~Kapitel 27~
"Was fällt dir eigentlich ein?", fragte ich leise und sah gekränkt zu ihm auf "Ich würde doch nie mit Connor.. du weißt schon!", wehrte ich mich und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Äh.. ", stammelte Connor und sah mich einen Moment ratlos an. Wie unangenehm das Alles war.
"Halt ihn bitte da raus, er versucht uns nur ein guter Freund zu sein", murmelte ich ausgelaugt und sah Shawn bittend an, dieser fixierte sich jedoch nur auf Connor und versuchte diesen mit seinen Blicken zu töten.
"Lässt du uns alleine? Wir sollten das alleine klären", versuchte ich es also bei Connor, der mir wesentlich vernünftiger schien. Doch auch er musterte mich nun verständnislos. Was sollte ich denn tun?
"Bist du sicher, dass ich dich mit ihm alleine lassen sollte?", fragte Connor nun auch provokant und ich würde mir am liebsten gegen die Stirn schlagen. Niemand hier setzte irgendwas daran, die Situation zu entschärfen. Ganz im Gegenteil.
"Was willst du damit sagen, huh? Dass meine Freundin Angst vor mir haben muss? Dass ich nicht zurechnungsfähig bin?", bläkte Shawn weiter und ich wusste genau, dass das passieren würde.
"Connor bitte.. Ich komm klar. Danke für deine Hilfe aber ich muss das allein regeln", bat ich erneut und wir sahen uns eine Weile in die Augen. Mit wütender und nahezu verletzter Miene verließ er daraufhin schnellen Schrittes das Zimmer.
Shawn und ich schwiegen eine ganze Weile, sahen uns jedoch nicht an. Wir starrten nur die Wand an und weigerten uns etwas zu sagen.
Irgendwann stand ich auf, um aus dem Badezimmer einen Verbandskasten zu holen, mit dem ich mein Zimmer schließlich wieder betrat. Tonlos stellte ich ihn auf mein Bett, öffnete ihn und suchte mir ein paar Sachen zusammen, mit denen ich Shawn's Wunden versorgen könnte.
Er setzte sich ebenso tonlos auf sein Bett und musterte die Verbandssachen, bevor er wieder die Wand anstarrte. Ohne jegliche Kommunikation begann ich, seine Wunden zu säubern und wenn nötig mit einem Pflaster zu versorgen. Er zuckte dabei kein bisschen zusammen, würdigte mich keines Blickes.
Als ich fertig war begann ich im Raum auf und ab zu laufen. Ich wusste nicht, wie ich mit ihm sprechen sollte, andererseits wusste ich auch nicht, wie ich weiter mit dieser Stille und der unausgesprochenen Wut zwischen uns umgehen sollte.
"Ich hab dir gesagt, dass es mir leid tut. Reicht das denn nicht? Musst du wirklich so eine Nummer abziehen?", fragte ich irgendwann und mir war bewusst, dass es nicht die beste Idee war, ihm direkt wieder etwas vorzuwerfen, doch er war einfach zu weit gegangen.
"Ist mir scheiß egal, Nova", knurrte er beleidigt und lehten seinen Kopf auf seinen Händen ab, würde mich nicht wundern wenn er mindestens genauso penedrante Kopfschmerzen hatte, wie ich.
"Ja ich hab den Brief gelesen und das war scheiße von mir. Aber ich hab mich entschuldigt und dir versucht zu erklären, dass ich deine Sachen nicht vorsätzlich danach durchsucht habe. Ich hab einfach nur das Netflix Passwort gesucht und die Briefe sind mir in die Hände gefallen.
Ich hätte sie nicht lesen sollen, das weiß ich und es tut mir leid. Aber die Versuchung war einfach viel zu groß. Was diese Sache betrifft, redest du kein Wort mit mir.
