~Kapitel 22~

"You can't wake up, this is not a dream
You're part of a machine, you are not a human being"
~Gasoline - Halsey~

Doch ich wartete vergeblich, er schlug nicht nach mir.

Erneut öffnete ich die Augen und sah seinen Arm vor mir. Er drehte ihn, bis ich seinen Unterarm sehen konnte und ich bei genauerem Hinsehen erkannte, dass sich unter der Tinte tiefe, verblasste, akkurate Narben befanden.

Ich schluckte und sah von seinem einen Arm auf den Anderen, den er an das Fenster gelehnt hatte. Auch dort zeigten sich Narben und ich sah ihm in die Augen, konnte für eine Sekunde den Schmerz in ihnen erkennen.
Doch genauso schnell kehrte die Leere, die Wut in seine Augen zurück.

"Haben deine Eltern nichts gemerkt?" fragte ich und er schüttelte den Kopf.

"Ich bin früh Zuhause ausgezogen, hab sie seitdem nicht mehr gesehen." antwortete er kalt und starrte geradeaus, sah dem Sonnenuntergang entgegen.
Die letzten Strahlen der Sonne ließen seine braunen Locken leuchten. Sein Profil war markant, seine Konturen stahlhart.

"Wieso?"

"Was wieso?" entgegnete er mir nun aggressiv. Ich schreckte zurück.
Er schüttelte den Kopf und lachte ironisch auf.
"Was erwartest du? Eine krasse Story, weshalb ich da unbedingt abhauen musste? Nein verdammt, ich hab diesen Weg gewählt und bin freiwillig gegangen. Genau deshalb kann ich mich dort nicht mehr blicken lassen. Sie wären enttäuscht und das will ich mir ersparen. Sie wollen sicher keinen Sohn wie mich." zischte er, sah mich jedoch nicht an.

Er legte seine Hände um das Lenkrad und drückte so fest zu, dass seine Knöchel weiß aus seiner Haut hervortraten. Ich hatte ihn offensichtlich wütend gemacht.

"Tut.."

"Wenn du dich jetzt schon wieder entschuldigst, vergesse ich mich." knurrte er und ich verstummte sofort. Was meinte er damit?

"Welchen Weg hast du gewählt?" wollte ich wissen. Woher zum Teufel kam diese dumme Naivität.
Gerade hat er dich noch gewarnt und was machst du? Stocherst in der Wunde herum und wunderst dich, wenn du dein Leben lang verprügelt wirst.

"Das wirst du noch früh genug erfahren." brummte er, drehte den Schlüssel in der Zündung, sodass das Auto anging und er mit quietschenden Reifen losrauschte.

Ich versuchte die Geschwindigkeit zu ignorieren und drehte mich so weit es möglich war weg von ihm.
Als wir bei ihm ankamen stieg er tonlos aus und ging auf das Haus zu. Ich folgte ihm, beobachtete wie er die Tür aufsperrte und ohne sich nochmal umzudrehen im Haus aus meinem Sichtfeld verschwand.

Ich war zu weit gegangen. Und trotzdem bereute ich es nicht.

Die nächsten zwei Tage hatte ich ihn nicht gesehen, nicht von ihm gehört, doch das war mir auch ganz recht so. Ich weiß selbst nicht, was an diesem Tag mit mir los war, ich hätte mich nie einfach so mit ihm unterhalten sollen, als wären wir zwei Bekannte.

Ich durfte nicht aus den Augen verlieren, dass es mein Ziel war von hier weg zu kommen und ein Leben anzufangen.
Schließlich hatte er mich gekauft, wie einen Gegenstand. Weil es "nützlich wäre eine Frau im Haus zu haben".

Ich las in dem Buch das Connor mir vor ein paar Tagen mitgebracht hatte, bis mich die Müdigkeit überrannte und ich das Licht ausschaltete.

Schmerzhaft stieß er mich gegen die Wand, woraufhin ich auf dem Boden landete und meine Beine so schnell wie möglich an mich ran zog.
"Sag es, verdammt nochmal." zischte Mein Vater bedrohlich und sah auf mich hinunter. Ich kauerte im Eck meiner Garderobe und hielt mir ein Shirt an die blutende Nase.

"Es tut mir leid." wimmerte ich und versuchte mich intuitiv immer mehr zusammen zu kauern, um ihm so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten.

"Was tut dir leid?" stocherte Er weiterhin herum und ich schluckte hart, bevor ich zu ihm aufsah. Was sollte ich sagen? Es tut mir leid, dass ich mit der Grippe und 40° Fieber im Bett liegen müsste, anstatt an einer Stange zu tanzen? Es tut mir leid, dass mir auf der Bühne schwarz vor Augen wurde und ich hingefallen bin? Es tut mir leid, dass ich mich den Schlägen nicht gestellt hatte, sondern versuchte sie abzuwehren? Es tut mir leid, am Leben zu sein.

