XV;
Mit dem Kopf lugte Mona durch ihre Zimmertür in den Flur.
Ihre Haare wellten sich sanft mit der Schwerkraft dem Boden entlang. Im sanften Licht schimmerte der tief schwarze Stoff ihres Kleides, welches leicht am Rand unter dem grauen Mantel hervorlugte.
Sie wagte noch einen Blick zurück in den Raum und schob die Schlüsselkarte, die am Kästchen lag, ein.
Ob sie bereit für ihre Flucht war, war sie sich selbst noch nicht so sicher.
Mona huschte nach draußen und schloss die Tür lautlos. Einzig war das Selbstverriegeln der Tür zu vernehmen und ein leicht diskutierendes Paar im Nebenzimmer. Ihr Deckschatten um unbemerkt den Flur zu passieren.
Ihr Herz pochte ihr bis zum Hals, als würde sie aus einem Gefängnis flüchten wollen.
Sie hat noch nie etwas getan, was ihr nicht erlaubt gewesen war.
Sie stieg in den Lift und hoffte inständig, niemanden zu treffen.
In ihrem Kopf hatte sie schon mehrere Szenarien abgearbeitet und wie sie darauf reagieren wird, jedoch bewusst die Folgen nicht durchdacht; sonst würde sie wahrscheinlich gar nicht aus dem Zimmer gegangen sein.
Der Aufzug hielt, öffnete seine Türen und Mona stürmte an der Rezeption ins Freie. Den Blick der Rezeptionistin hat sie nur flüchtig mitbekommen, der ihr ein leicht entspanntes Schmunzeln auf die Lippen gezaubert hat.
Als sie einige Meter in den hohen Schuhen gerannt und das Gebäude außer Sichtweite war, hielt sie.
Bei jedem Hauch erschien eine kleine Wolke vor ihrem Gesicht und es war bitterkalt; fast zu kalt für ein Kleid. Dennoch musste sie gestehen, sich selbst wunderschön zu fühlen, welche Tat bei ihr selten der Fall war.
Sie dachte oft zu viel darüber nach, was andere Leute von ihr, ihrer Kleidung dachten, worauf sie sich meist so anzog, damit sie nicht auffallen wird.
Mona zog sich den Mantel etwas zu und vergrub den Mund im Kragen, bevor sie ihr Smartphone hervorholte. Sie musste den Weg zur Therme finden ohne übermäßig zu spät zu sein.
Als sie eine Bushaltestelle vor ihr sah, schoss ihr ein Gedanken. Eine Idee, an die sie nicht gedacht hatte.
Eigentlich könnte sie auch versuchen, mit dem Bus schneller voranzukommen. Doch als sie über ihr Smartphone die am nahsten liegende Bushaltestelle ausfindig machen konnten, wurde der Gedanke eines öffentlichen Transportmittels einfach gesprengt.
Kein Bus mehr um diese Uhrzeit.
Also trat sie den Weg an, der bis zu einem dreiviertel gleich war, wie ihr heutiger Weg zum Buchgeschäft gewesen war.
Die Straßenlaternen spendeten Licht und Mona hing ihren Gedanken nach, die bereits Pläne für die Zukunft schmiedeten.
Wenn alles gut ging, würde Ryoyu nächstes Jahr wieder bei der Vierschanzentournee dabei sein und schließlich Mona mit ihm etwas unternehmen können.
Er könnte auch bei ihr die freien Tage verbringen, in denen ein Nachhausefahren sich nicht lohnt.
Sie wusste jedoch nicht, wie sie ihm von ihrer Idee erzählen soll.
Ryoyu war nichts, an dass sich Mona festklammern würde. Sie fand nur, dass sie in seiner Nähe immer Spaß hatte. Als würde er ihr eine Aufmerksamkeit entgegenbringen, die ihr fehlte. Außerdem hatte er eine sonniges Gemüt, auf welches Mona neidisch war. Oft wünschte sie sich so etwas auch zu besitzen und das Leben von der schöneren Seite zu betrachten.
