~Kapitel 80~
Tag 196
Grace Sicht
Mühsam schleppte ich mich aus dem Krankenhausbett und lief ins Badezimmer, um auf die Toilette zu gehen und mir die Zähne zu putzen.
Ich würde heute entlassen werden. Was bedeutet entlassen.
Das kanadische Krankenhaus ließ mich gehen, damit ich einige Stunden später in einem kalifornischen Krankenhaus liegen würde.
Ich wusste, dass es notwendig war. Ich spürte es mit jedem Schritt, den ich alleine beinahe nicht mehr gehen konnte.
Jede Bewegung war von Schmerz geprägt und ich konnte nicht verstehen, wie Alles so schnell gehen konnte.
Mir war bewusst, dass es mir für die Aggressivität meiner Krankheit und der Tatsache, dass ich die Behandlung verweigert hatte, sehr lange sehr gut ging.
Doch irgendwas musste sich geändert haben, denn auch wenn ich den schleichenden Prozess in den letzten Monaten gespürt hatte, mit einer so rapiden Verschlechterung hatte ich nicht gerechnet.
Ich meine.. Seht mich doch mal an. Ich hob meinen Kopf und beobachtete das Mädchen im Spiegel. Das war nicht mehr ich.
Meine Haare hingen schlaff über meine Schultern.
Meine Haut hatte eine unangenehm gräuliche Färbung angenommen und man konnte immer mehr meine Knochen sehen.
Vorsichtig fuhr ich über mein Schlüsselbein, welches ich vermutlich nie zuvor so hervorstechen sah.
Diese verfluchten Schläuche in meiner Nase.
Mein Gesicht wirkte eingefallen.
Augenringe ließen mich müde wirken.
Meine Lippen waren spröde.
Und meine Augen jagten mir eine so große Angst ein, dass es mir eine Gänsehaut verlieh. Sie wirkten tot.
Ich versuchte meine Mundwinkel zu heben, mein Spiegelbild an zu lächeln. Immerhin war ich glücklich und dankbar.
Meine Augen sollten nicht leer sein, sie sollten meine Erinnerungen ausstrahlen.
Plötzlich klopfte es an der Tür und ich zuckte heftig zusammen, da ich zu sehr in meinen Gedanken gefangen war.
"Geht's dir gut?" hörte ich Shawn panisch fragen.
Ich schleppte mich zur Tür, öffnete sie und und lächelte ihn entschuldigend an.
"Tut mir leid." sagte ich sofort brüchig.
Meine Lunge hatte nicht mehr genug Kraft mich ordentlich reden zu lassen. Ich hörte mich an, als hätte ich eine schlimme Erkältung.
Wäre es doch nur so einfach.
"Alles okay?" wollte er skeptisch wissen.
Ich zuckte mit den Schultern. Schüttelte schließlich den Kopf und lehnte mich gegen Shawn, der die Arme um mich schloss.
Seine Wärme umgab mich und ich hörte auf zu frieren.
"Es tut mir leid, dass ich so abstoßend aussehe." flüsterte ich in sein Shirt und den Hauch einer Sekunde später, wurde ich sanft von ihm weg gedrückt, sodass wir uns gegenseitig ins Gesicht sehen konnten.
Ich senkte meinen Blick schnell, schämte mich für das was er sehen musste.
"Ich will das nie wieder hören. Hast du mich verstanden? Du bist die schönste Frau, die mir je unter die Augen getreten ist. Etwas Schöneres habe ich noch nie gesehen.
Du hast mich vom ersten Moment umgehauen. Immer wieder habe ich mich gefragt, wie ein so perfektes Mädchen sich mit mir zufrieden geben kann.
Verstehst du? Du bist meine Definition von wahrer Schönheit." sprach er sanft und hob seine Hand, um über meine Wange zu streichen.
"Selbst wenn du die Wahrheit sagst, wenn ich irgendwann einmal schön war.. Sieh mich an. Ich bin hässlich und abstoßend, abgemagert und eingefallen. Das ist nicht schön." widersprach ich ihm heißer.
Er sollte mich nicht belügen. Ich wusste wie schrecklich ich aussah. Und ich war mehr als dankbar, dass er trotzdem noch hier war.
"Gracie.. Wenn du nur sehen könntest, was ich sehe.." hauchte er und legte danach vorsichtig seine Lippen auf meine.
Ich wich zurück und schüttelte den Kopf.
"Nicht.. Ich bin.." murmelte ich, doch er küsste mich wieder kurz.
"Wunderschön." hauchte er und küsste mich wieder, schob mich sanft gegen die Wand und intensivierte unseren Kuss.
Es wurde von Sekunde zu Sekunde leidenschaftlicher.
Seine Hände fuhren durch meine Haare, legten sich an meine Taille, streichelte meine Wange. Er ließ mich fühlen, als wäre ich noch immer liebenswert.
"Ich liebe dich so sehr. Mein wunderschönes Mädchen." flüsterte er an meinen Lippen und für den Hauch einer Sekunde schenkte ich ihm Glauben.
