"And take off on a free fall
No matter where we're gonna land"
~Take Me With You - Juliet Ariel~

Nova's Sicht

Seit unserem wunderbaren Frühstück am Sonntag waren einige Tage vergangen.

In der Schule lief es relativ gut, es wurde zumindest wieder ruhig um mich. Die Leute, die mich vor zwei Wochen blöd angemacht hatten, gingen mir seitdem aus dem Weg und ich war mehr als froh darüber.
Wenn ich schon Zuhause nie sicher sein konnte, wann mir der nächste blöde Spruch an den Kopf geworfen wird, wollte ich zumindest in der Schule meine Ruhe haben.

Am Freitag Nachmittag saß ich wie sooft am Küchentisch über meinen Schulbüchern und Hausaufgaben, als ich hörte, wie die Haustür aufging und sich vier aufgebrachte Männerstimmen unterhielten.

Natürlich war es irgendwo riskant zum Lernen in die Küche zu gehen, anstatt in meinem Zimmer zu bleiben, doch dort oben hatte ich keinen Schreibtisch und die Hausaufgaben immer nur auf dem Boden oder in meinem Bett zu machen war ergonomisch nicht sonderlich gut.

Hektisch begann ich Alles zusammen zu packen, um auf mein Zimmer zu gehen und ihnen nicht unter die Augen treten zu müssen, doch da standen sie schon mitten in der Küche und musterten mich.
Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen. Sie verstummten und musterten mich.

"Tut mir leid ich hab nur hier gelernt." plapperte ich darauf los und ließ zwei der Bücher ausversehen fallen.
Natürlich landeten sie direkt vor Shawn's Füßen, der sich nicht mal die Mühe machte, danach zu greifen, sondern regungslos da stand.
Also ging ich vor ihm in die Hocke und hob meine Bücher auf, woraufhin er mich schelmisch angrinste.
Träum weiter, Vollidiot.

Die Sache war für mich vom Tisch. Von wegen Shawn hatte seine guten Seiten. Connor hatte einfach nur gelogen.

Er hatte gesehen, wie ich letzte Woche weinen musste, als alle die Küche verlassen sollten.
Er blieb im Türrahmen stehen und hatte zu mir gesehen, sich jedoch dafür entschieden einfach weiter zu laufen.
Ich hab wirklich nicht erwartet von ihm beruhigt oder gar in den Arm genommen zu werden.
Aber ein einfacher, kurzer Satz der mich etwas runter gebracht hätte, war wohl nicht zu viel verlangt.

Ich wollte diesem Typen einfach nur aus dem Weg gehen und keine Probleme provozieren.

"Connor bleibt hier."

"Connor bleibt sicher nicht hier." antwortete Dieser selbst und brachte mich kurz zum Grinsen, da er von sich in der dritten Person sprach. Es war selten, doch sein Gesicht schien angespannt und überhaupt nicht freundlich.

Schnell nahm ich wieder Abstand von Shawn und wollte den Raum verlassen, doch er griff nach meinem Handgelenk und hielt mich damit vom Gehen ab.
Erschrocken fuhr ich herum und sah zu ihm auf.

Er ließ mich los und nickte leicht mit dem Kopf zum Küchentisch, weshalb ich mich wieder hinsetzte und meine Bücher auf den Tisch legte.

"Jetzt mal ehrlich, Shawn. Ich kann nicht schon wieder hier bleiben. Es geht mir ja nicht mal um das Geld aber ich habe auch irgendwie ein Stück weit meine Ehre zu verlieren. Nachdem Dragon letztes Mal gewonnen hat, kann ich heute nicht einfach nicht auftauchen. Weißt du wie das auf Alle wirken würde?" trug Connor vor und allein beim Namen "Dragon" entwich mir ein leichtes Lachen.
Scheint schon ein schrecklich gefährlicher Typ zu sein, wenn er zuließ dass Andere ihn so nennen. Lächerlich.

"Ich hab doch gesagt, keine Gespräche darüber vor ihr." murmelte Shawn und legte den Kopf in den Nacken. "Halt, hab vergessen, dass du es ihr sowieso erzählt hast." grinste er nun ironisch und sah wieder zu Connor, danach kurz zu mir.

"Ich kann auch nicht hierbleiben. Wirklich nicht. Auf diesen Kampf trainiere ich seit Wochen hin." nörgelte Cameron und Jack nickte zustimmend.

"Er hat recht. Und bei mir geht um die nächste Rangklasse." argumentierte nun Jack.
Mein Kopf flog nur die ganze Zeit von links nach rechts und wieder zurück.
Wieso sollte ich überhaupt hier bleiben?

"Okay, okay!" unterbrach Shawn die Diskussionen und setzte sich mir gegenüber an den Tisch.
Er sah zu den Jungs auf.

