Part 8
Die Wunde an Neteyams Finger war nicht so schlimm, wie es zuerst ausgesehen hatte. Ich hatte sie gesäubert, Wundspray darauf getan und dann mit einem einfachen Pflaster bedeckt. Neteyam hatte die Stirn gerunzelt und das Pflaster argwöhnisch gemustert, doch es lies es dran.
Am Abend hatten mich die Sullys (genauer gesagt Neteyam) zu sich eingeladen. Die ganze Familie saß am Lagerfeuer auf der Lichtung, die Sonne war gerade hinter dem Gasplaneten verschwunden und es wurde schummerig.
Wir hatten gerade zu Abend gegessen und nun saß ich im Schneidersitz vor dem Feuer und schälte eine Frucht, ähnlich wie eine Orange.
Neteyam saß direkt neben mir, unsere Oberschenkel waren nur zentimeter von einander entfernt und wenn sich einer von uns bewegte, berührten sie sich. Dieses seltsame Gefühl, was ich heute mot ihm auf der Lichtung verspürt hatte, ließ mich nicht in Ruhe. Es war als hätte ich eine Verbindung zu ihm. Eine unterbewusste, magische Verbindung. Ich hatte mich ihm in dem Moment unglaublich ah gefühlt, so als wären wir schon ewig Freunde und selbst das war untertrieben. Ich konnte es nicht in Worte fassen. Vielleicht war es Eywas Einfluss und der Zauber dieses Waldes. Vielleicht wurde ich auch langsam verrückt hier draußen.
Plötzlich riss Jake mich aus meinen Gedanken. "Also, wer will eine Geschichte erzählen?"
"Du, Dad!", rief Lo'ak begeistert. "Deine Geschichten sind die Besten!
Sorry, Sa'nok (Mutter), deine sind auch gut, aber Dad erzählt tolle Kriegs-Geschichten" Neytiri lächelte nur. Ich vermutete, dass er von seiner Zeit als Marine Veteran erzählte.
Jake lachte. "Ich hab doch gestern schon erzählt!"
"Eva", schlug Neteyam schelmisch grinsend vor. Ich verdrehte gespielt genervt die Augen. Das hatte er doch mit Absicht gemacht. Ich kannte nur leider keine guten Geschichten.
"Oh ja! Kannst du ein Erdenlied singen?", fragte Tuk. Singen? Ich?
Doch ihren großen Augen konnte man nichts ausschlagen.
"Ja genau! Und Jake muss es erraten!", rief Kiri aufgeregt. Jake hob beide Hände. "Hey, so kulturell bin ich auch nicht mehr. Ich bin schon ne Weile von der Erde weg."
"Komm schon", Neteyam stupste mich an und ich ergab mich meinem Schicksal. Ein Lied von der Erde, okay. Aber welches? Es musste eines sein, das Jake kannte. Das alle kannten. Ich überlegte. Es war ein echt altes Lied, aber jeder kannte es. Dann begann ich zu singen:
"Almost heaven, West Virginia. Blue Ridge Mountains, Shenandoah River"
Es klang echt nicht schön, aber ich machte weiter. Schon nach den ersten Strophen erkannte Jake es. "Argh, ich kenne das!" Er schloss die Augen und erhob grübelnd den Zeigefinger. Er tippte den Beat mit.
Ich sah wie Lo'ak sich aufgeregt auf die Unterlippe biss. Dann kam ich zum Refrain.
"Country roads, take m home. To the place I belong..."
"WEST VIRGINIA!", rief Jake aus und sang lauthals mit. Wir alle brachen in Gelächter aus. Jake sang einfach weiter.
"Große Mutter, Dad!", lachte Lo'ak und hielt sich spaßeshalber die Ohren zu.
Wir zwei beendeten das ganze Lied und Jake grinste von einem Ohr zum anderen. "Man, dieses Lied hatte ich ganz vergessen!"
Ich lachte. "Gern geschehen!"
"Jetzt zeig ich dir mal mein Lieblingslied von der Erde", verkündete Jake. Er wirkte plötzlich so viele Jahre jünger.
"Och nö, Dad bitte nicht!", die Kinder stöhnten auf und Neytiri lachte. "Er hat uns das schon tausendmal vorgesungen", erklärte Kiri sich beschwerend.
"Och Kinder!", jammerte Jake. Doch er legte trotzdem los.
Sein Lieblingslied war Star Walkin' von Lil Nas X. Das Lied war uralt, aber ich kannte es und sang im Refrain mit.
Tuk sprang auf und tanzte im Kreis um uns herum.
Der Abend war wunderschön. Wir sangen noch viel und Neytiri sang traditionelle Na'vi lieder, ich verstand zwar fast kein Wort, weil es alte Worte waren aber ihre Stimme klang unglaublich schön. Sie boten mir an bei ihnen zu übernachten und ich war zutiefst gerührt. Dankend nahm ich das Angebot an und als es Zeit zu schlafen war, legte ich mich zu ihnen ins Zelt unter eine gewebte Decke. Ich lauschte noch lange in die Nacht hinein, hörte die Tiere und das leise gleichmäßige Atmen der anderen. Ab und zu murmelte Lo'ak etwas im Schlaf und ich musste grinsen.
Durch den Eingang und die Bäume konnte man Fetzen des Himmels sehen. Er war tiefschwarz und übersäht mit Sternen. Plötzlich überkam mich eine innere Ruhe. Ich fühlte mich leicht und zeitlos. Frei.
So etwas hatte ich noch nie gefühlt. Ich hörte den Wind leise in den Blättern rascheln und irgendwann fing es an zu regnen. Es prasselte auf das Zeltdach und ich roch den typischen Geruch, der sogar hier auf Pandora genauso war wie auf der Erde. Und mit einem Mal wusste ich, dass alles okay war. So ein Urvertrauen, dass alles in Ordnung kommen würde. Ich würde die richtige Pflanze finden und die Na'vi würde geheilt werden. Es würde alles gut werden. Ich musste nur auf Eywa vertrauen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top