Ich stellte mir vor noch auszusehen wie vor ein paar Monaten und küsste ihn selbstbewusst zurück.
Er begann in den Kuss zu Lächeln, was auch mich zum Lächeln brachte. Wir mussten uns schließlich lösen, weil wir Beide begannen zu Lachen.
Es war absurd und unangebracht, doch wir standen im Zimmer des Toronto General Hospital und lachten den Tod aus.
Unser Lachen verebbte und wir lächelten uns einfach stumm an.
Wir sahen uns in die Augen, wie in der ersten Sekunde in der wir uns gesehen hatten.
"Ich liebe dieses Lachen." sagte er plötzlich und ich biss mir auf die Lippe.
"Ja ich auch." antwortete ich ehrlich.
"Bitte verliere es nie." bat er mich und ich schüttelte den Kopf.
"Du bist doch da, um mich zum Lachen zu bringen." antwortete ich leicht kichernd.
Und für einen Moment war Alles okay. Wir waren einfach nur zwei Verliebte, die sich schüchtern gegenüber standen.
Es klopfte an der Tür und kurz darauf betrat Karen lächelnd das Zimmer. Sie kam auf uns zu und umarmte mich liebevoll.
"Siehst du, deshalb mag ich deine Mum lieber als meine. Die hätte mir schon wieder vorgeworfen, wieso ich nicht im Bett liege." argumentierte ich direkt glücklich und lächelte breit, während Shawn begann zu Lachen.
"Hätte ich das tun sollen?" wollte Karen panisch wissen, was Shawn noch mehr zum Lachen brachte.
"Bloß nicht." antwortete ich schmunzelnd und verdrehte die Augen beim Gedanken daran, meine Eltern bald wieder zu sehen.
Ich freute mich und ich wollte sie bei mir haben. Nur wünschte ich mir sie würden die Dinge mehr wie Karen und Manuel sehen.
"Ich wollte euch abholen, wir sollten langsam zum Flughafen. Und da es noch einige Menschen gibt, die dort auf uns warten, sollten wir etwas Zeit einplanen." sagte Karen lächelnd und ich nickte.
Mein Herz schlug schnell und ich bekam etwas Panik. Es würde mein letzter Flug werden.
Ich werde bereits heute Tschüss sagen müssen zu einigen Menschen. Ich würde meine letzte Reise antreten. Und ich wollte nicht.
Aber ich hatte es akzeptiert.
"Okay, los geht's. Bevor ich es mir anders überlege." krächzte ich und wir verließen das Krankenzimmer.
Es nahm einige Zeit in Anspruch, bis wir das Auto von Shawn's Mutter erreicht hatten, denn jeder Schritt kostete unglaublich viel Kraft und Shawn musste mich stützen.
Am Auto trafen wir auf Aaliyah und Manuel. Ich hätte nie gedacht, dass diese Menschen tatsächlich mit mir nach Kalifornien gehen würden.
Zwar erwartete ich nicht, dass es noch lange dauern würde und ich war mir auch sicher, dass ein großer Teil dieses Plans war, Shawn unterstützen zu können, wenn es so weit ist, doch ich fühlte mich trotzdem geehrt.
Selbst Aaliyah begleitete uns. Obwohl sie mich von Anfang an für genau diese Situation gehasst hatte, war sie nun da und ich war froh, dass sich die Situation zwischen uns entspannt hatte.
Als wir endlich im Auto saßen, fuhr Karen zum Flughafen, an dem wir direkt von Shawn's Crew erwartet wurden.
Es rührte mich sie Alle zu sehen.
Über Shawn's Band, Connor, Jake, Andrew, sie waren Alle hier.
Ich liebte diesen verrückten Haufen und war ihnen mehr als dankbar für die schönste Zeit meines Lebens.
So sehr wir die Zeit auch hinaus gezögert hatten, es wurde Zeit Abschied zu nehmen. Und es war leider ein Abschied für immer.
"Danke" war Alles was ich noch heraus gebracht hatte, nachdem mich jeder umarmt hatte.
Tränen sind geflossen. Nicht nur bei mir. Ausnahmsweise.
Ich lächelte ehrlich durch die Runde und verinnerlichte jedes ihrer Gesichter.
Mein Blick fuhr durch den Flughafen, ich erkannte Fans von Shawn, sie wanken uns. Ich wank zurück.
Auf dem Shirt des braunhaarigen Mädchens stand "Never be Alone". Weitere Tränen verließen mein Auge und ich war wie in Trance gefangen, sodass ich kaum realisierte wie wir uns von meiner dazu gewonnenen Familie entfernten, bis wir sie nicht mehr sehen konnten.
+++
Es geht also zurück nach Kalifornien..
Leute..ich hab ja morgen Prüfung und ich habe so unglaublich Angst. Und was macht mein Dad? Lädt seine Freunde zu einer Superbowl Party ein 🤦🏼♀️
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