Wanderer-Fest in Suun Amuun

In der Stadt war es heute bunter als sonst. Farbenfroh und munter! Eigentlich so wie sonst auch, nur dass heute alles mit Algengirlanden und Blumensträußen geschmückt war.
Samira sprang mit kräftigen Sprüngen von einem zum anderen Dach ihrer Heimatstadt Suun Amuun. Ab und zu schwamm sie mit einem kräftigen Zug nach unten und half hier und da mit ihrer ein paar Menschen schwere Kisten von hier nach dort zu tragen. Sie liebte es, anderen Meermenschen zu helfen, vor Allem an den Tagen, an denen sie sich ablenken musste, weil sie sonst vor Aufregung sterben würde.
Immer wieder fiel ihr Blick auf das türkisfarbene Fischernetz-Band, das ihre beste Freundin Ariella ihr gebastelt hatte, doch sie hatte nicht das Gefühl, dass sich der blassrosane Farbschimmer im inneren ihres kristallenen Delfinanhängers auch nur ein klitzekleines Stückchen vergrößerte.

"Sami, komm, willst du mir mit den Octis helfen?" riss sie plötzlich eine Stimme aus den Gedanken. Blitzschnell drehte Samira sich um und schwamm mit einem kräftigen Stoß vom Dach des Hauses herunter, auf dem sie gerade saß.
"Musst du mich denn immer so erschrecken?" fragte sie, als sie bemerkte, dass ihre Oma Sunima sie mal wieder so erschreckt hatte.
"Anders als mit dir zu reden bekommt man dich ja nicht aus deinen Gedanken heraus" meinte diese halb entschuldigend, halb belustigt und hielt ihrer Enkelin einen leeren Korb hin.

Samira nahm diesen gerne entgegen und schwamm sogleich in schlängelnden Begegungen an den Stadtrand um den Korb mit den Octimaren zu füllen, handtellergroße, achtzackige, sternförmige Früchte die an kleinen rotblättrigen Bäumchen mit verflochtenem Stamm wuchsen.
"Hallo Sami." begrüßte sie prompt Jamie, ein knallgrüner Kobold, der auf einem der Bäumchen saß und emsig von den süß-sauren Früchten naschte.
"Hunger?" fragte er und warf ihr eine zu.
"Dankeschön" erwiderte Samira, biss die Spitze einer Zacke ab und saugte an der Frucht. "Willst du mir helfen, Jamie?" fragte sie den Kobold, der irgendwie gelangweilt aussah. "Ich schenke dir ein Lied." fügte sie noch hinzu, während sie zum nächsten Baum schwamm. Erst schien der Kobold kurz zu überlegen, doch dann gab er sich einen Ruck und schwamm Sami hinterher. Schmunzelnd begann sie gleichzeitig behutsam Früchte von den kleinen Bäumchen zu pflücken und das Lied der Wanderer zu singen.
Auch wenn sie selbst eine Zalti war, waren doch die Delfinwanderer ihr liebster Stamm und so liebte sie auch ihr Reiselied. Wie gerne würde sie doch gerne einmal mit ihrer Freundin Ariella auf Trosk gehen.
Bis zum Ende des Liedes starrte Jamie ihn einfach nur verzückt an, als wäre er zu einer Säule erstarrt, doch nach dem Ende des Liedes schoss er in atemberaubender Geschwindigkeit los und hatte in binnen von wenigen Minuten zehn der Bäumchen geleert und somit den bisher viertelvollen verschließbaren Korb gefüllt.
Dankbar schmunzelte sie dem Kobold noch einmal zu, bevor sie - nicht ohne einen weiteren Blick auf ihr Armband - zurück zu ihrer Großmutter schwamm.

"Danke sehr, mein liebes Muckimäuschen." sagte Sunima lächelnd, als ihre Enkelin mit dem vollen Korb ankam. "Wieder mal ein neuer Geschwindigkeitsrekord! Hat Jamie dir geholfen?"
Wieder einmal wunderte sich Samira, ob ihre Oma nicht Gedanken lesen konnte, so schnell, wie sie immer alles erriet. Aber andererseits kannte Sami ihre Großmutter so gut, wie niemand anderen, genau wie auch umgekehrt.
Da das Zalti-Mädchen genau wusste, dass ihre Großmutter die Antwort sowieso schon kannte, nickte sie nur eifrig und erwiderte: "Hat Papi schon den Schmuck fertig? Ich bin schon so gespannt, wie er dieses Jahr aussieht!"
Schon bevor Sunima ihr mit einem Nicken in Richtung der Schmiede deutete, bedankte sie sich mit einem kleinen Wasserwirbel bei ihr und schlängelte sich mit anmutigen Bewegungen zwischen den Häusern dort hin.

