Ikea, Kunst & Kaffee

a/n: lasst doch bitte konstruktive kritik und andere anmerkungen in den kommentaren da,, danke im voraus
und jetzt viel spaß:]
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october caldwell.

Ich liebe Ikea, wirklich, doch heute will ich einfach nur nach Hause.

In meinem Kopf dreht sich alles und ich bin so so müde.

Eine einsame Zimmerpflanze leistet einer neuen Wolldecke und ein paar orangenen Teelichtern in dem Einkaufswagen Gesellschaft, den ich gerade vor mich her schiebe. Eine Rolle klemmt und bei jeder Kurve raste ich immer beinahe in den Regalen oder der aufgestellten Deko ein.

Meine Tante ist weit zurückgefallen. Ich glaube, sie ist noch immer bei der Bettenabteilung. Sicherlich sucht sie sich Rat bei einem der Mitarbeiter. Oder sie sucht einen Mitarbeiter.

Mein Onkel und meine Cousine Lune, die einen neuen Plüsch-Dino in den Armen hält, schlendern ein paar Meter vor mir her und bleiben bei gefühlt jedem dritten Produkt stehen.

Langsam bin ich mit meiner Geduld am Ende.
Ich versuche ein wenig herunterzukommen. Hole mein Handy aus meiner Manteltasche und entsperre es.
Starre eine Zeit lang nur den Bildschirm an. Weiß nicht was ich machen soll und beiße dann meine Zähne zusammen, als ich meiner Spiegelung auf dem Display entgegensehe. Dann stecke ich mein Handy wieder weg. Zurück in die Tasche mit den Ikea-Bleistiften. Ich nehm' die gerne mit. Die schreiben so gut.




Eine cremefarbene Schüssel, ein kariertes Geschirrtuch und zwei hellbraune Kissenbezüge später, stehe ich neben meiner Familie und warte mit viel Geduld ungeduldig darauf, dass sie ihre Hotdogs fertig aufgegessen haben. Ich wollte nichts.
Will einfach nur losfahren.

Meine müden Augen wandern von Gesicht zu Gesicht durch die große Halle. Ich kenne sogar einige Leute. Ich glaube nur, dass sie mich nicht kennen. Also sage ich nichts, beobachte nur das rege Treiben.

Mein Blick bleibt an einem karierten Mantel und schwarz-weißen Doc Martens hängen.

Ich schaue ein wenig zu lang in die Richtung der Person. Sie sieht irgendwann auch zu mir. Und da erkenne ich ihn.

Ich glaube, weiß, er heißt Cliff.

Wir kennen uns vom Sehen. Sind uns ein paar Mal beim Bäcker oder im Supermarkt begegnet, haben einige Worte gewechselt. Nie länger als fünf Minuten miteinander geredet.
Er lächelt mir zu und ich weiß nicht was ich machen soll. Blinzle. Blinzle nochmal und stehe da wie ein Vollidiot.

Kann nichtmal zurücklächeln, als mein Onkel mir signalisiert, dass wir wieder losmachen. Nach Hause fahren. Jetzt.
Ich will nicht jetzt.

Noch einmal blicke ich zu Cliff zurück, in der Hoffnung, er würde mich ansprechen und ich könnte noch ein wenig bleiben, doch da werde ich schone von meiner zwölfjährigen, sehr ungeduldigen Cousine mitgezogen.



Während der Autofahrt kann ich mich gar nicht auf mein Buch konzentrieren.
Ich sehe Cliff vor mir. Lächelnd.

Ich will das nicht.

Mein Blick schweift von den tausenden Wörtern aus dem Fenster. Der Himmel ist blaugrau. Es ist stürmisch und der Regen prescht lautstark gegen die Fensterscheiben.

Ich klappe das Buch zu und seufze.
Lune sitzt neben mir und kann ihre Beine nicht still halten, was mich total nervös macht.


Als wir Zuhause ankommen, will ich nichts anderes machen, außer schlafen.
Ich fühle mich irgendwie so unwohl.
Mir ist warm und kalt zugleich und es gibt keine angenehme Position, wie meine Kleidung sitzt oder mir meine Haare ins Gesicht fallen.

