24. Standing Still (Max' Version)

POV Max

Die ersten Tage waren die schlimmsten. Immer wieder spielte sich unser Gespräch vor meinem inneren Auge ab. Gerade der Vorwurf, dass ich blind und dumm war, traf mich besonders. Ich konnte es nicht vergessen, gerade weil es der Wahrheit entsprach. Ich habe viel geredet, viel erzählt, was ich ja machen will und was der Plan ist, aber aktiv habe ich bis auf das eine Mal, wo ich dann kalte Füße bekommen habe, nichts gemacht. Warum habe ich nicht einfach meinen Mund aufgemacht? Ist ja nicht das erste Mal, dass ich gezögert und abgewartet habe, nur um dann am Ende mit leeren Händen dazustehen. Wenn ich doch nur mehr Initiative gezeigt hätte, dann... ja, was dann? Dann wäre es zumindest nicht so, wie es jetzt gerade war. Dagi war weg, zumindest emotional. Diese Pause, die wir beschlossen hatten, fühlte sich von Tag zu Tag mehr wie ein Ende an.

Es war die erste große Pause und ich stand vorm Fenster und sah auf den Pausenhof. Der prasselnde Regen hielt die meisten nicht auf, sich draußen an der Luft zu bewegen. Die prasselnden Tropfen liefen die Scheibe herunter und zeigte mir auf, wie ich mich fühlte: chaotisch und ungeordnet. Ich strich mir durch die Haare und atmete tief durch. Ich verstand immer mehr, dass Dagi nicht nur derzeit weg war, sondern auch die Hoffnung, dass das, was ich mir erhofft hatte, weg war. Was wäre wenn, ich mehr Initiative gezeigt hätte, dachte ich erneut, was so ziemlich der schlimmste Gedanke war. Weil dann wäre es gut ausgegangen. Stattdessen stand ich hier still, während sie mich verlässt.

Die erste Maßnahme, die ich zur Besserung ergriff, war, mich von meinen Freunden fernzuhalten. Ich verbrachte die Pause entweder alleine oder mit anderen Leuten, während die Gruppe sich beim Bäcker traf oder im Aufenthaltsraum chillte. Es lag nicht an ihnen, es lag daran, dass ich keine Lust hatte, Dagi zu begegnen, oder mit ihr zu reden. Im Unterricht schaffe ich es, ihr aus dem Weg zu gehen, da ich in fast allen Kursen nicht mehr in ihrer Nähe sitze und somit nichts mehr mit ihr zu tun habe. Einzig Ju und Melina waren die einzigen, mit denen ich aus der Gruppe noch was machte. Beide kannten die Sicht von ihr und mir, daher wussten sie, wann sie uns in Ruhe lassen mussten und wann ein Gespräch wichtig war. „Und ihr habt echt immer noch nicht miteinander gesprochen?", fragte Melina mich eines Tages auf dem Nachhauseweg. Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Und ich glaube, dass es auch besser ist, wenn ich mich nicht melde. Das war doch der Deal? Abstand voneinander. Freundschaftspause." Das letzte Wort setzte ich mit meinen Händen in Anführungszeichen. Melina sah nachdenklich rüber. „Aber das heißt doch nicht, dass es für immer so bleibt, Max. Eines Tages redet ihr wieder miteinander, wenn ihr wieder soweit seid." Ich lächelte. „Ja, eines Tages. Vielleicht, vielleicht auch nicht." Ich zog die Schultern hoch. „Ich habe es verpasst, ehrlich zu sein, ihr meine Gefühle zu zeigen. Und selbst wenn wir beide wieder darüber hinweg sind und Freunde sind – wir können nicht so tun, als wäre da nichts. Da war etwas, wir waren beide verknallt ineinander und sollen jetzt aufhören damit.", erklärte ich ihr. Melina schwieg. Auch wenn sie immer ruhig und verständnisvoll ist und immer einen guten Rat parat hat, war sie hier sprachlos. „Das stimmt auch. Es ist schwierig.", murmelte sie. „Es fällt mir gerade schwer, dir Mut zu machen. Weil es komplex ist. Aber mach das beste draus, Max. Und es wird, wie es wird." Auch wenn es nicht wirklich eine große Hilfe war, stellte es mich kurzzeitig zufrieden, was dann doch wieder half.

