68. Kapitel: „Sag niemals nie, Schätzchen...!"
68. Kapitel: „Sag niemals nie, Schätzchen…!“
Während Sam und Kyle stumm nebeneinander herliefen, schienen die Menschen um sie herum umso lebhafter zu sein. Überall konnte man lachende Menschen sehen, die den Beiden vor Augen führten, wie sehr sie eigentlich Trübsal bliesen.
Sam erschien es seltsam, neben Kyle zu gehen, während er konzentriert mit seinen Krücken dahinhumpelte. Es fühlte sich einerseits so natürlich an, als hätte sie niemals etwas anderes getan, doch andererseits fühlte es sich fremd an, bedachte man, dass beide die letzten beiden Monate nicht miteinander gesprochen hatten. Die Zeit war ihr so lange vorgekommen, jetzt hingegen sah sie ihn vor sich stehen, in ihrem Wohnzimmer, so klar, als wäre dies gestern geschehen. Vielleicht hatte sie auch genau deswegen heute Nacht von Kyle geträumt. Vielleicht hatte ihr Unterbewusstsein ihr sagen wollen, dass es heute so weit sein würde. Dass sich heute alles entscheiden würde. So lange hatten sie gegeneinander gekämpft obwohl doch beide eigentlich immer nur das selbe gewollt hatten: Einen Menschen, auf den sie sich verlassen konnten. So lange hatten sie gegen sich selber gekämpft, waren sich selber im Weg gestanden.
Das war die Erkenntnis gewesen, die Sam für sich in den letzten Wochen gezogen hatte. Nicht nur sie war ihnen im Weg gestanden, sondern auch Kyle hatte hin und wieder seinen Beitrag geleistet. Doch sie wollte gar nicht erst damit beginnen, sich oder ihm schon wieder Vorwürfe zu machen. Stattdessen wollte sie von vorne beginnen; ein letztes Mal. Einen letzten Neustart wagen.
„Setzen wir uns hier hin, oder was meinst du?“, fragte Kyle sie und riss sie so aus ihren Gedanken. Seine Stimme klang genauso, wie immer und doch ganz anders. Sie klang erwachsener. Ernster.
„Meinetwegen…“, sagte Sam und musste daran denken, als Kyle und sie sich hier schon einmal begegnet waren. Sie waren zum Stadion gelaufen, wo sie sich jetzt auf die Tribüne niederließen. Der Zusammenstoß damals, war nicht sonderlich positiv verlaufen und Sam hoffte, dass dies kein Zeichen war.
„Weißt du noch, als wir uns hier damals getroffen haben, als das Training abgeblasen worden ist und nur wir beide die Nachricht nicht erhalten haben?“, sagte sie zu Kyle, der gerade seine Krücken neben sich ablegte und anschließend auf den Platz hinausblickte. Wehmut lag in seinem Blick.
„Ja, ich kann mich noch sehr genau daran erinnern. Ich kann mich eigentlich an jeden Augenblick erinnern, den wir miteinander verbracht haben!“, sagte er und versetzte Sam damit einen Stich. Innerhalb von ein paar Sekunden rauschte die gemeinsame Zeit an ihrem inneren Auge vorbei und zeigte ihr, was sie schon alles erlebt hatten und was ihr schon damals hätte zeigen müssen, dass sie sich eigentlich verliebt hatte.
„Ich auch…“, meinte sie lediglich und fügte dann jedoch, nach einigen Augenblicken „…und irgendwie wünsche ich mir das alles zurück!“ hinzu, ohne dass sie vorher darüber nachdachte.
Kyle wandte den Kopf in ihre Richtung und sah sie einen Moment lang genau so an, wie damals, als sie Abschied voneinander genommen hatten, weil er zu seiner Mutter gefahren war. Zuneigung lag darin.
„Und jetzt? Wir können nichts so tun als wäre niemals etwas geschehen!“, sagte Kyle als Antwort und richtete seinen Blick wieder auf das Spielfeld, dass kalt und leer vor ihnen lag.