Ich schwitze, obwohl meine Hände so eiskalt wie immer sind.

Die Luft in meinem Zimmer ist total stickig, weshalb ich mein Fenster öffne und kurz im kühlen Luftzug stehen bleibe. Bis mir plötzlich wieder viel zu kalt ist.

Dann drehe ich mich um, lasse meinen Blick durch den unaufgeräumten Raum vor mir schweifen und fahre mir genervt mit einer Hand übers Gesicht.

Ich will das alles nicht mehr.

Müde schlurfe ich zu meinem vollgepackten Schreibtisch, schiebe ein paar Sachen zur Seite und finde dann schließlich, was ich gesucht habe.

Danach lasse ich mich mit einem Buch von John Green in die softe Bettwäsche fallen und schließe für einen Moment meine Augen.
Ich bin so geschafft vom Tag, obwohl wir nicht viel gemacht haben.

Es ist Oktober. Der Tag ist jetzt fast zehn Jahre und zwei Monate her und ich will trotzdem nur noch schlafen. Schlafen, um der Realität zu entkommen.

Meine Lider werden immer schwerer und ich habe Probleme sie für mehr als nur ein paar Sekunden offen zu halten.



Anscheinend bin ich dann irgendwann wirklich eingeschlafen, denn wach werde ich wieder, als Lune die Tür aufreißt und mich viel zu laut zum Frühstück ruft.

*

Ein paar Stunden später, bin ich total aus der Puste, als ich keuchend durch den Regen fahre.
Wasser spritzt mir die Waden hinauf und besprenkelt meine helle Hose jedes Mal wenn meine Fahrradreifen eine weitere Pfütze durchqueren.

Nach einer Viertelstunde und zahlreichen halben Wutanfällen meinerseits, schiebe ich mein schwarzes Rad endlich in die zugehörigen Ständer vor dem Museum und stelle mich kurz an einer trockenen Stelle unter.

"Fuck!", fluche ich leise, als ich bemerke, dass das Geschenkpapier  vom Regen durchweicht ist.
Unzufrieden ziehe ich das umwickelte Buch aus meinem Stoffbeutel und zupfe ein wenig an dem nassen Papier.
Der Anblick ist traurig.

Ich fühle mich sowieso schon schlecht. Livia hat mir zu meinem Geburtstag einen selbstgestrickten Pullover geschenkt. Ich ihr nur ein Buch. Es ist zwar unser Lieblingsbuch, aber trotzdem habe ich das Gefühl, dass es nicht genug ist.
Wie immer.

Seufzend drücke ich die schwere Holztür des alten Kunstmuseum auf.

Nostalgiegefühle und Wärme umhüllen mich sofort und vertreiben Nebel und Kälte.
Ich streife mir den dicken, braunen Mantel von den Schultern, während ich wieder von all den Kunstwerken in den Bann gezogen werde.

Wie von allein finden meine Beine den Weg zu den langen Holzbänken.
Ich lege meine Sachen ab und schreibe Livia.

[17.10.; 11:34] October: bin da
[17.10.; 11:34] October: beeil dich

Da ich wahrscheinlich eh keine Antwort mehr bekomme stecke ich mein Handy wieder weg und lasse meinen Blick durch den riesigen Eingangsbereich schweifen, ihn die meterhohe Decke hinaufwandern und mustere die Menschen.

Zwei Mädchen, ungefähr in meinem Alter, oder auch etwas jünger, sehen gelangweilt aus den Fenstern.
Ich presse meine Lippen aufeinander. Am liebsten würde ich etwas sagen.
Für mich ist es unverständlich, sich hier zu langweilen. Immerhin befindet sich schon alleine hier in diesem Raum so viel wundervolle Kunst, als das man ihr keine Beachtung schenken kann.
Selbst wenn man jedes einzelne Detail auswendig kennt, bin ich doch jedes Mal aufs Neue fasziniert.

Ich könnte ewig in Gemälden versinken oder die, mit viel Grazie und Feingefühl gehauenen Statuen, die so lebensecht wirken, dass ich manchmal überrascht bin, dass sie es doch nicht sind, anstarren.

