02
Während die drei neben mir in helle Begeisterung ausbrachen, verzog ich hingegen den Mund un hob zaghaft meine Hand, um eine Frage zu stellen: "Wäre es möglich, dass ich meinen Freund mitnehme?"
Daraufhin musste sich Mrs. Smith ein verhaltenes Kichern verkneifen, und auch die Mädels sahen sich verstohlen an. "Nein, das können Sie nicht, Mr. Tomlinson, da er womöglich unsere Studie stören könnte", erklärte die Professorin ruhig, weshalb ich mich mental schon mal auf meinen späteren Tod vorbereitete. Denn wenn ich Jacob nachher von Hawaii erzählen würde, würde er mir mit hundertprozentiger Sicherheit an die Kehle gehen - völlig zurecht.
Trotzdem schwieg ich die restliche Besprechung durch und unterschrieb sogar die Zustimmung, morgen Vormittag in den Flieger zu steigen, der uns nach Honolulu bringen würde. Nach einer ausgiebigen Verabschiedung wurden wir endlich entlassen, und obwohl ich mich eigentlich schnurstraks auf den Heimweg machen wollte, wurde ich unten in der Lobby von Harry aufgehalten.
"Wollen wir noch was trinken gehen?", fragte er, was mich schmunzeln ließ. "Das fragst du um 12 Uhr mittags?" entgegntete ich, wofür er mir die Zunge raus streckte und gespielt genervt mit den Augen rollte. "Na gut, lass es mich umformulieren: Darf ich dich zum Essen einladen?"
Da just in diesem Moment tatsächlich mein Magen verdächtig laut knurrte, stimmte ich seiner Einladung dankend zu und saß somit kurz darauf in seinem BMW. Das Leder der Sitze roch noch ganz frisch und auch sonst funkelte der Wagen, als sei er frisch aus der Produktion gekommen.
"Ich hab ihn vor vier Wochen zu meinem Geburtstag bekommen", sagte Harry, als könnte er Gedanken lesen, und blieb gleichzeitig an einer Ampel stehen, mit gerunzelter Stirn darauf wartend, dass sie auf Grün umsprang.
Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung und betrachtete für eine Weile sein Profil, das zugegebenermaßen unheimlich schön war. Seine Kieferknochen stachen markant hervor und seine fein geschwungenen, außergewöhnlich pinken Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, sobald er mein Starren bemerkte.
Am liebsten hätte ich meinen Zeigefinger in seine Grübchen gebohrt, doch stattdessen erwiderte ich: "Dann herzlichen Glückwunsch nachträglich." Grinsend zwinkerte er mir zu, bevor er sich wieder dem Straßenverkehr widmete.
"Wohin fährst du eigentlich?", wollte ich schließlich wissen, weil wir inzwischen aus der Stadt draußen waren und ich keinen blassen Schimmer hatte, wo wir uns befanden.
"Keine Sorge, ich entführe dich nicht", beruhigte er mich. "Ich kenne ein ziemlich gutes Restaurant hinter dem riesigen Waldstück hier." Er deutete aus dem Fenster. "Es wird dir gefallen."
Als wir wenig später auf einen einsamen Parkplatz vor einer monströsen Blockhütte hielten, staunte ich nicht schlecht. "Wusste gar nicht, dass es solch einen Schatz außerhalb von London überhaupt gibt", sagte ich, woraufhin er laut lachte. "Ja, die meisten reagieren so wie du, wenn ich sie zu dieser Perle bringe."
Er war bereits ausgestiegen und lief auf den Eingang zu, weshalb ich ihm eilig über den Kiesweg folgte. "Wie viele führst du hier denn aus?", erkundigte ich mich betont beiläufig, was er allerdings sofort durchschaute.
"Eifersüchtig?", neckte er mich und rannte im nächsten Augenblick vor mir weg, da ich ihn zu kitzeln begann. "Ich kenne dich gerade mal zwei Stunden, wieso sollte ich da eifersüchtig sein?", verlangte ich zu erfahren, kaum dass ich ihn eingeholt hatte.
"Ach weiß nicht." Unschuldig lächelnd drehte er sich einmal um die eigene Achse, ehe er sich vor mir aufbaute - durch seine hühnenhafte Statue überragte er mich bestimmt um einen ganzen Kopf, wodurch ich meinen in den Nacken legen musste, damit ich ihn genau mustern konnte.
Die Nüstern seiner Nase bebten kurz auf, dann meinte er leise, auch wenn wir ganz allein waren: "Na ja, nichts desto trotz werden wir in ungefähr einer Woche miteinander schlafen."
Überrascht weiteten sich meine Augen und ich verschränkte demonstrativ meine Arme vor der Brust. "Und wer sagt, dass ich ausgerechnet mit dir Sex haben werde? Eleanor und Hunter sind immerhin auch noch da." Eine Augenbraue hebend näherte er sich mir noch ein Stückchen, sodass ich sein herbes Aftershave riechen konnte. "Du hast vorhin deinen Freund erwähnt, Schlaumeier."
