Reflexion
TW: Drogenkonsum, Ernährungs-Themen
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"Du kannst jetzt aufhören die Wand anzustarren, wie ein Verrückter." Karina lehnte mit verschränkten Armen am Fenster. "Sprich mit mir. Ist das der Dank dafür, dass ich dir Zuflucht biete, nach eurem verdammten Knastausbruch. Du machst einen auf bockig. Das nervt." Sie kickte mit ihren schweren Stiefeln gegen sein Schienbein. "Zac. Sieh mich an." Den Kopf zu heben fühlte sich an, wie Gewichte zu stemmen und als Zac seiner älteren Schwester endlich in die Augen sah, erkannte er die aufrichtige Sorge in ihrem Blick. Eine Seltenheit bei Karina Ashford. Sie atmete tief durch und streckte dann die Hand nach ihm aus. Als Zac nicht reagierte, kam sie näher, legte eine Hand an seine Wange und verengte die Augen. "Ich weiß was damals passiert ist. Kannst du dir vorstellen, was ich mir für Sorgen gemacht habe? Seit deiner Festnahme, dachte ich, die bringen dich um. Und schlimmer noch, du..."
Zacs klare Stimme durchschnitt den Raum, "Wage es nicht mehr dazu zu sagen. Du hast kein Recht darauf, dir Sorgen zu machen."
Karinas Blick huschte über sein Gesicht. Die dünnen Augenbrauen zusammengezogen und die Lippen geöffnet zum Widersprechen, doch sie sagte nichts. Stattdessen drehte sie sich um und hob eine Tüte vom Boden auf, "Da sind warme Klamotten drin. Du kannst unmöglich weiter im T-Shirt rumlaufen, es hat fast null Grad draußen." Zac blieb unbeeindruckt von ihrem Themenwechsel und sah stattdessen aus dem Fenster. Sie befanden sich hoch oben und blickten auf die dreckigen Dächer der Slums. Dort unten auf den Straßen wäre sein Gesicht vermutlich auf jedem Fahndungsposter. Ruhig bleiben, nicht auffallen. Das war der derzeitige Plan. Zac war nicht einverstanden damit. Er war bereit gewesen die ganze Stadt niederzubrennen, sobald er auch nur einen Fuß in Freiheit gesetzt hatte.
Eine grobe Hand, packte seinen Nacken und Zac stolperte vor Schreck gegen die Wand, woraufhin Karina ihm eine Schelle auf den Hinterkopf verpasste. "Wenn du meine Hilfe nicht willst, okay, aber dann reiß dich zusammen verdammt! Und ignoriere mich nicht."
"Aua?" Er deutete auf seinen Kopf, doch seine Schwester wich diesmal nicht zurück sondern schubste ihn gegen die Wand, "Hör zu. Ich weiß, wir hatten unsere Probleme. Ich bin mit deinem Leben nicht einverstanden und du nicht mit meinem. Aber du bist hier Teil von etwas Wichtigen und du bist es all den Leuten die gestorben sind schuldig deinen Scheiß im Griff zu haben, damit du weiter etwas bewirken kannst. Ich bin kein Fan von Salya Moer und auch nicht von den Aktivsten. Aber bevor du eurem Club beigetreten bist, warst du ein erfolgloser Kleinkrimineller, der die Beine breit gemacht hat, wenn das Essen knapp wurde. Du hattest gar nichts, weil du alles verkackt hast. Du musst es jetzt auch durchziehen, sonst landest du im besten Fall wieder in der Gosse. Verstehst du?"
Zac wagte es endlich ihr in die Augen zu sehen. "Du hast Recht." Antwortete er leise. Er hatte keine Zeit sich selbst zu bemitleiden. "Und deshalb werde ich etwas tun."
Karina runzelte die Stirn. "Gut. Aber ich meinte, du sollst dich an deine Pläne setzen, nicht rausgehen und die nächsten Cops aufknüpfen." Fügte sie hinzu, als Zac sich einen Pulli aus der Tüte anzog und mit einer Tasche zur Tür ging.
"Keine Sorge," er zog sich eine Jacke mit langer Kapuze an, "ich bringe nur etwas in Ordnung, dass du nie getan hast."
Karinas Haltung versteifte sich. "Die Zwillinge."
Zac nickte stumm, dann zog er die Kapuze auf und verschwand.
Die Straße vor ihrem alten Haus war nass und voller Müll, doch Zac bahnte sich seinen Weg zur Tür und lief das baufällige Treppenhaus hinauf. Er klingelte nicht, sondern öffnete die Tür mit einem Dietrich ohne große Probleme. Aus einer klappernden Musikbox schepperte die hohle Stimme eines Radiosprechers, der den nächsten Song ankündigte. Es brannte Licht in der Küche, die ebenso das Wohnzimmer war. Stocksteif stand Zac an der Tür und seine Augen wanderten über die unordentliche Couch auf der Klamotten, Chipstüten und jede Menge dreckiges Geschirr vor sich hin vegetierten. Da lag eine Papiertüte und Zac ging mit einem altvertrauten Zwicken im Magen darauf zu. Der Inhalt sollte ihn nicht überraschen und doch war es eine Weile her, dass er die Einkäufe seiner Mutter in den Händen gehalten hatte. Spritzen, zwei kleine Tütchen weißes Pulver, ein Feuerzeug und ein rostiger Löffel.
