44. Kapitel:„Ich weiß, dass du niemanden so im Stich lassen wirst wie er."

 44. Kapitel: „Ich bin mir sicher, dass du niemals jemanden so im Stich lassen wirst wie er…“

„Ich hoffe, dass wir uns bald wieder sehen Sam! War wirklich schön eine Frau kennenzulernen, die es mit meinem Bruder aufnehmen kann!“, sagte Carly und blickte Sam dabei traurig an. Es war die Zeit zum Abschied nehmen gekommen. Noch am selben Abend, an dem Sam Kyle in den Pool gezogen hatte, hatte er einen Anruf von Carly erhalten, dass sie unbedingt in ihre Heimatstadt zurückkehren mussten, da es ihrer Mutter offenbar gar nicht gut ging. Kyle war nervös auf und ab gelaufen, hatte jedoch schlussendlich nichts daran ändern können, dass er ersteinmal warten musste, bis sie mit dem Bus wieder in Hiltons ankamen. Zwei Tage später, standen sie sich nun gegenüber und verabschiedeten sich voneinander, was wesentlich schwerer fiel als gedacht.

Jamie, Carlys Sohn, sprang auf seinen Zehenspitzen umher und rief, „Ich will auch Tschüss sagen, Mommy!!“, dabei streckte er seine dicken kleinen Ärmchen nach oben und deutete auf Sam. Sam lächelte und hob ihn auf, ohne Carly vorher um Erlaubnis zu fragen. Es ging ihr gar nicht gut bei dem Gedanken, Carly oder auch Jamie, nie wieder zu sehen. Sie hatte sich Gedanken darüber gemacht und ihr war bewusst geworden, dass es gar keinen Grund gab, mit Carly in Verbindung zu bleiben. Sam würde vermutlich bald in eine andere Stadt ziehen, Kyle würde hier bleiben und so viel hatte sie mit Carly gar nicht gemein gehabt und dennoch zog sich ihr Herz zusammen, als Jamie seine Ärmchen um ihren Hals legte und sagte „Tschüss Saaamm!!!“, dabei hörte sich seine Stimme so an, als würde er Tränen zurückhalten.

Der kleine Kerl konnte kaum wissen, was dieser Abschied bedeutete, doch war er so sensibel mitzubekommen, dass alle anderen auch äußerst traurig darüber waren. Sam hatte diesen kleinen Kerl wirklich ins Herz geschlossen und bevor sie sich noch tatsächlich ihrem Abschiedsschmerz überließ, setzte sie ihn wieder auf dem Boden ab und strich ihm einmal mit der Hand durch die Haare. „Du wirst mal ganz klar einer, der den Frauen den Kopf verdreht. Ganz wie dein Onkel!“, witzelte Sam. Kyle, der gerade, einen Koffer in der Hand, an ihnen vorbei schlenderte fragte nur „Was wie sein Onkel?“, während Carly nur in ihre Hand kicherte.

„Ich werde Frauen am Kopf drehen!“, sagte Jamie stolz und plusterte sich dabei ein wenig auf.

„Ah ja, das ist ja wirklich äußerst interessant! Das will ich dann mal sehen!“, erklärte Kyle und sah Sam dabei skeptisch an. Sie jedoch setzte ihr unschuldiges Lächeln auf, verschränkte die Hände hinter ihrem Rücken und sagte „Ich wünsche euch allen eine gute Reise! Carly, auch ich fand es schön dich kennenzulernen!“

Ein letztes mal, stürmte Carly auf Sam zu und schloss sie in die Arme, dann flüsterte sie „Ich bin mir sicher, wir werden uns schneller wieder sehen, als du glaubst!“, dann drückte sie Sam von sich, zwinkerte ihr einmal zu und wandte sich dann ab, um Jamies Hand in die ihre zu nehmen. „Komm mein Schatz, wir steigen schon mal in das Auto ein und lassen Onkel Kyle Tschüss sagen!“, dabei drehte sie sich nicht mehr zu ihnen um und nachdem Kyle den Kofferraum schloss, kam er ebenfalls auf Sam zu, um sich zu verabschieden.

