Kurzgeschichten 1: Milan

[aka. kleine, private einblicke ohne große bedeutung für den plot aber dafür was fürs herz höhö]

Zac hatte Milan zum ersten Mal in der Bibliothek gesehen.
Wenige Stunden später saßen sie in der selben Vorlesung und er ertappte sich dabei, wie er den Gleichaltrigen aus dem Augenwinkel musterte. Sanfte Locken, Haut in einem warmen Braunton und ein freundliches Grinsen mit intelligenten dunkeln Augen. Mehr als einen Blick riskierte Zac zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht. Es war seltsam genug mit einem Fuß in der Universität zu stehen und mit dem Anderen in einer gefährlichen Revolution.
Zac hatte eine Zielscheibe auf dem Rücken und doch schleppte er sich in die Universität von Sakratan, um ein wenig normales Leben zu erfahren. Seine Kommilitonen hingen wahrscheinlich fluchend über den Aufgaben, während Zac es entspannend fand einfach vor sich hinzurechnen oder so etwas belangloses wie einen Aufsatz zu schreiben. Wenn er hier einen Fehler machte, würde niemand deshalb sterben. Aber all dies jemanden zu erklären, der nur das unbeschwerte Studentenleben kannte, das wollte Zac gar nicht erst riskieren.
Und dann kam Milan; eben dieser unbeschwerte Student: Lebt am bezahlbaren Rand der Innenstadt in einer WG mit zwei Schulfreunden. Die Mutter ist Architektin und der Vater Verwalter. Milan redet gerne über Politik und geht auf Demos, protestiert als der unscheinbare Bürger, der er ist und fällt nie jemanden Wichtigen auf.
Als Milan Zac angesprochen hat, wollte der Schwarzhaarige ihn eigentlich abweisen, aber irgendwie landeten sie in einem Café.
"Warum wolltest du hier her? Wir können die Präsentation auch in der Bibliothek vorbereiten." Merkte Zac an und sah skeptisch zu dem leibhaftigen Sonnenschein neben sich, der ihm lässig die Tür aufhielt und sich lachend auf einen Stuhl fallen ließ. "Ich wollte mit dir reden, mysteriöser Miesepeter. Weißt du, wir haben Wetten aufgestellt, was dein dunkles Geheimnis ist." Erklärte Milan und Zac verengte die Augen, "Was?"
Milan sah das wohl als Aufforderung hier weiter ins Detail zu gehen. "Nun, die beliebtesten Optionen beheißen, dass du ein Mars-Spion bist oder ein Mafioso, der am Campus Geschäfte regelt."
Zac schüttelte seufzend den Kopf, "Was hast du gewettet?"
Milan hielt kurz inne und sah ihn an, "Oh, ich habe nicht gewettet. Ich wollte dich lieber kennenlernen. Um ehrlich zu sein, wollte ich schon mit dir Sprechen, als wir uns vor ein paar Tagen in der Bibliothek gesehen haben. Aber du hast etwas zu einschüchternd gekuckt. Von Nahem bist du dann eigentlich gar nicht so gruselig."