„Nein das können wir nicht. Du hast bei unserem ersten Zusammentreffen damals gesagt, dass man niemals nie sagen sollte. Vielleicht hatte das alles irgendeinen tieferen Sinn, den wir jetzt im Moment nur noch nicht verstehen?“, sagte Sam und zog die Jacke enger um sich. Der warme Herbsttag entwickelte sich langsam zu einem bewölkten. Heute würde es noch regnen.
„Einen tieferen Sinn? Was sollte es für einen Sinn haben, so vermöbelt zu werden, dass man beinahe abkratzt? Und was sollte es für einen Sinn haben, dass mein Knie nie wieder voll funktionsfähig sein wird? Nein, es hatte mit Sicherheit keinen Sinn das Ganze!“, erklärte Kyle und die Wut war in seiner Stimme sehr genau herauszuhören.
Sam nickte und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Du bist immer noch wütend auf mich! Das verstehe ich, wirklich! Es wird wohl nichts bringen dir zu sagen, dass ich das Gefühl habe, mich geändert zu haben, oder?“, meinte jetzt Sam und wartete ab, ob Kyle etwas zu sagen hatte. Natürlich hatte er Recht. Was sollte es für einen Sinn gehabt haben, dass er solche Verletzungen davon getragen hatte? Für sie war der tiefere Sinn jedoch derjenige, dass sie dadurch endlich gelernt hatte, worauf es tatsächlich ankam.
„Nein Sam. Ich bin nicht mehr wütend auf dich!“, begann Kyle und zog damit Sams volle Aufmerksamkeit auf sich.
„Ich bin mehr enttäuscht. Immer noch! Ich kann es einfach nicht ändern, dass ich so denke und fühle! Mir ist natürlich klar geworden, dass nicht du schuld an meinen Verletzungen bist. Aber je mehr Zeit ich zum nachdenken hatte, desto mehr ist mir bewusst geworden, dass ich einfach verletzt bin! Nicht nur physisch, an meinem Knie! Du warst einfach nicht ehrlich zu mir, du hättest mir von Dennis erzählen müssen! Von den Dingen die er zu dir gesagt hat, von den Dingen die er getan hat aber das hast du nicht, weil du mir nicht genug vertraut hast!“
Sam setzte sich auf und wandte sich in Kyles Richtung.
„Nein, das stimmt nicht!“, sagte sie etwas zu energisch.
„Ich habe dir vertraut Kyle. Ich bin mir nur immer selber im Weg gestanden, habe geglaubt, dass ich stark genug bin um meine Probleme selber in den Griff zu bekommen. Das war damals beim ersten Mal mit Logan so und das hat sich bis heute nicht geändert! Ich habe dir nur aus einem einzigen Grund nichts von alledem erzählt: Ich wollte deine Freundschaft mit Dennis nicht gefährden. Ich wusste damals und ich weiß es auch heute noch, dass du einen äußerst ausgeprägten Gerechtigkeitssinn hast. Wenn ich dir also erzählt hätte, was Dennis getan hat was glaubst du, wie du reagiert hättest? Ich wollte das selber klären, wollte dich nicht reinziehen weil ich glaubte…“, Kyle unterbrach sie.
„Weil du glaubtest, es wäre nicht mein Problem sondern deines!“, beendete er ihren Satz und obwohl sie es niemals so formuliert hätte, so traf er doch den Nagel irgendwie auf den Kopf.
„Du verstehst immer noch nicht Sam, dass es doch mein Problem war, schließlich waren wir doch zusammen?!“, fügte er hinzu und sah zu ihr hinüber. Er war ihr so nah und doch schien er so fern zu sein. Sie war versucht seine Hand in ihre zu nehmen, doch wiederstand sie diesem Drang.
„Waren wir das wirklich?“, fragte sie ihn stattdessen.
Kyle positionierte sich ein wenig neu und man sah ihm an, dass er Schmerzen in seinem Knie hatte, denn er legte beide Hände an dieses und versuchte dann, das Gewicht seines Beines zu verlagern.
