XXXI; [komoru]
Etwas hämmerte mächtig gegen seinen Kopf.
Und egal wie oft er sich hin und her drehte, es verschwand nicht.
Seine Hand begann auf dem Kästchen neben dem Bett herumzuklopfen, als würde er sein Smartphone schlagen wollen, den Weckruf zu unterlassen. Doch er konnte sich nicht daran erinnern, einen Wecker für heute gestellt zu haben.
Er riss die Augen auf, sah auf die Uhrzeit, die ihn ziemlich blendete und er kniff die Augen wieder zusammen.
Ryoyu öffnete nochmals langsam die Augen und blickte in ein stockdunkles Zimmer. Mit einem Stöhnen bemerkte er, dass dieses Hämmern von der Tür kam und er mächtig verschlafen hat; für war oder wen auch immer. Er versuchte aus dem Bett zu kriechen und stolperte einmal über die Füße.
Sein Kopfschmerz war unerträglich und er tastete sich zur Tür, an der es derweil leise geworden war.
Er hoffte den Lieferanten für das Bett nicht verpasst zu haben. Mit schnellen Bewegungen waren die Verriegelungen an der Tür gelöst und diese aufgerissen, als er in ein verdutztes Gesicht eines gleichaltrigen sah.
Dieser hatte einen Block in der Hand und war offenbar dabei gewesen, Ryoyu eine Notiz zu übermitteln, dass er es am Nachmittag wieder versuchen würde.
Mit einem Räuspern verstaute er die beiden Dinge und Ryoyu entschuldigte sich höflichst. Das Verbeugen bekam seinem Magen schlecht.
"Bitte einmal unterschreiben", hielt der Lieferant Kobayashi das digitale Kästchen unter die Nase und dieser kritzelte schnell seine Unterschrift darunter. Er würde dem Mann ja helfen, wenn er nicht so verdammte Kopfschmerzen hätte.
Im Handumdrehen standen vier Pakete in der Wohnung und der Lieferant ging seines Weges.
Ryoyu schloss die Tür und setzte sich erst einmal. Die Tasche mit den Einkäufen stand inmitten des Raums und er war selbst verwundert, weswegen er sie gestern dorthin gestellt hatte.
Er zog sich das Glas näher, in der Hoffnung, dass dort noch etwas Wasser war, welches ihn vielleicht half, auch innerlich aufzustehen. Doch als seine Nase nur den kleinsten Hauch roch, stellte er das Glas zur Seite. Langsam begann ihm schlecht zu werden.
Auch seine Nintendo Switch lag auf dem Esstisch, die er sich nun näher zog.
Sie war nur auf Standby und das geöffnete Spiel ließ ihn zum zweiten Mal verwundert wirken.
Wann hab' ich Splatoon 2 gespielt?
Auf dem Weg von Hachimantai nach Hanamaki war er mit Monster Hunter Generations Ultimate und Breath of the Wild beschäftigt gewesen. Splatoon 2 hat er seit zwei Wochen nach Kauf nicht mehr angerührt.
Er kratzte sich am Hinterkopf und erhob sich, um das Glas kräftig auszuspülen und etwas Wasser trinken zu können.
Als er seinen Arm zum Wasserhahn ausstreckte, bemerkte er, dass er noch die gleiche Kleidung trug, wie gestern.
Was ist los mit mir.
Und als er die leere Flasche neben der Spüle stehen sah, erklärte diese seine Ratlosigkeit.
Seine Erinnerungen waren dem Reiswein zum Opfer gefallen, den er eigentlich mit Yuka trinken wollte. Offenbar hat er es im Alleingang erledigt und trug nun die Konsequenzen davon.
Langsam sickerte wieder der Abend durch die immer noch betrunkenen Gehirnzellen.
Ich habe getrunken, wenn ich verloren habe...und ich hab' offensichtlich oft verloren...
Er leerte das Wasserglas in einem Zug. Sein Seufzer erhellte den stillen Raum und er öffnete die Vorhänge. Die Sonne blendete ihn und als würde sein Kopf ihm zeigen, die Vorhänge wieder zu zuziehen, legte er mit der Stärke des Pochens nochmal nach.
Wenigstens vergesse ich Mona dadurch.
Ein erneuter Seufzer erklang, diesmal traurig darüber, sich immer noch davon überzeugen zu müssen, dass er keine Chance mehr bei ihr hatte.
Vielleicht war sie vergeben. Der Ring an ihrem Finger war ihm immer suspekt vorgekommen.
Er schüttelte den Kopf und knurrte seinen Schmerz hervor. Er musste seine Bewegungen gut überdenken.
Vielleicht wollte sie auch nichts als ein wenig Spaß mit ihm verbringen, den es nie gegeben hat; deswegen war er nun uninteressant.
Doch wenn Mona solch eine Person war, verlor er jegliche Hoffnung in die Menschheit.
Ryoyu fand sich mit dem Gedanken ab, dass er nicht im Geringsten wusste, was zwischen ihm und Mona vor sich ging. Er wusste nur, dass er den Kater seines Lebens hatte und denken diesen keineswegs verbesserte.