"Wer ist da?" Erklang eine ängstliche Stimme aus dem Flur und Zac fuhr herum. Seine Mutter hatte ein Messer in der Hand und ihre großen Augen schauten erschrocken zu der offenen Tür und dem Mann in ihrem Wohnzimmer.
Zac hatte sie seit Jahren nicht gesehen. Maria Ashford war einmal eine wunderschöne Frau gewesen. Zac hatte ihr schon immer sehr ähnlich gesehen. Nun machte ihm diese Ähnlichkeit Angst, denn die Drogen hatten den Körper dieser Frau zerstört wie Marden einen verwesenden Leichnam.
"Hallo, Mama."
Sie ließ das Messer fallen und lief zu ihm, "Oh... oh..." sie griff nach seinen Händen, die soviel größer aussahen als ihre. Ihre ganze Gestalt musste geschrumpft sein. Sie war schrecklich mager und ihre dunklen Haare waren am Ansatz grau. "Zachary. Zachary, du ...." sie berührte sein Gesicht und Zac erschauderte bei der Berührung ihrer eiskalten Finger. Die Nägel waren ganz dunkel und gebrochen. "Setz dich. Setz dich. Hast du Hunger? Willst du etwas essen?" Sie wies zur Küche, dann erstarrte sie, "Oh, ich glaube, wir haben nichts da... aber einen Tee? Magst du? Zachary, bitte setz dich. Bitte..." Tränen liefen ihr über die Wangen und Zac konnte sich nicht rühren. Er starrte seine Mutter einfach nur an. "Zachary?" Sie schniefte und er hielt es nicht länger aus, er löste sich von ihrer Berührung. "Mama. Wo sind die Zwillinge?" Er ging an ihr vorbei den Flur entlang, er öffnete alle Türen und sah hinein. Vilinas Zimmer war leer und Miros... Zac scannte den Raum, in dem er früher selbst geschlafen hatte. Niemand war hier. Er kam zurück ins Wohnzimmer und fand seine Mutter vor, wie sie versuchte Wasser zu kochen, doch der Behälter war zu schwer. Zac nahm ihn ihr ab und machte es selbst. "Wo sind sie?"
"Schule. Natürlich sind sie in der Schule." Murmelte sie und deutete auf die Uhr. Zac folgte ihrem dünnen Finger und seufzte leise. Stimmt. "Ich warte bis sie zurückkommen und dann nehme ich sie mit." Er öffnete den Kühlschrank doch dieser war leer.
"Was... was ? Du kannst sie nicht mitnehmen... du...." seine Mutter fing wieder an zu weinen.
"Mama, du hast eine Tüte voll frischen Heroin hier, aber nichts zu essen für deine Kinder da. Du kannst sie nicht versorgen. Ich nehme sie mit." Er holte seine Tasche und holte die Dosen heraus, die er mitgebracht hatte. Nichts schickes, aber Konservendosen mit Fertigessen. Eine davon machte er gleich auf und erhitzte sie auf dem Herd. Er fand ein paar Sachen in den Schränken und fing an zu kochen. Als das Wasser fertig war, machte er seiner Mutter eine Tasse und kehrte zurück zum Herd.
"Du kannst sie nicht versorgen." Murmelte seine Mutter, "Du warst im Gefängnis... du ... die suchen überall nach dir. Du kannst sie nicht beschützen. Ich bin ihre Mutter..."
"Du kannst niemanden beschützen! Soll ich dich daran erinnern?" Zischte er und rührte das Gulasch vorsichtig um.
"Zachary, bitte... nein, nicht..." sie schluchzte, "es tut mir so leid. Du weißt, wie sehr es mir leid tut, ja? So sehr..." Sie stellte sich wieder neben ihn und starrte ihn an, "Aber du bist groß geworden. Ein gesunder junger Mann. Ich hab doch nicht alles falsch gemacht." Sie schlang die Arme um ihn und weinte in seine Brust. Zac versteifte sich, "Lass mich los."
Er schob sie von sich weg und sah wieder zur Uhr. Die Zwillinge sollten bald kommen. "Ich habe eine Wohnung in einer guten Gegend, dort gibt es Essen und es ist ein besserer Ort als das hier." Er atmete schwer durch. "Vielleicht kannst du irgendwann nachkommen. Aber jetzt nehme ich die Kinder mit. Sie verdienen eine Chance." Er griff nach einer Schüssel und füllte sie mit Gulasch und legte eine Toastscheibe dazu, bevor er sie seiner Mutter servierte und zurück zum Herd ging um die Rest mit Wasser aufzugießen, damit die Zwillinge auch etwas bekamen, wenn sie zuhause waren.