"Hallo Sami," meinte mein Vater, als er mich bemerkte, "hier guck mal."
Mit einem Lächeln legte er mit einen kleinen runden Gegenstand in die Hand. Es war eine wunderschöne smaragdgrüne Brosche, auf der ineinander die Silhouetten eines Wales, eines Delfins und eines Lachses  zu erkennen waren.
"Sie ist... wunderschön!" bemerkte Samira, nachdem sie die Brosche ausgiebig angestarrt hatte.
"Das freut mich. Willst du noch eine für Ariella haben?" erwiderte mein Vater, der dabei war, mit einem winzigen Meißel an dem nächsten runden Wasserstein arbeitete.
"Darf ich versuchen, selber eine zu machen?" fragte Sami nachdem sie sich ihren an eine ihrer Stulpen gesteckt hatte. Sie wollte ihrer Freundin etwas ganz besonderes schenken, etwas auf das sowohl sie selbst als auch Sami stolz sein könnten. Sie hatte zwar nicht die magischen Ylmo-Fähigkeiten ihres Vaters geerbt, mit denen sie sich schon vor dem Beenden einer Arbeit sicher war wie etwas genau aussehen würde, doch irgendwie hatte sie trotzdem Mal wieder Lust etwas zu "basteln".
Verwundert blickte er sie an, doch dann gab er ihr eine vorgearbeitete Scheibe und einen kleinen Meißel. Dann machte er mit seiner Brosche weiter, und zeigte somit seiner Tochter, wie es ging. Die verschiedenfarbigen Koboldshelferchen ihres Vaters hörten währenddessen mit ihrer Arbeit auf und sahen ihr zu.
Mit kleinen, ungeschickten Handbewegungen klopfte sie ein Wellen-Symbol in die "Münze" und fuhr die Linien mit einem goldenen Feuerstift nach. Sami brauchte nicht lange, doch sie war zufrieden mit der "Münze" und wusste, dass Ariella es auch sein würde.
"Simon?... Könntest du mir das fertigstellen?" fragte sie schließlich und gab einem pinkfarbenen Kobold das runde Ding in die Hand. Dieser drehte es behutsam in seiner Hand, befestigte eine dünne, Nadel daran und half zum Schluss noch mit einer Ylmo-Sengbohne nach, die speziell dafür gemacht waren, um Schmuck fertigzustellen.
"Ich finde sie sehr schön..." meinte der Kobold, als er ihr die fertige Brosche zurückgab.
"Oh Danke! Ari wird sich so freuen!" antwortete Samira verzückt, bevor sie anfing dem Kobold ein kurzes Lied zum Dank vorzusingen. Diesmal sang sie die Dankeshymne der Meermenschen, es war kurz und bekannt, doch Alle magischen liebten das Lied, das wirklich alltäglich in Suun Amuun gesungen wurde. Alle Helfer hörten mit Freuden bis zum Schluss zu, manche schlossen sogar genießerisch die Augen.
"Nun schwimm schon," meinte Simon, als sie fertig war und blickte verschwörerisch auf ihr Delfinarmband.

Endlich glühte es! Der klitzekleine blassrosane Funke auf der Brust des Delfins hatte sich während des Liedes in pink verwandelt, dass sich über den gesamten Körper des Delfins zog. "Jaaa!" hatte man Samira noch rufen hören, bevor sie sich mit klopfendem Herzen dazu aufgemacht hatte, sich von ihrem Delfin führen zu lassen.
Nun schwamm sie hoch oben, über der Stadt, hatte ihre Augen geschlossen und schwamm einfach nur in schlängelnden Bewegungen dem pinken Delfin nach, der ihr durch sanftes Ziehen die Richtung wies. Sie freute sich total auf Ariella und war sehr gespannt, wie weit sie noch weg war.

Schon nach kurzer Zeit erblickte sie aus der Ferne eine Wanderer-Familie auf Delfinen auf sich zureiten. Toll, sie hatten die Delfine also diesmal mitgebracht! Schnell wie ein geölter Blitz schoss sie auf die vierköpfige Familie zu, die wie beim letzten Mal, als Samira sie mit Delfinen gesehen hatte, mit einer sechsköpfigen Delfinschule unterwegs waren.
Plötzlich bemerkte Samira, dass eine der vier Gestalten nicht alleine an einem Delfin hing, sondern von einer anderen getragen wurde! Ariella! Der Gedanke fuhr durch Samira wie der doppelte Stromschlag eines Zitteraals!
"Ariiii!" schrie sie noch, während ihre Schwimmgeschwindigkeit sich wie von selbst unfassbar beschleunigte. Schneller als eine Finde-Finja je sein könnte, schwamm sie auf ihre Freundin zu, wollte Alles tun, um ihr zu helfen, doch bevor sie auch nur einen helfenden Handgriff tun konnte, wurde alles schwarz.

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