Ich wende mich von den beiden ab. Ich weiß nicht warum, aber es macht mich ein klein wenig traurig, wenn man von Kunst nicht so begeistert wird, nicht so ergriffen ist, wie ich es bin. Zwar würde ich mich nie trauen, es auch nur irgendjemandem zu sagen, aber trotzdem rege ich mich in Gedanken immer zu sehr darüber auf.

"October!", werde ich aus meinen Gedanken gerissen.
Ich drehe mich erfreut um. Na endlich.

Livia sieht mich freudestrahlend an. Ihr kupferfarbenes Haar wippt im Gleichtakt ihrer Schritte mit, während sie mit ausgebreiteten Armen auf mich zukommt.
Schon allein ihre Anwesenheit macht mich ein wenig glücklicher.

Ich stehe auf und umarme meine beste Freundin, das Geburtstagskind. Die vielen Goldkettchen, Armbänder und Ohrringe klimpern, als sie ihre Arme um mich schließt. "Alles Gute zum Geburtstag", flüstere ich.
Mein Kopf liegt auf ihrem, und ich schließe für einen Moment meine Augen.

Als wir uns wieder voneinander lösen, überreiche ich ihr mein Geschenk. Das leider immer noch leicht feuchte Buch.
"Ist nass geworden... Tut mir leid."

"Oh Mann" Livia packt es aus und blättert die ersten Seiten durch. "Aber naja ist ja egal. Das trocknet.", meint sie und grinst mich zufrieden an. Ein Stein fällt mir vom Herzen. Sie freut sich trotzdem.
Ich hätte es mir nicht verzeihen können, würde sie sich darüber ärgern.

Sie mustert mich kurz, während ihre Mundwinkel leicht sinken.
"Octobeeer", fängt sie an sich zu beschweren, während sie meinen Namen unangenehm lang zieht und ich sehe von ihr weg; an ihr vorbei. "Mann, mach dir nicht immer so einen Kopf. Du weißt doch, dass ich mich immer über Geschenke freue." Gespielt traurig, schiebt sie ihre Unterlippe nach vorne und sieht mich an.

Ich verdrehe nur leicht lachend meine Augen und schlage dann Livias Hand weg, als sie mir mit ihren Fingern durch meine Haare bürstet.
"Lass das", murre ich, woraufhin meine beste Freundin sich nur kichernd abwendet und mich mit in Richtung des Eingangs zieht.

Wir betreten die riesige Kunstgalerie.

Es müssen mindestens hundert Bilder an den Wänden hängen, war meine Einschätzung, als ich den Raum zum allerersten Mal betreten habe. Jetzt weiß ich es besser.
Es sind 221. Eine merkwürdige Zahl. Aber eine unglaublich beruhigende.

Mein Blick wandert wie immer automatisch zu dem großen Gemälde, welches etwas abseits von den überaus wertvollen Originalen hängt.

Unter dem Kunstwerk stehen Bänke. Wahrscheinlich hat der Innenarchitekt das Bild nicht ganz gemocht oder wollte genau mir eine Freude machen. Was ich jedoch beides bezweifle.
So ein wundervolles Bild, kann man eigentlich gar nicht hassen und ich kenne keinen Innenarchitekten. Zumindest nicht das ich es wüsste.

Mit angehoben Mundwinkel ziehe ich nun Livia hinter mir her. Sie ist das ganze schon gewohnt, weshalb sie nicht protestiert, als ich sie an dem dünnen Stoff ihrer Bluse packe.

Nachdem ich sie loslasse streicht sie ihr Oberteil glatt und schüttelt dann nur den Kopf, murmelt irgendwas von "besessen", doch genau bekomme ich das gar nicht mit.

Sobald ich das Bild sehe, werde ich in einen Sturm aus Albtraumgefühlen und Kindheitsgerüchen gerissen. Ich kann all die wunderschönen grauenvollen Erinnerungen schmecken, sie anfassen. Sie ziehen mich in die Unendlichkeit der Tiefe meiner Gedanken. Und ich falle, falle, falle. Immer weiter.
Bis ich aus dem Strudel gerettet werde. Gerettet? Nein. Das ist nicht das richtige Wort. Ich will nicht gerettet werden. Also werde ich es auch nicht.