Seine Mutter rührte das Essen nicht an, also setzte er sich mit einem Tee zu ihr, um sicherzugehen dass sie es essen würde. "Du musst aufhören. Die Drogen. Wenn du damit aufhörst, kann ich dir helfen. Aber bis das nicht passiert, verschwende ich nicht meine Zeit mit dir." Seine Worte waren hart, aber das war die einzige Sprache die seine Mutter verstand.
Sie hob zitternd einen Löffel und hörte langsam auf zu weinen. "Ich verdiene nichts mehr." Sagte sie leise, "Potjer hat gesagt, ich sei zu hässlich. Jetzt hab ich nur noch die Straße, das ist weniger Geld, die Drogen machen es aushaltbar. Verstehst du?"
Zac trank einen Schluck. "Wenn du clean bist, kannst du doch wieder im Bordell arbeiten."
"Ich bin vierzig, Zachary. Der Zug ist abgefahren." Sie lachte und tauchte behutsam das Toast in die Soße. Sie aß so langsam, dass Zac sich fragte, wie lange ihre letzte warme Mahlzeit her war. "Hast du... hast du was von ihr gehört?" Fragte Maria plötzlich und Zac nickte. "Ich wohne gerade bei Karina. Sie ist in Ordnung."
Seine Mutter fing wieder an zu weinen und versteckte ihr Gesicht hinter den zitternden Händen, "ich vermisse euch. Ich vermisse euch."
Zacs Miene blieb kühl. Aber er musste sich daran erinnern, wen er hier vor sich hatte. Diese Frau war schon lange ein Frack. Wortlos deutete er auf den Teller und sie fing wieder an zu Essen.
"Warum ist die Tür offen?" Miro stand im Eingang und warf seine Schultasche zur Seite, "Mama, hast du vergessen... was zum!" Miro erblickte offenbar Zac in der Küche und dieser drehte sich zu seinem kleinen Bruder um. Der Junge musste dreizehn sein, doch er sah etwas älter aus. Wohingegen das stillere Mädchen hinter ihm wirkte, als würde sie noch mit Puppen spielen. Zumindest dachte Zac das im ersten Moment, bis sie ein Klappmesser herauszog und sich an den Tisch stellte. "Wer ist das?"
Zac sah zu Maria. Sie erwiderte seinen Blick. Nach der Mahlzeit war ein bisschen Farbe in ihr Gesicht zurückgekehrt. "Das ist euer Bruder. Zachary." Vilina ließ das Messer sinken und ihre Augen weiteten sich, "Er ist also wirklich bei den Aktivisten." Miro sah eher verwirrt aus. "Was?"
Zac deutete auf den Tisch. "Hinsetzen, es gibt etwas zu Essen." Bei diesen Worten verstummten beide und nahmen sofort Platz. Zac machte ihnen beiden einen Teller und setzte sich neben Miro, so war er am weitesten von seiner Mutter entfernt. "Ich will dass ihr mitkommt. Mama hat zugestimmt. Ihr könnt in meiner Wohnung leben, ich sollte mich dort gerade nicht dauerhaft aufhalten, aber es ist eine gute Ecke."
Vilina lehnte sich zu Miro, "Siehst du, er ist wirklich bei den Aktivsten. Kennst du Salya Moer?"
Zac starrte sie kurz an und machte eine wegwischende Handbewegung, "Hörst du mir überhaupt zu? Ich hab gesagt, dass ich euch mitnehme. Habt ihr dazu nichts zu sagen?"
Miro nickte. "Natürlich kommen wir mit. Keine Frage."
Zac schaute ihn genauer an. Miro und Vilina waren die Kinder von Maria und seinem Stiefvater und mit einem unangenehmen Gefühl in der Brust, fiel Zac die Ähnlichkeit nun mehr auf. "Wollt ihr nicht darüber nachdenken? Ihr kennt mich nicht und ich hab euren Vater getötet, ich dachte ihr hättet ein par Bedenken."
Die Zwillinge wechselten einen Blick. Miro rührte in seiner Schüssel, "Ja und. Wir wollen hier weg. Und du wärst nicht hergekommen, um uns zu verarschen. Oder?" Zac nickte, "Nein, wäre ich nicht."
Vilina hatte schon aufgegessen, "Was ist mit Mama?" Zac sah zu Maria. Sie saß zitternd auf ihrem Stuhl und Zac vermutete, dass ihr letzter Schuß schon länger her war. "Mama kümmert sich hier um ein paar Sachen." Sagte er daher nur.
Sie saßen am Tisch, bis alle aufgegessen hatten, dann erhob sich Zac als erster. "Los, packt eure Sachen."
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a new chapter in this economy??
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