„Ok, also ich bin nur für drei Tage weg, rechtzeitig vor dem zweiten Training dürfte ich wieder da sein!“, erklärte er Sam. „Falls irgendwas sein sollte, mein Handy ist immer eingeschaltet. Sollte doch etwas sein und du erreichst mich nicht, wende dich an Simmons oder Danny, die werden innerhalb von nur ein paar Minuten hier sein, so wie ich sie kenne…“ Bei diesen Worten musste Sam anfangen zu lachen und Kyle stoppte mitten im Satz.

„Was geht denn jetzt ab?“, fragte er sie verwirrt, während sie sich beruhigte und ihm beruhigend ihre Hand auf den Arm legte. „Kyle, du bist für drei Tage weg. Was soll schon großartig passieren? Es ist ja nicht so, als wärst du sonst rund um die Uhr bei mir und würdest mich beschützen! Also du kannst jetzt damit aufhören und einfach die drei Tage bei deiner Familie genießen. Ich verspreche dir, wenn du zurück kommst wird es so sein, als wärst du gar nicht weg gewesen! Und jetzt geh endlich, deine Schwester wartet schon!“, sagte Sam und obwohl es ihr selbst schwer fiel, dass Kyle drei Tage lang nicht mal annäherungsweise in ihrer Nähe sein würde, versuchte sie ihm zu vermitteln, dass es ihr doch eigentlich vollkommen egal war. Sie war nicht so ein Mensch, der sich wegen solchen Dingen Gedanken machte, verdammt noch mal.

Kyle drehte sich kurz zum Auto, wandte sich dann jedoch schnell wieder Sam zu, kratzte sich am Hinterkopf und kam schließlich einen Schritt auf sie zu, um sie in die Arme schließen zu können. Sofort ließ Sam sich fallen und genoss seine Nähe und seinen vertrauten Geruch. Ja ok sie würde ihn vermissen, doch was waren schon drei Tage?

„Ok, bau keinen Mist in der Zwischenzeit!“, sagte er leise und Sam zog dabei eine Augenbraue nach oben. „Das sagt gerade der Richtige. Wenn ich mich recht entsinne hab ich dir bei unserem ersten Treffen den Arsch gerettet, weil du verbotenerweise in einem Mädchenwohnheim warst! Also wer soll hier keinen Mist bauen?“, konterte sie und drückte ihn dann, obwohl es ihr schwer fiel, von sich weg. „Und jetzt geh endlich!“

„Ok, wir sehen uns!“ sagte er ein letztes Mal, doch Sam hatte sich bereits umgedreht und war die ersten Stufen zu der Haustür emporgestiegen. Erst als sie das Knallen einer Autotür vernahm, drehte sie sich kurz um und winkte den wegfahrenden Freunden. Carly. War dies nun ein Abschied für immer gewesen, oder würden sie sich jemals wieder sehen?

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„Du tust ja grad so, als würdest du sie für Wochen nicht mehr sehen!“, sagte Carly und sah dabei lächelnd zu ihrem Bruder hinüber, der die letzten fünfzehn Minuten, die sie bereits im Auto saßen, seine Lippen aufeinander gepresst und nachgedacht hatte. Bei diesen Worten jedoch, blickte er kurz skeptisch zu ihr hinüber und konzentrierte sich dann wieder auf die Straße.

„Ich weiß nicht wovon du sprichst!“, sagte er einige Sekunden später wohl bedacht und wechselte dann die Spur.

„Bitte, halt mich jetzt ja nicht für bescheuert junger Mann! Ich seh doch wie du sie immer ansiehst!“, erklärte Carly nebensächlich. Sie hatte beschlossen diese Fahrt zu nutzen um mit Kyle darüber zu sprechen, was zwischen ihm und Sam vor sich ging, denn schließlich war sie nicht auf den Kopf gefallen. Sie wusste ganz genau, dass sich zwischen den beiden seit ihrer Ankunft in Hiltons etwas ganz gravierendes verändert hatte.

