~Kapitel 76~
Ein großer, junger Mann kam um eine Ecke und begrüßte uns mit einem breiten Lächeln.
Trotz des Lächelns wirkte er ziemlich furchteinflößend, denn er war überseht mit Tattoos, sogar am Hals und im Gesicht, außerdem hatte er einige Piercings und große runde Löcher in den Ohrläppchen, durch die ich glatt einen Stift stecken konnte.
Ich schluckte hart und umklammerte Shawn's Hand fester, woraufhin er mir liebevoll mit dem Daumen über den Handrücken strich.
"Sieh mal einer an", begann der Mann vor uns und sein Lächeln wurde noch breiter, was ihn zwar sympathischer machte, doch nicht weniger einschüchternd.
"Das ist also unsere Jungfrau", grinste er und beäugte mich einen Moment, fuhr dann zu unseren verschränkten Händen und hob die Augenbrauen, bevor er Shawn einen anerkennenden Blick schenkte und zu nicken begann.
Ich hingegen versteifte augenblicklich und sah schockiert zu Shawn.
Wieso zum Teufel hatte es diesen Tattoowierer etwas anzugehen, ob ich Jungfrau war oder nicht?
"Er meint was die Tattoos betrifft", lachte Shawn sanft und bewies mir damit mal wieder, dass er meine Gedanken lesen konnte.
Im ersten Moment entspannte ich mich, immerhin ging es hier nicht um mein Sexualleben. Doch direkt danach stieg wieder die Nervosität und mir wurde bewusst, was für ein bedeutender Schritt vor mir lag.
"Dann kommt mal mit nach hinten", gab der Mann von sich, den ich mittlerweile als Trevor identifiziert hatte. Immerhin hatte Shawn ihn so genannt am Telefon.
Wir durchquerten den Eingangsbereich in dem an den Wänden überall Fotos von Tattoos hingen, die vermutlich Trevor gestochen hatte. Es wirkte Alles ziemlich einschüchternd und die laute, rockige Musik aus den Lautsprechern half mir nicht dabei zu entspannen.
Shawn führte mich in den nächsten Raum, in dem eine Liege stand, wie man sie vom Zahnarzt kannte. Daneben ein Tisch aus Metall und jegliche Werkzeuge, wenn man das so nennen konnte, schließlich kannte ich mich damit gar nicht aus.
"Am besten du setzt dich erst mal, du siehst nämlich aus, als würdest du mir hier gleich umkippen", lächelte Trevor und so langsam verlor ich die Furcht vor ihm.
Er schien wirklich nett zu sein und machte mir nicht den Eindruck, er würde sich über mich lustig machen.
Ich setzte mich also auf die schwarze Liege und beobachtete Shawn, der sich einen kleinen schwarzen Hocker mit Rollen unten dran neben mich schob und sich darauf nieder lies.
"Du möchtest also eine Schwalbe? Wie groß und wo soll sie hin?", wollte Trevor wissen und nahm sich ebenso einen Hocker.
Nun saßen die beiden Jungs rechts und links von mir, weshalb mein Kopf unsicher hin und herflog.
"Eigentlich nur ganz klein. Ich dachte an mein Handgelenk hier", antwortete ich und hielt ihm mein zierliches Handgelenk entgegen, zeigte auf die Stelle, an der ich mir den Vogel vorstellen konnte.
"Süß. Und möchtest du sie nur skizziert, wie ein Comic oder realistisch? Ich muss dazu sagen, je kleiner das Motiv, desto schwerer ist es, Details einzubauen", erklärte er und ich nickte lediglich überfordert und drehte meinen Kopf dann wieder zu Shawn, der mich siegessicher angrinste.
"Ich glaube am besten machst du ihr einfach eine Skizze und dann sehen wir weiter. Die Entscheidung zu diesem Tattoo kam relativ spontan, könnte man sagen", lachte Shawn und antwortete damit für mich, weshalb Trevor grinste, eine salutierende Handbewegung machte und dann aus dem Raum verschwand, vermutlich um die Skizze anzufertigen.
"Und? Willst du es noch immer durchziehen?", fragte Shawn und riss mich dabei aus meiner Raum Observation. Entschlossen nickte ich und spürte, wie Shawn meine Hand nahm.
"Ich weiß echt nicht, ob ich mich noch zurückhalten kann, wenn du später tattoowiert bist und zum Bad Girl wirst", zog er mich ironisch auf und ich verdrehte die Augen.
"Oh Augen verdrehen? Es geht schon los! Dir muss ich echt noch Manieren beibringen, was?", stachelte er weiter und ich musterte sein Gesicht ungläubig.
Er hatte echt ne Menge Müll im Kopf.
