~Kapitel 35 ~
"Verschwinde!" schrie Sie mir sofort entgegen, als ich sie entdeckte.
Ich schreckte kurz zurück, lief dann jedoch weiter auf sie zu.
Sie saß auf dem Boden, neben ihr ein umgekippter Wagen, auf dem Tassen und Gläser für die Patienten standen.
Sie saß in diesem Scherbenhaufen und atmete hektisch.
Sie sah sich um, sah überfordert aus.
Panik und Unsicherheit waren in ihren ozeanblauen Augen zu erkennen.
"Grace.." begann ich, doch sie hob ihre Hand, weshalb ich aufhörte zu sprechen.
Ich biss die Zähne zusammen.
Ich will sie nur in den Arm nehmen, sie beschützen.
"Ich will nichts hören. Geh in deinen verdammten Tourbus und vergiss, dass es mich gegeben hat!
Bald bin ich sowieso weg und du wirst mich vergessen.
Ihr alle! " forderte sie wütend und ich war absolut überfordert mit der Situation.
"Ist es das was du willst? Alleine sein und aufgeben?
Nein Grace, das willst du nicht. Ich bin hier und ich bleibe hier, das habe ich dir versprochen.
Wir schaffen das zusammen. Und ich könnte dich nie verlassen, vergessen oder sonst was!" sagte ich mit fester Stimme und kniete mich zu meiner Freundin in das Chaos.
Sie zog die Augenbrauen zusammen, sah mir in die Augen, biss sich auf die Lippen und versuchte ihre Atmung unter Kontrolle zu kriegen.
"Ich hab dich gewarnt, ich habe dir gesagt Alex wird Alles zerstören. Das war Alles so dumm von mir." murmelte sie und ich erkannte Tränen in ihren Augen.
"Hör auf das zu sagen. Hier wird Nichts zerstört, hörst du?"
Ich legte meine Hände an ihre Wangen und zwang sie damit mich anzusehen.
"Das ist doch nicht möglich. Es ist so unfair.
Wieso bin ich wieder krank? Das ist nicht fair.
Ich bin gesund. Das muss Alles ein riesen Fehler sein, Shawn.
Ich kann nicht sterben. Ich habe nie gelebt. Es ist nicht fair." sagte sie panisch und ich spürte wie auch mir Tränen in die Augen stiegen, doch das wollte ich nicht zeigen.
Ich wollte ihr Stärke geben und ihr zeigen, dass Alles gut werden würde.
Dabei wusste ich gerade doch selbst nicht was hier vor sich ging.
Doch ich wusste es.
Ich wusste es, wollte es nur nicht wahr haben.
Grace hat wieder Krebs. Verdammt beschissenen Krebs in der Lunge.
Und sie wird sterben.
Nein. Das darf nicht die Wahrheit sein.
Kann dieser Albtraum nicht zuende sein? Ich ertrage es nicht.
Sie ist mein Mädchen, sie gehört zu mir, ich brauche sie um zu leben.
Ich spürte die Welt um mich herum zusammenbrechen.
Wie sollte ich je damit umgehen können?
Wie soll sie jemals damit fertig werden?
Fuck.
"Ich will nicht sterben." wimmerte sie und ihre Dämme schienen zu brechen.
Sie schluchzte laut auf und begann bitterlich zu weinen.
Ich zog ihren Kopf an meine Brust und hielt sie so fest ich konnte.
Ich drückte sie an mich, würde sie nie wieder loslassen wollen.
Es tat so unglaublich weh sie so zu sehen. Es waren reale, unglaublich starke Schmerzen mitten in meinen Herz.
Ich sah auf, erkannte einige Schwestern die uns mitleidig musterten.
Grace Eltern standen ebenfalls dort, sahen auf ihre Tochter herunter und ich konnte ihre gebrochenen Herzen, durch ihre Körper sehen.
Minutenlang hielt ich sie nur, während wir Beide auf dem Krankenhausboden saßen und sie sich die Seele aus dem Leib weinte.
Es war als würde die Zeit still stehen, Niemand traute sich etwas zu sagen, sich zu bewegen. Alle starrten uns an.
Die Situation war so surreal.
"Grace.. Wir.." ihre Mutter schluchzte selbst und ging langsam auf uns zu.
"Ihr könnt mich nicht zwingen. Sag mir nicht, ihr wollt mich zur Behandlung zwingen!" weinte meine Freundin panisch und hob ihren Kopf von meiner Brust, um ihre Mutter anzusehen.
"Wir müssen die Möglichkeiten besprechen." sagte sie und strich ihrer Tochter eine Strähne aus dem Gesicht.
"Du hast ihn gehört. 10% überleben die nächsten 5 Jahre.
Fucking G4 Tumor. Ich ertrag das nicht nochmal. Ich geh verdammt nochmal drauf, Mum." hauchte sie schwach und ihre Augen begannen zu flattern, als würde sie gleich ohnmächtig werden.
"Grace?" fragte ich, doch sie blinzelte weiter und sackte dann in meinen Armen zusammen.
Ihre Muskeln entspannten sich und sie drohte zur Seite zu kippen, ich hielt sie jedoch fest.
"Grace! Mach die Augen auf!" sagte ich panisch und rüttelte an ihr.
Doch sie hatte die Augen geschlossen und bewegte sich nicht.
"Grace bitte!"
Ich legte meine Hand an ihre Wange und hoffte auf eine Reaktion.
Doch alles was ich glücklicherweise sehen konnte, war wie ihr Brustkorb sich regelmäßig hob und senkte.
"Es ist der Stress. Das passiert häufiger." murmelte ihre Mutter überfordert.