„Ernsthaft! Ich tu nicht so, als würde ich sie wochenlang nicht sehen können! Es ist nun mal so, dass wir in den letzten Wochen so viel Zeit miteinander verbracht haben, dass ich es gerade ein wenig seltsam finde, sie alleine zurück zu lassen!“, sagte Kyle und setzte erneut den Blinker, um auf die ursprüngliche Spur zurück zu kehren.

„Warum hast du sie dann nicht einfach gefragt, ob sie mitkommen will?“, fragte Carly ihn und sah dabei konzentriert auf ihre Fingernägel. Sie durfte sich nur nicht anmerken lassen, wie wichtig ihr dieses Thema war. Wenn er dies wüsste, so würde er kein Wort mehr sagen, so gut kannte sie ihn!

„Wieso sollte ich? Es ist ja nicht so, dass wir zusammen sind oder etwas in die Richtung!“, sagte Kyle und Carly hörte dabei den genervten Unterton klar heraus.

„Ach so, seid ihr nicht? Und weswegen schleichst du schon seit Tagen in ihre Wohnung und wieder heraus?“, fragte sie genauso nebensächlich wie alle anderen Dinge zuvor. Doch diese Frage war zu viel gewesen, denn jetzt verschloss sich Kyle ihr „Das geht dich gar nichts an, Carly. Hör auf dich in meine Angelegenheiten einzumischen! Du kennst Sam gar nicht wirklich und auch über mich weißt du bei weitem nicht alles. Ich frage dich doch auch nicht, ob du wieder mal mit Alex in die Kiste gestiegen bist, oder?“ Das hatte gesessen. Carly blickte schockiert zu ihm auf.

„Kyle, das war unter der Gürtellinie!“, sagte sie enttäuscht und merkte ein weiteres Mal, wie schwer es Kyle fiel, über sich und seine Probleme zu sprechen. Carly wusste doch ganz genau, dass Kyle mehr für Sam empfand, doch sie würde sich nicht weiterhin von ihm verletzen lassen. Alex in diese Sache mit rein zu bringen, war unfair von ihm gewesen. Als sie sich damals auf Alex eingelassen hatte, war sie noch naiv und dumm gewesen. Er hatte ihr die Welt versprochen und sie alleine zurück gelassen. Kyle wusste das und dennoch hatte er diese Tatsache benutzt um seine Schwester zum Schweigen zu bringen.

„Sorry, du hast Recht. Das war nicht in Ordnung von mir!“, hörte sie Kyle neben sich sagen, doch sie reagierte nicht darauf. Was war nur mit ihm geschehen, dass er so kalt geworden war? Sie hatten dasselbe Leben durchlebt und trotzdem glaubte sie, dass etwas an ihm nagte, wovon sie keine Ahnung hatte. Ihr armer Bruder. Wenn er nicht bald seine Einstellung änderte, würde er wahrscheinlich auf diesem Weg hängen bleiben und am Ende, ganz alleine dastehen.

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Sie kamen einige Stunden später vor ihrem Haus in Wilmington, North Carolina, an und als Kyle den Motor abstellte, atmeten beide ersteinmal tief durch, bevor sie die Türen öffneten. Kyle sah stumm auf das Haus, in welchem er groß geworden war. In welchem er soviel gutes, jedoch auch schlechtes erlebt hatte. Er wusste nicht warum, doch er hatte sich sehr entfremdet in den letzten paar Wochen. Er hatte dieses Haus immer als sein Heim gesehen, doch seine Ansicht hatte sich geändert und mittlerweile hatte er das Gefühl, nur in Hiltons wirklich daheim zu sein. Sein Herz raste. Wie würde er seine Mutter vorfinden?

