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“Du wirst auf keinen Fall nach Hawaii fliegen!“ Jacobs Stimme war nicht mehr als ein lauerndes Zischen, während seine Hände sich zu Fäusten geballt hatten.

Verständnisvoll umrundete ich die Küchentheke, um mich neben ihn zu stellen und ihm beruhigend über den Rücken zu streichen, was er allerdings mit einer wirschen Handbewegung abwehrte.

“Ich will das nicht, Louis“, meinte er und blickte verzweifelt zu mir, weshalb ich mir seufzend durch die Haare fuhr.

“Mein Traum ist es auch nicht.... aber was soll ich sonst machen?“

“Du könntest dir einen normalen Job suchen. In einer Bar zum Beispiel“, bemerkte er spitz, woraufhin ich eine Augenbraue hob. “ Das sagst ausgerechnet du, der seit Monaten arbeitslos ist“, entgegnete ich ebenso scharf.

Vor wenigen Minuten noch hatten wir beide gemütlich beim Abendessen gesessen, bis ich die Bombe hatte platzen lassen, dass ich morgen nach Amerika fliegen würde.

Seitdem war Jacob auf hundertachtzig und tigerte auch jetzt unruhig durch die komplette Wohnung, weshalb ich ihm stumm folgte. Als er schließlich in unserem Schlafzimmer zum Stehen kam und wie hypnotisiert aus dem Fenster starrte, räusperte ich mich.

“Ich hab gefragt, ob du mitkommen kannst. Und ich bin auch überhaupt nicht begeistert davon, ehrlich“, nuschelte ich mit schlechtem Gewissen.

Zwar hatte ich vorhin mit Harry darüber spekuliert, welchen Reiz öffentlicher Sex haben konnte und fand es nicht mehr ganz so unvorstellbar, aber dennoch war ich nach wie vor ein wenig skeptisch - zumal sich mein Freund augenblicklich zu mir drehte und mich mit feuchten Augen musterte.

“Ich hab Angst, dass das unsere Beziehung ruiniert“, gestand er niedergeschlagen, bevor er die Arme vor der Brust verschränkte, gleichzeitig gegen das Fensterbrett lehnend.

Aufmunternd tat ich einen Schritt auf ihn zu und schloss ihn in meine Arme. “Ich liebe dich. Und daran kann auch diese Studie nichts ändern“, versprach ich, ehe ich sein Kinn mit dem Zeigefinger anhob und ihn küsste.

“Ich liebe dich auch“, flüsterte er in einer Atempause und tatsächlich blitzte ein Funken Hoffnung in seinen Augen auf.

Doch am nächsten Morgen war ebendieser bereits wieder verloschen, und sobald er mich bei der Gepäckabgabe ein letztes Mal umarmte, zitterte er sogar.

“Ich liebe dich“, wiederholte ich meine Worte von gestern Abend, die ihn jedoch nur schwach lächeln ließen.

Statt einer Erwiderung, drückte er nur kurz meine Hand, dann wandte er sich mit den Worten: “Melde dich, wenn du da bist.“ zum Gehen.

Ein wenig wehmütig blickte ich ihm nach, danach schulterte ich meinen Rucksack und trabte zur Sicherheitskontrolle. Dort stieß ich prompt auf Harry, der gerade dabei war, seinen Gürtel aus den einzelnen Ösen zu pfriemeln und ihn neben seinem Laptop in einer der Plastikschalen zu drapieren.

Auf mein gekünsteltes Husten hin, registrierte er mich erst und begann sofort, breit zu grinsen. “Hi, Lou“, begrüßte er mich fröhlich, bevor er durch die Lichtschranke lief und anschließend von einem Mann abgetastet wurde.

Nachdem auch ich ohne Probleme durchgewunken wurde und wieder meine Sachen in den Händen hielt, beobachtete ich Harry, der abermals mit seinem Gürtel zu tun hatte.

Im Gegensatz zu gestern trug er heute ein kurzärmliges weißes Shirt, was die zahlreichen Tattoos an seinen Armen sichtbar werden ließ - ganz prägnant eine äußert detaillierte Rose an seinem Ellbogen. Unwillkürlich berührte ich meinen Bizeps, der genauso mit Tinte verziert war - und das nicht zu knapp.