„Meiner Ansicht nach waren wir das! Wir haben es uns vielleicht nicht eingestanden, aber wenn ich die Sache aus der heutigen Sicht betrachte, dann haben wir alles erfüllt was uns zu einem Paar gemacht hätte…“, erklärte er.
„Ja aus der heutigen Sicht ist aber vieles sehr viel einfacher zu erklären, zu entschuldigen, vorzuwerfen. Kyle, wir haben beide stets so gehandelt wie wir glaubten, dass uns gut tut! Keiner von uns Beiden war vollkommen ehrlich, nicht einmal zu sich selber!“, erwiderte Sam und schwieg dann einen Augenblick bevor sie weitersprach.
„Wenn ich heute noch einmal das durchmachen würde, was wir damals durchgemacht haben, dann würde ich mich in einigen Punkten anders entscheiden als ich es damals getan habe, nur in einem einzigen, würde ich vermutlich genauso handeln. Wenn ich noch einmal die Wahl hätte, dann hätte ich mit dir über die Dinge mit Dennis gesprochen. Wenn ich noch einmal entscheiden könnte, hätte ich dir vielleicht sogar von dem Tod meiner Eltern erzählt, die bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Du darfst nicht vergessen, dass wir uns trotz allem nicht sehr lange gekannt haben und auch du mir nie etwas von deiner Familie erzählt hast, aber seis drum. Ich bin nicht hier um dir Vorwürfe zu machen. Die einzige Sache, die ich vermutlich dennoch für mich behalten hätte ist das, was mit mir geschehen ist, als Logan das erste Mal in mein Leben getreten ist.“, sagte Sam und wartete auf Kyles Reaktion, die jedoch ausblieb. Sie wagte es nicht aufzublicken, stattdessen fixierte sie den Punkt zwei Meter vor ihr. Weil Kyle nicht reagierte, entschied sie ihm von sich aus zu erklären, warum sie das mit Logan verschwiegen hatte.
„Ich war früher schon immer ein Mädchen, das niemals auffallen wollte. Ich war jemand sehr unscheinbares, war aber im Großen und Ganzen einfach zufrieden mit dem was ich war. Janine war schon damals meine einzige richtige Freundin und das ist sie bis heute geblieben. Kein anderer Mensch ist so konstant ein Bestandteil meines Lebens gewesen. Als ich Logan damals kennenlernte, fand ich ihn irgendwie heiß. Er strahlte etwas Gefährliches und gleichzeitig etwas Sicheres aus doch schon bald stellte ich fest, dass Logan nicht der war, der ich geglaubt hatte. Er hat mir damals aus einer äußerst misslichen Lage geholfen, ich fühlte mich so, als wäre ich ihm etwas schuldig. Als er mir aber immer wieder aufgelauert hat, bekam ich es langsam mit der Angst zu tun. Außer Janine, wusste eigentlich niemand so wirklich von ihm und ich hatte auch nicht vor, irgendjemandem etwas zu erzählen. Ich habe niemals geglaubt, dass Logan tatsächlich so krank sein könnte. Das war wohl ein Grund, der andere war jedoch der, dass ich mir niemals Hilfe gesucht habe. Ich glaubte, alles immer selber regeln zu müssen. Glaubte, dass ich niemanden anderen brauchte. Nachdem Logan mich überfallen hat, schämte ich mich in Grund und Boden. Ich weiß, wenn man das jetzt so hört, fragt man sich, warum das so war aber ich konnte es nicht ändern. Ich gab mir irgendwie selber die Schuld, fragte mich, ob ich ihm vielleicht irgendeinen Grund gegeben haben konnte, damit er so ausgeflippt war.“, erklärte Sam, wurde jedoch von Kyle unterbrochen, der empört zu sein schien.
„Wieso zum Teufel solltest du schuld daran gehabt haben, dass Logan dich beinahe vergewaltigt hat?“, fragte er sie und bei der Aussprache dieses Wortes, zog sich alles in Sams Innerem zusammen. Sie glaubte nicht, dass sie das Kyle gegenüber jemals so geäußert hatte, doch war es ihr im Moment egal, woher er dies zu wissen glaubte. Sie musste ihm klar machen, warum sie so gewesen war!