Carly hatte ihn vorgestern angerufen gehabt und ihm mitgeteilt, man habe ihre Mutter erneut festgenommen. Sie habe sich in einem Unterwäscheladen furchtbar darüber empört, dass man ihr unterstelle, sie hätte etwas geklaut nur um später festzustellen, dass sie vier Lagen Unterwäsche übereinander gezogen hatte. „Für die armen Frauen, die sich so etwas nicht leisten können!“, hatte sie dem Polizeibeamten zugemurmelt und sich dann, ohne große Umschweife, ins Revier bringen lassen, wo sie eine Nacht verbracht hatte. Die Polizeibeamten von Wilmington kannten seine Mutter mittlerweile sehr gut und behielten sie in der Regel erstmal eine Nacht dort, damit sie sich beruhigen konnte, bevor sie sie wieder entließen. Vorher benachrichtigten sie jedoch immer Carly oder Kyle, je nachdem wen sie erwischten.

 Carly war von hier geflohen und Kyle konnte nur zu gut verstehen, warum sie das getan hatte. Sie mussten endlich eine Entscheidung treffen. Carly konnte nicht ewig ihr Leben auf den Kopf stellen, um sich um ihre Mutter zu kümmern. Irgendwas mussten sie tun, das war Kyle klar, doch er wollte seiner Mutter keinesfalls das Gefühl vermitteln, er wolle sie abschieben. Er wollte doch nur das Beste für sie!

„Gehen wir rein?“, fragte Carly, die den schlafenden Jamie auf den Armen trug und besorgt auf das Haus blickte. Kyle nickte lediglich, bevor er sich in Bewegung setzte. Bevor er die Haustür aufschloss, straffte er seine Schultern noch einmal und atmete tief ein und aus. Er war der Liebling seiner Mutter. Das wusste er selber ganz genau. Doch er war nur deswegen ihr Liebling, weil er sie so sehr an seinen Vater erinnerte. Seinen Vater, der sich einfach aus dem Staub gemacht hatte.

Die Tür ging ein wenig ächzend auf und Kyle sah in das leer erscheinende Haus.

„MOM??“, rief er in die Stille und trat dann in den Gang hinein. Unter seinen Füßen ächzte das Holz. „MOOOM??“, rief er erneut und bemerkte, wie hinter ihm Carly in das Haus trat. Sie ging schnurstracks die große Treppe, die sich direkt vor ihnen erstreckte nach oben, um Jamie ins Bett legen zu können. Kyle sah ihr kurz hinterher, bevor er ein fröhliches Summen aus der Küche vernahm und sich aufmachte, um sich seiner Mutter entgegen zu stellen. Er ging den Gang entlang bis zum Anschlag, wo er die vertraute Schwingtür vor sich fand, die er leicht andrückte um in den Raum spähen zu können.

Seine Mutter wirbelte in einem blauweiß gepunkteten Kleid durch die Küche und Summte dabei irgendein Lied mit, welches durch ihre Kopfhörer dröhnte. Ein, zwei Mal tänzelte sie beschwingt im Kreis, bevor sie sich wieder auf das konzentrierte, was vor ihr lag. Der Apfelkuchen, bei dem er einmal gesagt hatte, er wäre das Beste, was er jemals in seinem Leben gegessen habe. Dies war bereits über zehn Jahre her und dennoch backte seine Mutter ihn jedes Mal, wenn er kam. Er brachte es einfach nicht übers Herz ihr mitzuteilen, dass er mittlerweile gar nicht mehr so auf Apfelkuchen abfuhr.

„Ach Mom…“, murmelte er und schritt in die Küche, wo er versuchte auf sich aufmerksam zu machen. Seine Mutter jedoch, war so in die Musik und das Backen vertieft, dass sie ihn nicht wahrnahm. So hatte er aber die Möglichkeit, sich seine Mutter etwas genauer anzusehen. Als er ein Kind gewesen war, hatte er die ständig wechselnden Launen seiner Mutter als Abenteuer gesehen. Jeden Tag war es eine Überraschung, jeden Tag forderte es eine Umstellung seiner selbst. Früher hatte er nicht gewusst, weshalb seine Mutter immer wieder, für ein paar Wochen, verschwand. Sein Vater hatte ihm immer erklärt, dass Mommy Urlaub machen würde. Erst Jahre später war ihm klar geworden, dass seine Mom in regelmäßigen Abständen in Kliniken eingeliefert worden war.

