~Kapitel 77~
Was hatte ich da nur wieder für ein Bullshit geredet? Aber was war auch in sie gefahren?
Sie hatte wohl den selben Müll von sich gegeben. Wir waren Beide schuld.
Und trotzdem hatte ich das Gefühl, die Wut auf die Welt musste sich irgendwann zwischen uns entladen.
Das bedeutet nicht, dass ich sie jemals alleine lassen würde. Das bedeutet nicht, dass ich irgendwas bereute. Und vor allem bedeutete es nicht, dass ich sie nun weniger liebte.
Vermutlich liebte ich sie gerade noch mehr.
Und trotzdem war ich sauer.
Aber das schien normal zu sein, oder? Wir würden das wieder hinbekommen, uns aussprechen und dort weitermachen, wo wir vor dem Streit aufgehört hatten.
Vielleicht sollte ich auch einfach Mal wieder die Augen ein bisschen zu machen, um zu Schlafen und wieder einen klaren Gedanken fassen zu können.
Immer streiteten wir uns, wenn ich übermüdet war.
Also schien es wirklich an mir zu liegen. Ich bin ein grauenhafter Ehemann. Ich kann einfach Nichts richtig machen.
Ich legte mich hin, schloss die Augen und versuchte runter zu kommen. Mein Kopf pochte und ich spürte das Adrenalin des Streites in meinen Venen umher geistern.
"Es tut mir leid." hauchte ich ins Nichts.
"Verzeih mir, dass ich nicht der sein konnte, den du verdient hast." murmelte ich und spürte eine Träne über meine Wange laufen, bevor mich ein sanfter Schlaf übermannte.
"Shawn?" eine weit entfernte Stimme lies mich müde die Augenbrauen zusammen ziehen.
Ich drehte meinen Kopf auf die andere Seite, wollte nicht richtig wach werden.
"Shawn!" schon wieder diese Stimme.
Träume ich? Vielleicht war der Streit nur ein Traum.
Vielleicht war es nur ein Traum, dass es Grace in den letzten Tagen rapide schlechter ging.
Vielleicht war sie nur ein Traum.
Plötzlich hörte ich einen dumpfen Schlag und die neblige Atmosphäre in meinem Kopf war verschwunden.
Ich saß augenblicklich kerzengerade auf dem Sofa, sah mich verwirrt um und begriff, dass es kein Traum war.
"Grace?" rief ich verwirrt, nahm mein Handy und sah, dass wir bereits 23:02 Uhr hatten.
Wie lange war ich weggetreten? Wie lange duschte sie denn schon?
Die Stimme. Der Schlag. Fuck.
Panisch sprang ich auf und rannte intuitiv auf das Badezimmer zu. Wären das hier andere Umstände, hätte ich vermutlich noch den Anstand gehabt zu klopfen, doch mein Herz spürte, dass etwas faul war.
Ich riss die Tür auf und stürmte ins Bad, in der Hoffnung von ihr angezickt zu werden, doch nichts. Und genau das riss mir den Boden unter den Füßen weg.
Ich konnte kaum etwas sehen, weil der Wasserdampf des heißen Wassers mir die Sicht raubte und das ganze Badezimmer eingenebelt hatte. Unsicher lief ich auf die Dusche zu.
Mein Herz schlug mir unangenehm gegen die Brust. Alles stand unter Strom und mir wurde augenblicklich schlecht.
Wie konnte es so weit kommen?
"Baby!" schrie ich erschrocken, als ich endlich die offene Dusche erkennen konnte und mein Mädchen auf dem gefliesten Boden lag.
Sie bewegte sich nicht, nicht eine kleinste Bewegung war zu erkennen.
Ihr Rücken war mir zugewendet, ich konnte ihre Wirbelsäule markant hervorstehen sehen.
Wieso hatte ich nicht gemerkt, dass sie so stark abgenommen hatte? Wieso musste ich fucking Idiot die Augen vor der Wahrheit verschließen?
Ich hätte sie viel früher zu einem Arzt bringen sollen! Wieso konnte ich nicht einmal auf mein Gefühl hören? Ich hatte das Risiko auf mich genommen, dass sie neben mir erstickt, anstatt sie ins Krankenhaus zu bringen.
Du fucking Vollidiot. Das Alles hier ist deine Schuld.
Wenn sie jetzt stirbt, stirbt sie wegen dir!
Du hast sie angeschrien.
Du hast ihr gesagt sie solle gehen. Mein Kopf pochte und drohte zu explodieren, während mein ganzer Körper zitterte.
Ich warf mich vor ihr auf die Knie, zog sie in meinen Arm und versuchte sie wach zu rütteln.
Doch ohne Erfolg.
Sie hatte ihr Bewusstsein verloren, noch dazu zierte ihre Stirn eine längliche Platzwunde und Blut rann über ihr Gesicht. Sie sah so leblos aus.
"Nein! Nein..nein..nein.. Grace! Mach die Augen auf, los bitte. Lass mich jetzt nicht hängen! Wir bekommen das wieder hin!" rief ich mit zittriger Stimme.
"Es tut mir so leid!" schrie Ich verzweifelt durchs Badezimmer.
