2: Die Straße
2184:
Es herrschte Stille in dem Behandlungszimmer, während Clara sich mit einem dumpfen Gefühl ihre Notizen durchlas. Ihr Fokus hätte auf seinem Verhalten liegen sollen, aber sie war von dem Inhalt seiner Worte mitgerissen gewesen. Auch wenn ihr neuer Klient sehr monoton gesprochen hatte.
Zac hatte sein Glas geleert und bat mit einem Blick auf den Wasserspender um ein weiteres. Er war nervös, bemerkte Clara.
"Bitte. Bedienen Sie sich." Forderte die Ärztin ihn freundlich auf und während der junge Mann aufstand, zwang sie sich dazu ihn nicht anzusehen.
Ihre erste Frage und schon war es ihr kalt den Rücken herunter gelaufen. Sie sollte sich daran gewöhnen, schließlich war sie nicht um sonst Therapeutin, aber das machte manche Geschichten nicht leichter uu ertragen. Sie schob die Notizen zur Seite und warf einen Blick auf die Uhr. Eineinhalb Stunden waren noch übrig. Sie hoffte, dies würde nicht ihre letzte Sitzung gewesen sein.
Als Zac sich wieder gesetzt hatte, lächelte sie und kam zurück zum Thema. "Sie haben den Ratschlag Ihrer Schwester also befolgt?"
Zac blinzelte. "Hm?"
"Sie meinten vorhin, Sie sind von Zuhause abgehauen." Erinnerte sie ihn.
Der Schwarzhaarige hob die Augenbrauen. "Sie sind aufmerksam." Die Psychologin lächelte. "Das ist mein Job."
"Hätte ich mir denken können." Erwiderte er, dennoch lag ein überraschter Ausdruck in seinem Gesicht. Clara vermerkte sich auch diese Reaktion.
"Wie war es?" Fragte sie dann.
Nun war es Zac, der ein wenig lächelte. "Mit dreizehn auf der Straße in den Slums von Sakratan?" Er legte leicht den Kopf schief und sein Blick hatte etwas tadelndes an sich, als würde er denken: Na, was denkst du denn?
Clara wagte es nicht darauf zu antworten. "Ich bin ganz Ohr. Wie ist es Ihnen ergangen?" Fragte sie stattdessen und stützte ihre Ellbogen auf dem Tisch ab.
Zac wirkte diesmal weniger bedrückt zu sprechen und tippte mit den Finger auf den Rand seines Glases, während er nachdachte und dann aufsah.
•••
2173:
Es war kalt. Zac hatte nie daran gedacht, wie kalt es draußen werden würde. Er lief seit Stunden durch dunkle Straßen und orientierte sich an den weiter entfernten grellen Neonlichtern, die ihm den Weg wiesen. Wohin wusste der Junge selber nicht so recht. Irgendwohin wo es ein Sandwich gäbe, wäre toll.
Karina hatte das sicher besser geplant gehabt. Bei Zac war es eher eine unüberlegte Fluchtaktion gewesen, die sich nun nicht mehr rückgängig machen ließ. Jetzt, nachdem er seine Sachen gepackt, Geld geklaut und Stunden lang verschwunden war, konnte er nicht mehr zurück, denn was ihn dann Zuhause erwarten würde, wäre schlimmer als die Gründe die ihn überhaupt fort getrieben hatten.
Er konnte nicht einmal sagen, was genau der ausschlaggebende Punkt gewesen war, es war einfach plötzlich alles zu viel geworden. Zac sah hinunter auf seine linke Hand. Er hatte sich ein Tuch um den Handrücken gebunden, um zu verhindern, das Dreck in die vielen kleinen Wunden kam. Das Tuch war inzwischen befleckt mit Blut und Eiter. Es brannte höllisch. Sein kleiner Finger war irgendwie krumm und pochte in einem seltsamen Rhythmus, das musste wohl doch von dem festen Griff seines Stiefvaters gekommen sein. Er ging unbehelligt weiter.
Er atmete erleichtert auf beim Anblick einer Imbissbude, deren Neonschild unaufhörlich blinkte, wobei man schlecht sagen konnte, ob das an einem Effekt oder einer defekten Stromversorgung lag.
Als der Junge mit seinem großen Rucksack hineinkam, drehten sich vier Köpfe zu ihm um.