"Ich könnte bisexuell sein und es auf die scharfe Brünette abgesehen haben", forderte ich ihn heraus, woraufhin er abermals lachte. "Eleanor? Nichts für ungut, aber sie ist nicht dein Typ." Einige Sekunden überlegte ich, bis ich nickend zustimmte. "Ja, sie ist viel zu dürr."
Tadelnd hob er einen Finger. "Kein Bodyshaming, Mr. Tomlinson", mahnte er mich, plötzlich ungewohnt streng, was ich entschuldigend zu Kenntnis nahm. "Na gut, komm. Lass uns reingehen."
Seufzend hakte er sich bei mir ein und führte mich ins Innere der Hütte, die gemütlich eingerichtet war, wo wir direkt von einer Kellnerin begrüßt wurden. Nachdem sie uns zu einem freien Tisch geführt und jedem von uns eine Speisekarte gebracht hatte, lehnte ich mich über die Tischplatte und flüsterte: "Womit hab ich die Einladung eigentlich verdient?"
Mit funkelnden Augen blickte er von seiner Karte auf. "Ich dachte, es wäre ganz nett, wenn ich mich erstens für mein dummes Anquatschen von vorhin entschuldige und wir zweitens schon mal mit dem Kennenlernen anfangen, um peinliches Schweigen morgen auf dem Flug zu vermeiden", erklärte er, was ich mit einem anerkennenden Lächeln quittierte.
"Dann vielen Dank dafür. Und das Anquatschen war gar nicht dumm, sonst hätte die Smith uns vielleicht noch einzeln auseinander genommen", witzelte ich, ihn zum Kichern bringend.
Einige Minuten suchten wir in Ruhe unser Essen aus, danach bestellten wir es und stützten uns zeitgleich mit den Ellbogen auf dem Tisch ab, sodass ich ohne Umschweife das erschreckende Grün seiner großen Augen betrachten konnte und die goldenen Sprenkel registrierte, die sich um die Iris schlängelten.
"Und, glaubst du, dass das Ganze wirklich funktionieren wird?", brach ich irgendwann die Stille, woraufhin er bloß nachdenklich mit den Achseln zuckte. "Um ehrlich zu sein mach ich mir da jetzt noch keine Gedanken drüber, sondern erst, wenn ich tatsächlich das erste Mal die Hose vor fremden Menschen runterlasse."
Seine Formulierung, die mir vorhin ebenfalls eingefallen war, ließ mich schmunzeln. "Ich befürchte nur, dass die Öffentlichkeit jegliche Form von Erotik zerstören wird."
Andächtig nickend rieb er mit der Daumenspitze über seine Nase, ehe er antwortete: "Eventuell geht es dabei ja gar nicht um Erotik", gab er zu Bedenken, weshalb ich fragend eine Augenbraue hob. "Und was sonst? Irgendwas muss doch bewirken, dass du geil wirst, oder?"
Erneut hob er die Arme. "Ich könnte mir vorstellen, dass der Reiz am Anfang darin liegt, etwas eigentlich Verbotenes zu tun und dabei auch noch Zuschauer zu haben - fast so als würde man einen Porno drehen. Das hat ja nicht unbedingt was mit Erotik oder ellenlangem Vorspiel zu tun."
"Und dann? Wenn du dich daran gewöhnt hast? Hörst du nach drei Tagen auf, mich in der Öffentlichkeit anzufassen, weil der Reiz verloren geht?", wollte ich ernsthaft wissen, da ich seine Denkweise mehr als interessant fand.
"Keine Ahnung, möglicherweise. Oder es gibt solch einen Adrenalinschub und der Sex ist so gut, dass dieses Ganze Geplänkel drum herum egal ist und auch die Tatsache der Zuschauer vergessen wird."
Wir musterten einander, bis er mich anstupste. "Und du? Was passiert, wenn die Erotik doch nicht stirbt?"
"Oh, stelle es mir sehr erregend vor, es in der Öffentlichkeit zu tun, und sofern die Scham nicht übersiegt, glaube ich, dass die Lust nur noch mehr gesteigert wird. Man wird zum eingespielten Team, verstehst du? Egal wann und wo - man kann sich seine kleine Insel bauen und es einfach genießen."
Auf einmal riss uns das Klirren eines herunterfallenden Tellers aus dem Gespräch und erinnerte mich erst daran, dass ich gerade ein solch intimes Thema mit einem praktisch Fremden besprochen hatte - mitten in der Öffentlichkeit.
Doch weder Harry, noch die anderen Gäste schien das zu stören. Stattdessen nickte Harry verständnisvoll und begann, wieder mit den Ringen an seinen Fingern zu spielen.
Und für eine Millisekunde hatte ich die Vorahnung, dass ich nicht schreiend wegrennen würde.
Ganz im Gegenteil.
meinungen? xxx
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