"October!"

Ich blinzle ein paar Mal. Um mich herum wird wieder alles laut. "Mhm?"

Livia rückt noch immer ihre Bluse gerade. So wie ich es mit meinem Septum immer tue, wenn ich zu viel nachdenke und es nicht will; ich mich verzweifelt ablenken will.

"Du tust es schon wieder" In ihrem Blick liegt etwas sanftes.

"Was?"

Sie gestikuliert wild vor meinem Gesicht herum, versucht ihren Gedanken Worte zu verleihen. "Na... Das. Du gehst verloren" Danach verschränkt sie ihre Arme.

Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen.

"Das Glitzern in deinen Augen", versucht sie mir auf die Sprünge zu helfen. Ich versteh' es trotzdem nicht. "Du verlierst dich in deinen Gedanken. Ich verliere dich."

Oh. "Okay"

Verständnislos sieht sie mich an. Dann sagt sie: "Ach vergiss es einfach". Doch das ist leichter gesagt, als getan. Ich werde wahrscheinlich noch bis in die Nacht darüber nachdenken. Ich drehe den goldenen Ring an meiner Nase ein paar Mal. Bis ich mich beobachtet fühle.

Ich sehe mich kurz um, kann aber niemanden entdecken, der mich ansieht, als widme ich mich wieder Livia zu.

Sie hat schon ihr Notizbuch rausgeholt und schreibt irgendwas auf.
Wahrscheinlich macht sie wieder eine dieser wunderschönen Überschriften. Mit den vielen Schnörkeln.
Ich kann das nicht. Meine Tante sagt, es liege einfach daran, dass ich ein Junge sei, doch das glaube ich ihr nicht.
Generell stehe ich aber auch irgendwie manchmal auf Kriegsfuß mit ihr.

Ich hole ebenfalls mein Heft raus. Seufzend versuche ich mich an alles zu erinnern, was mit der Ästhetik und der Wirkung von Kunstwerken zu tun hat.

Ich glaube, Kunst ist das so gut wie das einzige Fach, zu welchem ich mich momentan noch motivieren kann meine Aufgaben zu machen. Abitur ist halt echt nicht einfach.

Nachdem ich mein Zeug wieder von der Bank zusammengeräumt habe, schultere ich meinen schweren Stoffbeutel und klappe mein Notizbuch auf.

In meinen chaotischen Notizen verliere ich leider viel zu oft den Überblick, weshalb ich erst einmal eine Weile brauche, um mich wieder hinein zu finden.

Eigentlich will ich mir gar nichts aufschreiben. Ich habe ein gutes Gedächtnis und kann mich an fast alles und oft viel zu vieles erinnern, allerdings  haben es einige meiner Lehrer mir schon des Öfteren ans Herz gelegt, an meiner Ordnung zu arbeiten und da war so ein Buch kein so schlechter Anfang.
Der Meinung bin ich jetzt zwar nicht direkt, aber vielleicht wird das ja noch.

*

Livia ist verschwunden. Ich weiß nicht wohin, aber auf jeden Fall ist sie weg.
Sie sagte nur "Halt mal", während sie mir ihre Jacke in die Hand drückte und ist gegangen.

"Hey", spricht mich jemand von hinten an.

Ich drehe mich um. Mein Blick fällt auf Cliff. Auf seine dunkelbraunen Haare, die unter einer schwarzen Baskenmütze - wie Livia sie immer in einem cremefarbenen Ton trägt - hervorlugen. Sie sehen weich aus. Am liebsten will ich meine Hand ausstrecken und meine Finger durch die dicken Strähnen fahren lassen, die sich nach oben drehen, wie die Grünpflanzen meiner Tante in Richtung des Lichts.

"Hey", erwidere ich locker, obwohl ich innerlich ein einziges Nervenwrack bin.

"Hey..." Seine Wangen werden langsam ganz rot. Er sieht genauso nervös aus, wie ich mich fühle. Warum?