„Wieso geben sich Frauen, die von ihren Männern grün und blau geschlagen werden, oft selber die Schuld daran? Ich weiß es nicht Kyle, ich weiß nicht wieso ich schuld haben sollte, doch damals glaubte ich es einfach. Gleichzeitig habe ich mich jedoch auch schwach gefühlt. Ich habe schon damals immer wieder Kickboxen ausgeübt und als ich das, was ich gelernt hatte, in solch einer Situation nicht anwenden konnte, fühlte ich mich hilflos. Ich habe nach Logan nie wieder irgendjemandem wirklich über den Weg getraut, habe nie wieder daran geglaubt, dass jemand mir wirklich wichtig werden könnte. Ich ließ einfach niemanden mehr an mich heran, denn wenn ich das nicht tat, so konnte mir auch niemand mehr gefährlich werden.“, vollendete Sam ihre Geschichte.
„Ich kann aber nicht gegen deine Vergangenheit ankämpfen Sam. Ich kann sie nicht ändern, ich kann dir die Angst nicht nehmen. Das konnte ich nie! Das einzige was ich konnte war dir mich selber anzubieten, das was ich war und das was ich dir geben konnte. Doch es war nicht genug!“, erwiderte Kyle. Sam bemerkte immer mehr, wie schwierig es war, sich jemandem so auszuliefern, wie sie es im Moment tat. Sie wägte jedes Wort ab und verfiel schnell in ihre alten Muster. Sie glaubte, nicht alles aussprechen zu müssen. Sie glaubte, dass nur die Hälfte der Wahrheit auch ausreichen würde, um ans Ziel zu gelangen. Zumindest glaubte sie das für einen kurzen Moment, bevor die Realität sie wieder einholte und ihr klar machte, dass nie wieder nur ein Teil der Wahrheit gut genug sein würde.
„Ich glaube das, was mir wirklich im Weg gestanden hat in den Wochen, in denen wir zusammen waren, war eben genau das. Du hast mir die Angst genommen, du hast es geschafft meine Vergangenheit irgendwie fortzutreiben. Der Schatten von damals lag nicht mehr tagtäglich auf mir. Ich lernte plötzlich mich Menschen zu öffnen, lachte mit den Bad Boys der Stadt. Verbrachte meine Zeit mit Menschen bei denen ich mir einst geschworen hatte, ihnen nie wieder zu Nahe zu kommen. Du bist mir so nahe gekommen, wie vorher kein Mensch und genau das, machte mir eine Heidenangst. Kannst du dir nicht vorstellen, was für ein Gefühl das ist, jemanden so nah an sich heran zu lassen, dass er mit nur einem einzigen Schlag dein gesamtes Leben zerstören könnte? Kannst du dir nicht vorstellen, wie schwierig es ist langsam festzustellen, dass du jemandem vertraust, der vorher so vielen anderen Menschen weh getan hat?“, fragte Sam ihn und richtete ihre Augen auf ihn, während er sich mit den Händen durch die Haare fuhr.
Kyle wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Sam traf mit ihren Worten im Endeffekt genau das, was damals auch in ihm vorgegangen war. Auch er hatte eine Scheißangst gehabt, als er festgestellt hatte, wie nah Sam ihm gekommen war. Als sie ihn mit der Wette konfrontiert hatte, hatte er sie verflucht. Verflucht, weil sie ihn so sehr verletzt hatte. Auch er war durch seine Vergangenheit gekennzeichnet gewesen, auch er hatte niemanden an sich heran gelassen.
„Ich kann es mir sehr gut vorstellen.“, sagte er schließlich und durchbrach die Stille.