Ich hielt sie fest in meinen Armen, ignorierte das Wasser, das auf uns nieder prasselte.
Wieder rüttelte ich an ihr, sah in ihr lebloses Gesicht, spürte die Kälte, die von ihrem Körper ausging.
Mein Verstand setzte aus, ich wusste nicht, was zu tun war und gleichzeitig reagierte mein Körper, ohne zu wissen, was vor sich ging.
Ich war nicht mehr Herr über meine Gedanken, es herrschte ein einziges Chaos in meinem Kopf.
Angst, Panik, Besorgnis, Schuldgefuhle, Hilflosigkeit, Unsicherheit. All das spürte ich.
Ich spürte es so präsent wie nie zuvor.
Jede noch so schlimme Panikattacke war ein Scherz gegen das, was in mir vor ging.
"Verlass mich nicht." murmelte ich immer wieder, schien vergessen zu haben, wie man atmete.
Ich stellte die Dusche aus, wickelte ein Handtuch um meine Frau und steckte sie zusätzlich irgendwie in einen weißen, großen Bademantel.
Ich zog sie nah an meinen Körper und trug sie panisch durch die Wohnung, schnappte mir nebenbei die Autoschlüssel und trat aus der Tür.
Danach trug ich sie so schnell wie möglich in den Aufzug, um mit ihr in die Garage zu gelangen.
Der Aufzug fuhr viel zu langsam und was noch schlimmer war, ich konnte uns Beide im Spiegel beobachten.
Mein Blick war leer, meine Haare und Teile meines Shirts waren nass von der Dusche, Grace hing leblos in meinen Armen.
Ihre Haut wirkte gräulich, gleichzeitig durchsichtig.
Was ist, wenn ich bereits ihre Leiche in den Händen hatte?
Fuck, Hör auf jetzt!
Ich schloss die Augen und schluchzte laut auf. Ich würde nie wieder glücklich werden.
Ich würde mit ihr sterben. Ob nun heute oder an einem anderen Tag.
Die Liebe zu ihr hatte mich zu sehr gefangen, als dass ich je darüber hinweg kommen könnte.
Und ich hatte die Wahrheit gesagt. Lieber würde ich für sie sterben. Notfalls wollte ich mit ihr sterben. Sie würde sowieso mein Leben mit sich nehmen, wenn sie ging.
"Fuck beeil dich doch!" zischte ich den Aufzug an und kurz darauf kamen wir in der Garage an, ich öffnete mein Auto, legte sie auf die Rückbank und bretterte schließlich, ohne mich anzuschnallen aus der Garage und fuhr viel zu schnell durch Torontos Straßen.
Immer wieder fiel mein Blick in den Rückspiegel,um mein bewusstloses Mädchen anzusehen.
"Tu mir das nicht an Grace.." hauchte ich erschöpft und hatte das Gefühl jeden Moment selbst das Bewusstsein zu verlieren.
Verzweifelt kramte ich mein Handy hervor, wählte die Nummer von Zuhause und wartete während des Fahrens, bis endlich Jemand abhob.
"Hallo?" hörte ich die verschlafene Stimme meiner Mutter hören und ich brach erneut in Tränen aus.
"Mum.. Ich.. Grace.. " schluchzte ich und konnte mich kein bisschen auf die zum Glück wenig befahrene Straße konzentrieren.
Wenn sie sterben würde und ich alleine damit wäre, könnte ich für Nichts mehr garantieren.
Ich brauchte meine Mum an meiner Seite.
"Shawn? Was ist los?" fragte sie besorgt und der Ton ihrer Stimme ließ mir nur mehr Tränen durchs Gesicht laufen, sodass ich die Straße gar nicht mehr erkennen konnte.
"Kannst.. Kannst du.. Könnt ihr ins Krankenhaus kommen? Ich schaffe das nicht alleine.. Mum bitte.." schluchzte ich.
"Wir kommen sofort!" sagte sie plötzlich hellwach und legte auf.
Eine kurze Zeit später, ich hatte wirklich keine Ahnung, wie ich das geschafft hatte, kam ich am Toronto General Hospital an, lies mein Auto achtlos am Straßenrand stehen und hob Grace von der Rückbank, um mit ihr in meinen Armen ins Krankenhaus zu laufen.
Die wenigen Meter kamen mir vor wie ein Marathon, der kein Ende nehmen wollte.
Gleich hast du es geschafft, Baby. Sie werden dir helfen.
Du wirst doch wieder in Ordnung kommen oder?
Dort wurde ich direkt angestarrt und die Sekunden kamen mir wie Stunden vor, bis eine Krankenschwester einen Arzt angefunkt hatte und zwei weitere Schwestern mit einer Liege ankamen und mir mein Mädchen wegnahmen.
Sie fuhren sie durch eine große Schwenktür und mir blieb nichts Anderes übrig, als mich kraftlos auf meine Knie fallen zu lassen und zu weinen, als hätte mich nie Etwas glücklich gemacht.
+++
Es tut mir leid. Wenn es euch hilft, das Lernen und die bevorstehenden Prüfungen lassen mich genug leiden, wie ich es dank dieser Story verdiene.
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