Wir sehen uns an. Ich muss lachen und meine Wangen werden ganz warm.
Dann werfe ich einen Blick in den ToGo-Becher, den er in der Hand hält und kräusle meine Nase.
"Ich hasse schwarzen Kaffee"

Cliff muss lachen.
Mein Herz geht auf. Er klingt so hell.
Um seinen Augen bilden sich kleine Lachfalten und ich fühle mich so warm. Meine Wangen tun vom kontinuierlichen Lächeln weh und ich weiß nicht wohin mit mir, der ganzen Freude und der Situation.

"Was magst du dann?", fragt Cliff mich. Er spielt auf meine Aussage an, dass ich schwarzen Kaffee verabscheue.

"Tee. Ich ähm... mag Tee.", antworte ich ihm und sehe von ihm weg. An ihm vorbei.
Wo ist Livia?

"Oh", höre ich ihn entfernt sagen. Mein Kopf versinkt schon wieder in seinen eigenen Gedanken.


*


Das nächste Mal treffe ich Cliff, als ich so unmotiviert wie noch nie zwei Tage später - lange vor der ersten Unterrichtsstunde - die große Bibliothek meiner Schule betrete.

Jetzt schon total genervt, weil ich so gut wie gar nicht schlafen konnte, lasse ich meinen schweren Mantel über die Lehne des nächsten Stuhles fallen und gehe die überwältigend großen Bücherregale ab.

Bis ich gefunden habe, was ich suche, vergeht fast eine ganze halbe Stunde, in der meine restliche Motivation dann auch noch adiö gesagt hat.
Ich bleibe stehen, presse meine Lippen aufeinander und lasse meinen Blick das Regal hinauf schweifen. Ich werde ewig brauchen, um die dicken Wälzer durchzubekommen.

Also wäge ich nochmals ab, ob es sich wirklich lohnt Abi zu machen mich danach noch mehr zu quälen, wenn ich studieren möchte, oder ob ich einfach wieder schlafen sollte, doch entscheide mich schweren Herzens für ersteres.
Ich fahre mit rauer Fingerkuppe ein paar die staubigen Buchrücken und eingravierten Titeln nach und nehme anschließend so viele heraus, wie meine schwachen Arme tragen können.

Ich muss niesen, als mir eine Ladung Staub entgegen kommt und die Putzfrauen tun mir erneut leid. Die Bib oder eigentlich die ganze Schule ist viel zu groß und verwinkelt, als dass man da mit dem Staubwischen hinterherkommt.

Ich hieve die Wälzer zu einem der schmalen, aber langen Tische und lasse mich dann auf den Stuhl plumpsen, über dessen Lehne mein Mantel liegt.

Besonders viel Lust hab' ich nicht, mir die ganzen Bücher über Malerei, Plastik, Architektur und Kunstgeschichte durchzulesen, aber was muss, das muss.

Ich könnt' mich selbst für diesen Gedanken auslachen.



Ich bin so unmotiviert, dass ich sogar schon merke, wie meine Gedanken abdriften und ich lasse es einfach zu.

Mein Blick wandert aus dem hohen Fenster am Ende des Tisches und ich seufze. Ertappe mich selbst dabei, wie ich an dem goldenen Ring in meiner Nase drehe.

Die Sonne steht noch immer tief. Ein bisschen über den Dächern, der umstehenden Häuser.
Ich muss lächeln.

Zu sehen, wie die Stadt aufwacht, verleiht mir immer ein Gefühl der Sicher- und Geborgenheit, der Liebe.
Alles fühlt sich warm an, in den gedimpten Lichtern der Bib. Wie eine große und lange Umarmung, als würde nichts auf der Welt diese Ruhe stören können.
Wie oversized Hoodies. Sie fühlen sich ebenfalls an, wie große und warme Umarmungen.

Ich fokussiere meinen Blick wieder nach draußen und muss feststellen, dass die Welt um diese Uhrzeit ganz erträglich ist.
Alles ist so leise und erstaunlich schweigsam. Alle sind so gesonnen.

Um diese Uhrzeit rückt mein unerträgliches Kopfchaos ein wenig in den Hintergrund.


Wenn ich aus den Fenstern schau', kann ich beobachten, wie langsam Leben in die Häuser und Straßen kehrt.

