XXIII; [time_sleep_until();]
Im dritten Stockwerk angekommen, atmete sie erst einmal durch. In jetziger Hinsicht wäre es doch besser gewesen, eine Hälfte Essen zuhause gelassen zu haben. Dennoch konnte sie sich selbst trösten, dass sie den Koffer erst in zwei Monaten wieder über die Stufen abtransportieren muss.
Sie sah auf und erkannte vier Türen, von denen zwei und zwei Türen sich parallel gegenüberstanden. Die Wände im Flur waren in weiß gehalten und die Türen in hellem Holz.
Mona ließ den Koffer stehen und betrachtete die beiden ersten Türen zu ihrer linken. Eine Wohnung wurde von einer Familie Holzer belebt, während das andere Schild keinen Namen besaß. Auf der rechten Seite wohnte eine Frau Grassl und die zweite Tür war auch namenlos.
Ohne kurz zu zögern, drückte sie an der Klingel der nicht beschrifteten Tür, bekam aber nichts als durch das Holz es klingeln zu hören. Auch zwei Schritte der anderen leeren Wohnung genähert, drückte sie die Türklingel und bekam dasselbe Ergebnis wie vorhin.
So zog sie den Koffer, der immer noch inmitten des Flurs stand, zur kleinen Wand die die gegenüberliegenden Türen trennte. Auch ihre Gitarre wurde vom Rücken genommen und an diese gelehnt. Sie ließ sich im Schneidersitz neben ihrem Gepäck nieder und strich sich ein paar kitzelnde Strähnen aus der Stirn.
Vielleicht war es in ferner Zukunft doch noch zu erwarten, dass sie sich die Haare schnitt. Seit dies alles mit Ryoyu passiert war, hatte sie das Verlangen, etwas an ihr zu verändern. Doch sie wusste nicht, woher der gewünschte Wandel ihrer eigenen Person aus dem Nichts kam.
Auch wenn viele sagen, ihre Haaren glichen denen von Lorde, der australischen Sängerin, kümmerte es Mona kaum. Freunde wollte sie dadurch nicht gewinnen, die sie nach wenigen Wochen wieder liegen lassen.
"Hat deswegen Ryoyu mich gemocht?"
Sie zuckte zusammen als sie ihre geglaubten Gedanken eigentlich aus ihrem Mund hörte und hielt sich eine Hand vor diesen. Sie sah kurz um sich und lauschte, ob dies niemand gehört haben könnte.
Doch wenig Funken Wahrheit könnte dies in sich tragen. Zumindest jeder kannte Lorde. Mona konnte nicht glauben, dass sie mit ihren Songs nicht bis nach Japan vorgedrungen war.
Sie schüttelte ihren Kopf und konnte nicht glauben, so etwas zu denken. Dennoch verlangte ihr Kopf dies auf die Probe zu stellen. Sie legte den Koffer um, dass sie ihr Essen erkennen konnte und öffnete den Reißverschluss. Ein kleine, handgroße Tafel wanderte nach dem Auspacken in ihren Mund und trieb den Blutzuckerspiegel wieder etwas in die Höhe. Doch sie schloss den Koffer wieder, da sie das Gefühl hatte, gleich von den richtigen Personen aufgegabelt zu werden, weswegen sie hier war.
Es hat doch alles sich angefühlt, dass es von Anhieb an richtig gewesen war. Wie wenn man ein Projekt machte und man wusste von Anfang an, es wird funktionieren. Für die Liebe konnte man dies also nicht übersetzen.
Langsam flossen Tränen über ihre Wangen, welcher Schmerz schon drückend in der Brust gebrannt hatte. Es war endlich wieder einmal an der Zeit, zu weinen; viel zu lange hat sie es unterdrückt.
Der Notenabsturz, das nicht Antreten bei den Prüfungen und das zu wiederholende Schuljahr in einer Klasse, die ihr fremd war.
Als dies hatte sie mit einem Lächeln freundlich hingenommen und niemanden gezeigt, wie ihr tiefes Inneres aussah. Es war durchlöchert von Worten und Taten anderer Personen, von denen sie später gewollt hätte, sie niemals in ihrem Leben teilhaben zu lassen. Manchmal wollte sie lieber in einer Welt alleine leben. Nur sie und ihre Programmierzeilen.
Dann hätte sie Ryoyu nicht kennengelernt.