Zac blinzelte und sah sich erst um, dann zurück zu Milan, "Warte... soll das hier ein Date sein?"
Er könnte schwören etwas Röte auf den Wangen seines Gegenübers zu sehen. "Ich hätte definitiv nichts dagegen, wenn es eins ist." Erwiderte Milan und Zac brauchte wohl gerade ein paar Sekunden zu lange mit seiner Antwort, denn der Lockenkopf riss bereits die Augen auf und fügte verunsichert hinzu, "Oh nein. Ich wollte nichts annehmen... du wirktest... weiß auch nicht. Aber Mann, wenn du hetero bist, vergessen wir was ich gesagt habe und reden über die Präsentation."
Zac blieb noch kurz still. Gott, das war unangenehm. Leise räusperte er sich, "Okay. Ich sage das, um Missverständnisse zu vermeiden: ich bin nicht hetero, aber ich würde trotzdem gerne die Präsentation machen. Wir müssen sie morgen angeben." Er lächelte leicht, damit Milan hoffentlich aufhörte zu Schauen wie ein verschrecktes Huhn.
"Morgen?" Wiederholte Milan ungläubig und Zac nickte.
"Oh," der Lockenkopf überlegte, dann grinste er wieder, "Ich kann ja heute Abend zu dir kommen und wir stellen dort die Präsentation fertig. Ist entspannter, oder?"
Zac lachte und senkte den Blick auf den Tisch. "Ich mach sowas nicht, Milan. Dates und der ganze Kram."
"Oh, okay. Versuchst du nur höflich zu sein, oder bist du ace?" Fragte er nervös nach und Zac wünschte sich dieses Gespräch wäre zuende.
"Nein." Er lehnte sich seufzend zurück und machte eine wegwischende Handbewegung, "Was willst du von mir, verdammt?" Fragte er etwas ungeduldig, doch Milan war von der Unfreundlichkeit nicht eingeschüchtert.
"Du bist sehr schön."
"Wow." Zac stand auf und wandte sich zum Gehen.
"Warte, das war noch nicht alles! Jetzt, bleib stehen!" Milan griff nach seinem Arm und hielt ihn fest, woraufhin Zac seine Hand instinktiv wegschlug.
"Kannst du mir verübeln, dass ich es bei dem heißen Typen mit der dunklen Ausstrahlung und der Messerobsession versuche? Du bist nicht sehr diskret damit und übrigens sind Waffen am Campus verboten."
"Du bist wahnsinnig penetrant, Milan."
"Tut mir leid. Ich lasse dich in Ruhe." Milan wirkte nun doch ziemlich peinlich berührt, nachdem er tausend Grenzen überschritten hatte.
Zac hielt langsam inne und drehte sich wieder zu ihm um. Es war ein armseliger Anblick, wie Milan auf dem Stuhl kauerte und ihn entschuldigend ansah. Zac sah sich frustriert um, dann nickte er. "Milan. Die Präsentation ist wichtig. Komm mit zu mir."
Das Funkeln kehrte in Milans Augen zurück, dann gab es nichts mehr zu sagen.

