~Kapitel 62~
"Soll ich dich noch mit nach oben begleiten?" fragte die Mutter meines Freundes fürsorglich, doch ich schüttelte den Kopf.
"Das ist wirklich nicht nötig Karen. Danke für den wunderschönen Tag, es hat echt Spaß gemacht." bedankte ich mich und umarmte die Frau herzlich.
Es war bereits dunkel draußen und wir standen vor dem Haus, in dem Shawn wohnte.
"Ja mir auch, das sollten wir wiederholen, wenn ihr aus Australien zurück seid. Ich bin wirklich froh, dass mein Sohn ein Mädchen wie dich gefunden hat, Grace. Und das sage ich nicht nur so." sagte sie sanft und in meinem Gesicht breitete sich ein ehrliches Lächeln aus.
"Danke.. Das.. Wow." stotterte ich vor mich hin und fiel der Mutter meines Freundes nochmal um den Hals.
Als ich sie endlich wieder los gelassen hatte, verabschiedeten wir uns und ich betrat das Haus, um mit dem Fahrstuhl nach oben zu fahren.
Mit dem Schlüssel sperrte ich die Tür zu seinem Apartment auf und trat ein. Es war ziemlich ruhig, weshalb ich erst dachte er würde vielleicht schon schlafen, doch normal ging er nie so früh ins Bett.
"Shawn?" fragte ich in die Dunkelheit und drückte auf den Lichtschalter.
Ich sah mich um und bekam sofort Panik. Es war unordentlich. Aber nicht, als hätte er etwas liegen lassen, mehr als wäre Jemand hier eingebrochen.
Eine große weiße Blumenvase lag in Trümmern auf dem Boden, ein Stuhl neben dem Esstisch wurde umgeworfen, Zeitschriften waren quer verteilt.
"Baby?" rief ich panisch und begann durch die Wohnung zu laufen.
Was ist, wenn wirklich Jemand hier war? Was ist wenn Shawn etwas passiert ist?
Hektisch durchsuchte ich die Wohnung, kam schließlich beim Badezimmer an und starrte die geschlossene Tür an.
"Shawn? Bist du da drin?" fragte ich vorsichtig und klopfte an die Tür.
Er antwortete nicht. Stattdessen hörte ich ein leises Schluchzen, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.
"Schatz?" rief ich panisch.
"Wieso bist du schon Zuhause?" entgegnete Er mir mit brüchiger Stimme.
"Darf ich reinkommen?" fragte ich, hätte ein Nein jedoch sowieso nicht akzeptiert. Er antwortete jedoch gar nicht.
"Ich komm jetzt rein!" sagte ich fest entschlossen und öffnete die Badezimmertür danach. Ich weiß das griff in seine Privatsphäre ein aber ich hatte einfach ein schlechtes Gefühl bei der Sache.
Ich trat also ein und wich sofort wieder einen Schritt zurück, als ich meinen Freund am Boden sitzen sah. Sein rechtes Bein hatte er angezogen, das linke ausgestreckt. Sein Rücken lehnte gegen den Rand der Badewanne. Er starrte einfach nur die Wand ihm gegenüber an.
Ich löste mich aus meiner Starre und ging auf ihn zu, kniete mich zu ihm und legte meine Hände an seine Wangen.
"Baby, was ist passiert?" wollte ich panisch wissen. Er sah mir endlich in die Augen. Seine waren glasig, geschwollen und auf eine beklemmende Weise leer.
"Shawn..?" hauchte Ich und sah mich weiter um, bis ich die beinahe leere Flasche Whiskey neben ihm stehen sah.
"H-Hast das Alles du getrunken?" fragte ich überfordert und er nickte. Immerhin eine Reaktion von ihm.
"Wieso? Was ist im Wohnzimmer passiert? Was ist los? Rede mit mir.." bat ich verzweifelt, denn dieses Gefühl brachte mich beinahe um den Verstand. Nicht zu wissen, was mit ihm los ist, was hier passiert ist.
"Ich kann nicht ohne dich leben." hauchte er plötzlich erschöpft und die Härchen auf meinem Arm stellten sich auf. Mein Herz brach in zwei Teile und mir schossen sofort Tränen in die Augen. Ich war der Grund für deinen Zustand.
"Ich bin hier, Shawn. Ich bin genau hier bei dir. Ich werde so schnell nicht gehen, ich verspreche es." redete ich ihm gut zu, denn es tat so schrecklich weh ihn so zu sehen.
Ich wusste dass dieser Tag kommen würde. Er versuchte immer alles Gute zu sehen, mich glücklich zu machen, positiv zu denken. Er wollte seine Ängste vor mir verstecken, wie ich die Krankheit vor ihm verstecken wollte. Und nun haben wir das Ergebnis.