Mona zog ihre Beine an, schlang die Arme darum und vergrub ihre Nase zwischen ihren Knien. Langsam begann sie müde zu werden; war die Reise ziemlich anstrengend gewesen. Dennoch verfiel sie nicht dem Schlaf sondern starrte wie paralysiert auf den Boden; fuhr mit ihren Augen die Fugen zwischen den hellgrauen Fließen entlang.
Als ein paar schwarze Laufschuhe ihren Blick an diesen kleben ließ. Durch ihre Musik hörte sie einen Schlüssel klimpern und die Person scheint sich nicht mehr zu bewegen. Langsam ging der vor ihr stehende Mensch in die Knie und versuchte mit seinen Augen ihre abzufangen; Blickkontakt mit ihr aufzunehmen.
Mona hob ihren Kopf und auch ihr Gegenüber richtete sich auf, dennoch in der Hocke verweilend. Nach seinem Blick zu urteilen ging irgendetwas in seinem Kopf vor, welches Spektakel man als Nachdenken bezeichnen möge.
Er atmete erschrocken ein und hielt diese an. Seine Brille wurde kurz abgenommen, um sich über das Gesicht zu streichen, die Luft ausgestoßen und nach dem Aufsetzen, wurde Mona eine Hand entgegen gestreckt. In seinen Gesichtszügen stand so etwas wie Bedauern.
"Bist du Mona?"
Diese war noch etwas in ihre Gedankenwelt versunken und reagiert im ersten Moment nicht. Sie schüttelte sich aus ihrer Wolke und griff nach der Hand; sie begrüßten sich.
Bei genauerer Hinsicht, sah der Mann der nun in seinen dreißiger Jahren sein müsste, ziemlich verschwitzt aus. Das Sportshirt klebte etwas an seiner Haut und seine Haare waren leicht nass. Die Brille war schlicht, modern; besaß ein rotes Brillengestell.
Um irgendeine Reaktion von sich zu geben, nickte sie und der Mann richtete sich nun ganz auf, ohne ihre Hand loszulassen. Er zog sie ohne ein Wort auf die Beine und kämpfte sichtlich mit Worten, als die Hände beider gesenkt waren. Er hatte wenig Selbstvertrauen, Mona in die Augen zu sehen.
Sie zog die Kopfhörer aus ihren Ohren, stoppte die Musik, stopfte das Ganze in ihre Hosentasche und bückte sich, um den Koffer wieder auf seine Rollen zu stellen. Er hatte sich zwar nicht vorgestellt, dennoch wusste sie, dass es das Oberhaupt der Familie war, dem sie gegenüberstand.
"Wie hab' ich das nur vergessen", hauchte er hervor und war bereits dabei, die Tür aufzusperren. Heute am Morgen hat er es noch auf dem Kalender gelesen, doch war es während des Trainingstages aus seinem Kopf verpufft.
Auch wegen dieser Verspätung, konnte Monas Laune sich kaum verändern. Viel Erwartung hat sich die Tirolerin sowieso nicht in diesen Sommerjob gelegt und außerdem, war ihre Stimmung innerlich mit einem Höllenfeuer zu vergleichen.
Die Tür geöffnet, fand seine mitgebrachte Trainingstasche auch schon Platz auf der kleinen Bank, die als Sitzgelegenheit meist für die Kinder beim Anziehen diente.
"Bitte komm' rein", bat er Mona, die noch etwas verloren auf dem Fußabstreifer stand. Sie folgte dem Aufruf, streifte ihre Converse ab und trat ein. Sofort stieg ihr ein süßer Duft von Keksen in die Nase, der sie neugierig werden ließ.
Er war schon aus seinen Schuhe geschlüpft und hing den Schlüsselbund an das Schlüsselbrett neben dem runden Spiegel. Sein Blick fiel auf seine Armbanduhr und es war bereits halb 5. Wann seine Mutter die Kinder vorbeibringen wird, wusste er nicht. Jedoch hatte er nun Zeit, Mona alles zu zeigen, nachdem er schon vergessen hatte, sie abzuholen.
"Stell deine Schuhe einfach irgendwo dazu", deutete er auf den Haufen aus Schuhen unterschiedlicher Größen und Farben. Er hastete an ihr vorbei und schloss die Tür hinter sich, die sie vergessen hatte. Sie war einfach wie benebelt von all dem neuen, das sie erwarten wird. Der Koffer wurde ihr entwendet und vor die erste geschlossene Tür im weiteren Verlauf des Ganges gestellt. Die Gitarre lehnte sie daneben an die Wand und ging seiner Bitte nach, ihm zu folgen.