Geschlagen warf er sich zurück ins Bett und drückte den Kopf ins Kissen, als würde er dadurch einschlafen.
Doch der Gedanke, dass zwischen ihm und Mona eine unbeschreibliche Situation herrschte, gab ihm zu schaffen.
Ryoyu hasste es, wenn er etwas gegenüberstand, das er nicht kontrollieren konnte.
Dann hätte ich kein Skispringer werden dürfen.
Er seufzte wieder und drehte sich auf den Rücken. Sein Blick schweifte zu den Kartons und er rappelte sich auf.
Vielleicht bringt mich das Zusammenbauen auf andere Gedanken.
Er begann die Kartons mit dem neuen Messer zu öffnen und verstaute die Beute aus der Tasche in der Küche.
"Nie wieder Reiswein, alleine", hauchte er sich selbst zu und tippte auf seinem Smartphone herum, um nach einer brauchbaren Musik zu suchen. Diese Stille brachte ihn um und etwas Musik wird der trüben Stimmung im Raum gut tun.
Doch stattdessen bekam er einen Anruf von Naoki.
Die japanische Mannschaft machte es sich gerade auf Hawaii gemütlich; ohne Ryoyu, ohne Naoki.
Ryoyu hatte davon gesprochen, einfach nicht mitkommen zu wollen, da er Junshiro für ein paar Wochen aus den Augen haben wollte und Naoki machte sich an den Führerschein.
"Wie war die erste Fahrstunde?", kam es ohne normale Begrüßung und Naoki bemerkte diese Frage nur mit kurzen Lachen.
"Sag' mal, hattest du gestern einen ziemlichen Kurzschluss?"
Langsam wurde Ryoyu nervös, da ihm das schlechte Gefühl beschlich, neben den verlorenen Splatoon Kämpfen auch noch etwas anderes getan zu haben.
"W-Wieso?", stotterte Kobayashi hervor.
"Du hast mich gestern zehnmal angerufen, deswegen."
Ryoyu atmete erleichtert auf und versuchte sich im Kopf eine Ausrede zusammenzureimen. Würde er Nakamura erzählen, dass er stockbesoffen war und das noch dazu allein in der Wohnung vollbracht hat, wird er ihn mit Fragen überhäufen, auf die er keine Lust hatte.
"Ich hab' mir gestern ein neues Bett gekauft und wollte fragen, ob du mir beim Zusammenbauen helfen könntest."
"Klar doch", wirkte Naoki erfreut über die Idee, "Holst du mich am Hauptbahnhof ab?"
"Meld' dich dann nochmal."
"Dann bis später."
Ryoyu warf das Smartphone auf die Arbeitsfläche und raufte sich die Haare. Seine Wohnung roch wie eine Schnapsbar und sein Mund noch mehr, worauf seine Notlüge gleich enttarnt werden würde, setzte Naoki einen Fuß hier herein.
Hektisch riss Ryoyu die Fenster auf und rannte ins Badezimmer, um sich dort die Zähne nicht nur einmal zu putzen; er schrubte sich diese zu Tode.
Auch wenn er nicht wusste, warum er sich so einen Stress machte, während er beim in die Hose schlüpfen beinahe umgefallen wäre, scheint es bei ihm um Leben oder Tod zu gehen.
Naoki würde sowieso knappe drei Stunden brauchen, bis er bei ihm war. Nakamura war letztes Jahr in die Präfektur Aomori gezogen, sonst wäre dieses Treffen kaum möglich; von Rumoi in Hokkaido bis nach Hanamaki war ein halber Tag Reisezeit Programm.
Ryoyu sah etwas hilflos in die teils verwüstete Wohnung.
Ich muss endlich mal meine Klamotten einräumen.
So arbeitete er sich vor, sein Kopf an die Schädeldecke donnerte, als würde dort ein Gewitter mit einem Tsunami und einem Tornado als Krönung herrschen.
Und langsam bezweifelte er, ob dieses Treffen mit Naoki eine wirklich so gute Idee war.
Schließlich brauch' ich jemanden, der sich mit der Bauanleitung auseinandersetzt.
Kobayashi lungerte schließlich eine halbe Ewigkeit im Bett herum, während er sich dabei immer wieder ertappte, an sie zu denken.
Eigentlich wollte er seine Sachen zusammenpacken und einfach abhauen. Er hatte sich schon nach der Aufenthaltsdauer in Österreich erkundigt und dürfte dort, als japanischer Staatsbürger, sechs Monate ohne Visum verbringen; wenn er dort arbeitet, sogar länger.
Doch was bringt es mir in Österreich herumzulaufen, wenn sich Mona für mich nicht mehr interessiert?
Er seufzte und sah auf sein Smartphone. Naoki hat geschrieben, dass er in 15 Minuten am Bahnhof sein wird. Grund für Ryoyu, sich aus dem Bett zu schwingen und ihn abzuholen.
