30 - Du lebst

[Louis]

Harry hielt mich fest in den Armen, strich mir durch die Haare und flüsterte immer wieder beruhigende Worte, die ich nicht verstand.
Irgendwann betraten andere Leute den Raum und als ich aufsah, erkannte ich, dass es Sanitäter waren.
Sie waren mit eiligen Schritten bei mir, weshalb Harry sich von mir löste.
"Okay, wer nicht verletzt ist, verlässt bitte den Raum!" sprach eine der Sanitäterinnen und blickte Harry an, der sofort den Kopf schüttelte.
"Ich bleibe hier."

"Nein, tun Sie nicht. Wir brauchen hier Platz." fuhr sie ihn an, während ihr Kollege sich zu mir hinkniete und mich leicht anlächelte, ehe er sich meine Schulter ansah.
Harry schnaubte. "Ich bewege mich hier nicht weg."
Die Sanitäterin baute sich vor ihm auf. "Raus hier! Sie können gleich wieder zu ihm, doch jetzt gehen sie gefälligst aus dem Raum!" schnauzte sie ihn lautstark an, was mich zusammenzucken ließ.

Harry sah mich an, in seinen Augen spiegelte sich Wut und Besorgnis. Ich nickte ihm leicht zu, signalisierte ihm, dass es okay war, woraufhin er die Sanitäterin mit einem vernichtenden Blick bedachte und den Raum verließ.
Die Sanitäter kümmerten sich um Niall und mich, der neben mir saß und ich sah ihn an.
"Niall, es tut mir so leid." flüsterte ich.
Er sah mich erschöpft an, auch an ihm waren die Geschehnisse nicht spurlos vorbei gegangen.
"Du kannst doch nichts dafür. Die ist doch völlig gestört."
Ich schluckte und nickte leicht, während der Sanitäter die Wunde reinigte, weshalb ich leise aufzischte.
"Es wird gleich besser." versicherte der Mann mir und lächelte mich wieder leicht an.
"Das ist eine Stichverletzung. Es gab also einen Kampf?" fragte er nach.
Ich nickte einfach nur, wobei man es nicht Kampf nennen konnte. Ich hatte mich ja überhaupt nicht wehren können.
Wieder hörte ich die Aufzugstür, die sich öffnete, und aus dem Flur hörten wir aufgeregte, leise Stimmen. Dann hörte ich Harry. Und der war so gar nicht mehr leise oder sanft.

"Wie zur Hölle konnte das passieren?! Wo warst du?" brüllte er plötzlich und ich sah zur Tür und runzelte die Stirn.
"Er hat...scheiße, wir hatten die Wohnung durchsucht. Er meinte, Niall würde kommen. Er hat mir freigegeben!" Das war eindeutig Paul. Scheiße, Paul.
Harry würde ihn zu Kleinholz verarbeiten.

"Er hat dir freigegeben?! Bist du völlig irre?!"
Verdammt.

"Ich muss aufstehen." sagte ich dem Sanitäter, der mich verwirrt ansah.
"Sie müssen in's Krankenhaus. Das müssen sie, und nur das."
"Später!" sagte ich sofort, schob den Mann vorsichtig von mir weg und stand auf, Niall half mir Gott sei Dank dabei und gemeinsam gingen wir in das Schlafzimmer, von welchem aus wir den Flur sehen konnten. Die protestierenden Sanitäter blendete ich aus.

"Harry, es...die Situation war sicher!" Paul verteidigte sich und ich konnte Harry sehen, sein ganzer Körper bebte.
"Ich mach dich fertig!" brüllte er und wollte auf Paul losgehen. Der schreckte zurück und Zayn sprang auf Harry zu und versuchte ihn zurückzuhalten. Es passierte alles innerhalb eines Wimpernschlages.

"Harry!" rief ich erschrocken und der Lockenkopf stoppte in seinen Bewegungen, drehte den Kopf zu mir und in seinem Gesicht zeichneten sich die verschiedensten Emotionen ab. Aber vor allem war da Wut.
Als er realisierte, dass ich es war, veränderte sich sein Blick. Seine Augen wirkten plötzlich beinahe verzweifelt.
"Er hat dich alleine gelassen!" rief er aus, seine Stimme zitterte.
Ich nickte. "Das ist alles meine Schuld. Ich hab...ich hab ihm frei gegeben. Wenn du auf jemanden sauer sein solltest, dann auf mich!" sprach ich, zitterte selbst wieder, denn ich hatte solche Angst vor seiner Reaktion.