"Aber eines Tages.. Da wirst du einfach weg sein. Und ich hasse diese Welt ohne dich. Gracie.. Es gibt nichts und niemanden der dich ersetzen kann, du bist mein Leben. Ich liebe dich so sehr.." murmelte er und ich erkannte, wie weitere Tränen seine Augen verließen.
Ich lehnte mich nach vorne und küsste ihn sanft, schmeckte den Alkohol, doch das war mir in diesem Moment egal. Danach Strich ich die Tränen aus seinem wunderschönen Gesicht.
"Egal wo ich hingehe, ich werde immer bei dir sein." flüsterte ich und spürte, dass mir ebenfalls Tränen über die Wangen liefen.
Meinen Fels in der Brandung so zerbrochen zu sehen, machte mich nicht nur traurig. Es machte mich wütend, machte mir Angst und unglaubliche Schuldgefühle.
"Ich will mit dir gehen. Ich will gehen wohin du gehst. Ich will dir immer so nah sein. Für immer. " schluchzte er.
"Sag das nicht. Die Menschen hier brauchen dich. Ich geh nicht wirklich. Ich bin noch hier. Ich bin immer in deiner Nähe." sagte ich überzeugt, obwohl ich keinen blassen Schimmer hatte.
Vielleicht würde es so sein, vielleicht kann ich bei ihm sein, ihn beobachten, ihm helfen. Aber vielleicht hört das Leben auch einfach auf. Vielleicht kommt das Nichts.
"Es tut mir so leid, dass ich es nicht gut machen kann. Dass ich dich nicht retten kann." flüsterte er schuldbewusst und ich biss mir quälend auf die Lippe.
"Niemand kann das. Niemand kann das aufhalten, was da drin passiert. Und dennoch bist du mein Held. In jeglicher Hinsicht bist du mein Retter.
Wärst du nicht da gewesen, würde ich in einem Krankenhaus Bett vor mich hin vegetieren und auf den Tod warten. Aber durch dich habe ich die Chance endlich zu leben. Der Tod muss nun auf mich warten und ich verspreche dir, dass ich noch lange nicht fertig bin. Er muss warten.
Es gibt noch so viel, was wir erleben müssen und werden. Immerhin willst du mich doch an meinem 21 Geburtstag heiraten, oder nicht?" fragte ich lächelnd in der Hoffnung ihm auch ein Lächeln zu entlocken.
Seine Tränen trockneten langsam. Ich legte meine Arme um ihn und Strich sanft über Seinen Rücken. Er krallte sich regelrecht an mir fest. Er hatte Angst mich zu verlieren. Und davor hatte ich ebenfalls Angst.
Aber heute musste ich für ihn stark sein. Heute musste meine Stütze gestützt werden.
"Los wir bringen dich ins Bett, du solltest etwas schlafen." flüsterte ich und half meinem Freund schließlich aufzustehen, legte ihn ins Bett und strich eine Weile über seine Locken, bis er erschöpft einschlief.
"Ich liebe Dich.." flüsterte Ich und küsste seine Wange, bevor ich wieder aufstand und ins Wohnzimmer lief.
Ich begann Alles aufzuräumen, stellte die Stühle ordentlich hin, kehrte die Scherben zusammen um sie in den Müll zu schmeißen und sammelte sie Zeitungen auf, die auf dem Boden lagen. Ich wollte sie gerade in den Müll werfen, als mir Notizen ins Auge stachen.
Ich zog das Blatt heraus, warf die Zeitungen weg und lehnte mich dann gegen die Wand, um die Zeilen zu lesen.
"You lied
You said you were fine
But now you're terrified
'Cause you don't wanna die
Then you start to cry
You wish that you could take it all back
'Cause you just went to heaven and back
I could live forever and a day with her
I don't want to live it if it ain't with her
I could go up out to outer space with her
All I need is one more day with her
I just wanna make the pain better
All I need is one more day with her"
Und mit diesen einfachen Zeilen, rutschte ich hilflos weinend an der Wand herunter, drückte das Papier gegen mein Herz und wünschte mir einfach nur gesund zu sein.
+++
Dieses Mal also ein Gefühlsausbruch von Shawn, statt von Grace. Ist jedoch verständlich oder?
Findet ihr, Grace hat in der Situation richtig gehandelt? Oder hätte sie Etwas anders machen sollen?
Wird Shawn sich am nächsten Morgen daran erinnern, oder wird er es vergessen haben?
Um das kurz klarzustellen, die Lyrics sind ausnahmsweise mal nicht von mir. Das sind zwei verschiedene Songs, die ich so zusammengewürfelt habe, dass es am Ehesten passt. Von Chase Atlantic übrigens.
Oh und es sind weitere Lyrics im Kapitel versteckt. Ist es Jemandem aufgefallen?
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