15. Weiche Knie
POV Max
Das Gespräch und der Albtraum sind jetzt eine Woche her. Es hat mir geholfen, mit Dagi zu reden, auch wenn es etwas komisch war, mich wegen dieses Themas ihr gegenüber zu öffnen. Auch wenn sie mir einen guten Rat gegeben hat, habe ich ihn immer noch nicht befolgt: Ich drücke mich immer noch davor, Tessa zu schreiben. Es ist nicht so, dass ich es nicht will; jedes Mal, wenn ich daran denke und mir vornehme, ihr zu antworten, beginnt mein Herz schneller zu schlagen, mein Blut wird schlagartig kalt und meine Knie fangen an zu zittern. Aber weiter herauszögern kann ich es auch nicht mehr, da ich sie sehr wahrscheinlich am Samstag bereits sehe und wenn ich kein unschönes Wiedersehen haben will, dann muss ich ihr antworten, so schnell wie möglich. Ich blickte auf die Uhr, es war kurz vor zehn Uhr abends. Morgen würde ich wieder nach Berlin fahren und ein Teil meiner Ferien dort verbringen. In mir kam die Aufregung hoch, wie vor jeder Reise. Ich freute mich, meinen Vater wiederzusehen, freute mich auf meine Freunde und auf das Herbstfest. Das Herbstfest – da kam das Gefühl wieder: Mein Herzschlag wurde schneller, meine Hand zitterte und das Blut floss kalt durch meinen Körper. Wie lange muss ich das noch durch machen, fragte ich mich selbst, während ich mich zu beruhigen versuchte. Meine Körperfunktionen normalisierten sich wieder. Jetzt reicht es mir, ich halte es nicht mehr aus. Wie oft soll ich noch kneifen und mich dem Schmerz hingeben? Es bringt mich nicht um, ihr zu schreiben. Ich fasste mir ein Herz und griff entschlossen nach meinem Handy und suchte nach dem Chat mit Tessa. Was schreibt man nach sechs Wochen Funkstille? Ich las ihre letzte Nachricht immer wieder, um mich auf meine Antwort vorzubereiten. Schlussendlich hatte ich eine Antwort parat und schrieb ihr:
Tessa
zuletzt online um 21:01
Hey Tessa 😊 Entschuldige bitte die späte Antwort,
ich hatte viel zu tun. Alles neu ist halt sehr
nervenaufreibend 😅 Aber mir geht es soweit gut,
habe derzeit Ferien und habe mich hier gut eingelebt.
Wie geht es dir? Du bist doch bestimmt am Samstag
auch auf dem Herbstfest, oder? Wäre schön, wenn wir
uns dort sehen, vielleicht haben wir da Gelegenheit zum
Quatschen. 21:58
Ich legte das Handy weg, packte noch ein paar Klamotten für die Reise in meine Tasche und beschloss, noch ein paar Folgen „Arrow" zu gucken. Nach zwei Folgen wurden meine Augen schwer und ich legte mich schlafen.