Die Psychische Störung, hatte sie bereits einen Großteil ihres Lebens begleitet. Sogar als sie Dad kennengelernt hatte, war sie bereits vorhanden gewesen. Vielleicht machte er ihm auch deswegen so große Vorwürfe, dass er einfach gegangen war. Dass er sie im Stich gelassen hatte. Er hatte vorher schon gewusst, worauf er sich einließ und dennoch hatte er seine Sachen gepackt und war auf Nimmerwiedersehen verschwunden.  Danach, war es mit seiner Mutter nur noch schlimmer geworden. Die Angst davor, noch mehr Familienmitglieder zu verlieren hatte sie dazu getrieben, Kyle vollkommen zu verziehen. Sie hatte ihn beinahe erdrückt mit ihrer Liebe, während Carly unter den Tisch fiel. Carly war das schwarze Schaf der Familie gewesen. Eigentlich ja ihr gemeinsamer Vater, doch es entsprach einer unausgesprochenen Regel, dass sein Name nie wieder in diesem Haus genannt werden würde.

Da seine Mutter nicht im Stande gewesen war, sich um Carly zu sorgen, hatte er diese Aufgabe übernommen und mit ihr, viele weitere, die sein Vater ihm hinterlassen hatte. Er hatte seiner Mutter oft zugehört, wie sie darüber sinnierte, welche Schweine Männer doch seien, dabei eifrig genickt und ihr zugestimmt und gleichzeitig das Essen für Carly vorbereitet, die immer sehr spät erst nach Hause gekommen war, da sie in unterschiedlichsten Vereinen und Freizeitgruppen war. Soviel hatte seine Mutter zumindest für sie getan. Sie hatte ihr alles ermöglicht, nur nicht in Liebe aufzuwachsen. Davon hatte er hingegen genug bekommen. Die Angst, seine Mutter oder andere Frauen so sehr zu enttäuschen, wie es sein Vater einst getan hatte, wuchs stetig an in seinem Inneren und so war er, nach dem Vorfall mit 16 Jahren, zu dem Entschluss gekommen, niemanden zu sehr an sich heran zu lassen. Dadurch konnte man ihm nicht weh tun, was jedoch noch wichtiger war, dadurch konnte er niemandem einen tiefgreifenden Schmerz zufügen. Diese ganzen Dinge hatten ihn geprägt, hatten ihn zu dem gemacht was er heute war. Nur in den letzten paar Wochen hatte er ab und an mal darüber nachgedacht, ob es nicht vielleicht doch möglich wäre, sich jemandem zu öffnen.

Diesen Gedanken konnte er jedoch nicht mehr fortführen, denn seine Mutter suchte sich diesen Moment aus, um ihn endlich zu entdecken. Sie ließ einen fröhlich klingenden Laut aus und stürmte mit offenen Armen auf Kyle zu. Er überragte sie mittlerweile um etwas mehr als einen Kopf, dennoch rissen ihn ihre Arme nach unten und sperrten ihn ein.

„Hey Mom. Ich hab nach dir gerufen! Alles klar bei dir?“, fragte er sie, während er sich immer noch in ihrer Klammerhaften Umarmung befand.

„Mein Junge. So lange ist es her, dass du bei uns warst. Du solltest dich schämen!“, sagte sie gespielt empört, lächelte dabei jedoch breit und stieß ihn ruckartig von sich, nur um zu sagen „Lass dich ansehen!“. Sie musterte ihn glücklich und meinte, er müsse wohl in der letzten Zeit zu wenig gegessen haben, denn er habe abgenommen. Außerdem sehe er ein wenig müde aus, was Kyle jedoch auf die Fahrt schob. Er wusste, er müsste seine Mutter gleich darauf ansprechen, was geschehen war, doch er wollte ihr diesen glücklichen Moment einfach nicht ruinieren. Seine Schwester hingegen dachte da anders, denn keine fünf Minuten später betrat Carly die Küche, setzte sich an den Tresen und sah ihre Mutter eindringlich an.