Eine kleine Lüge zu Beginn, denn Zac nahm Milan nicht mit zu sich nach Hause. Sondern in die Wohnung, die Anye ihm hinterlassen hatte. Er wollte den anständigen Mittelschichtjungen nicht durch die Slums scheuchen und auch nicht die Mitleidsnummer von ihm zu hören bekommen. Da gab es nur ein Problem. Zac hatte sich noch nicht getraut wirklich in Anyes Zweitwohnung einzuziehen. Es war schrecklich einzutreten, sich umzusehen und noch ein paar ihrer alten Möbel herumstehen zu sehen. Zac hatte auch nicht vor diese wegzubringen. Es waren nur einige Schränke, Regale, die Küche natürlich und die Couch. Seine Kartons standen herum, ein paar Kisten, voll mit Anyes Sachen, allerdings auch. Ihre Familie hatte zum Glück die persönlichen Dinge mitgenommen und es Zac erspart all das durchsehen zu müssen. Er hatte erst wenige Male hier übernachtet, wenn er lange in der Universität war und zu müde um bis nach Hause zu fahren oder wenn er wusste, dass Karinas Spitzel dort auf ihn warteten. Aber wenn er hier blieb, schlief er lediglich auf der Couch und beim Aufwachen starrte er eine Stunde lang durch das riesige Fenster hinaus auf die Stadt. Das war Anyes Wohnung. Und er merkte es immer wieder. Die einzigen persönlichen Dinge von ihm waren die Sportklamotten in einer Ecke und der Aschenbecher auf dem Balkon. Seine Katzen hätten in dieser Wohnung mehr Auslauf und würden sich sicher wohl fühlen. Aber hier gab es keine Frau Vroshinkova, die gelegentlich Futter nachfüllte und nach dem Rechten sah. Dafür hatte er hier noch niemanden getötet, wurde hier nicht überwacht und müsste wahrscheinlich keine fünf zusätzliche Schlösser an der Tür anbringen. Aber die Wohnunt lag in der Innenstadt und Zac hätte sich das nie leisten können. Es fühlte sich wahnsinnig falsch sein hier zu sein. Er gehörte hier nicht her. Die Wohnung war zu schön, zu sicher, zu Anye.
Aber heute führte er Milan herein, als wüsste er ganz genau was er hier tat.
"Du wohnst hier alleine? Wie kannst du dir das als Student leisten?" Fragte Milan, als er hereinkam und sich mit großen Augen umsah. "Oh, frisch eingezogen?" Er deutete auf die Kisten und Zac ging stumm zur Küche. "Zu viele Fragen" warnte er Milan auf dem Weg und suchte nach Alkohol. Milan beobachtete ihn und Zac seufzte leise, als er sich mit leeren Händen wieder zu ihm drehte.
"Die Wohnung war eine Erbschaft. Ich bin gerade dabei einzuziehen." Antwortete er langsam.
"Alleine?"
"Mit zwei Katzen, um genau zu sein."
Der Lockenkopf lachte herzhaft auf, seine Anspannung schien verflogen. "Du bist ein Katzenmensch, darauf hätte ich kommen können."
Zac beäugte ihn kurz, dann zuckte er mit den Schultern und setzte sich mit seinem Notebook auf die Couch. Milan setzte sich zufrieden neben ihn und kuckte über seine Schulter zu, wie Zac die Notizen für die Präsentation eimtippte.
"Wo kommst du her?"
"Sakratan."
"No shit."
Zac ging nicht darauf ein, aber Milan stellte bereits die nächste Frage, "Hast du Familie? Freundin? Freund?"
"Nein."
"Nein, was?"
"Nein, alles."
"Ah. Oh." Milan verzog das Gesicht, "Ich habe drei kleine Schwestern. Sie gehen alle noch zur Schule. Meine mittlere Schwester ist ein totaler Streber, um ehrlich zu sein. Sie quasselt ständig über ihre Lieblingslehrerin und begeistert sich deswegen jetzt auch für Politik. Sie wollte mit mir auf eine Demo, aber ich konnte sie zum Glück überreden daheim zu bleiben. Das ist nicht ungefährlich."
"Du redest gerne, oder?" Stellte Zac trocken fest und sah von seinem Bildschirm auf.
"Ja. Bist du politisch?"
Zac kniff die Augen zusammen. "Nein." Sagte er, Lüge nummero drei.
"Oh. Okay. Das macht das Leben sicher leichter."
"Immens leichter." Murmelte Zac.
Milan seufzte, "Du hast also keinen Freund?"
Zac speicherte die Präsentation und drehte sich zu ihm. "Wenn du es so sehr nötig hast versuch es mit DatingApps."
"Aber wieso datest du nicht? Bin ich nicht dein Typ? Denkst du ich hab Clamydien? Habe ich nicht!"
"Vielleicht habe ich ja Clamydien."
Milan riss die Augen auf, "Hast du?"
Zac verdrehte wiederum nur seine Augen. Milan blieb still, er wartete noch auf eine zweite Antwort und Zac wandte den Blick ab. "Doch, du bist sehr attraktiv."
"Aha!" Milan grinste und Zac erwischte sich dabei, dass er auch schmunzelte. Als Milan ihn immernoch neugierig ansah, klappte Zac den Laptop zu und schaute ihn an. "Hör zu. Ich bin wirklich geschmeichelt. Aber die Sache ist die: Du bist ein netter Kerl, ja? Ich kann dir nicht geben, was du willst. Ich gehe nicht händchenhaltend auf Dates und stelle mich auch keinen Eltern vor. Du wirkst wie jemand, der nach etwas guten, festen und schmerzfreien sucht. Das gibts bei mir nicht, Milan."
Er wirkte tatsächlich enttäuscht, aber da lag noch immer ein Funken in seinen dunkeln Augen und Zac verlor sich ein wenig in dieser wunderschönen Farbe.
"Und was gibt es bei dir?" Fragte Milan.
"Sex?"
"Warte, echt jetzt?"

