Prolog

Leise plätscherte die klare Stimme von Doris Day im Hintergrund, als er sich an dem zauberhaft gedeckten Tisch niederließ. Wie die eleganten Platzdecken, hatte er den antiken Plattenspieler selbst mitgebracht, denn die Stimmung sollte perfekt sein. Erst durch das gelegentliche Kratzen wirkte die Aufnahme authentisch und verlieh der Atmosphäre den letzten Schliff.

Das Klappern aus der Küche ließ ihn zusammenzucken. Clarissa musste ein Utensil in die Spüle fallen gelassen haben. Umsichtig zog er den blauen Kugelschreiber von seiner tadellos gebügelten Hemdtasche und machte einen weiteren Strich in das kleine Notizbuch. Zwölf hatte sie bereits gesammelt. In der Tat hatten sie einen holprigen Start gehabt, nachdem er ihr seine Absichten erklärt hatte, aber die junge Frau machte sich langsam.

„Ich ..." Wie ein scheues Reh linste sie aus der Küche ins Esszimmer. Die hellblonden Korkenzieherlocken tanzten um das weiche runde Gesicht.

„Ja, Liebes?" Er strahlte sie an.

„D... der Braten i... ist soweit."

„Wunderbar! Ich sterbe vor Hunger!" Voller Vorfreude betrachtete er die liebevoll gefaltete Stoffserviette auf seinem Teller. Mal sehen, ob sie die Etikette beim Essen beherrschte. Die komplette Ausstattung hatte er stellen müssen, denn sie besaß weder echtes Silber noch wertige Kristallgläser, geschweige denn einen annehmbaren Weinvorrat.

Schwankend stöckelte sie näher. Offensichtlich hatte sie verlernt, wie man sich auf High Heels bewegte. Verdammt möge die Sneakerindustrie sein! Leider hatte er nicht genug Zeit, sie in seinem Geschenk üben zu lassen. Und er musste zugeben, die Manolos waren ihr eine Nummer zu groß. Sie hatte zierlichere Füße als seine Frau sie gehabt hatte.

„Das riecht köstlich!" Prüfend schabte er mit der Messerspitze über die Kruste. „Aber kann es sein, dass der Mantel etwas zu dunkel geworden ist?" Mahnend zog er eine Augenbraue nach oben und zeichnete kopfschüttelnd einen weiteren Strich in sein Büchlein. Er meinte wahrzunehmen, dass sie ängstlich zusammenfuhr.

Gut.

„Was ist mit den Beilagen? Du willst doch nicht den Braten kalt werden lassen, oder?"

Hektisch drehte die junge Frau sich um und wackelte auf den roten Schuhen in die Küche zurück. So schnell, dass man meinen könnte, sie fühle seine tastenden Blicke auf ihrer bloßen Rückseite. Außer den Schuhen und der weißen Rüschenschürze trug sie keine Kleidung und ihr wohlgeformter breiter Hintern bebte bei jedem Schritt. Die Vorfreude auf den weiteren Verlauf des Abends machte sich durch eine größer werdende Beule in seiner Anzughose bemerkbar. Wie immer behielt er jedoch die Kontrolle über sich. Er war nicht für einen schnellen Fick hier. Dieses Ritual bedeutete so viel mehr.

Während sie in der Küche war, stimme Elvis seinen wohl bekanntesten Hit ‚Love Me Tender' an. Ach, die gute alte Zeit. Wie von selbst bewegte sich sein Kopf sacht im Takt.

Als sie endlich Kroketten, Salat und gemischtes Gemüse auf den Tisch gestellt hatte, stand er auf um ihr den Stuhl zurechtzurücken. Seine Mutter hatte ihm immerhin Manieren beigebracht. Er widerstand der Versuchung über die zarte Haut zu streifen. Selbst als der milde Duft ihrer Haut in seine Nase stieg und ihn fast vor Verlangen explodieren ließ. Clarissas ganzer Körper zitterte und eine kleine Perle Angstschweiß rollte die Wirbelsäule hinab, genau zwischen den beiden niedlichen Grübchen über den Pobacken hindurch.

„Merlot." Fachmännisch öffnete er die Weinflasche und schnupperte am Korken. Nachdem er ausführlich die kleine Probe in seinem Glas geschwenkt und gekostet hatte, füllte er ihres. „Buccella 2025. Einer meiner Lieblinge. Nur für ganz besondere Damen." Er schenkte ihr ein verschwörerisches Lächeln, doch sie erwiderte den Blick nicht und verzog das Gesicht zu etwas, das einer Grimasse ähnelte.

Er nahm Platz und hob sein Weinglas. Einen Augenblick schien sie nicht zu wissen, was er von ihr wollte, beeilte sich dann aber es ihm nachzutun. Während sein Wein einem spiegelglatten Teich ähnelte, glich ihrer einem sturmgepeitschten Ozean.

„Auf einen ganz besonderen Abend. Wie wundervoll, dass das Schicksal uns zusammengeführt hat, liebe Clarissa."

Als er ihren Namen aussprach, begegneten sich endlich ihre Blicke und ein wohliger Schauer rauschte durch seinen ganzen Körper. Alles, was er sich erhofft hatte, fand er in diesen eisblauen Augen.

Seit der Apokalypse hatten die Frauen ihren Platz verlassen. Vergessen was ihre Aufgabe war. Ihr Nutzen. Sie hatten die Angst und damit den Respekt vor dem starken Geschlecht verloren. Doch nicht mehr lange. Er, und Männer wie er, würden die Sache geradebiegen. Herausfinden, wie die neuen Unannehmlichkeiten rückgängig gemacht werden konnten. Dann würde die Welt wieder in den vorgesehenen Bahnen laufen.

Bis dahin würde er seinen Auftrag genießen. Sich an jedem Augenpaar, das ihn auf diese Weise ansah, weiden! An der Angst. Angst vor den Schmerzen mit denen sie rechnete. Angst vor der Demütigung, die unweigerlich auf sie zukam. Angst vor dem furchtbaren Tod, der sie ereilen würde, noch bevor die Nacht vorüber war.

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