„Mom, was war schon wieder los? Du wurdest schon wieder festgenommen!“, man hörte Carlys Stimme an, wie müde sie selber war.

„Ach Papperlapapp. Die haben ein riesen Theater um gar nichts gemacht!“, sagte ihre Mutter und tat das ganze mit einer zusätzlichen, wegwischenden Handbewegung ab.

„So ein Blödsinn. Sie haben dich beim klauen erwischt Mom. Dafür kannst du in anderen Ländern gehängt werden!“, sagte Carly, weil sie ihrer Mutter begreiflich machen wollte, dass das etwas ernsthaftes war.

„Junge Dame! Ich lasse mich nicht von dir blöd von der Seite anreden. Hab ein wenig Respekt!“, sagte ihre Mutter und stemmte die Arme in die Hüften. Carly war es gewohnt, dass sie so mit ihr sprach, Kyle hingegen war geschockt von dem Ton den seine Mutter seiner Schwester gegenüber angeschlagen hatte.

„Mom, ruhig! Carly hat doch Recht. Du kannst nicht einfach so in irgendwelche Geschäfte spazieren und Unterwäsche klauen!“, erklärte Kyle und war sich des, eigentlich lächerlich erscheinenden Inhalts, durchaus bewusst. Wäre diese Lage nicht so ernst, würde er vielleicht sogar darüber lachen. Die Augen seiner Mutter richteten sich auf ihn und just in diesem Moment spürte man, wie ihr Blick weich wurde.

„Aber mein Schatz, ich wollte doch nur den Armen helfen!“, sagte sie und ließ sich dann atemlos auf einen Stuhl niederfallen. Kyle sprang auf, weil er Angst hatte, sie würde aufgrund der Kritik, einen Schwächanfall erleiden doch nichts dergleichen geschah.

„Das ist mir bewusst, doch trotzdem kannst du nicht einfach etwas klauen. Wenn du helfen willst, musst du es bezahlen aber nicht einfach mitnehmen!“, erklärte er ihr und fühlte sich, wie die Kindergärtnerin seines Neffen Jamie, wenn sie ihren Schützlingen erklärte was gut und was schlecht war.

„Aber ich hatte kein Geld dabei und die Teile waren so wunderschön…“, sagte seine Mutter und er sah, wie sich die Tränen in ihren Augen sammelten. Er wollte ihr am liebsten sagen, dass es in Ordnung sei. Dass doch eigentlich nichts passiert sei, doch konnte er dies nicht. Wegen diesem Vergehen und noch ein paar anderer die vorher bereits geschehen waren, zog man es in Betracht, Anklage gegen seine Mutter zu erheben. Sie würde freilich nicht für schuldig gesprochen werden, wegen ihrem Psychischen Zustand, doch konnte man sie zwingen, sich dauerhaft in eine Einrichtung zu begeben, in welcher sie unter ständiger Beobachtung stehen würde. Kyle wollte sich gar nicht erst ausmalen, wie es seiner Mutter dort ergehen würde. Der Polizist mit dem er telefoniert hatte, hatte ihm jedoch gesagt, dass, sollte seine Mutter sich freiwillig in eine solche therapeutische Wohneinrichtung begeben, von der Anklage abgesehen werden würde. Hop oder Top hießen die Möglichkeiten, doch beide waren nicht gerade berauschend.

Wie konnte er seiner Mutter nur begreiflich machen, dass sie sich endlich professionelle Hilfe suchen musste? Wie sollte er das schaffen, woran so viele Menschen vor ihm bereits gescheitert waren? Doch er musste sein bestes tun, denn er konnte nicht weiterhin von Carly erwarten, dass sie sich um ihre Mutter kümmerte, während sie so wenig Wertschätzung von dieser bekam. Außerdem erschien es Kyle, als würde sie immer unberechenbarer werden. Es tat weh sich eingestehen zu müssen, dass die eigene Mutter nicht gesund war, doch dieser Tag lag bereits einige Jahre zurück. Noch mehr würde es schmerzen seiner Mom begreiflich zu machen, dass sie ihr selbstbestimmtes Leben erst einmal aufgeben musste. Das, oder man zwang sie dazu. Doch auch dieser Tag würde irgendwann einige Jahre zurück liegen.