„Ich weiß ganz genau was in dir vorgegangen ist Sam, weil es in mir nicht anders aussah. Aber anders als du, habe ich versucht über meinen Schatten zu springen. Ich war derjenige, der auf dich zugegangen ist, als wir uns kennenlernten. Ich war derjenige, der sich ständig entschuldigte, ich war derjenige, der immer wieder vor deiner Tür aufgetaucht ist und daran gebettelt hat, wie ein jämmerlicher Hund. Ich war auch derjenige, der den ersten Schritt gemacht hat, war derjenige der nicht locker gelassen hat und zum Schluss….“, Kyle wusste nicht, ob er für die nächsten Worte überhaupt bereit war, doch er konnte sich nicht länger darauf vorbereiten, denn jetzt war es viel zu spät um einen Rückzieher zu machen.
„Zum Schluss, war ich derjenige, der sich als erstes eingestanden hat, dass er dich liebt. Ich bin sogar zu diesem verdammten Haus gefahren, nur weil ich eine SMS von dir bekommen habe, obwohl ich eigentlich zu dir gesagt hatte, dass ich nicht mehr auf dich zugehen würde. Sam ich habe dir alles gegeben und es war niemals genug!“, erklärte er und spürte die Gefühle, die er in dieser Zeit empfunden hatte. Jetzt da Sam zum Greifen nah war, wurde er beinahe von seinen Gefühlen überwältigt, doch er war sich nicht sicher, ob das überhaupt noch ausreichen würde.
„Schon wieder liegst du falsch. Es war genug! Es hat nur ein wenig gedauert bis ich den Mut gefunden habe, den du gefunden hast! Kyle du warst immer der stärkere von uns Beiden! Du bist ein solch herzensguter Mensch, der seine Wohltätigkeit hinter einer Fassade versteckt, mit der er leichter durch die Welt kommt! Wenn du nur eine einzige Sache mitnehmen könntest aus diesem Gespräch Kyle, dann doch bitte die Folgende: Bevor ich dich kennengelernt habe, war ich ein nervliches Wrack. Ich war nicht selbstzerstörerisch, noch war ich sonderlich seltsam doch ich war jemand, der es vorzog alleine zu sein. Du hast mich vom ersten Moment an dazu gebracht, anders zu reagieren wie die Menschen vor dir. Du hast mir die Augen geöffnet und erst seitdem du in mein Leben getreten bist habe ich das Gefühl, wirklich zu leben. Verstehst du was ich meine? Wenn du glaubst, du warst nie gut genug dann denke zumindest daran, dass du es geschafft hast jemandem Leben einzuhauchen, der Innerlich bereits vermodert war. Jeden Moment, den wir miteinander verbrachten, hast du genutzt um mir irgendwas beizubringen. Ich glaube nicht, dass dir klar ist, wie sehr du mir geholfen hast und dafür werde ich dir mein Leben lang dankbar sein! Ich bereue es zutiefst, dass du wegen mir so leiden musstest. Dass du es immer noch tust mit deinem Knie, während du doch eigentlich nur positives in mein Leben gebracht hast. Und ich weiß natürlich, dass ich dir niemals alles von mir gegeben habe, doch ich habe dir das gegeben was ich entbehren konnte. Es war nicht viel wenn man es von außen betrachtet, doch es war alles, von meinem Standpunkt aus. Mir ist bewusst, dass es niemals wieder so werden wird, wie es einmal war doch ich hoffe, dass du mich irgendwann nicht mehr so sehr hasst, denn wenn wir mal ganz ehrlich sind, so glaube ich, dass du nach wie vor mir die Schuld an alledem gibst. Und ich verstehe es sogar irgendwie…“, meinte Sam und wusste nicht, wie lange sie diese Unterhaltung noch führen konnte, bevor sie zusammenbrechen würde. Ihr war klar, dass sich die Unterhaltung anders entwickelte, als sie es sich gewünscht hatte und mit jeder Minute mehr, mit jedem Einwand mehr, verließ sie die Hoffnung ein Stückchen mehr.