Mein Wecker riss mich um Punkt Neun aus dem Schlaf. Ich raffte mich leicht schlaftrunken auf und ging ins Esszimmer, wo meine Mutter bereits frühstückte. Ich holte mir etwas Obst, Haferflocken und Hafermilch und mischte mir mein Müsli. Nach dem Frühstück packte ich meine Sachen zusammen und entspannte noch etwas, bevor meine Mutter mich zum Zug brachte. Wir verabschiedeten uns am Gleis und ich stieg ein. Ich sicherte mir einen Sitzplatz am Fenster und genoss die Aussicht auf der Zugfahrt. In das atmosphärische Rauschen der Zugfahrt bemerkte ich ein leichtes Vibrieren in meiner Hosentasche. Ich fummelte mein Handy raus und schaute, was los war. Ich staunte nicht schlecht, als ich sah, dass Tessa mir geantwortet hatte:
Tessa
zuletzt online um 14:37
Auferstanden von den Toten 😂 Schön zu hören,
dass du angekommen bist. Ja safe bin ich
Samstag am Start, würde mich auch freuen, dich
dort zu sehen :) Kannst dann ja mal erzählen, was
so los war, bestimmt mehr als hier haha 14:36
Na also, doch eine versöhnliche Antwort. Ich antwortete ihr kurz, dass ich das auf jeden Fall so machen werde. Mein Handy steckte ich wieder ein und ich fokussierte mich auf die restliche Zugfahrt. Dieses Mal stieg ich am Hauptbahnhof in Berlin aus, wo mein Vater mich am Gleis abholte. Ich freute mich, ihn wiederzusehen. Wir begrüßten uns mit einer herzlichen Umarmung, ehe wir zu seinem Auto gingen und wir zu seiner Wohnung fuhren. Es war erst Nachmittag, also gingen wir noch eine Runde spazieren und erzählten uns, was in letzter Zeit so passiert ist. Wir telefonieren zwar jedes Wochenende, aber persönliche Gespräche sind nochmal schöner. Abends kochten wir noch etwas zusammen, ehe er am nächsten Morgen wieder zur Arbeit musste. Ich legte meine Sachen fürs Wochenende zusammen, da ich übers Wochenende in Spandau bei Maxim übernachten würde. Es bot sich einfach an, von Freitag bis Sonntag dort zu bleiben, da es halt doch ein gutes Stück von Spandau zu meinem Vater war. Mit meinen Klamotten im Rucksack schnappte ich mir den Zweitschlüssel und machte mich auf, um meine Freunde von der Schule abzuholen. Vorm Haupteingang wartete ich auf die Truppe, die mich genau so stürmisch begrüßten wie bei unserem letzten Treffen. Es war ein großer Überschwang und für Außenstehende bestimmt etwas seltsam anzuschauen, aber wir fühlten den Moment. Zusammen gingen wir zu Maxim nach Hause, der zum Glück nur fünf Minuten zu Fuß entfernt wohnte. In gewohnter Konstellation verbrachten wir den Nachmittag zusammen in Maxims Zimmer und zockten mehrere Stunden Mario Kart. Abends gingen Christo, Niklas und Kalle nach Hause und wir verabredeten uns für morgen Nachmittag bei Maxim, um uns alle frisch zu machen, bevor wir aufs Herbstfest gehen. Den Abend verbrachten Maxim und ich mit weiteren Runden Mario Kart und Super Smash Bros. Erst spät ging es für uns ins Bett, es wartete aber auch ein langer Tag auf uns, weswegen wir lange schliefen und gegen Mittag aufwachten und frühstücken. Nach dem etwas längeren Frühstück räumten Maxim und ich etwas auf und warteten nur noch auf die Jungs, die am Nachmittag eintrafen. Auch wenn man nicht so viel falsch machen kann, legten wir uns sehr ins Zeug, da der Dresscode dieses Jahr vorschrieb, sich schick anzuziehen. Während wir in unsere Kleidung schlüpften, begannen wir, den Tratsch der letzten Wochen zu besprechen. Natürlich fiel auch das Thema Dagi. „Und, hat sich da mal was ergeben mit einem Treffen?", fragte Christo. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, noch nicht. Es war in letzter Zeit auch... kompliziert.", antwortete ich. „Inwiefern kompliziert?", hakte Maxim nach. Ich fuhr mir nervös durch die Haare. „Es scheint wohl so, als wäre noch wer auf Dagi scharf.", fuhr ich fort. „Oh mann", raunte Kalle. „Oh, also Konkurrenz für dich? Und hat er bessere Chancen?", fragte Christo weiter. Ich zuckte mit den Achseln. „Nee, eigentlich nicht. Wenn ich einem Freund von Dagi und mir glauben darf, dann ist mein Konkurrent keiner, da er bis zum Hals in der Friendzone steckt.", erwiderte ich. Die Jungs nickten kollektiv. „Also kein Hindernisgrund, Dagi mal nach einem Treffen zu fragen, oder?", sagte Niklas. Ich zog die Schultern leicht hoch. „Nö, eigentlich nicht. Aber ich weiß halt nicht, ob das nicht etwas schnell geht. Ich kenne sie erst sechs Wochen.", argumentierte ich. Leichtes Aufstöhnen fuhr durchs Zimmer. „Nicht warten, Max. Einfach machen. Am Ende wartest du zu lange und dann kommt dir wer anderes zuvor.", konterte Christo. „Ja, aber...", fing ich gerade an, doch ich wurde jäh unterbrochen. „Nein, nichts aber. Du sollst es ja nicht sofort machen, sondern bald. Die Zeit läuft.", sagte Maxim beharrlich. Es mag ja sein, dass es stimmt, aber irgendwie macht mich der Gedanke daran etwas schummrig. Die letzte, die ich fragen wollte, hat mich ja zurückgewiesen. „Ja, das tut sie wohl.", murmelte ich. „Ist halt nur so, dass das letzte Mädchen, mit dem ich mich getroffen habe, wen anderes interessanter fand und ich weiß nicht, ich stehe nicht so auf Abfuhren.", fuhr ich fort. „Ja, aber so kommst du doch auch nicht voran. Vergiss Tessa, denk an dich, Max.", antwortete Kalle. „Ist schwierig, wenn sie in meinen Gedanken immer noch rumschwebt.", erwiderte ich und begann von meinem Albtraum zu erzählen. Nach dem Ende der Erzählung war es kurz still, ehe einer nach dem anderen anfing zu kichern. „Verdammt Max, bist du ein Orakel oder was ist los?", prustete Niklas. Ich verstand nicht ganz. „Was?", fragte ich irritiert. „Du hast vorausgesehen, dass Tessa und Domenic ein Fehler waren.", versuchte Niklas mich aufzuklären, was nur noch zu mehr Fragezeichen führte. „Was für ein Fehler? Was laberst du, Niklas?", frage ich weiter nach. Die Jungs sahen sich alle gegenseitig an, so als wüssten sie gerade selbst nicht, was los ist. „Well, wie sagen wir dir das?", fing Kalle an, ehe er sich schwungvoll neben mich setzte. „Domenic und Tessa sind nicht mehr zusammen. Anscheinend hat Domenic mit einer anderen was am Laufen und Tessa hat sich deswegen von ihm getrennt. Das alles war in einer großen Pause, so dass es alle mitkriegen konnten und sie rief laut so was wie ‚Mit dir zusammen zu sein war ein Fehler'", erklärte Kalle. Ich war verwirrt. „Also Tessa und Domenic sind nicht mehr. Und ich habe genau das geträumt.", fasste ich die letzten Minuten zusammen. „Jup. Und es wird sehr spannend, weil beide heute da sein werden.", fügte Maxim hinzu. Ich ließ mich auf die Kissen auf Maxims Bett fallen. „Na großartig", stöhnte ich. „Ach Max, das wird schon. Du bleibst einfach den ganzen Abend bei uns und dann läuft das schon.", motivierte Christo mich und reichte mir seine Hand, um mich hochzuziehen. „Genau, das wird schon, Max. Easy, alla!", rief Kalle und haute mir auf die Schulter. Ich lächelte. „Na, wenn ihr das sagt.", antwortete ich. „Und jetzt los!", rief ich, motiviert bis in die Haarspitzen. Wir säumten aus dem Zimmer und machten uns auf den Weg zum Veranstaltungsort. Ich war selbstbewusst, das wird heute schon laufen. Einfach machen, keine weiche Knie.
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Nach drei Wochen bin ich endlich wieder zurück! Ich bin zwar immer noch krank, aber ich bin wieder so fit, dass ich ein neues Kapitel für euch schreiben kann :) Interessante Entwicklung in der Geschichte von Max. Was genau auf der Party passieren wird, seht ihr am Montag (warum und wieso seht ihr im letzten Post - die nächsten zwei Wochen poste ich auch am Montag, damit wir bald wieder den alten Zeitplan einhalten können). Bis dahin wünsche ich euch einen schönen Tag, votet fleißig und kommentiert gerne! Fühlt euch gedrückt, eure Julia Melania
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