"Fuck.." murmelte ich, legte eine Hand in ihre Kniekehle und stand mit ihr im Arm auf.
"Sie muss in ihr Bett.." sagte Sharon, ebenfalls sehr angeschlagen.
Wir gingen gemeinsam den Gang entlang, schwiegen uns an, bis wir an ihrem Zimmer ankamen und ich sie in ihr Bett legen konnte.
Ihre Mum legte ihr sofort die Schläuche wieder an und Strich dann sanft über ihren Kopf.
Ihr Dad setzte sich in die Ecke des Raumes auf einen Stuhl und schwieg.
"Sie sollten sich setzen." riet Ich Sharon und zog ihr einen Stuhl neben das Bett von Grace, die nun friedlich dort lag.
"Danke Shawn." murmelte sie und setzte sich hin.
Sie legte ihr Gesicht in ihre Hände und begann erneut zu weinen.
Ich ging vor ihr in die Hocke und Strich sanft über ihren Arm.
"Ich weiß das ist sehr viel verlangt. Aber können sie mir bitte erklären, was da gerade passiert ist?" bat ich die Mutter meiner Freundin.
Ich konnte dieses Halbwissen nicht mehr ertragen.
"Ja.." sie hob ihren Kopf an und atmete tief durch, versuchte einige Tränen weg zu wischen.
"Die Krebszellen in der Lunge sind zurück gekommen.
Ich verstehe das nicht. Sie galt als geheilt. Und jetzt sagt Dr.Evans sie wäre wieder krank.
Was sie gesagt hat war die Wahrheit. Ihr Tumor ist kleinzellig, in der Kategorie G4." erzählte sie angestrengt und man sah ihr das Leiden an.
"Tut mir leid aber was bedeutet das?" fragte ich vorsichtig nach.
In meinem Kopf war Alles so unglaublich durcheinander.
"Das beschreibt die Aggressivität." ertönte die Stimme von Grace Vater aus dem Eck.
Ich stand auf und sah den Mann an, er lief auf mich zu.
"G4 bedeutet sehr aggressiv und schnell wachsend. Nicht heilbar.
Durch Behandlungen kann man es ihr angenehmer machen, ihr Leben verlängern.
Aber nur etwa 10% erleben trotz Behandlung die nächsten 5 Jahre." sagte er und klang dabei schrecklich kalt, doch vermutlich war das seine Art damit umzugehen.
"Also wird sie sterben? So oder so?" fragte ich mit brüchiger Stimme aus Angst vor der Antwort.
Er nickte und sah schließlich auf den Boden.
Ich schloss die Augen und versuchte nicht sofort los zu schreien.
Mein Engel wird sterben. Und es gibt Nichts was ich dagegen tun kann.
Ich muss sie gehen lassen. Und ich weiß nicht wann.
Ich kann das nicht.
"Entschuldigen sie mich?" fragte ich rhetorisch und ging auf die Tür zu, um das Zimmer zu verlassen.
Ich würde sie nie alleine lassen, nur brauchte ich einen Moment um das Alles zu verstehen und zu begreifen.
Schnellen Schrittes ging ich den Flur entlang, fuhr mir durch die Haare.
Meine Kehle schnürte sich zu und ich hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen.
Nie zuvor hatte ich solche Schmerzen in meiner Brust gespürt.
Es war, als hätte man mir mein Herz mit bloßen Händen aus der Brust gerissen.
Der Gedanke sie zu verlieren, das sichere Wissen sie gehen lassen zu müssen brachte mich beinahe um.
Wieso sie? Wieso kann nicht ich für sie sterben? Es gibt soviel das ich gesehen und erlebt habe.
Es ist einfach nicht fair, ihr das Alles vorzuenthalten.
In mir staute sich eine enorme Wut. Wie kann die Welt so verdammt unfair sein?
Ruckartig blieb ich stehen, stieß einen kurzen Schrei aus und beobachtete, wie meine Faust gegen die Wand schlug.
"Fuck, fuck, fuck!" zischte Ich und hielt inne.
"Shawn?" ertönte eine männliche Stimme und ich drehte mich zum Vater meiner Freundin um.
"Es.. Es tut mir leid. Alles was ich wollte, ist genau diese Situation zu vermeiden.
Und jetzt ist sie trotz Meier Bemühungen eingetreten. Ironisch oder?" er lachte kurz bitter auf.
Ich sah auf meine blutenden Knöchel und schwieg.
"Ich will doch nur mein kleines Mädchen beschützen, das musst du verstehen." erzählte er weiter.
"Sie haben sie nicht beschützt.
Tut mir leid das sagen zu müssen aber sie sind diejenigen, die ihr die Chance auf ein bisschen Leben genommen haben.
Sie stirbt und hat noch nichts erlebt, weil sie sie eingesperrt haben." brummte ich und versuchte mich zusammen zu reißen.
"Ich wollte sie nur schützen. Ich wollte das doch Alles nicht." murmelte er und ich sah zum ersten Mal seine kalte Miene fallen.
"Dafür ist es wohl zu spät. Sie können die Zeit nicht zurück drehen." gab ich kühl von mir.
"Das nicht, nein. Aber es gibt etwas Anderes das ich gerne mit dir besprechen würde."
+++
Worüber will ihr Dad mit Shawn sprechen? Und was haltet ihr von den verschiedenen Reaktionen der Beteiligten?
Außerdem bin ich am Überlegen was ich dieses Jahr zu Weihnachten machen möchte, denn für einen Adventskalender wie letztes Jahr fehlt mir leider die Zeit. Habt ihr Ideen? Würde auch gerne wieder eine Verlosung machen ❤️
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