Allgemein verschließt du dich nur vor mir. Ob es deine Familie ist, ob es die Fights sind, die nicht deiner Gewichtsklasse entsprechen oder dieser beschissene Alkohol.
Wieso kannst du nicht einfach mit mir reden? Wieso muss es jedes Mal so eskalieren?", fragte ich verzweifelt und spürte schon wieder die Tränen aufkommen, dabei wollte ich wirklich sachlich und erwachsen mit ihm reden.
Stattdessen endete es vermutlich wieder mit riesen Arschloch und Jammerlappen.
"D..Die.. Die Briefe?", harkte er verblüfft nach und hob den Kopf langsam wieder an, um mich aus vor Wut funkelnden Augen anzusehen. Mein Herz blieb einen Moment stehen und verarbeitete den Schock.
Du dummes, naives Stück. Er wusste von einem Brief. Nun wusste er, dass du Alle gesehen hast. Wie sollte er jetzt noch glauben, es war ein Versehen?
"Äh.. Shawn.. ich.. Es .. es tut mir..", begann ich, doch allein der Schwung, mit dem er von meinem Bett aufstand, ließ mich verstummen. Ich wusste, wann es besser war die Klappe zu halten und das war eindeutig einer dieser Momente. Er musterte mich kühl.
"Weißt du eigentlich wie demütigend das ist? Du hattest nicht das verdammte Recht dazu, dich in meine Angelegenheiten einzumischen! Was mit meiner Familie ist und was es mit meinem Verstand und meinem fucking Herzen macht, geht dich nichts an!", schrie er mir entgegen und ich konnte seine Verletzlichkeit geradezu in den Fingerspitzen kribbeln fühlen.
Es tat ihm weh, er vermisste sie, hasste es selbst, wie die Situation gerade war, das konnte ich spüren.
"Wieso nicht? Ich dachte wir können uns vertrauen", murmelte ich verletzt und sah ihn flehend an. Wieso fiel es ihm so schwer, über seine Familie zu sprechen?
"Du verstehst das nicht", redete er sich raus, doch damit ließ ich mich dieses Mal nicht abwimmeln. Damit würde ich mich nicht zufrieden geben und ich konnte es auch nicht einfach so stehen lassen. Ich liebte ihn viel zu sehr, um so tun zu können, als würde das Thema Familie nicht groß und breit im Raum stehen.
"Sie lieben dich und sie glauben dir. Viel mehr glauben sie an dich. Wieso willst du das aus deinem Leben verdrängen? Eine liebende Familie ist das unfassbar Wichtigste im Leben und du willst das einfach so wegwerfen obwohl du keinen Grund dazu hast.
Müsstest du um ihre Vergebung oder ihr Vertrauen betteln, würde ich es vielleicht noch verstehen. Aber das musst du nicht.
Nach Allem was passiert ist haben sie nie die Hoffnung an dich aufgegeben. Jetzt haben sie dich gefunden und du willst mir ernsthaft erzählen, das wäre dir egal? Ich habe deinen Brief an Aaliyah gelesen, das ist wahr.
Aber weißt du was das bedeutet? Ich weiß jetzt, dass du dafür sterben würdest die Beiden wieder zu sehen. Du hast doch die Chance dazu also wieso steigen wir nicht in dein Auto und fahren zu ihnen? Wieso lässt du dich lieber verprügeln und betrinkst dich derartig als das Problem einfach anzupacken und aus dem Weg zu schaffen?", fragte ich aufgebracht.
"Weil sie nicht wissen, was sie da sagen! Sie denken sie würden an mich glauben, sie denken sie würden mich lieben, sie denken sie würden mich kennen! Aber das tun sie nicht, verstehst du das denn nicht?
Sie kennen einen Jungen, der von Zuhause abgehauen ist. Aber jetzt bin ich ein krimineller Mann, der sein Geld damit verdient, Andere zu vermöbeln und damit nicht mal mehr gut genug ist, für seine hochintelligente Elite-Uni Freundin!", knurrte er wütend und stand auch auf, um sich mir gegenüber zu stellen.