Er ließ die Schultern sinken und ging auf mich zu. Ich schluckte und wurde automatisch kleiner, spannte mich an.
Als er bei mir ankam, rechnete ich bereits damit, dass er mich anbrüllen würde, doch er blieb vor mir stehen.
Dann sah er Niall an. "Lässt du uns kurz allein?"
Dieser nickte eingeschüchtert, warf mir noch einen Blick zu, dann ging er in den Flur. Die Sanitäter folgten ihm sofort, ohne dass Harry etwas sagen musste.
Er schloss die Tür, drehte sich dann wieder zu mir und sah mich an, musterte mich und blickte auf meine Schulter und das blutgetränkte Shirt, welches an mir klebte.
"Was ist genau passiert?" fragte er.

Ich erzählte ihm alles, bis ins kleinste Detail. Von Niall, der Klingel, von dem Messerangriff und dass ich gedachte hatte, sie würde mich umbringen. Was sie gesagt und getan hatte, dass sie die Kamera's in London verteilt hatte, einfach alles.
Er hörte mir aufmerksam zu, jeder Muskel seines Körpers war zum Zerreißen gespannt und er löste den Blick nicht von meinen Augen.
Mit jedem Satz wurde ich kleiner, Tränen liefen mir über die Wangen und meine Angst vor seiner Reaktion wuchs ins Unermessliche.
Als ich fertig war mit meinem Monolog, tat er etwas, mit dem ich nicht gerechnet hatte.
Harry ließ sich vor mir auf die Knie sinken, ließ den Kopf hängen.
Als ich den Schluchzer hörte, tat ich es ihm gleich, fiel auf die Knie, legte eine Hand an seine Wange und sah ihn erschrocken an. "Hazza?" hauchte ich kaum hörbar.
Er sah zu mir, das Gesicht verzerrt, er weinte. Harry Styles weinte.

"Als du dich nicht gemeldet hast, wusste ich, dass was nicht stimmt. Ich hab's geahnt. Ich hab Zayn angerufen, doch er hat nichts von dir gehört. Er hat mir einen Flug organisiert, irgendein scheiß Privatjet, keine Ahnung, aber ich bin sofort hergeflogen. Und dann...es ging nur noch die Mailbox bei dir ran, die ganze Zeit." Er schluchzte auf.
"Ich hab dich alleine gelassen, Lou. Ich hab wieder versagt, ich hätte auf dich aufpassen müssen. Das hätte alles nicht passieren müssen, wenn ich nicht zu dieser verdammten Hochzeit geflogen wäre!"
Seine Stimme war verzweifelt und er sah mich an voller Reue.
"Es tut mir so unendlich leid, Lou." hauchte er.

"Engel, nein." flüsterte ich und schüttelte sofort energisch den Kopf. "Du bist an nichts Schuld! Du hast nichts falsch gemacht, Harry, du hast mir das Leben gerettet! Du bist hergekommen! Ohne dich...Harry, ohne dich wäre ich vermutlich nicht mal mehr hier!"
Er sah mich an und mir brach sein Anblick das Herz, er wirkte so gequält und schüttelte den Kopf.
"Du lebst." wisperte er.
Ich nickte sofort. "Ich bin quicklebendig, Hazza. Ein bisschen lädiert, aber ich lebe. Es ist alles okay! Du hast sie geschnappt, du hast uns gerettet!" wiederholte ich meine Worte eindringlich, wischte ihm die Tränen sanft von den Wangen.

Er atmete zittrig aus, sah mir in die Augen und legte seine Hände nun auch an meine Wangen.
"Ich hätte mir das niemals verziehen, wenn dir was passiert wäre. Ich hätte...Lou, ich liebe dich so sehr, ich hätte dich nie allein lassen dürfen. Ich hätte dich beschützen müssen."
Mein Herz machte einen wilden Hüpfer und ich schluchzte leise auf vor Erleichterung.
"Ich liebe dich auch, Hazza."
Seine Augen weiteten sich leicht und er sah mich beinahe überrascht an.
Ich schniefte und nickte. "Es ist alles gut."
Das war es natürlich nicht, denn der Schock saß tief, doch in diesem Moment war es gut. In diesem Moment, in dem wir uns wieder hatten, uns in die Augen sahen, war für mich einfach alles gut.
Harry liebte mich. Er war nicht sauer auf mich, er würde mich nicht verlassen. Er liebte mich!

