~Kapitel 92~
Einige Momente herrschte absolute Stille und ich traute mich nicht einmal auf zu sehen. Sie mussten wahnsinnig enttäuscht von mir sein. Es gab nur eine Sache, um die ich mich kümmern sollte und ich habe versagt.
Ich musste das irgendwie wieder gerade biegen, das konnte ich doch nicht so stehen lassen.
"Okay super, dann geh ich mal meine Koffer packen", murrte Shawn und ich spürte, dass seine Wut gerade nur seine Angst und Panik überspielte.
Am Liebsten würde er schreien und weinen und ich konnte es so gut verstehen. Nach Allem was er durchgemacht hatte, war das hier das Letzte was er gebrauchen konnte.
Und das Alles nur wegen einem psychopathischen Bekannten.
"Warte, wir haben seine Adresse!", rief ich ihm hinterher in der Hoffnung ihm einen klitzekleinen Lichtblick zu schenken.
Er blieb stehen, drehte sich langsam um und sah mich aus kalten Augen an.
Er verschloss sich und das jagte mir eine Heidenangst ein.
"Und jetzt? Was stellst du dir vor? Dass wir dahin fahren, klopfen und ihn bitten uns rein zu lassen, damit wir die Dateien löschen können?", fragte er ironisch lachend.
Ich hasste es, wenn er mich so ansah, als wäre ich komplett gestört, doch unsere Möglichkeiten waren begrenzt und ich würde ihn damit jetzt ganz sicher nicht alleine lassen. Nur über meine Leiche.
"Das vielleicht nicht, aber.. ich könnte doch hingehen", schlug ich kleinlaut vor und wurde mir erst über die Bedeutung meiner Worte bewusst, als ich sie bereits ausgesprochen hatte. Kurz blieb es still, bevor Connor sich zu Wort meldet.
"Wie stellst du dir das vor?", wollte er wissen. Ich überlegte einen Moment und atmete tief durch.
Ich wusste selbst, dass das die dämlichste Idee war, die mir jemals in den Sinn gekommen ist, doch welche Alternativen blieben uns?
"Ihr solltet doch wissen, wann sein nächster Fight ist, oder? Ihr bringt mich dorthin und ich überzeuge ihn davon, mich mit zu ihm nach Hause zu nehmen.
Ich kenne sein Passwort, warte auf den richtigen Moment und lösche die Dateien. Es wird ein Kinderspiel, ich weiß doch sogar wo genau sich die Dateien befinden.
Er hat keinen Backup mehr, die Cloud ist gelöscht. Wenn wir sie auf seinem PC löschen, sind die Dateien weg", schlug ich vor und traute mich endlich wieder aufzusehen.
Die Jungs sahen zuerst mich ratlos an, dann schienen sie stumm miteinander zu kommunizieren.
"Kommt nicht in Frage, vergiss es!", knurrte Shawn plötzlich und mein Blick wirbelte zu ihm rüber in den Flur.
Die Kälte in seinen Augen hatte sich in pure Wut gewendet und würde er den Kiefer noch etwas mehr anspannen, würde der Knochen vermutlich brechen.
"Shawn, ich..", begann ich, wurde jedoch sofort von seiner lauten Stimme unterbrochen.
"Schlag dir das aus dem Kopf, Nova! Es wird nicht passieren, okay? Was denkst du, was ich für ein Mensch bin? Denkst du wirklich ich würde zulassen, dass du dich wegen mir in so eine Gefahr bringst? Tickst du eigentlich noch ganz richtig?", schrie er mir entgegen, weshalb ich zurück zuckte.
"Aber..", begann ich erneut.
"Nein! Verstehst du das nicht? Nein! Du wirst nicht meine Kämpfe austragen, schon gar nicht, wenn die Gefahr besteht, du könntest verletzt werden.
Das sind meine Fehler die ich auszubaden habe, nicht deine! Ich hole dich doch nicht aus der einen Hölle, um dich in die Nächste zu schicken!", argumentierte er weiter, doch das lies mich kalt.
Ich hatte meinen Entschluss bereits getroffen. Ich war es ihm schuldig in diese Hölle zu gehen, gerade weil er mich aus ihr befreit hat.
Noch dazu war es meine Schuld, dass wir überhaupt an diesem Punkt waren, immerhin hätte ich mir mehr Mühe geben müssen, nicht von Benton's PC entdeckt zu werden.
Es führte kein Weg daran vorbei, ich musste es tun. Egal wie sehr sich alles in mir dagegen sträubte.
"Wir haben keine andere Möglichkeit", widersprach ich und Shawn schüttelte den Kopf, bevor er seine Hände im Nacken verschränkte und aufgeregt umher lief.
"Das ist viel zu gefährlich. Wieso warten wir nicht ab, ob er seine Drohung überhaupt wahr macht?", schlug Connor vor.
"Weil es doch dann schon zu spät ist! Ich lass nicht zu, dass Shawn ins Gefängnis geht! Er ist unschuldig und der Grund wieso ich noch lebe! Ich kann das hier nicht ohne ihn!", platzte es aus mir heraus, aus lauter Angst ich könnte ihn verlieren.
