~Kapitel 84~
„Oh.. Ehm.. wollen wir zuerst raus gehen und ich erklär dir Alles?", schlug ich vor, weshalb er mich skeptisch beäugte.
Trotzdem zogen wir uns an und verließen das Haus, um durch die Straßen zu spazieren.
„Also?", drängte er und ich atmete einmal tief durch.
„Der Brief ist für dich. Aaliyah hat ihn bei mir abgegeben", erzählte ich vorsichtig und beobachtete ihn skeptisch. Er blieb augenblicklich stehen. Sofort griff ich nach seiner Hand und streichelte sanft darüber.
„Aaliyah war hier? Bei uns Zuhause?", wollte er wissen.
Zögerlich nickte ich und sah ihm tief in die Augen. Ich wünschte er könnte darin ablesen, dass jede Reaktion seinerseits in Ordnung wäre und dass ich ihn nicht verlassen würde, möge kommen was wolle.
Auch wenn es mich selbst überraschte, dass es mir möglich war bereits jetzt so zu denken.
Lange Zeit dachte ich, nie wieder Irgendjemandem vertrauen zu können und nun hatte ich Shawn.
„Was hat sie gesagt?", wollte er wissen und klang dabei überraschend ruhig. Doch wenn ich auch nicht behaupten wollte, ihn in und auswendig zu kennen, wusste ich doch dass dies nur der Schein war.
„Nicht viel, sie wollte nur dass ich ihn dir gebe, sie wollte nicht auf dich warten, sie schien ziemlich aufgeregt zu sein", erzählte ich ehrlich und wünschte mir endlich eine Reaktion durchscheinen zu sehen.
„Sie war nicht nervös, sie hatte Angst", gab Shawn kalt von sich und lies den Brief achtlos auf den Boden fallen, lief einfach weiter. Erschrocken löste ich mich von ihm und hob seinen Brief auf, immerhin musste er wichtig sein.
„Shawn warte!", rief ich ihm nach und folgte ihm schnellen Schrittes. Ich bekam seinen Arm zu greifen, doch er entriss ihn mir, drehte sich in meine Richtung und sah mich von oben herab an.
„Fass mich nicht an!", zischte er und atmete aufgebracht.
Vor den Kopf gestoßen blieb ich ruhig stehen und sah ihm einfach nur entgegen. Irgendwann wendete ich den Blick ab und verhielt mich einfach nur ruhig.
Nun wusste ich, wie er sich immer mit mir fühlte, einfach nur überfordert. Denn genau das war ich im Moment. Ich wusste nicht, was ich tun oder sagen sollte.
„Rede mit mir", bat ich ruhig und suchte wieder den Blickkontakt zu ihm, schluckte hart als mich sein kühler Blick traf.
Er biss fest die Zähne zusammen, sein Kiefer spannte sich an.
„Bitte", sagte ich leise und biss mir unsicher auf die Lippe.
Shawn's Blick legte sich auf meine Lippen und wie von selbst ließ ich meine Unterlippe wieder los. Langsam griff Shawn wieder nach meiner Hand und lief in eine Richtung los, ohne mit mir zu sprechen.
Ich wollte ihm ja die Zeit geben, egal wie lang es dauerte, doch ich musste einfach sichergehen, dass er sich vor mir nicht verschloss. Nicht, wenn das zwischen uns funktionieren sollte. Nicht, wenn er diese Verbindung genauso stark spürte, wie ich es tat.
Eine ganze Weile liefen wir nur durch die Gegend ohne zu sprechen, den Brief hatte ich fest umklammert, denn Etwas sagte mir, dass er extrem wichtig war.
Zuerst dachte ich, Shawn versuchte nur runter zu kommen oder Zeit zu schinden und wir hatten gar kein Ziel, doch irgendwann wurden die Häuser immer weniger und Bäume begannen uns zu umkreisen.
Ohne etwas dagegen tun zu können, hatte ich augenblicklich die Twilight Szene im Kopf, in der Bella Edward damit konfrontiert ein Vampir zu sein und ich konzentrierte mich darauf zu spüren, dass Shawn's Hände alles Andere als kalt waren.
„Gottseidank", murmelte ich, was jedoch nicht unbemerkt blieb.
„Wie bitte?", harkte er nach.
„Ach nichts", gab ich peinlich berührt zurück.
Vermutlich war es keine so gute Idee ihn in so einer Situation mit einem Roman Vampir zu vergleichen.
Shawn zog mich weiter, bis wir an einem großen Feld mit unzähligen Sonnenblumen ankamen. Es strahlte wunderschön und zog sich unglaublich weit in die Ferne.
„Wow", staunte ich und versuchte das Ende der Sonnenblumenfläche zu sehen, doch es gelang mir nicht. Shawn zeigte auf eine kleine Bank auf der anderen Straßenseite. Wir setzten uns nebeneinander darauf.
