6
»Tut mir leid – Plopp?«, trötet sie und schüttelt mit dem Kopf. »Ich habe nichts von einem Plopp erzählt, sondern von Plov.« Sie klatscht belustigt mit den Pranken auf das Wasser, sodass es nur wieder zu allen Seiten weit hinaus prallt. »Hast du dich deswegen wie ein Sack Kartoffeln in den See fallen lassen?«
»Ich habe es verstanden. Ich bin ein Idiot.«
Schlagartig hält Artema inne.
»Entschuldigung Arnt.« Kraulend nähert sich Artema mit gesenktem Haupt Arnt, der nun mit hängendem Gefieder dort hockt. »Das war echt fies von mir.«
»Schon in Ordnung. Ich kann das verkraften«, behauptet Arnt zwar mit den gewählten Worten seiner würdig, doch weder der nicht erhobene Schnabel noch der Klang seiner Stimme kann überzeugen.
»Nein, es ist absolut nicht in Ordnung«, bekräftigt Artema. »Und ich habe mir echt Sorgen gemacht, als du ins Wasser gestürzt bist. Daran war überhaupt nichts lustig. Was ist denn passiert?«
»Wenn ich das nur wüsste.« Beide reißen beinahe zeitgleich die Augen auf – Arnt hat das wirklich laut ausgesprochen.
»Das hört sich ja ganz schön ...« Artema scheint auf keinen passenden Begriff zu kommen.
»Ja«, bestätigt Arnt dennoch und klingt mürbe dabei. »So habe ich mich noch nie gefühlt ...«
»Und dann dieses Hin und Her heute«, ergänzt Artema die Überlegungen.
»Da haben wir – oder wohl eher ich – den Salat.«
»Klingt nach einem mächtigen.«
»Wie ein Kartoffelsalat!?«
Artema wird an ihren unsäglichen Spruch von eben erinnert, dass er wie ein Sack Kartoffeln heruntergefallen ist und schämt sich. Zugleich muss sie ein Schmunzeln wegen des witzigen Spruchs unterdrücken. Bis sie Arnts verschmitztes Antlitz sieht. Er meinte es auch im Spaß. Das ist ein gutes Zeichen.
»Oh ja, Kartoffelsalate können wirklich mächtig sein – gerade wegen der Mayonnaise, die alles verklebt. Aber ... mmhm ... sie schmecken dafür auch köstlich.«
Arnt beginnt zu lachen. »Oder einen Salat aus Plov?«
»Jetzt hast du es, aber nein. Auch wenn beides irgendwie Mix-Gerichte sind: nein, nein, nein. Plov ist Plov und kein Salat.«
»Ich bin verwirrt.«
Artema wartet einen Augenblick ab, wie die Spannung zwischen ihnen ist, ob sie einen Sprung nach vorne wagen kann. »Warst du das nicht eben schon?«, hakt sie zaghaft nach.
Arnt antwortet nicht direkt, doch dieses Mal entsteht kein unangenehmes Schweigen. Es scheint, dass er grübelt, ob oder was er sagen; oder gar etwas nachfragen soll.
»Was meintest du denn jetzt eigentlich mit Plov und was ist das überhaupt?«
»Plov ist ein absolut fantastisches Gericht, etwas, das jeder kennen sollte!«, pfaut sie prompt – nur zum Glück, ohne ein Rad zu schlagen oder derart schrill zu schreien, wie es Pfauen belieben zu tun. »Hach Arnt, es ist wirklich ein ganz vorzügliches Mahl und doch so leicht. Damit meine ich nicht einfach. Es gibt nur wenige Komponenten, die aber eben so gut harmonieren.«
Als würde Artema nicht gerade in einem See baden, sondern in einer ihrer Lieblingsspeisen, gleitet sie geschmeidig auf den Rücken und schmatzt seufzend vor sich daher. Arnt versucht es sich vorzustellen, doch ...
»Woraus besteht es denn?«, fragt er neugierig nach, um auch in den Genuss des Schwelgens kommen zu können.
»Reis ...«, haucht Artema immer noch ganz verträumt.
»Nur Reis?«, hakt Arnt verblüfft nach.