Zwei Männer standen hinter der Theke und ein Paar saß an einem Tisch. Zac bemerkte den skeptischen Blick mit dem der größere der Angestellten ihn betrachtete. "Bist du hier richtig, Kleiner?"
Zac verzog keine Miene, kramte in seiner Tische ehe er einen fünf Euroschein herausholte. "Ich will das große Sandwich. Mit Salat, Käse und Mais. Warm."
Der zweite Mann schmunzelte ehrlich amüsiert. "Sollen wir dir nicht doch etwas Fleisch drauftun? Du hast ja nichts auf den Kochen."
Zac rümpfte die Nase. "Bei dem Fleisch hier, könnte ich gleich Aas von der Straße essen." Das Fleisch sah fast grünlich aus.
Der Mann kicherte. "Er hat Recht."
Das Paar lachte. Der Größere schüttelte nur den Kopf. "Oh, ein kleiner Klugscheißer. Das macht 6 Euro."
Zac runzelte die Stirn und hielt nervös den 5 Euroschein hoch. "Da steht 5 Euro, ich kann lesen."
Der Mann seufzte. "Warmmachen kostet extra, Kleiner."
Es gab nichts Unangenehmeres für ihn als beim Zahlen nicht ausreichend Geld in der Hand zu halten. Zac sah sich etwas hilflos um. Er brauchte das restliche Geld für die kommenden Tage. "Ich habe nur 5 Euro. Tu es doch einfach wieder ..."
"Das ist kein Problem. Hier, der eine Euro soll dem Jungen nicht sein Essen kosten."
Zac drehte sich überrascht um, als eine der beiden Frauen hinter ihm stand und die Differenz beglich.
"Nein, danke." Sagte er sofort misstrauisch und wich etwas zur Seite.
"Es ist kein Problem." Wiederholte sie und der kleinere Mann hinter der Theke schob das Sandwich demonstrativ in die Mikrowelle. Zac blinzelte. Jetzt würde er zahlen müssen. Stress breitete sich in ihm aus, als sich ihm Szenerien eröffneten, wie ihm dieses blöde Sandwich nun alle möglichen Schwierigkeiten einbringen würde.
Aber der Junge schien der Einzige im Raum zu sein, der darin ein Problem sah. Die Erwachsenen waren völlig ruhig und sahen ihn höchstens neugierig an.
Zac sagte kein Wort mehr, bis ihm das Sandwich zugeschoben wurde und er sich bereits zum Gehen abwandte.
"Willst du es nicht hier Essen? Es ist wärmer."
Redete sie immer noch mit ihm?
Zac drehte sich um. "Was?"
Die Frau, die ihm das Geld geschenkt hatte, lächelte vorsichtig und zuckte mit den Schultern. Sie hatte lustige Haare, die auf einer Seite gelb, auf der anderen blau waren. Ihre Begleiterin war weniger farbenfroh und sah ihn nur desinteressiert an. Sie war Zac sympathischer.
Die beiden Männer fingen an Aufzuräumen und Zac setzte sich stumm auf einen Hocker und aß sein Sandwich. Der geschmolzene Käse schmeckte fast so gut, wie wenn Karina ihn gemacht hatte.
Als die Tür ein weiteres Mal aufging, hielten die Angestellten inne und sahen auf. Es waren zwei Polizisten, die sich grinsend unterhielten und mit lauten Seufzern an die Tresen lehnten. "Zwei Große, bitte." Bestellten sie und der Sandwichmeister zuckte mit den Schultern. "Wir machen gerade zu."
Zac runzelte verwirrt die Stirn und sah kurz zu dem Paar herüber. Die beiden wirkten plötzlich wahnsinnig angespannt.
"Aber deine Sachen liegen hier doch noch. Also mach uns ein scheiß Sandwich." Polterte der Polizist und sah sich dann seufzend um. Sein Blick fiel auf die beiden Frauen und er grinste sie an. Er erhielt keine Reaktion, was ihn zu verärgern schien. "Schlampen." Murmelte er und klatschte auffordernd in die Hände. "Wirds bald. Kriegen die Verteidiger euer Stadt nicht mal was zu Essen?" Beschwerte er sich. Seine Begleitung, eine weibliche Polizistin meldete sich jetzt auch zu Wort. "Wir hätten in einen Laden von Cyborgs gehen sollen. Da spuckt auch keiner ins Essen."