„Ok, lass uns das Thema für heute beenden. Ich bin hundemüde und würde gerne ins Bett fallen. Wie wäre es, wenn wir den morgigen Tag einfach zusammen verbringen und dann darüber sprechen?“, sagte Kyle, weil ihm in diesem Moment die Kraft und Energie fehlte, mit seiner Mutter zu diskutieren. Seine Mutter schien offenbar einverstanden zu sein, denn ihr Gesichtsausdruck erhellte sich schlagartig.

„Oh ja, das fände ich schön!“, sagte sie mit im Schoß verschränkten Händen und blickte zu Kyle hinauf als wäre er der Fels in der Brandung. Ihr Anker, ihr Rettungsring. Er wollte keine solch gewichtige Aufgabe inne haben, doch er konnte es nicht ändern.

„Carly, begleitest du mich nach oben?“, fragte Kyle seine Schwester, welche, glücklich über die Fluchtmöglichkeit, sofort aufsprang. Bevor beide jedoch die Küche verlassen konnten, sagte seine Mutter in scharfem Ton „Carly, sorg dafür, dass Kyle frische Bettwäsche bekommt und leg ihm ein paar Handtücher heraus!“, dann drehte sich seine Mutter um und machte sich daran, den Apfelkuchen fertig zu bekommen. Den würde es dann wohl morgen zum Frühstück geben. Kyle erschrak erneut über die Forschheit seiner Mutter Carly gegenüber doch als er zu ihr hinab blickte, hatte sie ihn bereits im Blick.

„Wag es ja nicht mich jetzt mitleidig zu betrachten Kyle. Ich mache das schon seit Jahren durch, also sei jetzt einfach ruhig!“, und schon machte sie sich daran, den Gang entlang zu spazieren und kurz darauf die Treppe empor zu steigen.

Kyle wusste nicht, was er dazu noch sagen sollte und so ertappte er Carly dabei, wie sie tatsächlich sein Bett für ihn bezog, als er in sein altes Zimmer spaziert kam.

„Carly, das musst du wirklich nicht machen!“, erklärte er ihr und ging auf sie zu, um ihr die Decke aus der Hand zu nehmen doch sie zog sich von ihm zurück.

„Ich mache das wirklich gerne, ok? Außerdem ist es einfacher Moms Befehlen Folge zu leisten, als sich dagegen zu wehren. Du weißt selber, dass man mit ihr nicht diskutieren kann! Also lass mich das schnell fertig machen, dann lass ich dich auch schon in Ruhe!“, entgegnete Carly und legte die Decke auf einen Stuhl, um das Bettlaken wechseln zu können.

Kyle sah seiner Schwester zu, wie sie mit geschickten Handbewegungen innerhalb von nur ein paar Sekunden das neue Bettlaken auf dem Bett ausbreitete und auch kurz darauf gleich festmachte. Seine Schwester hatte sich eindeutig verändert. In Hiltons, war ihm das kaum aufgefallen doch jetzt, hier in ihrem Haus in dem sie aufgewachsen waren, merkte er es umso mehr. Er setzte sich auf den Stuhl an seinem Schreibtisch und betrachtete die Bilder, die ringsherum aufgehängt und verteilt waren. Eines sprang ihm ganz besonders ins Auge, neben denen von seinen Freunden, von seinen Freundinnen und Mannschaftskollegen aus der High School. Es war ein Familienfoto, welches er einst hinter den anderen versteckt hatte, weil er es nicht ertragen hatte, es ständig zu betrachten. Es wegzuschmeißen, hatte er nicht übers Herz gebracht.

Er zog es hinter den anderen hervor und betrachtete es genauer.