Kyles Kopf hingegen schwirrte von all diesen Worten, mit denen er noch vor einigen Monaten nichts hätte anfangen können. Wie konnte einen ein einziger Mensch nur so sehr verändern? Wenn nur dieser blöde Stolz nicht wäre, den er scheinbar nicht überwinden konnte. Er konnte es nicht mehr aussprechen, egal wie sehr er es wollte. Er hatte zu viel Angst, dass doch alles wieder irgendwie schief laufen würde und er am Schluss erneut dastehen würde. Dann mit einem gebrochenen Herzen anstatt mit einem gebrochenen Bein.
„Ich weiß ganz genau, welche Überwindung es dich kostet, das alles zu sagen Sam, aber ich weiß einfach nicht, ob ich es noch einmal ertragen könnte….“, Kyle brach ab. Er wusste nicht, wie er die folgenden Gedanken in Worte fassen sollte.
„Das dachte ich mir schon und soll ich dir etwas sagen? Ich glaube, es ist die Beste Entscheidung die du für dich treffen kannst…“, meinte Sam und erhob sich, was Kyle ein wenig aus der Fassung brachte. Er wollte etwas sagen, wusste jedoch nicht was und wie er es mitteilen konnte. Er schien wie erstarrt in diesem Moment, in welchem Sam sich vor ihn stellte.
„Wer weiß, vielleicht wartet da draußen einfach jemand, der besser zu uns passt!“, erklärte Sam und obwohl sie versuchte, ihre Gefühle zu überspielen, konnte Kyle sehen, dass sie zitterte. Tränen sammelten sich in ihren Augen und er saß nach wie vor starr da.
„Ich muss jetzt gehen Kyle. Ich wünsche dir….“, bei diesen Worten brach sie ab und wandte ihm den Rücken zu, während Kyle fieberhaft überlegte, was er wollte. Innerhalb von nur ein paar Sekunden, gingen ihm Millionen Gedanken durch den Kopf, doch nur ein einziger formte sich langsam zu der alles entscheidenden Frage: Würde er tatsächlich, nur weil sie Beide Fehler begangen hatte, ein Leben lang darauf verzichten, mit Sam zusammen zu sein?
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Sam musste sich zusammenreißen, um nicht vor Kyle in Tränen auszubrechen. Sie schaffte es nicht, die letzten Worte auszusprechen. Schaffte es nicht, ihm alles Gute zu wünschen. Scheiß auf gutes Benehmen und auf die besten Wünsche für den Menschen den man liebte, wenn es einem doch eigentlich das Herz brach. Wenn man doch eigentlich der festen Überzeugung war, dass er die falsche Entscheidung getroffen hatte. Er würde es nicht noch einmal ertragen, durch all das zu gehen, was sie beide durchgemacht hatten. Er hatte Angst davor, dass sich eigentlich doch nicht geändert hatte. Konnte sie ihm deswegen wirklich einen Vorwurf machen? Nein! Konnte sie deswegen stinkwütend werden, weil ihr das Leben erneut ein Schnippchen geschlagen hatte? Ja Verdammt.
„Weißt du noch, als ich dich angerufen habe, als ich bei meiner Mutter war?“, hörte sie plötzlich hinter sich Kyles Stimme und blieb stehen. Beinahe glaubte sie, dass er die Frage gar nicht ihr gestellt hatte, doch außer ihnen befand sich niemand im Stadion. Da ihr bereits eine Träne übers Gesicht gelaufen war, vermied sie es, sich umzudrehen, stattdessen antwortete sie auf die Frage die ihr im Grunde genommen recht sinnlos erschien.
„Ja, ich erinnere mich. Du hast mir erzählt, dass du länger bleiben würdest! Es war unser letztes Telefonat vor dem Streit, den wir bei deiner Rückkehr hatten!“
„Weißt du noch, als ich dir noch etwas sagen wollte, im letzten Moment jedoch einen Rückzieher gemacht habe?“, fragte Kyle sie weiter und obwohl Sam nicht wusste, worauf Kyle hinaus wollte, so konnte sie sich sehr wohl daran erinnern. Sie hatte damals ein seltsames Gefühl gehabt, doch Kyle hatte den Rückwärtsgang eingelegt und so hatte sie niemals erfahren, was er noch von ihr gewollt hatte.