Als die beiden in Ryoyus Wohnung kamen, staunte Nakamura erstmal.
"Gemütlich, muss ich schon sagen", lächelte er und hing die Tasche an einen Stuhl, "aber wo ist der Patient?"
Ryoyu zeigte mit der Hand auf die bereits in den Schlafbereich geschobenen Kartons, während er sich eine Schläfe rieb.
Naoki ließ es unkommentiert.
So machten sie sich ans Auspacken und Naoki begann sich an der Anleitung zu orientieren.
Als das Grundgestell bereits stand, fragte Naoki danach, etwas zu trinken.
"Bedien' dich", setzte Ryoyu sich auf das Bett und begann auf dem Smartphone herumzutippen, "in der rechten Tür vom Wandschrank."
Nakamura hielt in seiner Handlung, sich Wasser einzuschenken, als er die leere Flasche Sake neben der Spüle stehen sah.
"Hattest du gestern noch eine Einweihungsparty?", lachte Nakamura und nahm einen Schluck Wasser.
"Mit Yuka", murmelte Ryoyu abwesend hervor und Naoki runzelte leicht die Stirn. Er wusste, dass er ihn angelogen hat.
Denn Naoki war gestern bei Yuka und Kitsuya gewesen.
"Sollen wir Mittag wohin gehen? Warst du schon mal unterwegs?", stieg Naoki jedoch darauf nicht ein und drehte sich zu Ryoyu.
Ryoyu hob den Kopf und schüttelte ihn, endlich erklang Musik im Zimmer, die er seit gestern schon vermisst hatte.
Naoki scheint hiermit mit sich selbst zu beschließen, dass sie heute sich ein gutes Restaurant suchen.
Er stellte das Glas zur Seite und so machten sie sich an das Zusammenstöpseln der beiden Lattenroste, was einfacher gesagt als getan war.
Naoki hatte verkrampft gefühlt zwanzig Teile in der Hand, während Ryoyu versuchte, die Latten einzufädeln.
"Wer erfindet so etwas Kompliziertes?", prustete Nakamura hervor, während Ryoyu nur mit halber Konzentration dabei war.
Er begann den Sinn hinter dem großen Bett langsam zu überdenken.
Vielleicht wäre ein normales Bett sinnvoller gewesen.
Wenn ich doch endlich aufhören würde an Mona zu denken, der ich sowieso egal bin und mir einmal klar mache, dass ich keine...
Ryoyu sah auf seinen Fuß und erkannte danach, wie Naoki rücklings samt dem Drittel Lattenrost auf die riesige Matratze fiel.
Langsam begann Kobayashi zu realisieren, was gerade passiert war und dass sein kleiner Zeh pochte.
Er zog den Fuß unter dem Holz hervor und setzte sich auf den Boden, um hastig die Socke von seinem Fuß zu zerren.
Tränen flossen über seine Wangen und er wusste nun auch warum. Sein Zehennägel, blauer als er am Morgen und die gerötete Haut am Pochen.
Ryoyu war im Inbegriff des Spektakels eines gebrochenen Zeh; erneut.
Er hatte sich letztes Jahr beim Volleyball spielen den großen Zeh gebrochen und seinem Gefühl zu urteilen, war der kleine vor seinen Augen dies ebenfalls.
Doch auch wenn er wusste, wie er ihn verbinden musste, beschlich ihn das Gefühl, doch besser bei einem Krankenhaus vorbeizuschauen, da er etwas verbogen war.
Naoki ging neben ihm in die Hocke und starrte auf den Fuß.
"Ich glaube, wir müssen ins Krankenhaus", lächelte Ryoyu matt und zog sich vorsichtig den Socken wieder an. Naoki war erstaunt, wie leicht Kobayashi dies nahm.
"Danach können wir uns gleich nach Mittagessen umsehen."
Nakamura brachte Ryoyu den Schuh, in welchen er sich zwängte und sammelte die wichtigsten Dinge zusammen.
Humpelnd folgte Kobayashi Naoki in den Aufzug, den er zum ersten Mal betrat. Er wirkte alt und für ihn etwas beängstigend.
"Also so hab' ich mir meinen ersten Ausflug nicht vorgestellt", entfaltete sich der komplette Schmerz bis in seinen Mittelfußknochen und Naoki sah ihn mitleidend an, "aber du hast nicht schuld daran."
Ryoyu kannte diesen Blick. Er ähnelte dem von Masamitsu damals.
Als sie aus dem Wohnblock schritten, kam zum ersten Mal die Frage auf, wo sich hier eigentlich ein Krankenhaus befand.
Naoki begann danach zu suchen. Ryoyu hoffte nur, dass es nicht weit von einer U-Bahn Station war. Wo er vorhin nichts gespürt hat, warfen ihn jetzt die Schmerzen beinahe von den Füßen.
"Wir müssen mit dem Bus fünf Stationen in diese Richtung", kam es detaillierter von Naoki als erwartet und er griff Kobayashi unter dem Arm, um den kleinen Weg bis zur Bushaltestelle zu bewältigen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top