Die Jungs starrten mich überfordert an, während ich meinen Blick beschämt senkte.
"Siehst du? Du verstehst es doch! Wie kannst du also von mir erwarten deiner beschissenen Idee zuzustimmen? Du bist das Wichtigste das ich habe, eigentlich bist du Alles was ich noch habe und du denkst ich würde zulassen, dass du zu einem Irren wie Chris gehst?", fragte Shawn plötzlich ruhiger und ich hob meinen Blick wieder an, um ihn anzusehen. Die Angst stand ihm wieder ins Gesicht geschrieben.
"Würde mein Vater hier auftauchen, würdest du dich vor mich stellen?", fragte ich ruhig, anstatt auf seine Worte einzugehen.
"Natürlich", antwortete er.
"Dann begreife endlich, dass ich das Selbe für dich tun würde. Und dieser Zeitpunkt ist genau jetzt. Du kannst mich nicht davon abhalten aber es ist bestimmt sicherer, wenn du mir hilfst", gab ich kühl von mir und versuchte ihm allein durch meinen Blick zu zeigen, dass er mich nicht davon abhalten könnte.
Ich war fest entschlossen und ich würde einen Weg finden, ihm da raus zu helfen. Ich musste es zumindest probieren, denn es konnte nicht schlimmer sein als der Gedanke, ohne ihn leben zu müssen.
"Du kannst nicht von mir verlangen zuzustimmen", murmelte er.
"Und du kannst mich nicht davon abhalten", entgegnete ich ihm.
Ich wusste selbst nicht, seit wann ich so mit anderen Menschen, vor allem mit Shawn sprach, doch die Angst er könnte mich davon abhalten war größer als mein Anstand und meine Angst frech zu Anderen zu sein.
"Jetzt lasst uns erstmal in Ruhe überlegen, ob das funktionieren könnte", mischte sich Jack vorsichtig ein und setzte sich zu mir an den Tisch, um zu symbolisieren, dass wir das Ganze ruhig angehen mussten.
"Wir brauchen da nicht überlegen, wir schicken sie nicht zu Benton!", brüllte Shawn aggressiv.
Mein Herz zog sich auf eine unangenehme Weise zusammen und ich war mal wieder kurz davor loszuheulen, riss mich jedoch zusammen.
Dachte er, ich würde das gerne machen? Es gab kaum etwas das mich mehr in Panik versetzte als der Gedanke einen fremden Mann soweit um den Finger wickeln zu müssen, dass er mich mit zu sich nach Hause nahm.
Aber hatten wir eine Wahl? Hatte wir nicht. Es war die einzige Möglichkeit dieses Schlamassel zu retten.
Cameron und Connor setzten sich ebenfalls zu uns an den Tisch, bevor wir alle in Shawn's Richtung blickten und darauf hofften, er würde sich zu uns setzen.
"Shawn bitte", murmelte ich nun doch den Tränen nahe.
Was brachte mir mein Leben, wenn ich es ohne ihn führen müsste? Wieso konnte er das nicht verstehen? Ich würde lieber sterben bei dem Versuch ihm zu helfen, als ohne ihn zu leben.
Langsam und mit leerem Gesichtsausdruck lief er zu uns zurück und lies sich auf einen der Stühle fallen, bevor sich unsere Blicke trafen.
Seine Augen flehten mich an, das nicht zu tun. Meine Augen antworteten ihm, dass er mich nicht davon abhalten konnte. Er versuchte es erneut, ich lies es abblitzen.
"Also.. Vorschläge?", fragte ich und versuchte mir meine Panik nicht anmerken zu lassen.
Natürlich spürte ich, dass keiner der Jungs sonderlich begeistert von meinem Vorschlag war, doch sie wussten ebenso gut, dass ich keine andere Wahl hatte.
Wir waren alle in der selben Position. Jeder von uns hatte nur überlebt, weil Shawn in unser Leben getreten ist, also konnten sie verstehen, dass ich mich dazu verpflichtet fühlte, dies für ihn zu tun.
Aus diesem Grund versuchten sie mich auch nicht davon abzuhalten, da war ich sicher.
"Ich sag das nur ungern, aber dein Plan könnte funktionieren", merkte Cameron an und ich nickte ihm dankend zu.
"Wie stellst du dir das vor?", harkte Connor skeptisch nach.
Verständlich, käme er auf so eine Idee, würde ich ihn genauso ansehen. Aber was sollte schon passieren, richtig? Es würde Alles gut gehen.
"Naja.. ihr könntet mich zu einem seiner Fights bringen und danach versuche ich irgendwie an ihn ran zu kommen.
Ich bin nicht sonderlich gut darin aber vielleicht kann ich mit ihm flirten und ihm vorschlagen, ihn nach Hause zu begleiten", schlug ich vor und beobachtete, wie Shawn seine Hände in die Tischplatte krallte. Natürlich wollte er das nicht hören, ich würde das genauso wenig hören wollen.
"Und dann?", harkte Cameron nach und ich war ihm ausnahmsweise dankbar für seine abgestumpfte Art. Er gab mir das Gefühl, als wäre meine Idee nicht geistesgestört.