Wir sahen uns weiter in die Augen, bis sich die Tür öffnete und der Sanitäter wieder im Türrahmen stand.
"Ich will sie ungern unterbrechen, doch diese noch immer blutende Stichwunde muss jetzt dringend behandelt werden."

***

Im Krankenhaus wurde ich zunächst versorgt, die Wunde wurde genäht und die Ärztin sagte mir, ich hatte Glück gehabt. Die Verletzung war nicht sehr tief und es würde maximal eine unschöne Narbe davon übrig bleiben.
Danach waren noch Polizisten da, die meine Aussage aufgenommen hatten.
Harry war mir nicht mehr von der Seite gewichen. Die Ärztin hatte Gott sei Dank nicht so ein Aufsehen darum gemacht und hatte ihn meine Hand halten lassen, während sie mich behandelt hatte.

Nun lag ich in dem Krankenbett, wartete auf meine Entlassung und Harry lag neben mir, hatte den Arm schützend um mich gelegt und küsste meinen Kopf sanft.
Er wollte gerade etwas sagen, als es klopfte und die Tür sich öffnete.
Wir sahen beide in die Richtung und als Zayn den Raum betrat, setzten wir uns beide wieder auf.
Er wirkte völlig fertig und sah mich an.
"Louis, mein Gott. Das...es tut mir alles so leid. Bist du okay?"
Ich nickte leicht. "Wird wieder, danke. Und du kannst nichts dafür. Ich danke dir, dass du den Flieger organisiert hast."
"Ich ging davon aus, dass Paul alles im Griff hat. Wir waren dir wirklich kein gutes Team, dafür möchte ich mich entschuldigen. Wir hätten alles ganz anders organisieren müssen." sprach er und ich konnte sein schlechtes Gewissen förmlich riechen. "Paul habe ich vorhin mit sofortiger Wirkung entlassen. Er hat versagt. Er hätte bei Niall wenigstens nachfragen müssen, ob er da ist, er hätte mit dir hoch gehen müssen, bis Niall angekommen wäre. Das war fahrlässig."

Ich sah ihn ein wenig erschrocken an. Ich fühlte mich schlecht, immerhin hatte ich selbst Paul weg geschickt, was ich ihm auch sagte.
"Und genau das ist das Problem. Wir haben zu oft auf dich gehört. Ich schließ mich da mit ein. Wir waren inkonsequent und unvorsichtig."
Seine Offenheit schien auch Harry zu überraschen, wir beide sahen ihn nun an und konnten kaum fassen, was er sagte.
Ich nickte ihm dankbar zu. "Mir tut's auch leid. Dass ich so gedankenlos war, so schwierig. Das wird sich ändern."

"Dann fang gleich damit an. Wir haben die Tour verschoben. Es bringt so einfach nichts. Mit so einer Verletzung ist es nicht zu verantworten, dich auf eine Bühne zu stellen. Du sagst, wann es wieder losgeht, aber ich will mindestens ein halbes Jahr verschieben."
Sofort nickte ich ergeben. "Gut."

Es war natürlich nicht gut, doch ich wusste, dass ich heilen musste. Innerlich wie äußerlich. Ich war ein Wrack gewesen und ich hatte mich auf meinen Drogenkonsum und den Alkohol verlassen, doch es waren beide schlechte Berater gewesen.
"Alles was ich will, ist gesund werden und dann zurück auf die Bühne gehen, Zayn. Das ist meine Priorität." sagte ich und blickte dann zu Harry hoch.
"Ich will einen Entzug machen."
Er lächelte mich an und küsste meine Schläfe.
"Ich bin stolz auf dich, Love."

Ich lächelte ebenfalls und nickte leicht.
Es war nicht einfach gewesen, mir einzugestehen, dass ich ein größeres Problem hatte, doch das war so und ich konnte das nicht länger leugnen.
Ich musste mich endlich als Priorität sehen und gesund werden.
Auch für meine Fans, denn die wollte ich ebenfalls nicht enttäuschen.
Ich musste mein Leben endlich in die Hand nehmen und es wieder in den Griff kriegen. Das hatten mir die letzten Ereignisse deutlich gezeigt und vor allem hatte es mir Harry gezeigt.
Er war es, der mir Kraft gab.

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