"Alles.." nuschelte ich. Dad griff fest in meine Haare, riss meinen Kopf daran nach oben und Zwang mich somit ihn anzusehen.

"Sieh mich an, wenn du mit mir redest und sprich gefälligst in ganzen Sätzen!" forderte er streng und ich begann kläglich zu Husten, rang schließlich nach Luft und blinzelte die Tränen weg, die sich ihren Weg bahnen wollten.

Als sich mein Blick wieder klärte sah ich nur, wie seine Fäuste auf mich zuflogen und ich wusste, das würde mein Ende sein.

"Nein.. Dad.." entfloh es mir ängstlich und Tränen liefen durch mein Gesicht.
Mein Traum ließ mich nicht los, ich konnte nicht aufwachen, war wie in einer Zwischenphase gefangen und konnte meine Augen nicht öffnen.

"Shh.. Es ist okay. Er kann dir nicht weh tun." ertönte eine Stimme. Sie klang fern, als würde sie auf der anderen Straßenseite stehen und versuchen mit mir zu reden.

Es ist nicht okay. Er soll aufhören, ich ertrage das nicht mehr. Ich kann die Schläge nicht mehr weg stecken.

Bitte, mach dass ich aufwache. Mach, dass es vorbei ist.

"Ich lass nicht zu, dass er dir weh tut."

Als ich am nächsten Morgen wieder wach wurde fühlte ich mich mehr als seltsam.
Dieser Traum hatte mir die letzten Nerven geraubt, immerhin hatte ich nichtmal jetzt meine Ruhe vor Dad. Was mir jedoch viel mehr zu schaffen macht, war das Gefühl als wäre letzte Nacht Jemand bei mir gewesen.

Es war eine verkorkste Situation, vielleicht hatte ich es mir auch einfach nur eingebildet, vielleicht war ich gar nicht richtig wach gewesen, ich weiß es nicht.
Jedenfalls war es komisch und ich betete innerlich, keine weitere Nacht wie Diese erleben zu müssen.

Als das Wochenende anstand, hatte Connor mir Samstagvormittag Etwas zu frühstücken in mein Zimmer gebracht, sich selbst Etwas mitgenommen, sodass wir gemeinsam auf meinem Bett gefrühstückt hatten.

Danach forderte er mich dazu auf, mich anzuziehen. Keinen blassen Schimmer, was er vorhatte, doch mich anzuziehen bedeutete aus dem Haus zu gehen und es gab Nichts, was mir lieber wäre als hier raus zu kommen.

Es war schrecklich den ganzen Tag nur in diesen vier Wänden rumzusitzen und mich mit nichts Weiter ablenken zu können, als den Büchern, die Connor mir immer wieder mitbrachte.

Natürlich durfte ich zur Schule gehen und im Gegensatz zu den Verhältnissen Zuhause ging es mir hier gut, doch nach wie vor fühlte ich mich in diesem Haus wie eine Gefangene.
Und um ehrlich zu sein, war ich diese Ruhe einfach nicht gewohnt.
Ich genoss es, nicht das ganze Haus putzen zu müssen, nicht verdammt nochmal Alles für meine Eltern erledigen zu müssen.
Doch wenn man genau damit aufgewachsen war, konnte man mit Langweile nicht umgehen.

Zuhause gab es immer Etwas zu tun und hier lag ich nur rum, lernte für die Schule oder las ein Buch.
Es war nicht schöner als Zuhause, nur ruhiger und weniger schmerzhaft.

Meine Güte ich musste unglaublich undankbar klingen.
Ich war heilfroh, dass ich "nur rumliegen" musste. Ich weiß, es hätte mich viel schlechter treffen können. Sie hätten mich schlagen können, mich für ihre Gelüste ausnutzen, mich als Hausmädchen benutzen können.
Und ich beschwerte mich, nichts tun zu müssen.

Connor öffnete meine Zimmertür und wir verließen schweigend das Haus. Draußen schien die Sonne und ich sog ihre Strahlen regelrecht ein.

Ein leichtes Lächeln schlich sich in mein Gesicht und ich genoss das Wetter, die frische Luft und Connors Anwesenheit.

"Worüber denkst du nach?" wollte er nach einer Weile wissen.

Ich sah zu ihm auf und zuckte mit den Schultern.
Meine Gedanken waren vielfältig, verwirrt, drehten sich im Kreis und kamen doch immer zum selben Ergebnis.

Wieso war ich hier?

"Kann ich dich Etwas fragen?" entgegnete ich ihm, anstatt auf seine Frage zu antworten. Er lächelte und nickte schließlich.
Ich atmete tief durch, nahm meinen Mut zusammen und sprach schließlich aus, was mir seit dem ersten Tag durch den Kopf ging.

+++
Was wird Nova Connor fragen?

Tut mir leid dass ich zu spät bin es gab nen kleinen Zwischenfall aber jetzt bin ich da und hoffe es wird euch gefallen

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