Ein großer blonder und starker Mann, hielt seine Hände schützend über die Schultern zweier Kinder, die ebenso blond geraten waren wie er selber. Er lächelte. Wenn Kyle es nicht besser wüsste, dann hätte er gesagt, dass sein Vater so aussah, als würde er die Stärke in seiner Familie darstellen, doch keine fünf Jahre, nachdem dieses Foto gemacht worden war, war sein Vater abgehauen und hatte seither nichts mehr von sich hören lassen.

„So, ich bin fertig. Ich geh mich jetzt hinlegen! Das solltest du übrigens auch machen, denn wir haben einen anstrengenden Tag vor uns!“, sagte Carly hinter ihm, wartete jedoch seine Antwort nicht mehr ab und ging stattdessen leichtfüßig aus dem Zimmer.

Seine Familie war ihm einst wie ein sicherer Hafen vorgekommen, doch jetzt, Jahre später erkannte er, was sie tatsächlich darstellte.

Eine Art Flickenteppich, nicht mehr vollständig. Jeder hatte seine eigenen Probleme und war damit beschäftigt diese zu lösen oder auszubaden. Er hatte einst vor Jahren einen Entschluss gefasst, niemals jemanden so zu verletzen, wie sein Vater es einst bei ihnen getan hatte. Das bedeutete jedoch, dass er all diejenigen denen er am Herzen lag auf Abstand halten musste. Diesen Entschluss hatte er damals gefasst, als seine Mutter ihm immer wieder gesagt hatte, wie sehr er sie doch an seinen Vater erinnerte. Eines Tages hatte sie als Zusatz hinzugefügt „Du bist genauso wie dein Vater mein Liebling. Aber ich bin mir sicher, dass du niemals jemanden so im Stich lassen wirst wie er!!“

Das hatte ihn stark unter Druck gesetzt und nachdem kurz darauf die Sache mit Carol geschehen war, hatte er sich diesen Panzer zugelegt. Er hatte viele Frauen verletzt, ja, aber diese Verletzungen waren alle nur sehr kurzer Natur gewesen, denn keine von ihnen war wirklich auf seine Liebe aus gewesen. Nein, er hatte ihnen immer genau gesagt, was er von ihnen wollte. Manche hatten sich zwar die Hoffnung gemacht, dass genau SIE diejenige sein sollte, die ihn von dieser Ansicht abbringen konnte, doch keine hatte es geschafft. Bis jetzt.

Mit einem Mal, schweiften seine Gedanken zu Sam. Sie schien dasselbe zu wollen wie er. Sie hatten darüber gesprochen und sich darauf geeinigt. Sie führten keine Beziehung oder etwas in der Art, sondern sie waren befreundet und schliefen zusätzlich miteinander. Sein gesunder Menschenverstand sagte ihm bereits zu diesem Zeitpunkt, dass dies nicht ewig so laufen konnte, doch alleine die Vorstellung, Sam nicht mehr berühren oder ihrer Nähe sein zu können, machte ihm solche Angst, dass er jedes Mal, wenn seine Gedanken in die Richtung abschweiften, den Kopf schüttelte und sich ablenkte. Doch dieses Mal versuchte er sich für kurze Zeit damit auseinander zu setzen und kam schlussendlich zu folgendem Ergebnis: Solange zwischen ihm und Sam auf diese Art und Weise alles rund lief, brauchte er sich keine Sorgen zu machen. Die sollte er sich erst in dem Moment machen, in welchem einer von beiden nicht mehr das gleiche wollte wie der andere. Und er befürchtete, dass dieser eine nicht Sam sein würde. 

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Hallo ihr Lieben!!!;D 

Es tut mir furchtbar Leid, dass es so ewig gedauert hat, aber vorher bin ich einfach nicht dazu gekommen!!! 

Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen, auch wenn es nicht sonderlich Actionreich ist, aber ich denke der Vollständigkeitshalber, sollte es einfach drinnen sein;D 

Abstimmen und Kommentieren wäre sehr nett! Würde mich auf jeden Fall riesig freuen;D 

glg 

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