Hatte ich früher Tattoos regelrecht abstoßend gefunden, hatte mich irgendwann ein Freund dazu überredet, es zumindest einmal auszuprobieren, weswegen ich inzwischen mehr als begeistert davon war.

“War das eben dein Freund?“, erkundigte Harry sich neugierig, als wir nebeneinander zum Gate liefen. “Hast du uns beobachtet?“, fragte ich, statt zu antworten, wodurch er lachend schnaubte.

“Ertappt.“ Durch einen flüchtigen Seitenblick sah ich, wie er sich über die Lippen leckte und sich eine widerspenstige Strähne seiner dunklen Haare aus der Stirn wischte.

“Ja war es“, sagte ich nach einer Weile und konnte verhindern, dass mir sein Abschied sauer aufstieß. Klar war er enttäuscht, aber trotzdem hatte ich irgendwie erwartet, dass er zumindest meine Liebesbekundung erwiderte.

Doch sobald wir unser Gate erreichten, wo Eleanor und Hunter schon auf uns warteten, schüttelte ich den Gedanken an ihn ab.

Wir wechselten einige Begrüßungsfloskeln, danach suchten Harry und ich uns ebenfalls einen Platz in den überfüllten Sitzreihen. Sobald ich mich neben einem älteren Mann fallen ließ, der ganz in seiner Zeitschrift versunken war, taxierte Harry mich von der Seite.

“Du siehst aus, als hättest du in eine extrasaure Zitrone gebissen“, stellte er fest, was mir ein gequältes Stöhnen entlockte. “Es fühlt sich komisch an, Jacob hier zu lassen“, gestand ich, woraufhin Harry den Kopf schief legte.

“Das kann ich gut verstehen“, meinte er mitfühlend. “Seit wann seit ihr zusammen?“ “Seit drei Jahren. Und seitdem haben wir uns eigentlich fast jeden Tag gesehen. Ich vermisse ihn jetzt schon.“

Aufmunternd stupste mein Sitznachbar mich an. “Denk dran, wie toll das Wiedersehen sein wird, wenn du ihn in eineinhalb Wochen wieder bei dir hast.“

Dankbar lächelte ich ihm zu. “Das mach ich.“

Kurz darauf begann das Boarding, und weil ich nur widerwillig aufstand, erfasste Harry meine Hand, damit er mich hinter sich her ziehen konnte - und da wir direkt nebeneinander saßen, ließ er sie erst los, als wir uns anschnallen mussten.

Die Sicherheitshinweise der Sterwardess, die ich in meinem Leben mittlerweile mehr als genug gehört hatte und garantiert im Schlaf hätte aufsagen können, ausblendend, kramte ich in meinem Rucksack sofort nach meinen Kopfhörern und sank zufrieden in meinem Sitz zurück.

Allerdings wurde ich unterbrochen, sobald sich erneut eine Hand in meine stahl und Harry mich regelrecht ängstlich anblinzelte.

“Ich krieg beim Starten immer Panik“, erklärte er, wofür ich ihm sanft mit dem Daumen über seine raue Haut strich. “Ich bin da“, beruhigte ich ihn, während sich das Flugzeug in Bewegung setzte und erst langsam über das Rollfeld glitt, ehe es immer schneller wurde und letztendlich mit einem leichten Ruck in die Höhe schoss.

Harry presste angestrengt den Mund zusammen und bemühte sich, die Augen möglichst geschlossen zu halten, wohingegen ich durch die kleine Luke nach draußen blickte und verfolgte, wie unter uns alles schwindend kleiner wurde.

Erst nachdem der Flieger seine vollständige Flughöhe erreicht hatte und die Anschnallzeichen erloschen waren, ließ er allmählich los, wobei ich spürte, wie ungern er es eigentlich tat.

Aus diesem Grund schaltete ich meine Musik wieder aus und stupste ihn an. “Ablenkung ist das beste Mittel gegen Flugangst. Also, erzähl mir von deiner Zeit in Afrika.“

es ist weder das längste, noch das spannenste kapitel, aber ich hoffe, ihr mögt es. xxx

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