Sofort kam sie durch eine Glastür in ein helles Wohnzimmer. Die Wände schlicht weiß, wobei die zu ihrer rechten mit Familienbildern und unterschiedlichen Rahmen verziert worden war. Ein Sofa und ein kleiner Tisch, sowie ein Fernseher und das Wohnzimmer war komplett ausgestattet. Ein großer gewebter Teppich war unter der Couch ausgebreitet, der noch etwas in den restlichen Raum reichte. Der Boden war aus Holz und die Fensterfront unbeschreiblich bei diesem langsam untergehenden Sonnenschein.
Vorsichtig machte sie einen Schritt vor den anderen und kam um die Ecke. Hier stand ein großer Esstisch aus Massivholz und mehrere Tisch rundherum. Die Fensterfront reichte bis hierhin.
Dem Tisch der Längsseite parallel gegenüber, erstreckte sich ein Kochinsel, die wie die gesamte Küche in weiß, Chrom und schwarzen Küchengeräten gehalten war. Er hatte den Kopf bereits in den Kühlschrank gesteckt und holte einen kleinen Bund Karotten, einen roten Paprika und eine Stange Lauch heraus. Ein Topf mit Wasser stand schon auf der Kochplatte, inmitten der Insel und Mona konnte sich nicht erinnern, Küchengeklimper gehört zu haben.
"Hast du noch Hunger?", überfiel er sie fast mit der Frage. Eigentlich kochte er nach dem Training meist für sich und die Kinder, doch diesmal musste er für eine weitere Person mitkochen. "Hattest du überhaupt etwas zu Mittag?"
Mona war überfordert, ob sie nun Nicken oder den Kopf schütteln sollte. Zwei Fragen hatte er ihr gestellt und sie wusste kaum, weswegen es ihr so die Sprache verschlagen hat.
"Also hattest du dein Zunge als Mittagessen", deutete er ihr, sich auf einen der Stühlen niederzulassen. "Wenn du nichts mit mir sprichst", lockerte er mit seiner humorvollen Aussage die Stimmung etwas.
Sie lachte kurz und sah auf die Tischplatte, als sie sich niederließ. Nun entdeckte sie den Duft, der in der Wohnung hing. Haferflockenkekse standen auf einem Teller unter einer Glasglocke auf dem Tisch und warteten darauf, verzehrt zu werden.
"Entschuldigen Sie...", begann Mona, wurde aber sofort darauf hingewiesen, ihn wie auch seine Frau mit keinerlei Höflichkeitsform ansprechen zu müssen. Schließlich war sie für mehrere Wochen ein Teil ihrer Familie.
"Ich bin noch immer etwas in Gedanken", schüttelte sie den Kopf und rückte den Stuhl so zurecht, dass sie zusehen konnte, was er zu kochen begann. Er war ziemlich schnell in dem, was er vorbereitete und zeigte Mona somit, dass er dies nicht einmal in der Woche tat.
"Ich bin übrigens Simon", lächelte er verlegen, da ihm aufgefallen war, dass er sich nicht einmal vorgestellt hatte. Yana hat mit Mona geschrieben und somit konnte er nicht hundertprozentig sagen, ob sie seinen Namen wusste oder nichts. Zumindest wusste er nicht, wie viel Linus ihr von hier erzählt hatte. "Mit Yana hast du ja bereits geschrieben."
Mona musste einen Anstarrwettbewerb mit den Keksen durchmachen, die sie in ihren Bann zogen. Dennoch versuchte sie Simon so gut wie es ging, zu antworten.
"Das hab ich, ja", kam es knapp und sie nahm sich zusammen, eine gegenfrage zu stellen. "Was arbeitet Yana, wenn ich fragen darf?"
Simon war dabei, etwas in einer Pfanne anzubraten und beobachtete stumm, wie Mona den Teller in der Tischmitte betrachtete. Sie scheint ein Verlangen nach den Keksen der Kinder zu haben, von denen Yana jede Woche neue backen musste, da meist Simon sie aufaß. Weitgehend waren sie für Charlotte gedacht, die mit ihren Zähnen zu kämpfen hatte und daran nach Belieben herumkauen konnte.
Doch je länger er Mona ansah, desto mehr könnte er mit sich wetten, sie schon einmal irgendwo gesehen zu haben.
Diese Haare und diese aussagekräftiger Wille in ihren blau-grünen Augen.
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