„Ja, ich weiß es noch…“, erklärte Sam und drehte sich langsam doch um, nur um zu sehen, dass Kyle auf Krücken hinter ihr stand.
„Ich wollte dir damals eigentlich sagen, dass ich dich vermisse…“, klare Worte, die in Sam ein Gefühl erzeugten, als würden Elefanten durch ihren Körper trampeln.
„Bitte beantworte mir noch eine einzige Frage: Als du zu mir ins Zimmer gekommen bist, hast du gesagt, dass du mit einer Antwort auf meine Frage hin zu dem Spiel gekommen bist. Wie lautete diese Antwort?“, fragte Kyle sie und selbst durch ihren verschleierten Blick konnte Sam erkennen, dass sein Ausdruck sich verändert hatte.
Sam wischte sich schnell mit der Hand über die Augen, bevor sie ihren Blick abwandte und ihn über die Gegend schweifen ließ.
Sie wollte ihm diese Frage am liebsten um die Ohren schmeißen, stattdessen entschied sie sich, ein letztes Mal ehrlich zu ihm zu sein.
„Ich wollte dir damals sagen, dass ich einen Versuch wagen wollte. Ich wollte sagen, dass ich auch mein Leben mit dir verbringen wollte.“, erklärte sie und wagte es jedoch nicht mehr, ihm in die Augen zu sehen.
„Du wolltest mir also nicht sagen, dass du dich auch in mich verliebt hattest?“, fragte Kyle sie weiter.
„Du hast gesagt, nur noch eine weitere Frage!“, konterte Sam und wollte sich wieder abwenden, weil sie glaubte, sich endlich einigeln zu müssen. Sie brauchte jetzt Schonzeit, die Möglichkeit sich selbst zu bemitleiden. Doch irgendwas anderes sagte ihr dennoch, dass das Spiel noch nicht ganz verloren war. Ihr Körper hingegen reagierte von selber, doch er wurde von Kyle daran gehindert, sich vollends abzuwenden. Während er sich an seiner Krücke abstützte, schaffte er es seine Hand um ihr Handgelenk zu legen und sie so am weggehen zu hindern.
„Sam bitte, antworte mir!“, sagte er ernst.
„Nein, das wollte ich nicht.“, räumte Sam schließlich ein auch wenn sie wusste, dass sie sich damit ihr eigenes Grab noch tiefer schaufelte. Doch sie hatte sich für die Wahrheit entschlossen und das würde sie jetzt auch durchziehen.
„Und wie sieht es heute aus?“, fragte er sie während seine Stimme leiser geworden war. Sam wandte ihm ihren Körper wieder entgegen und sah zu ihm auf. „Was spielt das überhaupt noch für eine Rolle? Was bedeuten all diese Fragen?“, fragte sie ihn und spürte die Kälte, die sich in ihrem Körper breitmachte.
Kyle blinzelte einige Male, während er auf Sam hinab sah. Was plante er da eigentlich? Er wusste es selber nicht, doch es schien ihm wichtig zu sein, diese Fragen zu stellen. Jetzt, da Sam ihm direkt gegenüber stand, während ihre Brust beinahe seine berührte war er sich jedoch nicht mehr sicher, ob die Antworten überhaupt noch ausschlaggebend sein würden. Trotz all der Enttäuschungen, trotz all der Wut und des Hasses, trotz der Lügen und dem ständigen Auf und Ab wurde ihm nämlich eine Sache klar, die er wohl doch irgendwie schon immer gewusst hatte.
Auch wenn das bedeutete, dass er sich in das größte und tiefste Lochen fallen ließ, welches sich in seinem Leben auftun würde, selbst wenn er sich damit selber die größten Schmerzen zufügen würde, selbst wenn er sogar ohne Fangnetz in die Tiefe springen musste, er hatte seine Entscheidung gefällt.
Sams Antwort spielte im Endeffekt gar keine Rolle mehr. Es spielte für ihn auch keine Rolle, was sie wollte, denn sie musste sich ihm einfach fügen und irgendwann würde sie dann schon erkennen, da war er sich sicher, dass es das Beste für Beide gewesen war.