Vielleicht war es auch das.
Das Zeigen einer Seite, die Mona gerne hätte und als würde sie diese durch das Verbringen mit Ryoyu erlernen können.
Vielleicht auch, weil er ihr zeigen will, wie das Leben besser zu gestalten war.
Sie seufzte kurz und rieb sich über die Stirn.
Zu sagen, sich nicht an ihn festklammern wollen, war ein wenig gelogen.
Alleine ihn anzusehen, seine Stimme zu hören, genügte ihr vollkommen, um an das Weitermachen zu denken. Jedoch verdrängte sie ihn in ihrem Hinterkopf auch ein wenig.
Ryoyu war ein guter Sportler mit Willenskraft.
Der brachte kaum Zeit für so jemanden wie Mona auf, wenn es nicht schon Zeitverschwendung war.
Sie musterte das Straßenschild und drehte sich nach links. In der Ferne war ein großes Gebäude zu erkennen, stark beleuchtet, auf welches sie nun zuging.
Vielleicht würde alles in ihrem Kopf am heutigen Tag Ordnung finden.
Vielleicht wird sie verstehen, was ihr Herz ihr zu sagen versucht.
Als sie nun vor dem Gebäude stand, modern und prunkvoll, herrschte ein Gewirr aus Autos und Menschen, die alle auf einen Eingang zu strömten.
Jeden dunkelhaarigen musterte sie und ging langsam auf die beiden geöffneten Schwingtüren zu.
Was würde sie tun, wenn sie Ryoyu nicht finden würde.
Die einfachste Methode war es, wieder zurück zum Hotel zu gehen und ihm zu schreiben, doch nicht zu kommen. Auch wenn es eine reine Lüge war. Doch Mona war zu schüchtern zu fragen und sich ihm Hinterkopf zusammenzureimen, was sich die gefragten Personen denken müssten, wollte sie sich ersparen.
Einel Griff, der sich schnell um ihr Handgelenk schlang, ließ Mona aufzucken.
Sie sah in ein Gesicht, mit Brille auf der Nase und leger in Mannschaftsjacke gesteckt. Sein Lächeln spannte seine Wangen zu kleinen Bäckchen und zeigte kleine Lachgrübchen.
Mona krallte ihre Finger an das Innenfutter ihrer Jackentaschen.
"Du bist doch noch gekommen", sprach er erfreut und Mona sah hinter Ryoyu Yukiya hervorlugen. Sie alle hatten sich offensichtlich für den Mannschaftslook entschieden und Mona hätte sich gewünscht, doch eine Jeans anzuziehen.
Doch Ryoyu scheint es weniger zu stören.
Er zog sie ohne ein Wort in Richtung Eingang, wo bereits Taku und Hideharu warteten. Takeuchi war weniger überrascht über die Begleitung Kobayashis, als es der Trainer war. Er musterte sie von oben bis unten und ihr wurde immer unbehagener.
Wenn sie so um sich sah, waren einige, wenn auch wenige, in Anzug gesteckt. Die anderen wollten sich mit ihrer Kleidung zu ihrem Land identifizieren lassen.
Sie griff fester nach Ryoyus Hand, die sich unbemerkt um ihre geschlungen hat, als sie gemeinsam den Weg antraten.
Die Eingangshalle war, so wie die für sich sprechende Außenfassade, modern gehalten. Jedoch, wenn Mona nun so nachdachte, wusste sie nicht wirklich was sie am Abend erwarten wird.
Ryoyu war gerade dabei, sie zu mustern. Er hätte sich sie nicht schöner vorstellen können, als wie sie nun vor ihm stand. Sein Blick schweifte kurz nach vor.
Taku, Junshiro und Hideharu gingen vor den dreien, als wären sie die Bodyguards vom japanischen Königspaar und Yukiya war der uneheliche Prinz.