"Ich gehe mit ihm nach Hause und frage ihn nach Getränken oder irgendetwas, damit er mich alleine lässt. Es ist doch ganz einfach. Ich finde den PC, lösche die Dateien und.."
"Und?", brummte Shawn.
"Dann verschwinde ich von dort", beendete ich den Plan und Shawn musterte mich mit hochgezogener Augenbraue.
"Und was ist, wenn er dich nicht gehen lässt?", harkte er weiter nach und eine Gänsehaut überzog mich. Daran hatte ich noch nicht gedacht, doch soweit würde er nicht gehen. Jeder Mann hatte schonmal einen Korb eingesteckt.
"Ich.. sage, dass ich auf die Toilette muss und hau einfach dort ab", antwortete ich.
"Nova kann uns die Adresse geben und wir warten mit dem Auto in der Nähe, damit wir sie abfangen können. Selbst wenn Benton schließlich rausfindet, dass wir dahinter stecken, hat Nova Alles belastende schon gelöscht, dann kann er dir nichts mehr anhaben", schlug Jack vor und ich nickte zustimmend.
"Außerdem wären wir von Anfang an in der Nähe, um im Notfall eingreifen zu können", sagte Connor und wieder konnte ich nur nicken.
Shawn's Kopf drehte sich zu mir und ich erwiderte seinen Blick. Erneut schickte er eine stumme Bitte in meine Richtung, doch ich lies mich nicht davon unterkriegen.
"Ich könnte mir nicht verzeihen, würde dir etwas passieren", sagte er ruhig und ehrlich, vor all seinen Freunden.
Doch das schien ihn nicht zu interessieren und um ehrlich zu sein, müssten die Jungs sowieso langsam durchschaut haben, was zwischen uns lief.
"Vertrau mir, ich schaff das", bat ich und sah ihm standhaft in die Augen. Er fuhr sich durchs Gesicht und atmete tief aus.
"Ich vertraue dir doch aber.. ich will das nicht. Ich hab dich aus dem Sinners geholt, damit du dich nicht mehr von fremden Männern anmachen und anfassen lassen musst. Ich kann nicht von dir erwarten, dass du das Selbe jetzt für mich tust", sagte er angewidert und ich biss mir fest auf die Lippe.
"Tust du nicht, ich mach das freiwillig. Außerdem lasse ich ihn nicht an mich ran. Ich verspreche es", antwortete ich ehrlich, denn ich könnte ihn nie an mich ranlassen.
Natürlich würde ich mit ihm flirten müssen, doch alles weitere war mir nicht möglich. Ich könnte nicht zulassen, dass er mich küsst oder anfasst, denn das durfte nur Shawn, sonst Niemand.
"Ich weiß nicht..", murmelte er gequält.
"Wie wäre es, wenn Nova uns anruft, bevor sie auf Benton zugeht? Wir könnten Alles mithören und würden mitbekommen, wenn Etwas nicht nach Plan läuft. Dann könnten wir sie da jederzeit rausholen", schlug Cameron vor und die Jungs nickten.
"Ja, dann höre ich auch noch, wie mein Mädchen mit meinem Feind flirtet", gab Shawn gespielt begeistert von sich und hob die Hände demonstativ. Ich atmete tief durch.
"Du weißt, dass nichts davon wahr wäre", sagte ich und sah ihn vorwurfsvoll an, weshalb er schließlich mit entschuldigendem Blick nickte.
"Also?", fragte ich, nachdem sich eine Weile Niemand zu Wort gemeldet hatte.
Innerlich wünschte ich mir, dass Alle dagegen waren und wir diesen Plan vergessen konnten. Ich hatte unglaubliche Angst und alleine beim Gedanken an die Durchsetzung wurde mir schlecht.
Doch sobald ich Shawn ansah wusste ich, dass kein Weg daran vorbei führte. Es war an der Zeit für mich, Etwas zurückzugeben, Alles wieder gut zumachen, was er für mich getan hatte.
"Einverstanden", stimmte Cameron als Erster zu. Vor ein paar Monaten hätte ich vermutet, er wäre sowieso froh mich los zu sein, doch heute war ich ihm dankbar.
"Okay", sagte auch Connor und Jack nickte ebenfalls zustimmend.
Wieder sahen wir alle zu Shawn. Seine Fassade war gebrochen, er sah nicht mehr wütend aus, einfach nur beschämt, ängstlich und traurig.
"Na schön", murmelte er schließlich und ich griff über den Tisch nach seiner Hand, um diese sanft zu streicheln.
"Dann brauch ich nur noch Etwas zum Anziehen und eine große Tasche voll mit Makeup"
+++
Was haltet ihr von dem Plan? Kann das gut gehen? Könnt ihr verstehen, dass Nova sich fühlt als müsste sie das tun?
Also ich war gestern in der after truth preview und werde gar nichts sagen aaaaber wenn ihr ihn gesehen habt, schreibt mir ich will mich austauschen 😂
Wie geht es euch? Noch ein Tag durchhalten, dann ist Wochenende ❤️
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