"Das stimmt nicht, es ist einfach nicht wahr Shawn. Du bist gut genug für mich, du bist zu gut für mich. Und deine Familie liebt dich, hörst du? Sie lieben dich, egal wer du warst und wer du bist", sagte ich nun ruhiger, in der Hoffnung dieser Streit würde sich endlich auflösen.
"Was verstehst du schon von Familien?", harkte er mit eisiger Stimme nach und sah mir dabei auch noch fest in die Augen.
Meine Gesichtszüge entglitten mir und ich konnte nicht mehr, als ihn mit leeren Augen anzustarren. Das hatte er nicht so gemeint, richtig? Er verwendete das jetzt nicht gegen mich, oder? Auch er sah einen Moment lang überrascht aus, bevor er den Kopf schüttelte und mich wieder ansah.
"Nova, ich..", begann er ruhig und wollte nach mir greifen, doch ich wich nach hinten aus, sodass ich mit dem Rücken an die Wand knallte. Das ging zu weit. Das hätte absolut nicht sein müssen.
"Unfaire Karte", bemerkte ich nur mit brüchiger Stimme, wollte ihm jedoch nicht den Triumph gönnen, mich schon wieder zum weinen gebracht zu haben. Also wich ich seinem Blick aus und betete innerlich, die Situation würde endlich ein Ende nehmen.
"Ich bin einfach zu betrunken für derartige Gespräche", murmelte er und fuhr sich verzweifelt durch die Haare. War das jetzt sein Ernst?
"Genau deshalb wollte ich mit dir reden, bevor du abgedampft bist um dir die Kante zu geben! Und das geht nicht, du kannst nicht sämtlichen Gesprächen aus dem Weg gehen, indem du trinkst oder kämpfst", sagte ich.
"Sonst was? Sonst verlässt du mich?", harkte er leise nach, schien jedoch wenig beeindruckt zu sein.
"Nein, sonst verlierst du dich irgendwann selbst", antwortete ich ebenso ruhig, denn mir fehlte einfach die Kraft, noch weiter mit ihm zu diskutieren.
"Hab ich das denn nicht schon?", wollte er wissen und ich schüttelte heftig mit dem Kopf. Das durfte er nicht einmal denken. Er war der stärkste Mann, den ich kannte. Ich bewunderte ihn, Idiot hin oder her.
"Fahr zu deiner Familie", forderte ich und er schüttelte erneut den Kopf.
"Das würde nicht gut gehen"
"Vertraust du mir?", fragte ich und sah ihm tief in die Augen. Er nickte. "Dann fahr zu ihnen", wiederholte ich nachdrücklich. Sein Kiefer spannte sich an und er begann nervös durch den Raum zu blicken.
"Kommst du mit mir?", fragte er erschöpft und so langsam schien auch er sich wieder zu beruhigen.
Seine Haltung, die bis vor kurzem noch bedrohlich wirken sollte, fiel in sich zusammen und seine Gesichtszüge veränderten sich. Er sah nun aus, wie ein kleiner verletzter Junge und ich denke tief in ihm, ist er das noch immer. Der kleine Junge, der noch nicht bereit war erwachsen zu werden, der zu früh beschuldigt wurde, zu früh von zuhause weg musste, zu früh mit Gewalt in Kontakt gekommen war. Und ich würde Alles tun, um ihn all das vergessen zu lassen.
"Wohin du gehst, gehe auch ich", versicherte ich ihm ehrlich.
+++
So der Streit scheint sich so langsam aufzulösen. Werden sie wirklich zu seiner Familie fahren? Und wenn ja, wie werden sie auf ihn reagieren? Und wird dieser Streit seine Schäden hinterlassen? Vielleicht bezüglich der Freundschaft zu Connor? Was treibt eigentlich Nova's Familie?
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