Sie hatten keinen Sex in dieser Nacht, aber lagen viele Stunden knutschend auf der Couch. Zac hatte es Milan nochmal angeboten, aber dieser war leider wirklich ein anständiger Junge und lehnte ab. Für ihn hatte Sex einen Wert und den wollte er aufheben für wann anders. Wenn sie sich besser kannten. Zac gefiel das sehr.
   Zac gefiel Milan sehr. Verdammt.
Als Milan irgendwann auf der Couch einschlief, löste sich Zac aus der Umarmung und ließ ihn im Wohnzimmer liegen. Es war früh, oder spät, auf jeden Fall ging die Sonne gerade erst langsam auf und Zac konnte nicht Schlafen. Es war zwar bequem gewesen unter dem warmen Körper und er hätte sicher wunderbar eindösen können.
Aber Zac konnte das nunmal nicht.
Um ehrlich zu sein, fand er es intimer mit jemandem zu kuscheln als Sex zu haben. Letzters funktionierte völlig ohne Gefühle. Kuscheln war verdammt gefühlvoll. Und hinzukam, dass Zac sich nicht wohl fühlte mit einem anderen Körper gegen seinen gepresst. Er fand auf diese Weise keine Ruhe, spürte bloß das Gewicht, den Druck und bekam schlichtweg Angst. Vielleicht hatte er auch einfach ein Vertrauensproblem. Obwohl nein, Zac hatte ganz sicher ein Vertrauensproblem.
Er verschwand in dem leerstehenden Schlafzimmer und machte Sport um sich zu beschäftigen. Als jemand im Wohnzimmer mit müdem Getrampel und rücksichtslosen Gähnern offensichtlich erwachte, war es bereits hell und ein Blick auf die Uhr zeigte: Es war kurz nach sieben.
  Zac zog sich einen Pulli über und ging langsam zurück zu Milan, der sich die Haare raufte und mit der anderen Hand sein Handy checkte.
"Guten Morgen." Begrüßte Zac ihn, hielt allerdings Abstand während er zur Küche ging.
Milan lächelte ihn sofort mit einer Aufrichtigkeit an, die weh tat. Dieser Typ log sicher nie. Er war wie einer dieser 'Wir können über alles reden'-'Wie fühlst du dich?'-Typen.
"Hi, Zac. Sag mal, heißt du Zac oder ist das eine Abkürzung." Milan kam zu ihm und Zac musterte ihn amüsiert.
"Hm. Abkürzung." Antwortete er, während er die Kaffeemaschine prüfend musterte.
"Hast du Frühstück da? Ich kann auch gerne was holen. Oder wir gehen wo hin." Milan stellte sich neben ihn und zog ihn sanft zu sich.
   Zac war überfordert.
Milan hielt inne und ließ ihn seufzend los, "Schon klar. Sorry. Distanz. Ganz ohne Menschlichkeit."
"Das hat nichts mit Menschlichkeit zu tun. Ich halte das nur für eine schlechte Idee." Korrigierte er, aber seiner eigenen Stimme fehlte die Überzeugung.
"Hey, ich hab ja nicht vor dich meinen Eltern vorzustellen, Zac. Ich will nur, dass du dich mir vorstellst, weil ich dich echt toll finde."
"Du fängst schon wieder an penetrant zu werden."
"Und du spielst 'Hard-to-Get'." Warf Milan fairerweise ein.
"Ich bin nicht hard to get, ich hab dir gestern mehrmals Sex nach deinen Präferenzen angeboten."
"Das meine ich doch gar nicht!" Milan war tatsächlich etwas rot und Zac legte interessiert den Kopf schräg. "Wie meinst du es dann?"
Milan verschränkte die Arme und lehnte sich gegen die Theke, "Ich weiß es nicht. Halt. Verdrehe nicht die Augen, Zac. Hör zu. Ich kann mir denken, dass du mir viel nicht erzählst. Ich bin nicht dumm. Und ich habe kein Problem damit, dass du mich anlügst. Wenn du dich mit Lügen wohler fühlst, dann mach das so. Aber ich wäre einfach gerne für dich da."
Zac sah ihn an und beschloss das zu testen, was er gerade gesagt hatte. "Die Wohnung habe ich geerbt von meiner Freundin, die vor ein paar Wochen getötet worden ist und wir konnten uns nie sagen, dass wir in einander verliebt waren. Ich hasse es hier zu sein und zugleich ermöglicht mir diese Wohnung ein besseres Leben. Meine Therapeutin sagt, ich soll langsam Stück für Stück hier einziehen um mich einzuleben. Ich fand den Ratschlag gut. Sie hat mir auch schon echt beschissene Ratschläge gegeben und Traumabewältigung ist echt nicht ihr Spezialgebiet. Aber sie ist ganz okay."
Milan hatte mit undeutbarer Miene zugehört. "Ach du scheiße." Sagte er dann und Zac musste von diesem Kommentar tatsächlich lachen.
Milan war davon zwar überrascht, aber stimmte mit ein und beide lachten. Denn Zac könnte genauso gut weinen, aber Milan zwang ihn nunmal zum Lachen.

Später gingen sie zusammen frühstücken. Sie tauschten Nummern aus und schrieben ein wenig hin und her. Bis Zac eine ganze Weile nicht antwortete und Milan zu seinem unbeschwerten Studentenleben zurückkehrte.

[end]

•••••
es gibt echt nicht viel Erklärung hier hinter. das war einfach ein Gedanke, den ich loswerden wollte und dann hab ichs tatsächlich aufgeschrieben und voilà: wollte es niemanden vorbehalten hehe
(Oh aber es ist natürlich voll mit Andeutungen und Foreshadowing)
- eva

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