu zeigen, dass sie einer Meinung waren. Tatsächlich war es schön, jemanden zu haben, den man kannte, wenn alle um einen herum fremd waren.
„Bye. Bis morgen?", fragte Mio.
„Auf jeden." Der Blonde grinste nocheinmal und ging dann zurück ins Gebäude.
Mio aß das Brot auf und ließ die Ruhe auf sich wirken. Der Baum rauschte oben mit seinen Zweigen und einige Blätter wurden raschelnd über den Boden geweht.
Es roch noch immer nach Grillfeuer. Wahrscheinlich verbrannte irgendwo jemand Laub, obwohl das verboten war.
Schließlich machte sich auch Mio auf den Weg. Der Abend war nicht mehr all zu fern und Es musste nach Hause.
Mio ging in das Gebäude und nach vorn durch, bis zur Eingangstür. Es drückte die Klinke hinunter und die Tür wacklte ächzend in ihrem Rahmen. Aber sie ließ sich nicht öffen. Es rüttelte noch einmal. Keine Chance.
„Mist", murmelte Es und beschloß, Thomas Vorschlag zu folgen und den Hausmeister aufzusuchen.
Es ging durch den hinteren Gang nach unten und durch einen weiteren in den Teil der Schule, in dem der Heizungsraum lag.
Die Tür stand offen und ein Mädchen, etwa in Mios Alter, schien dort zu warten.
Sie war genauso groß wie Es, hatte hellbraune Haare, die in der Sonne wahrscheinlich blond aussehen würden und trug Jeans, sowie ein hellblaues Shirt.
Der Heizungsraum war offenbar frisch renoviert, die Rohre waren sauber und weiß gestrichen und von der Decke leuchteten helle Neonröhren. Der Geruch von Holzpellets mischte sich mit dem von Farbe.
Es betrat den Raum und nickte der Anderen knapp zu.
„Hi.", sagte die und musterte Mio neugierig.
„Wartest du auf den Hausmeister?", fragte Mio.
„Ja, der kommt gleich wieder. Ich brauch' den Schlüssel für die Turnhalle und es ist keiner von den Lehrern mehr da", bekam Es erklärt, ohne so genau danach gefragt zu haben.
Zumindest klang das, als hätte der Hausmeister tatsächlich die Schlüssel für das Gebäude.
Sie warteten. Als ihr die Stille anscheinend zu drückend wurde, versuchte das Mädchen, das Gespräch weiterzuführen.
„Ich heiße Vada. Und du?"
„Mio", sagte Mio.
„Schöner Name.", fand sie und fragte weiter: „Bist du neu? Ich habe dich noch nie gesehen."
„Ähm. Ich...eigentlich nicht.", stotterte Es.
„Also ja", sie lachte fröhlich. „Kennen wir ja alle."
In dem Moment näherten sich Schritte und der Hausmeister kam aus der Dunkelheit zwischen den Kesseln hevorgewatschelt.
Er war recht klein und hatte seinen enormen Bauch in einen Blaumann verpackt. Seine Nase war breit und thronte über einem dichten Schnauzbart, der bereits den Großteil seiner Farbe eingebüßt hatte. Die kleinen Augen blickten durch eine zarte, goldberandete Brille in die Welt.
„Ah, Vada.", sagte er, „Hier ist dein Schlüssel. Bring ihn aber wieder zurück. Ich will ihn nicht irgendwo auf einem Gang finden müssen, hörst du?"
„Danke, Herr Polchinsky." erwiderte Vada, lächelte Mio noch einmal zu und verschwand federnden Schrittes.
Plötzlich veränderte sich der Raum und diesmal konnte Mio genau sagen, was passierte:
Das Licht wurde düsterer, weil jetzt statt einer vielzahl neu installierter Neonlampen nur eine einsame Röhre in einer länglichen Hängelampe unter der Decke flimmerte. Es roch nach Staub, der sich irgendwo angesammelt hatte und seit langer Zeit liegengeblieben war und Dampf. Die Fabe an den Wänden war nun vergilbt und an den Rohren blätterte sie ab.
Plötzlich versank Mio wieder in Schwärze.
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