So langsam setzte der neue Alltag für mich ein, auch wenn es komisch war, nicht mehr jeden Tag mit der Gruppe abzuhängen. Doch ich hatte mich damit abgefunden, verbrachte die Pausen lieber mit anderen Leuten und dachte weniger nach. Das tat mir unfassbar gut. Doch da hatte ich die Rechnung ohne die tollen Experimentiergruppen gemacht: Verdammt, ich war ja mit Julian und Dagi in einer Experimentiergruppe! Und was stand an diesem grandiosen Donnerstagmorgen an? Richtig, Experimentieren! Während wir die Titration vorbereiteten, zog ich mich aus dem aktiven Geschehen zurück und wollte lieber protokollieren, was vielleicht auch daran lag, dass Dagi direkt aktiv experimentieren wollte. Da ließ ich doch lieber Julian den Vorrang beim Experimentieren. „Julian, gib mir die Lösung mit dem Indikator.", sagte Dagi konzentriert. Julian reichte ihr die Lösung an und wir beobachteten, wie der Indikator mit der Salzsäure reagierte. Doch es genau passierte nichts. Ich schaute auf die protokollierten Ergebnisse und erkannte den Zusammenhang. „Du hast was falsch gemacht.", merkte ich an. Beide hielten inne und sahen mich an. „Was meinst du?", frage Julian. „Wir verbrauchen viel mehr, als wir tatsächlich haben. Das Zeug müsste schon längst umgeschlagen haben.", erklärte ich den beiden. Dagi runzelte die Stirn und winkte ab. „Wir wissen, was wir tun, Max. Achte lieber auf die korrekten Werte.", sagte sie mit einem süffisanten Lächeln. Ich sah sie nur an und erwiderte: „Offensichtlich nicht. Sonst hättest du jetzt schon einen Umschlag und einen Farbverlauf." „Mann, kümmere dich um die richtigen Ergebnisse, anstatt uns hier reinzureden!", sagte sie mit deutlich schärferer Stimme. Die restlichen Gruppen drehten sich um, unser anbahnender Streit war wohl deutlich interessanter als eine Titration. Ich zuckte mit den Schultern als Reaktion auf ihr Gerede. „Ich meine ja nur, weil wir jetzt noch handeln können. Später ist es zu spät.", kommentierte ich mit einem weiteren Achselzucken. „Leute, bitte...", versuchte Julian zu beschwichtigen, doch sowohl Dagi und ich bügelten Julian mit einem „Halt die Klappe!" ab. „Also?", fragte ich unbeirrt, in der Hoffnung, eine Reaktion zu erhalten. Dagi klatschte höhnisch. „Oh wow, Max, danke für deinen tollen Ratschlag. Ich bin ja offensichtlich nicht in der Lage, selbst zu denken, oder?", kommentierte sie zornig. Ich schnaubte auf. „Das hast du jetzt gesagt, aber immerhin hast du mal was gesagt, was man auch versteht.", murmelte ich. „Und du wartest immer nur ab, dann läuft der Laden wieder. Funktioniert mal wieder brillant, Max!" Ihre Stimme wurde lauter und der Fokus lag spätestens jetzt bei uns. Ich drehte mich zu ihr und baute mich auf. „Du glaubst auch echt, dass du alles besser weißt, Dagi! Aber weißt du was? Mach doch! Wenn du so gerne die Kontrolle über alles hast, dann mach die Arbeit hier alleine und lass mich in Ruhe! Klar soweit?!", entgegnete ich wütend. Zur Bekräftigung meines Punktes knallte ich meinen Stift auf den Tisch. Totenstille ging durch den Raum, als wir uns gegenüber standen, zwischen uns nur Julian, dem die Situation merklich peinlich war. Ein lauter Pfiff ertönte und jeder drehte sich zu Frau Kim um, die am Pult stand und merklich genervt war. „Okay, das ist ja alles schön und gut hier, aber eure persönlichen Differenzen gehören nicht in die Experimentiergruppe! Kümmert euch um eure Titration, ihr habt nicht mehr viel Zeit!", rief sie. Alle nickten und kümmerten sich um ihre Aufgabe. Auch wir konnten einigermaßen normal die Aufgabe zu Ende bringen.

Nach dem Abbau und der Nachbesprechung klingelte es zur Pause. Ich packte meine Tasche und wollte schnell in die Pause fliehen, als Frau Kim mich zur Kenntnis nahm und sagte: „Max, Dagi, ihr beiden bleibt noch einen Moment hier, bitte." Ich sah zu Dagi rüber, bevor wir uns als Pult stellten. Wir sind zu weit gegangen.

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Uh, ja, ein Cliffhanger! Wie es weitergeht, erfahrt ihr nächste Woche! Hoffe euch gefällt die Entwicklung, die die Geschichte hier nimmt! Lasst es mich gerne mit einem Upvote und einem Kommentar wissen! Fühlt euch gedrückt, Eure Julia Melania

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