Ohne Sams Worte abzuwarten, folgte Kyle also, so wie jedes Mal bei Sam seinem Instinkt und obwohl er wusste, dass er sich jetzt vollkommen auslieferte, senkte er seine Lippen auf die ihren und genoss das erste Mal seit Wochen das Gefühl der Vollkommenheit und der Freiheit: Die Freiheit, glücklich zu sein. Auch ohne doppelten Boden oder Fangnetz.
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„Sag es bitte nochmal!“, sagte Kyle, während er neben Sam in ihrem Bett lag und die Nähe genoss, die ihm so sehr gefehlt hatte. Er konnte es kaum glauben. Zum einen konnte er nicht glauben, wieviel Zeit die Beiden damit vertan hatten, sich nicht Nahe zu sein, anstatt einfach den leichtesten Weg zu gehen. Zum anderen konnte er es jedoch immer noch nicht glauben, dass er und Sam es tatsächlich geschafft hatten, am Ziel anzukommen und das ohne weitere Verletzungen.
„Was denn? Sag niemals nie, Schätzchen?“, sagte Sam und obwohl Kyle ihr Gesicht nicht sehen konnte, weil sie dieses auf seine Brut platziert hatte, spürte er, dass sie lächelte.
„Nein, das vorher!“, meinte er.
„Dass ich alles tun würde, um dich glücklich zu machen?“, versuchte Sam zu erraten. Kyle lachte los.
„Genau das! Meinst du das ernst??“, fragte er sie, während er sie in Armen hielt und sich in diesem Moment schwor, dass egal was noch geschehen würde, er sie nie wieder loslassen würde. Es war ihm scheißegal, was die Menschen von ihm hielten, doch es war ein solch holpriger und langer Weg hierher gewesen, dass er darauf pfiff was die Menschen sagten. Nur Sam und er zählten in diesem Moment.
„Natürlich. Außer, du denkst gerade an irgendwelche SM Praktiken…das kannst du vergessen!“, erwiderte Sam und lachte dabei laut los, während sie sich aufsetzte und Kyle ansah. Sie strahlte und dies brachte auch Kyle zum strahlen.
Er strich ihr mit der Hand über die Wange und genoss das Gefühl, ihrer weichen Haut auf seiner.
„Daran habe ich nicht gedacht, aber wer weiß. Wie du schon sagtest: Sag niemals nie. Aber jetzt mal zu was anderem: Wenn du mit allem, wirklich alles meinst, dann kannst du mir doch bestimmt einen Gefallen tun, oder??“, stellte er seine Frage und blickte dabei in zwei warme braune Augen, die ihm die Welt offen hielten.
Kyle konnte sein Glück nach wie vor kaum glauben und so stellte er sich, genauso wie vermutlich alle anderen auch, die eine Frage:
Wer hätte geglaubt, dass Kyle Thompson und Sam Raven irgendwann tatsächlich erfolgreich ins Ziel einlaufen würden?
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So, das war das Ende;D Naja, noch nicht komplett, denn etwas sehr wichtiges fehlt natürlich noch^^ Nämlich der Epilog, der dann die Fragen klärt, die noch übrig waren;D Ich weiß, es ist nichts spektakuläres, aber so ist eben das Ende, wie ich es mir immer vorgestellt habe.
Und auch wenn ich es kaum glauben kann, ich glaube ich fange gleich an zu heulen weil ich weiß, dass nur noch ein einziges Kapitel kommen wird, bevor wir Abschied von Sam und Kyle, unseren Sturköpfen, nehmen müssen.
Dennoch bin ich sehr stolz auf die Vollendung meiner ersten "großen" Story und hoffe, dass euch das Ende (zumindest bis hierhin;D) gefällt.
Ich gebe mir Mühe, den Epilog relativ zeitnah nachzuschicken;D
Kommentiert und Votet fleißg, würde mich sehr darüber freuen!!
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