Als sein älterer Bruder auch nur die Anstalt machte, über die Schulter zu sehen, riss Ryoyu die Hand von Mona los, nach der eigentlich er sich geklammert hatte und zog sich die Jacke als Alibi aus. Das Gespräch von gestern war aussagekräftig gewesen. Erneut.
Ryoyu kam es so vor, als würde Junshiro glauben, ihm etwas Gutes zu tun. Er selbst war jedoch geteilter Meinung und glaubte, dass sein älterer Bruder sich viel zu viele Gedanken machte. Es war weniger zwischen den zweien, als er glaubte.
Jedoch schmerzte es jedes Mal, wenn Junshiro schlecht über Mona sprach, wenn auch nur indirekt.
Mona war zu fasziniert von den vielen Menschen und dem Gebäude, dass sie es kaum bemerkt hatte, dass eine Hand nicht mehr an ihre klammerte. Sie folgte einfach der Gruppe vor ihr, welches Gespräch eher aufgeregt als erfreut gestimmt war.
Doch sie verstand nichts und Ryoyu übersetzte nicht. Also war es nicht für sie bestimmt.
"Wer ist das Mädchen", zischte Hideharu ein drittes Mal an Takeuchi, da er von Junshiro keine Antwort bekommen hat, als würde er schmollen wie ein kleines Kind.
"Kann ich dir ehrlich nicht sagen", hob Taku seine Hand und klopfte dem Trainer leicht auf die Schulter. Er war gerade dabei, ziemlich offensichtlich, Mona nochmals zu mustern, als würde sie ihm bekannt vorkommen. Dieser zuckte zusammen und richtete seinen Blick wieder gerade aus, nachdem er Takus streifte.
"Lasst Ryoyu doch mal. Mit seinen 23 ist er kein Kind mehr", versuchte der Mittlere die beiden Männer neben sich zu überzeugen, kassiert nur ein Augendrehen von Hideharu und unverständlich gemurmelte Worte von Junshiro.
Sie atmete tief durch und versuchte nicht den Fluchtinstinkt in ihr aufblühen zu lassen, der alleine schon wegen ihrer Kleiderwahl angefacht worden war.
Sie hatte nun das Gefühl, dass es doch um sie ging.
Auch wenn Ryoyu nur einfach gekleidet war, sah er dennoch wunderschön aus; und seine Nase wurde durch die Brille lieblich betont. Ihr waren nie seine Grübchen aufgefallen.
In seinen Augen war so etwas wie Anspannung zu sehen.
"Wir können euch hören", gab Yukiya von sich und damit verstummte der Dreierpack. Sato war es ein Dorn im Auge; als wie wenn sie es nicht im Hotel besprechen könnten.
Ryoyu scheute bestimmt einen Blick, doch zu wem dieser Blick gehört, begriff Mona noch nicht so wirklich.
Sie wanderten nun eine Treppe hinauf, die von keinem der anderen Gäste genutzt wurde. Am Ende war jedoch eine Empore, von welcher sie auf die Bühne herabsehen konnten. Vor dieser Bühne saßen viele Menschen an Tischen mit bis zu sechs Stühlen; weißes Inventar. Vor der Bühne waren links und rechts neben einem kleinen Weg knöcheltiefe Becken gefüllt mit Wasser und beleuchtet.
Alle hatten sich nun an das Geländer gelehnt und Mona nahm ihren Mantel ab. Jetzt erst fiel ihr auf, wo sich überhaupt der Grund für diese Feier befand. Noriaki war nicht mit von der Partie.
Mona lehnte sich auch an das kalte Geländer und stopfte den Mantel nun vor ihren Bauch, da es ihr schon eine Gänsehaut bescherte. Die Finger verschränkt, sah sie gebannt auf den Sprecher, der über die Bühne wandelte und sich als Hubert Neuper vorgestellt hatte.
Noriaki wurde von zwei jungen Frauen im Dirndl herein auf die Bühne begleitet und zeigte sein schönstes Lächeln.
Und auf einmal verstärkte sich die Gänsehaut von Mona um das Dreifache.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top