~Kapitel 44~

"Raus aus den Federn, wir gehen laufen!" gab er laut von sich und ich zog die Augenbrauen zusammen, als wäre das Alles nur ein ziemlich seltsamer Traum.
Vielleicht schlafe ich noch. Das ist die einzig logische Erklärung.

"Was?" entgegnete ich verwirrt.
Einen Moment lang schwiegen wir uns an und meine Vermutung, noch zu schlafen erschien mir plötzlich noch logischer.

Ich sollte mich einfach wieder hinlegen und weiterschlafen. Und wenn ich wieder wach werde, ist mein Kopf vielleicht wieder in Ordnung.

"In fünf Minuten beginnt dein Training." gab er von sich und wollte sich wieder wegdrehen, doch ich sprang aus dem Bett und rief ihm hinterher, dass er hier bleiben sollte, also tauchte er wieder in meinem Sichtfeld auf.

Er sah interessiert an mir auf und ab und ich war bemüht das Shirt weiter nach unten zu ziehen, sodass er möglichst wenig nackte Haut sehen konnte.
Was ist das nur für eine unglaublich skurile Situation?

"Es ist mitten in der Nacht." entgegnete ich ihm erneut.
Ein Blick aus dem Fenster bestärkte meine Aussage, denn es war noch stockdunkel draußen.

"Es ist halb 6 und du musst um 8 in der Schule sein. Da ich schlau bin und weiß, dass du nach dem Training vermutlich duschen willst und wir um halb 8 losfahren, hast du noch genau 4 Minuten." erklärte er und lies mich mit offenem Mund in meinem Zimmer stehen.

Training? Um halb 6 am Morgen? Wieso denn vor der Schule und nicht danach?
Die ganzen Fragen bereiteten mir direkt Kopfschmerzen.

Okay, ja ich wollte mit ihnen trainieren. Konnte ja keiner wissen, dass das bedeutete Montagnacht laufen zu gehen.
Und das auch noch vor der Schule.

Mit einem lauten Seufzen lies ich mich zurück aufs Bett fallen, doch ich hörte Shawn's Stimme vom Flur aus "3 Minuten" rufen und beschloss, nicht direkt am ersten Tag aufzugeben.
Diese Blöße würde ich mir nicht direkt geben, das ist nämlich was er erreichen wollte und ich weiß, dass ich stärker bin als das.
Es würde bestimmt leichter werden und er wollte mich damit nur abschrecken.
Ganz sicher.

Also schmiss ich mich schnell in die einzige Leggins die ich besaß und zog dazu ein lockeres Shirt an.

Unten angekommen zog die einzigen Schuhe an, die ich hatte und war damit absolut nicht bereit laufen zu gehen.
Shawn wartete bereits auf mich und sah auf seine Uhr, als wollte er überprüfen, dass ich auch pünktlich war.

"Okay, wir können los." gab ich außer Atem von mir, weil der Morgen bereits viel zu anstrengend verlaufen war.

"Also hier ist der Deal, du beweist dich diese Woche und wenn es gut läuft, gehen wir die ordentliche Sportkleidung kaufen, okay?" fragte er schmunzelnd und musterte mein Outfit.
Ich verdrehte die Augen, ergriff und schüttelte dann jedoch die Hand, die er mir hingehalten hatte.

Natürlich war das nicht das perfekte Trainingsoutfit aber mehr besaß ich nicht und das ist ausnahmsweise nicht ein mal meine Schuld.

Und danach gingen wir joggen. Zu zweit.
Er meinte die Jungs seien bereits fit genug und er musste erst mal meine Ausdauer verbessern, bevor wir mit dem eigentlichen Training beginnen konnten.
Eigentlich dachte ich, ich hätte eine gute Ausdauer, immerhin ist Tanzen auch ein anstrengender Sport.

Doch da hatte ich mich geirrt.

"Können wir eine Pause machen?" fragte ich außer Atem und wollte stehen bleiben, doch Shawn griff nach meinem Arm und zog mich weiter, als würde er mich gleich in mein Grab werfen wollen.
Allerdings wurde er langsamer, lies mich los und ging in normalem Schritttempo neben mir her.