Es entfachte eine Diskussion über das Spucken in diverse Essen, aber da wurde es Zac zu viel und ohne ein weiteres Wort an irgendwen verschwand er aus dem Imbiss.
Draußen stand der Wagen der Polizisten und als Zac daran vorbeiging, erschrak er sich fast zu Tode. Da drinnen saß jemand und ließ den Kopf gerade frustriert auf die Rücklehne fallen. Zac hielt inne und sah durch das Fenster, doch da bemerkte der Junge ihn ebenfalls und starrte zurück.
Er war höchstens drei Jahre älter als er selbst, stellte Zac fest, ehe er blinzelte den Kopf herumdrehte und zu den beiden Polizisten spähte, die noch immer im Imbissladen waren und diskutierten. Der Junge auf der Rückband des Polizeiwagens hatte den Blick beobachtet und grinste leicht.
Zac wusste nicht ganz was er hier tat, aber wenn sich ihm eine Möglichkeit bot ein paar Polizisten um ihren Job zu bringen, während diese sich wie Schweine aufführten, dann klang das nach einer guten Idee. Er schaute wieder zu dem fremden Jungen in dem Auto und deutete auf den Türriegel. Der Jugendliche nickte eifrig und grinste immer breiter, aber als Zac auf das Auto zu ging hob er warned die Hand als wollte er ihn auf irgendwas hinweisen.
Zac hatte die Tür aber schon geöffnet, als der Alarm losging.
"Unautorisierte Entriegelung! Unautorisierte Entriegelung!
Unautorisierte Entriegelung!"
Während die Polizisten im Imbiss alles stehen und liegen ließen, sprang der Junge heraus und zog Zac mit. "Scheiße, du kannst doch nicht einfach so eine Polizeitür aufreißen!" Lachte er, während Zac anfing zu rennen um mit ihm Schritt zu halten. "Du hättest ja etwas sagen können!" Schoss er zurück und warf einen Blick über die Schulter. Vielleicht war das doch keine gute Idee gewesen. Was wenn der Junge aus guten Gründen verhaftet worden war? Hatte er einen Mörder befreit?
"Hier lang." Der Fremde zog ihn an seinem Rucksack in eine Seitengasse und die beiden Jungen rannten durch die verwinkelten, schmalen Gassen der Slums, bis sie sich sicher sein konnten, dass die Polizisten ihnen nicht mehr folgten.
Nach Atem ringend lehnte sich Zac an einen Zaun und sah bedauernd auf seine leeren Hände herab. Er hatte das Sandwich auf der plötzlichen Flucht verloren.
Der ältere Junge war ebenso am Verschnaufen, ehe er sich zufrieden umsah und die dunklen Haare zurückstrich. "Das war knapp. Diese Wiechser sind aus dem Nichts aufgetaucht. Fuck. Scheiß Bullen."
Zac blinzelte und schaute ihn verwirrt an. "Wieso haben sie dich verhaftet?" Fragte er dann, bevor der andere Junge weiterreden konnte.
"Ganz ruhig. Es ging nur um ein paar Gramm. Und ein wenig Geld." Erklärte er und Zac verdrehte die Augen. "Oh. Du bist Dealer! Das ist gut. Ich meine, besser als ein Mörder."
"Du dachtest ich wäre ein Mörder?"
Zac zuckte mit den Schultern. "Ich kenn dich nicht."
Der Junge, vielleicht sechzehn, überlegte Zac, richtete sich auf und musterte ihn nun eingehend. "Stimmt."
Zac wurde ungeduldig. "Ich habe für dich mein Sandwich verloren. Du schuldest mir 6 Euro."
Ein leichtes Grinsen erschien auf dem attraktiven Gesicht und er hob eine Hand. "Danke. Ich bin Ethan."
"Zac."
Ethan legte den Kopf schief. "Okay. Verdammt, wie alt bist du?"
Anstatt zu Antworten, zeigte Zac ihm seinen Mittelfinger.
"Du willst ein Sandwich? Ich auch. Komm mit." Sagte Ethan dann nur und Zac folgte ihm.
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Thanks for the Input on Ethan darling AnhjeZ uwu👀
[2/5]
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