"Ich mag deine Sommersprossen", merkte er plötzlich an und ich zog meinen Kopf ein Stück nach hinten, musterte ihn um zu erkennen, ob er sich nur wieder über mich lustig machte.
"Echt?", wollte ich wissen, denn in der Vergangenheit wurde ich dafür schon echt oft ausgelacht.
"Ja, dein ganzer Typ ist so besonders. Du hast diese unglaublich außergewöhnliche Haarfarbe, dennoch ist deine Haut nicht so blass, wie man es vermuten würde.
Und diese Sommersprossen sehen aus, wie aufgezeichnet.
Die perfekten Positionen, die perfekte Anzahl. Deine Lippen sind so unglaublich rosa und voll, Alles an deinem Gesicht schreit Perfektion. Andere geben eine Menge Geld aus, um zu auszusehen, wie du", schwärmte er und mein Herz begann mit jedem Wort, das er sprach noch schneller zu schlagen.
Ich hätte nie gedacht, dass Shawn ein Mann ist, der einer Frau so schmeicheln konnte, ihr so unglaubliche Komplimente machte.
"Danke", hauchte ich atemlos und starrte ihn an.
Es kam mir surreal vor, dass dieser wunderschöne, perfekte Junge ausgerechnet mich schön fand. Es schmeichelte mir und freute mich, denn bisher hatte Schönheit für mich immer nur einen bitteren Beigeschmack.
Mit Schönheit konnte ich Geld für meinen Vater verdienen.
Meine Schönheit, konnte ich sie auch selbst nicht sehen, war der einzige Wert, den mein Vater in mir sah.
Ich wollte nie schön sein, ich fand mich auch nie schön.
Doch Shawn schenkte ich gerne Glauben. Ihm vertraute ich, bei ihm hatte es keinen bösen Hintergrund.
Er begann zu lächeln, lehnte sich zu mir und küsste meine Lippen sanft.
Er teaste mich mehr, denn er küsste mich immer nur ganz kurz, bevor er sich wieder entfernte und mich musterte.
Als die Tür wieder geöffnet wurde, wich ich erschrocken zurück, als hätte ich etwas Verbotenes getan. Denn eigentlich dachte ich, Shawn würde nicht wollen, dass sein Bekannter sah, dass wir uns küssen.
Er hingegen lehnte sich nur ganz langsam und schmunzelnd zurück, schien absolut kein Geheimnis daraus machen zu wollen.
Ob er wohl schon viele Mädchen hierher gebracht hatte?
Kannte Trevor all diese Mädchen und hatte ihnen somit ein Zeichen verpasst, weil Shawn sie geknackt hatte?
Oh Gott, wohin schweiften meine Gedanken nur schon wieder ab?
"Lasst euch nicht stören, ich mach hier nur mein Job", lachte Trevor rau, bevor er sich wieder auf den Hocker setzte und mir ein Blatt Papier entgegen hielt.
Darauf waren drei Arten von Schwalben zu sehen.
Einmal wie aus einem Zeichentrick Film entsprungen, einmal nur mit dezenten Linien angedeutet und eine Dritte, die am realistischsten aussah und es mir sofort angetan hatte. Aufgeregt deutete ich auf die kleine Schwalbe und nickte, unfähig Etwas zu sagen.
"Die ist gut so?", wollte er wissen und wieder nickte ich, schaffte es jedoch endlich wieder zu sprechen.
"Ja die ist sehr schön", antwortete ich und sah prüfend zu Shawn, der jedoch keine Reaktion zeigte.
Natürlich würde das nicht sein Wunschmotiv sein, doch mir gefiel es und ich konnte es kaum erwarten, es auf der Haut zu tragen.
"Na schön, dann geht es jetzt los", gab Trevor begeistert von sich und klatschte einmal in die Hände, weshalb ich zurück zuckte.
Manche Angewohnheiten würde ich wohl nie ablegen können.
Wir suchten die perfekte Stelle für die kleine Schwalbe und platzierten sie seitlich an meiner rechten Hand, sodass man von außen drauf sehen konnte. Trevor skizzierte den Vogel mit einem Stift auf meine Haut und lies es mich nochmal ansehen, damit ich zustimmen konnte. Es war nur ca. 2 cm groß und wirkte sehr ungewohnt für mich, doch ich nahm meinen Mut zusammen und nickte lächelnd.
++++
Hättet ihr gedacht, dass sie es durchzieht? Und was ist mit Shawn los? Seitwann ist er so nett?😅
Ich hab gerade eigentlich englisch aber es ist so unglaublich langweilig. Okay ich hab am Samstag Prüfung.. Aber der Dozent nervt mich 😂
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