Part 6

Die nächsten Tage verbrachte ich immer mehr Zeit mit Neteyam. Wir sahen gemeinsam nach den Patienten. Zwei weitere starben uns ich konnte das erste Mal bei einer Na'vi Bestattung dabei sein. Es war wunderschön, aber unglaublich traurig.

Neteyam erzählte mir Dinge über die Na'vi, ihre Historie und kulturelle Bräuche. Er zeigte mir Orte auf Pandora und wir untersuchten zusammen die Pflanzen, die wir nachts sammelten. Weil wir auch noch nach der Eclipse unterwegs waren, waren wir manchmal so müde, dass wir einfach nachmittags auf einer Lichtung oder im Dorf einschliefen.

Ich glaubte, Jake hatte ihn gebeten mir mehr über die Na'vi beizubringen, denn er musste nicht mehr so oft zum Training wie zu Anfang.

Ich fühlte mich in meinem neuen Na'vi Outfit gar nicht mehr unwohl, es fühlte sich befreiend an, den Wind und den Regen auf der nackten Haut zu spüren. Und auch meine Beine wurden stärker. Ich lernte jeden Tag mehr das Gleichgewicht zu halten, wie Neteyam es wir gezeigt hatte. Und jeden Tag lernte ich mehr über die Verbindung der Na'vi zu ihrer Umwelt. Der Wald schien zu leben. Energie durchsprühte alles, die Bäume, Tiere, sogar die kleinsten Steinchen. Jedes Mal, wenn Neteyam mir von Eywa erzählte, leuchteten seine Augen. Seine Verletzung war inzwischen fast verheilt. Ich hatte heute morgen die Fäden gezogen.

Für den Nachmittag hatte Neteyam etwas ganz besonderes geplant: Einen Flug mit seinem Ikran. Ich erst skeptisch, als das riesen Echsen-Vieh vor uns landete. Wir waren ein Stück abseits vom Dorf auf ein paar kleinen Felsklippen. Der Ikran faltete seine gigantischen, türkisen Flügel und der Wind den er dabei machte blies meine Haare zurück. Neteyam murmelte ihm etwas auf Na'vi zu. Worte, die ich noch nicht verstand.
"Das ist Ra'an.", sagte Neteyam. Er nahm meine Hand und legte sie auf die ledrige Schnauze des Tieres. Ich zuckte zusammen.

Der Ikran schnaubte und erzitte unter meiner Hand. Sein heißer Atem stieß mir ins Gesicht. Die gelben Augen fixierten jede noch so kleinste Bewegung und ich wagte nicht zu atmen.
"Er mag dich", lachte Neteyam. Ich sah ihn skeptisch an. "Aha findest du?"

"Oh ja, sonst hätte er dich schon längst angegriffen. Komm"
Er nahm wieder meine Hand - wieso tat er das in letzter Zeit dauernd - und zog mich mit zum Sattel. Er sprang auf, verband sich über Tsahaylu mit dem Tier und zog mich hinter sich hoch.

Ich spürte die mächtigen Muskeln des Ikrans unter mir. Neteyam drehte sich zu mir um. Sein Gesicht war plötzlich ziemlich nah. "Alles in Ordnung?"
Ich nickte.

"Dann halt dich fest!", rief er und der Ikran bewegte sich. Wo zum Teufel sollte ich mich bitte festhalten? Und wo sollte ich meine Beine lassen?
Der Banshee öffnete die Flügel, spannte die starken Muskeln an und stieß sich von Felsen ab. Wir zischten durch die Luft, einige Meter tief nach unten. Wind peitschte mir ins Gesicht und zerrte an meinen Haaren. Erschrocken hielt ich mich an der einzigen Möglichkeit fest, die ich finden konnte: Ich schlang die Arme fest um Neteyams Taille und kniff die Augen zusammen.

Ich hörte ihn jauchzen und der Ikran antwortete mit einem lauten Kreischen. Als der Wind weniger wurde, öffnete ich zögernd die Augen. Wir waren mitten in der Luft. Über uns die Wolken, weit unter uns die Bäume und der Boden. Die bunten Flügel des Ikrans schlugen sachte und gleichmäßig, so als würde er sich vom Wind tragen lassen. Ich sah mich um. Bis zum Horizont ersteckte sich der Dschungel, nur unterbrochen von Felsformationen und Bergen.