"Ich kläre das schon." gab er ruhig von sich und lehnte sich dann leicht auf den Tisch.
Ich beobachtete, wie die drei Jungs den Raum verlassen und drehte mich dann schüchtern zurück zu Shawn.

"Hi." gab ich überfordert von mir und wollte mich daraufhin sofort ohrfeigen.
Hi? Wirklich?
Shawn schmunzelte kurz und schüttelte den Kopf, weshalb ich immer mehr zusammen sank.

Was wollte er denn jetzt?

"Connor hat dir also von unserem Job erzählt?" begann er und ich nickte nur stumm.
Was sollte ich auch sagen? Es wäre vermutlich nur wieder das Falsche und er würde mich für irgendwas anschreien.

"Also Folgendes.. wie du vielleicht gerade mitbekommen hast, haben wir heute Abend alle vier relativ wichtige Kämpfe und das bedeutet wir brauchen eine Lösung, was wir solange mit dir machen.
Ich will dich eigentlich echt ungern in deinem Zimmer einsperren, aber ich kann auch nicht verantworten dich hier alleine zu lassen, am Ende bist du nämlich weg und ich hab ne Menge Geld verloren." erzählte er und ich nickte wieder verstehend.

Eins musste man ihm lassen, es war nett dass er mich zumindest nicht in meinem Zimmer einsperren wollte.
Andererseits ziemlich krank, dass er dachte ich würde einfach so durchs Fenster abhauen, wenn ich heute Abend alleine wäre.

"Ich würde nicht abhauen.. Ich - Äh.. ver-vespreche es." stotterte ich. Und genau aus diesem Grund sprach ich so selten mit ihm.

"Das würde ich dir ja gerne glauben aber an dem Punkt, an dem du mein Vertrauen hast sind wir noch nicht." gab er ruhig zurück.

"Das kann ich zurück geben." murmelte ich vorschnell vor mich hin und hielt mir augenblicklich den Mund zu.

Mit aufgerissenen Augen sah ich wieder zu ihm, doch er lachte nur kurz auf.
Vermutlich hatte er sich schon gedacht, dass sowas kommen würde. Und wer sollte es mir übel nehmen?

"Ihr könnt mich doch mitnehmen." schlug ich nun vor, woraufhin er skeptisch eine Augenbraue hob und dann lachend den Kopf schüttelte.
Er lehnte sich leicht zurück und sah wieder zu mir auf.

"Auf gar keinen Fall. Das ist wirklich kein Ort für kleine Mädchen wie dich." entgegnete er bestimmt.

Was hatte er denn sonst für eine Wahl? Niemand konnte hier bleiben und er würde mich nicht alleine lassen, also musste er mich doch wohl oder übel mitnehmen.
Oder dachte er jetzt an eine Art Babysitter?

"Ein Stripclub ist das auch nicht. Und ich habe mich darin zurecht gefunden." entgegnete ich entschlossen und wendete ausnahmsweise den Blick nicht ab, sondern hielt ihm stand.
Er lehnte sich wieder ein wenig über den Tisch und musterte mich belustigt.

"Schien mir nicht unbedingt, als hättest du dort Alles im Griff gehabt." gab er provokant von sich und ich verdrehte laut ausatmend die Augen.

"Was ich damit sagen will ist, dass du doch keine andere Wahl hast, wenn du mich nicht hier lassen willst, musst du mich wohl mitnehmen."

"Woher kommt die plötzliche Entschlossenheit? Kein Stottern? Eine eigene Meinung? Das kenne ich von dir gar nicht, Angel." schmunzelte er und ich biss mir auf die Lippe.
Vielleicht hatte ich wirklich zu vorlaut mit ihm gesprochen, doch andererseits wirkte er nicht sonderlich wütend.

"Ich habe nur.. naja.. logisch gedacht." antwortete ich nun wieder schüchterner.

"Gib es zu, du willst nur sehen wie mich jemand vermöbelt." gab er grinsend von sich und auch ich musste leicht lächeln.

Daran hatte ich noch gar nicht gedacht, aber vielleicht wäre es wirklich eine Genugtuung zu sehen, wie er gegen einen anderen Typen antrat.
Ich zuckte mit den Schultern.

"Da muss ich dich leider enttäuschen, ich hab nämlich nicht vor zu verlieren." sagte er in seinem typisch, arrogantem Tonfall.

"Das hat man selten vor, das passiert einfach. Ich hatte auch nie vor so zu verlieren im Leben." rutschte es mir raus und Shawn's Lächeln fuhr ihm aus dem Gesicht.

"Wieso lässt du es dann zu?" entgegnete er ruhig.

"Ich schätze.. ich habe es nicht anders gelernt." antwortete ich ehrlich.

"Dann werde ich dir beibringen, wie man gewinnt."

+++
Zum Abschluss also ein süßer Satz von Shawn 🤷🏼‍♀️🙊 Wie wird der erste Kampf, bei dem Nova dabei ist?