Ich hab schon viel darüber geschrieben. Gedichte über das Phänomen des Erwachens, des Aufblühens. Gedichte über das Einschlafen, des Fallens, des Zerbrechen. Über die Menschen, mit ihren Geschichten.
Doch es ist mir nie gelungen auch nur ansatzweise diese Energie, diese Stimmung einzufangen. Ich weiß nicht woran es liegt. Ich schaff' es einfach nicht...

Erneut ertrinke ich in Nostalgiegefühlen. Wellen von Trauer, Erinnerungen und viel zu viel Einsamkeit reißen mich mit sich. Und ich gehe immer und immer weiter verloren. In meinen Gedanken, meinem Kopf.
Langsam verstehe ich, was Livia meint.

In die Realität zurückgeholt werde ich, als jemand gegenüber von mir stehen bleibt und seinen abscheulichen Kaffeegeruch verteilt.

Ich sehe hoch zu Cliff und verziehe mein Gesicht.
"Kannst du nicht was anderes trinken? Oder wenigstens Milch reinmachen? Schwarzer Kaffee stinkt.", meine ich zu ihm, ohne richtige Begrüßung. Er lacht daraufhin nur rau auf.

Gespielt beleidigt wende ich mich wieder von ihm ab, ziehe die Bücher zu mir heran; schlage irgendeins wahllos auf.

Cliff setzt sich und sieht mir dann einfach nur zu. Ich werde ganz nervös. Meine Fingerspitzen kribbeln und ich weiß nicht genau wohin mit meinen Händen. Weiß nicht, warum ich so aufgeregt bin.

"Was liest du?", fragt er mich dann irgendwann.
Ich komme ein wenig durcheinander. Sehe zuerst Cliff an, dann das Buch, was aufgeschlagen vor mir liegt. Ich hab noch nichtmal angefangen zu lesen.

"Uhm", mache ich und Klappe das Buch kurz zu, damit ich ihm den Titel zeigen kann.

Mein Gegenüber schmunzelt. "Nicht sehr spannend, oder?" Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück. Mustert mich, während er den Kaffeebecher zu seinen Lippen führt.

Ich zucke verlegen mit den Schultern. Er hat recht. Es ist überhaupt nicht spannend.

"Vielleicht", murre ich und sehe ihn an. Ich weiß, dass das hier vielleicht eine Freundschaft werden könnte. Und dass er schön ist. Zu schön.

"Woher wusstest du eigentlich, dass ich hier bin?", frage ich und sehe ihn an. Nicht direkt in die Augen. Sowas kann ich nicht. Mein Blick schweift in seinem Gesicht umher. Bleibt mehrmals bei seinen kleinen Tattoos hängen und wandert dann zu seinen Lippen, seiner Nase, seinen Augenbrauen. Den Haaren.
Oh seine Haare. Wie gern ich doch meine Hände in ihnen vergraben möchte.

"Ich ähm... wusste das jetzt nicht direkt. Ehrlich gesagt, hatte ich nichtmal geplant mich mit dir zu unterhalten. Ich wollte einfach nur die Ruhe vor dem Sturm ausnutzen. Um runterzukommen" Er mustert mich wieder aufmerksam.

"Verständlich", murmle ich und nehme mir ein anderes Buch vor. Vielleicht ist es ja wenigstens ein bisschen interessanter.

Cliff brummt zustimmend, holt dann sein Handy und einen Block raus. Er schreibt irgendwas auf, doch das blende ich komplett aus, als ich in die literarische Welt eintauche.

Ich bemerke nicht einmal mehr, dass er irgendwann geht. Ich weiß nur, dass ich nach ein paar Stunden die Bücher zur Seite lege und etwas sagen will, doch niemand mehr da ist, der mir zuhören könnte. Außer der Stille.

Aber er hat mir einen recht schief gefalteten Zettel hinterlassen.
Das weiß ich, weil mein Name darauf steht.

October

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a/n: hab mich dazu entschieden die kapitel doch etwas länger zu machen, was das buch zwar verkürzt, aber irgendwie finde ich es so besser

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word count: 3283

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