Und das ewige Schweigen ging weiter, nur dieses Mal hielt er meine Hand fest umschlossen, wippte mit dem Bein auf und ab. So hatte ich ihn noch nie erlebt.
„Du weißt, du kannst mir Alles erzählen", begann ich einen vorsichtigen Versuch.
Er schüttelte den Kopf.
„Ich hab dich gerade erst davon überzeugt ein guter Mensch zu sein und jetzt passiert sowas", sagte er anstatt auf meine Worte einzugehen.
„Nichts könnte mein Bild von dir ändern", widersprach ich ehrlich, denn es war die Wahrheit.
Seine Vergangenheit würde nichts an dem ändern, was ich vor mir sah, ganz sicher nicht. Er verurteilte mich und meine Vergangenheit nicht und ich würde das selbe tun.
„Ich weiß nicht mal wo ich anfangen soll, wie dieses ganze Chaos angefangen hat", lachte er humorlos auf. Ihn so zu sehen schmerzte in meiner Brust.
Er schien so unglaublich zerbrochen zu sein in diesem Moment und das wollte ich nicht akzeptieren.
„Ich auch nicht", antwortete ich flüsternd, führte unsere Hände zu meinem Mund und gab einen sanften Kuss auf seinen Handrücken.
Er legte den Kopf in den Nacken und musterte den Himmel.
„Ich war noch klein als mein Vater uns verlassen hat. Aaliyah war noch kein Jahr alt, da ist er gegangen. Meine Mutter hat immer gesagt, die Beiden hätten sich im Guten getrennt doch das konnte ich nicht glauben, sonst hätte er sich sicher weiterhin für uns interessiert.
Ich bin nicht wütend, das habe ich abgehakt, er wird seine Gründe gehabt haben auch wenn ich sie vielleicht nicht verstehe", begann er zu erzählen und sah wieder zu dem Blumenfeld, anstatt in den Himmel zu sehen.
„Eigentlich hat Alles ganz gut funktioniert zu dritt, wir hatten nicht sonderlich viel aber ich finde es war okay so", sagte er und diesmal war er derjenige, der sich auf die Lippe biss.
„Mum hat diesen Typen kennengelernt. Joseph. Ich wusste von Anfang an, dass Mum nicht wirklich viel für ihn übrig hat aber sie dachte sie müsste so für uns sorgen, immerhin hatte Joseph das Geld, das uns gefehlt hat.
Ich konnte ihn von Anfang an nicht leiden, er hatte diese beschissen dummen, veralteten Ansichten. Mum war irgendwann nur noch seine Hausfrau und Aaliyah wurde zur Vorzeigetochter herangezogen.
Ich könnte ihn immernoch dafür kastrieren, was er aus meinem kleinen Sonnenschein gemacht hat. Sie war immer so offen, laut und fröhlich weißt du? Irgendwann war sie nur noch still, hat nur gesprochen, wenn sie etwas gefragt wurde und musste diese beschissenen Kleidchen tragen", knurrte Shawn und ich nickte nur verstehend, wollte ihn nicht unterbrechen oder dazu drängen weiter zu reden.
„Ich hatte schon ziemlich früh meine rebellische Phase, was definitiv ihm zu verschulden ist. Ich war gut darin für meine Familie zu sorgen okay? Natürlich war ich jung aber ich hatte Alles im Griff.
Dann kommt dieser fucking schmierige Typ und zerstört unsere Familie. Ich hab mich gegen ihn aufgelehnt und das hat ihm nicht sonderlich gefallen. Er hat mich immer wieder geschlagen, wenn ich mich getraut habe mich gegen ihn zu lehnen, das war auch der Moment, in dem ich angefangen habe, mir die hier zu verpassen", erzählte er kühl und hielt mir seine vernarbten Unterarme hin.
Es schnürte mir augenblicklich die Kehle zu und Tränen stauten sich in meinen Augen.
Meine Unterlippe begann zu beben, doch ich versuchte nicht loszuheulen, hielt mir mit einer Hand den Mund zu.
Dies war Shawn's Geschichte, nicht meine. Und trotzdem tat es mir so leid zu hören, dass er sowas durchmachen musste und ihn Niemand da raus geholt hat.
„W-Was ist mit deiner Schwester und deiner Mum, hat er sie auch..", begann ich.
„Nein. Gott wenn ich auch nur mitbekommen hätte, dass er Mum oder Liyah gegenüber die Hand erhebt, hätte ich diesen Bastard eigenhändig umgebracht", gab er knurrend zurück. Ich nickte verstehend.
„Was ist dann passiert?", fragte ich vorsichtig. Shawn atmete tief durch.
+++
Was denkt ihr, ist dann passiert? Und was denkt ihr über Shawn's Geschichte?
Ich bin die nächsten 3 Tage in Berlin unterwegs und werde wohl erst Freitag Abend auf der Heimfahrt wieder updaten🙊
Ich weiß einige von euch haben diese Woche schon wieder Schule also wünsche ich euch einen guten Schulstart und hoffe es wird alles gut gehen ❤️
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