»Nein Quark.« Artema richtet ihren Fokus wieder Richtung Arnt. »Und köstliches Fleisch und Karotten und Gewürze ... Es ist einfach eine wahre Komposition.« Speichel fließt ihr dabei aus den Maulwinkeln. Aber nicht nur das, auch ihre kleinen Äuglein beginnen zu glitzern. »Es ist nur der Geschmack. Dich überkommt eine Wonne aus Gefühlen. Zufriedenheit, Leichtigkeit, Geborgenheit und Erfüllung. Letzteres natürlich im mehrfachen Sinne. Und ...«
»Und?« Arnt hängt ihr an den Lippen.
»Ich als Bärin habe das sowieso in mir, aber es ist nie verkehrt, sich eine Stärkung zu holen. Es ebnet dir deinen Weg wieder zu deinem Inneren. Das, was wirklich zählt.«
Er droht bald erneut in den See zu fallen, weil er fortwährend näher an den Rand gehüpft ist, um ihr immer besser lauschen zu können.
»Schön aufpassen«, reagiert Artema und schwimmt zu dem Stein von der Seeseite, um darauf als Barriere ihre Oberarme samt Tatzen abzulegen. »Wenige Zutaten reichen aus. Verstehst du?«
»Ich glaube schon, ja. Auch wenn ich es nicht kenne. Klingt nach einer guten Sache«, reflektiert der Herr der Lüfte.
»Es ist auch beim Kartoffelsalat so«, pflichtet ihm nun Artema doch zu. »Nur dass die beiden Gerichte sich halt unterscheiden. Aber auch ein Kartoffelsalat besteht nur aus recht wenigen Zutaten und doch kann dich diese schmackhafte Kreation zum Wichtigen führen.«
»Mhm. Ich glaube jedoch, dass es für manche nicht so leicht ist.«
»Leicht ist einerlei, Arnt. Für einen Elefanten bist du sehr leicht, für eine Maus hingegen bist du extrem schwer. Wichtiger ist es doch, ob es sich lohnt?«
»Dass eine Maus mich trägt?«
Sie beide müssen lachen. »Ja, genau das wollte ich damit sagen, du wahrer Meister, mitunter der Verdreher.«
»Du meinst also, dass ... Zum Beispiel heute, da wäre ich sonst nie hier. Aber nun bin ich es und wenn jemand mich braucht?«
»Dann werden sie dich finden.«
»Woher nimmst du diese Gewissheit, Artema?«
»Von hier.« Artema zeigt auf ihren Bauch. »Und hier.« Nun tippt sie auf ihren Kopf und zwinkert ihm zu. »Sie wollen doch etwas von dir.«
»Aber sie erwarten doch, dass ich irgendwo oben in der Luft bin.«
»Aber, aber, aber ... Erwartungen, Erwartungen, Erwartungen ...« Artema wischt mit ihren Pranken in der Luft herum, als würde es fürchterlich stinken. »Bäh. Es ist schön, eine solche Aufgabe zu haben und es ist richtig toll, dass du so viel für die Gemeinschaft tust. Aber – ja, du hörst richtig, auch von mir kommt ein ›Aber‹, doch es wird bei diesem einen bleiben – was ist mit dir?«
»Mir geht es gu...« Arnt stockt. »Mir ging es bisher immer gut.«
»Und nun?«
»Verstehe ich, glaube ich, worauf du hinauswillst.« Es wäre wie mit Plov – oder auch mit Kartoffelsalat, nur anders, begreift Arnt. Ein Lächeln stiehlt sich in seine Augen und bringen sie zum Leuchten, wie auch sein Gefieder wieder in der Sonne glänzt. Mit erhobenen Schnabel, einer Kralle etwas schräg vor die andere gestellt, neigt er sich vor Artema.
Sie nickt ihm lächelnd zu und fragt dann: »Wollen wir dann jetzt endlich zusammen toben und den Sommer genießen?«
Um ihm Zeit und Raum für eine Entscheidung zu geben, stößt sie sich vom Stein ab und lässt sich Artema würdig rücklings ins Wasser fallen, sodass es hoch hinaus spritzen kann.
»Ey!«, hört sie gedämpft durch das Wasser ganz den alten Adler hören, was sie zum Grinsen bringt. »Du wartest ja gar nicht auf mich!«
⋯
E N D E
Teil 2
⋯
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top