Andere Ikrans flogen durch die Luft und kleinere Flugtiere schossen unter ihnen hinweg. Ich sah Seen und Wasserfälle. Dann setzte wir zum Sturzflug an. Der Ikran legte die Flügel steil und wir rauschten hinab. Ich legte den Kopf schief, um nicht von Neteyams Haaren im Gesicht getroffen zu werden. Mein Magen machte Purzelbäume und mit einem Mal fing es an Spaß zu machen.

Wir flogen über eine Herde Direhorses hinweg und dicht über die Baumkronen. Hinter einem großen Felsen war es dann soweit. Wir flogen durch die Hallelujah-Berge. Ich öffnete vor Staunen den Mund und merkte es nicht einmal. Gigantische Felsen schwebten durch die Luft, verbunden mit Ranken und riesigen Lianen. Wasserfälle stürzten die Felsen hinab und verwandelten sich in Wasserdampf. Hunderte von Ikrans kamen an uns vorbei. "Das hier ist der Brutplatz der Ikranks!", rief Neteyam von vorne. Es war unglaublich!

Wir flogen dichter an die Felsen, ich spürte den feinen Sprühnebel eines Wasserfalls auf meinem Gesicht. Die Sonne glitzerte in den tausend kleinen Tropfen und ein Regenbogen bildete sich direkt vor uns. Wir flogen hindurch und ich jauchzte auf vor lauter Glück. Das hier war unglaublich! Das könnte ich den ganzen Tag machen!

...

"Warte!"
Lachend lief ich Neteyam durch das Unterholz hinterher. Wir waren noch ewig geflogen. Doch als es begonnen hatte zu dämmern, waren wir wieder gelandet und nun auf dem Weg zurück zum Dorf.
"Komm schon, schneller!", rief Neteyam kichernd. Er war gefühlt schon eine halbe Meile vor mir. Ich lief so schnell mich meine noch neuen Na'vi Beine trugen. Er war vor mir stehen geblieben und steckte mir seine Hand entgegen.

Ohne zu zögern ergriff ich sie und wir rannten lachend und keuchend durch den Wald. Die untergehende Sonne färbte den Himmel rosa-orange. Ich war immer noch ganz verzaubert vom Fliegen. Es war unglaublich gewesen! Und während ich hier mit Neteyam durch den Wald rannte, fühlte ich mich mit jeden Schritt leichter.

Plötzlich hielt er mich zurück. Ich stolperte fast, doch er ließ mich nicht los. "Was ist?"
Er deutete mit der anderen Hand in die Luft über uns und ich sah auf.
Über unseren Köpfen schwebten zwei Waldgeister. Samen von Eywa. Ich hatte sie schon auf Fotos gesehen. Sie sahen aus wie die Samen von Pusteblumen, die man auf der Erde in Museen bestaunen konnte. Nur viel größer.

"Atokirina", flüsterte Neteyam ehrfurchtsvoll. Die Samen schwebten, als wären sie unter Wasser. Sie sprühten förmlich vor Magie und ich fand sie so faszinierend, dass ich ganz vergaß, dass ich immer noch Neteyams Hand hielt.

Die Waldgeister kamen langsam zu uns hinab geschwebt, ich konnte sie beinahe berühren. Neteyam tat dies sogleich auch. Er hob die andere Hand, mit der Handfläche nach oben und der Samen landete sanft auf ihr. Er leuchtete sacht und erhellte Neteyams Gesicht. Die Punkte auf seiner blauen Haut begannen zu schimmern.

Ich sah hinauf zu dem zweiten, der noch etwas weiter entfernt war. Er schwebte über mich und senkte sich langsam auf meinen Kopf hinab. Er setzte sich auf meinen Haaransatz auf der Stirn. Überrascht sah ich zu Neteyam rüber. Seine Augen leuchteten vor Begeisterung. "Nicht bewegen", flüsterte er.

Sein Schwanz schlug aufgeregt hin und her und irgendwie sah das niedlich aus. Ich musste grinsen. Ein breites Grinsen überzog sein Gesicht und ich spürte wie er leicht meine Hand drückte. Ich drückte zurück. Die Samen erhoben sich und wir sahen ihnen zu, wie sie im Unterholz verschwanden.
Pandora war wirklich magisch!

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