"Genug Pause, es geht weiter" rief er, als er schon wieder ein paar Schritte von mir entfernt war.

Ich nörgelte etwas Unverständliches vor mich hin und folgte ihm nun auch wieder schneller.
Doch um ehrlich zu sein merkte ich, dass er sein Tempo anpassen musste, weil ich viel zu langsam war.

Verdammt, wieso ist das auch so anstrengend?

Shawn hatte mich ganze 7Km durch die Stadt gescheucht und ich hatte bereits nach den ersten zwei das Gefühl ich würde mich entweder übergeben oder einfach gleich tot umfallen.
Er genoss das natürlich, es gab ihm Bestätigung und er konnte über mich lachen.

Aber ich wollte nicht aufgeben, also zog ich die 7Km mit ihm durch. Auch wenn ich die meiste Zeit gemeckert hatte, dass mir irgendwas weh tat, ich nicht mehr konnte oder er langsamer laufen sollte.

Zuhause angekommen sah er tiefenentspannt aus, während ich schwitzend versuchte mit meinen Puddingbeinen die Treppe hoch zu kommen.
Ein ehrliches Lachen ertönte hinter mir, weshalb ich auf der Treppe stehen blieb und auf Shawn hinunter blickte.

"Ich dachte ich könnte dich genauso hart rannehmen?" fragte er belustigt und ich war kurz davor auf ihn zu springen und ihm das Gesicht zu zerkratzen.
Andererseits gefiel mir sein Lachen, obwohl er mich offensichtlich auslachte.

"Nagel mich nicht so darauf fest.." bat ich erschöpft. Er zog eine Augenbraue hoch und schmunzelte erneut.
Was ist jetzt wieder?

"Ich nagel dich gar nicht... darauf fest." antwortete er und lies eine auffällige Pause in seinem Satz und mir wurde bewusst, dass ich erneut in ein Fettnäpfchen getreten war und ihm die perfekte Vorlage geboten hatte.

Ich stöhnte frustriert und drehte mich um, um weiter nach oben zu laufen und mein rot anlaufendes Gesicht vor ihm verstecken zu können.

Nach dem Duschen hatte Shawn mich zur Schule gefahren und sich normal mit mir unterhalten, anstatt sich weiter über mich lustig zu machen.
Der Schultag verlief ruhig, ich war unglaublich froh, dass wieder Alles beim Alten war und mich die Mitschüler weitestgehend ignorierten. Wir hatten da zwar dieses Geschichtsprojekt aber ich war glücklicherweise mit zwei Nerds in eine Gruppe gekommen, weshalb wir lediglich die Aufgaben verteilt hatten und uns nicht weiter unterhielten. Und eine gute Note würde vermutlich auch noch dabei rausspringen.
Komischerweise hatte mich an diesem Tag Shawn sogar wieder abgeholt. Und das passierte absolut nie.
Es war schon ein Wunder, wenn er mich überhaupt fuhr und nicht einer der anderen Jungs.

Und heute gleich zweimal an einem Tag? Vielleicht war ihm langweilig, wenn er mich nicht aufziehen oder sich über mich lustig machen konnte.

Ziemlich verrückt oder?

Oh und natürlich hatte er ernst gemacht und mich in dieser Woche an jedem einzelnen verfluchten Tag mitten in der Nacht aus dem Bett geschmissen, um joggen zu gehen. Jeden Tag um halb 6 für 7Km.

Man könnte meinen es würde leichter werden, doch das stimmte nicht. Ich hasste es mit jedem Tag mehr und konnte mich nur auf die Zeit danach freuen, wenn wir nichtmehr andauernd laufen gehen mussten. Allerdings wurde ich schneller, was mich überraschte.

Während wir am Anfang weit über eine Stunde unterwegs waren, waren es am Freitag nur noch 56 Minuten und ich war stolz wie ein Pudel.
Und so ging eine weitere Woche in dieser unglaublich verkorksten Konstellation zu ende.

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Nochmal ein random Zwischenkapitel aber wie sagt man so schön.. Die Ruhe vor dem Sturm?

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